Aktuelle Dermatologie 2002; 28(6): 211-214
DOI: 10.1055/s-2002-33487
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Behandlung der fokalen Hyperhidrose der Stirn mit Botulinumtoxin

Treatment of Focal Hyperhidrosis of the Forehead with Botulinum ToxineR.  Schiener1 , M.  Weidmann1 , M.  Kerscher2 , R.  U.  Peter1
  • 1Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Abteilung Dermatologie, Venerologie und Allergologie (Leitender Arzt: Prof. Dr. R. U. Peter)
  • 2Universitätsklinikum Ulm, Abteilung Dermatologie (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. R. U. Peter)
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Dr. R. Schiener

Bundeswehrkrankenhaus Ulm · Abteilung Dermatologie, Venerologie und Allergologie ·

Oberer Eselsberg 40 · 89081 Ulm

Publication History

Publication Date:
22 August 2002 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Fokale Hyperhidrosen stellen für betroffene Patienten oftmals eine erhebliche Belastung dar. Da die bisher etablierten Therapieprinzipien oftmals entweder keine ausreichende Wirksamkeit besitzen oder aber mit erheblichen unerwünschten Wirkungen verbunden sind, etablierte sich in den letzten Jahren zunehmend die intrakutane Injektion von Botulinumtoxin A. Wir berichten über eine Patientin, deren ausgeprägte fokale Hyperhidrose im Bereich der Stirn mit der Injektion von 60 MU Botulinumtoxin A (Dysport) erfolgreich behandelt wurde. Der therapeutische Effekt hielt 8 Monate an, als „Nebeneffekt” trat eine Glättung der Stirnfalten, bedingt durch eine reversible Lähmung der Stirnmuskulatur, auf.

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Abstract

Focal hyperhidrosis often decreases quality of life of affected patients. Conventional medical therapy often is not satisfying due to lack of efficacy or severe unwanted side effects. Therefore the intracutaneous injection of Botulinumtoxin A increasingly might be of benefit for individual patients. We report a successful treatment of severe focal hyperhidrosis of the forehead with 60 MU Botulinumtoxin A (Dysport). The therapeutic effect lasted for 8 months. As a „side effect” we observed a reduction of wrinkles of the forehead caused by a reversible paresis of the underlying mimic muscles of the brow.

Fokale Hyperhidrosen sind relativ häufige Störungen der Schweißproduktion, deren Ursache größtenteils ungeklärt ist. Bevorzugte Stellen sind Hände, Achselregionen und Füße, gelegentlich kann auch die Gesichtsregion betroffen sein [1]. Da die Schweißsekretion oftmals schon bei geringster physischer oder psychischer Belastung an den betroffenen Körperregionen sichtbar wird, fühlen sich die Patienten erheblich beeinträchtigt [2].

Axilläre und palmoplantare Hyperhidrosen lassen sich oftmals durch die lokale Applikation von Aluminiumchloridhexahydrat behandeln diese Therapiemodalität führt jedoch häufig zu erheblichen irritativen Reizungen [3] [4]. Palmoplantare Hyperhidrosen lassen sich außerdem günstig durch Leitungswasseriontophoresen beeinflussen, jedoch ist, um den therapeutischen Erfolg aufrechtzuerhalten, eine dauerhafte Erhaltungstherapie erforderlich [5] [6] [7] [8]. Systemische anticholinerge Therapien weisen ein hohes Potenzial unerwünschter Wirkungen, insbesondere Mundtrockenheit, auf und erscheinen daher zur Behandlung fokaler Hyperhidrosen ungeeignet [9].

In den letzten Jahren etablierte sich die intrakutane Injektion von Botulinumtoxin A zunehmend zur Behandlung palmoplantarer und axillärer Hyperhidrosen [10] [11] [12] [13] [14] [15]. Auch in der Behandlung des gustatorischen Schwitzens kann diese Therapiemodalität mit Erfolg eingesetzt werden [16] [17]. Wir berichten hier über eine Patientin, deren ausgeprägte Hyperhidrose der Stirn erfolgreich mit Botulinumtoxin A behandelt werden konnte.

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Anamnese

Die 33-jährige Patientin leidet seit 2 Jahren unter einer ausgeprägten Hyperhidrose im Bereich der gesamten Stirn, die bei geringster körperlicher Anstrengung, beispielsweise beim Einkaufen, beim Steigen weniger Treppenstufen oder bei der Hausarbeit, auftritt. Der rasch herabrinnende Schweiß kann durch die Augenbrauen nicht ausreichend abgefangen werden, so dass er in die Augen fließt. Da die Patientin als Landwirtin regelmäßig auch stärkerer körperlicher Arbeit nachgeht, fühlt sie sich nicht nur durch die soziale Stigmatisierung ihrer Schweißbildung, sondern auch im beruflichen Alltag erheblich beeinträchtigt. Vortherapien mit aluminiumchloridhaltigen Externa konnten keinen befriedigenden therapeutischen Effekt erzielen.

Neurologische oder endokrinologische Erkrankungen sind nicht bekannt, es erfolgt keine regelmäßige Medikamenteneinnahme.

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Befund

Mäßig adipöse Patientin in gutem Allgemeinzustand. Internistisch und neurologisch orientierende Untersuchung unauffällig. Haut ohne pathologischen Befund, Dermographismus ruber.

Bereits nach leichter körperlicher Anstrengung (zügiges Treppensteigen über 1 Stockwerk) ausgeprägte Hyperhidrose im Bereich der gesamten Stirn (Abb. [1], [2]).

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Abb. 1 Befund vor Therapie: Ausgeprägte Hyperhidrosis der Stirn.

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Abb. 2 Prätherapeutische Objektivierung der Hyperhidrosis durch Minor’sche Schweißprobe.

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Diagnostik

Unauffällige Parameter für Blutbild, Differenzialblutbild, Schilddrüsenparameter und Leber- sowie Nierenwerte.

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Therapie

Nach intensiver Aufklärung Bestimmung des am meisten betroffenen und zu behandelnden Areals mit der Minor’schen Schweißprobe. Anschließend wurde das zu behandelnde Areal in 12 Regionen zu einer Fläche von je 2 × 2 cm unterteilt (Abb. [3]). Es wurden insgesamt 60 MU Botulinumtoxin A (Dysport) in einer einmaligen Sitzung streng intrakutan injiziert.

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Abb. 3 Darstellung der gewählten Injektionspunkte.

Nach 3 Tagen, auch nach körperlicher Belastung, vollständige Anhidrose im behandelten Areal (Abb. [4], [5]), zudem waren die mimischen Falten der Stirn verstrichen, der Patientin war ein Runzeln der Stirn nicht mehr möglich, eine Ptosis trat nicht auf (Abb. [6]). Der therapeutische Effekt war über 8 Monate stabil, danach kam es gleichzeitig zu erneut vermehrter Schweißsekretion und Reinnervation der mimischen Stirnmuskulatur mit dem Wiederauftreten mimischer Falten.

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Abb. 4 1 Woche nach Therapie mit Botulinumtoxin: Anhidrose des behandelten Areals.

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Abb. 5 Objektivierung des therapeutischen Erfolgs 1 Woche nach Therapie mit Botulinumtoxin durch Minor’sche Schweißprobe: Anhidrose im behandelten Areal.

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Abb. 6 Verstrichene mimische Falten der Stirn, Runzeln der Stirn nicht mehr möglich, keine Ptosis.

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Besprechung

Fokale Hyperhidrosen stellen aufgrund der oftmals erheblichen Stigmatisierung und des ausgeprägten Leidensdrucks Betroffener nach wie vor eine therapeutische Herausforderung dar. Palmoplantare und axilläre Hyperhidrosen lassen sich durch die Applikation von Aluminiumchloridhexahydrat-haltigen Externa bessern, jedoch treten hierbei häufig erhebliche Irritationen auf [3] [4], weshalb eine Anwendung im Gesichtsbereich nicht erfolgen sollte. Bei palmoplantaren Hyperhidrosen bietet sich oftmals eine Leitungswasseriontophorese an, jedoch ist in der Regel eine dauerhafte Erhaltungstherapie zur Aufrechterhaltung des therapeutischen Erfolgs notwendig [5] [6] [7]. Für axilläre Hyperhidrosen stehen mehrere operative Verfahren, beispielsweise die Sympathektomie, die subkutane Kurretage oder die Liposuktion der Schweißdrüsen zur Verfügung, die jedoch eine hohe Rezidivrate aufweisen [18] [19] [20]. Da die genannten Verfahren im Gesichtsbereich nur unzureichende therapeutische Alternativen darstellen, entschlossen wir uns bei der hier vorgestellten Patientin aufgrund des hohen Leidensdrucks zur Anwendung von Botulinumtoxin A.

Botulinumtoxin A, ein Toxin des Anaerobiers Clostridium perfringens, ist ein Neurotoxin, das eine präsynaptische Hemmung der Azetylcholinfreisetzung bewirkt [21]. Es wurde therapeutisch erstmals als nichtoperatives Verfahren zur Behandlung des Strabismus und in Folge bei multiplen dystonen Bewegungsstörungen, beispielsweise dem Torticollis spastikus, Blepharospasmen und hemifazialen Spasmen, eingesetzt [22] [23]. In jüngerer Zeit etablierte sich Botulinumtoxin A zunehmend zur Behandlung fokaler Hyperhidrosen. In halbseiten- und plazebokontrollierten Studien konnte eine gute Wirksamkeit in der Behandlung axillärer Hyperhidrosen aufgezeigt werden [13] [15]. Auch palmoplantare Hyperhidrosen lassen sich, ebenso wie das aurikulotemporale Syndrom (Frey-Syndrom), durch die intrakutane Injektion von Botulinumtoxin A gut therapieren [14] [16] [24]. Die Wirkdauer der Therapie mit Botulinumtoxin beträgt nach bisherigem Kenntnisstand 4 - 12 Monate, eine Wiederholung ist problemlos möglich, jedoch könnte die Wirksamkeit nach mehreren Wiederholungen durch die Bildung von Antikörpern gegen Botulinumtoxin reduziert sein [10].

Mangels therapeutischer Alternativen und angesichts des erheblichen Leidensdrucks leiteten wir bei unserer Patientin eine intrakutane Injektion von Botulinumtoxin A ein. Die Patientin wurde zuvor intensiv hinsichtlich möglicher unerwünschter Wirkungen, insbesondere hinsichtlich einer möglichen Parese der mimischen Stirnmuskulatur, aufgeklärt. Bereits 3 Tage nach der Behandlung zeigte sich ein vollständiges Sistieren der Hyperhidrose im behandelten Areal, jedoch trat trotz streng intrakutaner Injektion eine Parese der mimischen Stirnmuskulatur auf, die aber bedingt durch die damit einhergehende Glättung der Hautfalten von der Patientin nicht als störend empfunden wurde.

Botulinumtoxin A scheint eine viel versprechende Modalität zur Behandlung auch nicht palmar oder axillär lokalisierter fokaler Hyperhidrosen zu sein. Insbesondere an Körperregionen, an denen feinmotorische oder mimische Muskulatur sehr oberflächlich unter der Dermis lokalisiert ist, beispielsweise palmar oder im Gesichtsbereich, besteht jedoch die Gefahr, dass trotz streng intrakutaner Injektion aufgrund Diffusion in die benachbarten Regionen passagere Paresen auftreten [25]. Dennoch stellt die Therapie mit Botulinomtoxin A nach intensiver Patientenaufklärung und bei guter Fachkenntnis eine wirkungsvolle therapeutische Alternative mit einem im Vergleich zu anderen Therapiemodalitäten hohem therapeutischen Index bei lokalisierten Hyperhidrosen dar. Die optimale Dosierung und die geeignetsten Injektionsvolumina sollten jedoch in weiteren vergleichenden Studien erarbeitet werden.

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Dr. R. Schiener

Bundeswehrkrankenhaus Ulm · Abteilung Dermatologie, Venerologie und Allergologie ·

Oberer Eselsberg 40 · 89081 Ulm

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Literatur

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Dr. R. Schiener

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Oberer Eselsberg 40 · 89081 Ulm

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Abb. 1 Befund vor Therapie: Ausgeprägte Hyperhidrosis der Stirn.

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Abb. 2 Prätherapeutische Objektivierung der Hyperhidrosis durch Minor’sche Schweißprobe.

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Abb. 3 Darstellung der gewählten Injektionspunkte.

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Abb. 4 1 Woche nach Therapie mit Botulinumtoxin: Anhidrose des behandelten Areals.

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Abb. 5 Objektivierung des therapeutischen Erfolgs 1 Woche nach Therapie mit Botulinumtoxin durch Minor’sche Schweißprobe: Anhidrose im behandelten Areal.

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Abb. 6 Verstrichene mimische Falten der Stirn, Runzeln der Stirn nicht mehr möglich, keine Ptosis.