Einleitung
Einleitung
Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen oder Herzinsuffizienz sind in ihrer Belastbarkeit eingeschränkt. Diesen beiden Patientengruppen kommt eine große epidemiologische und ökonomische Bedeutung zu. Die COPD ist verantwortlich für 5 % aller ambulanten Arztbesuche und mehr als 13 % aller Krankenhauseinweisungen [3]. In der Mortalitätsreihung nimmt die COPD den 3. Platz ein, an der Morbidität gemessen Platz 5. 15 % der Kosten im Gesundheitssystem verursachen die Lungenerkrankungen, diese angeführt von der COPD [4]. Der 6-Minuten-Gehtest (6MGT) hilft, die funktionellen Reserven und das Ausmaß der Belastbarkeit von Patienten mit chronischen Lungen- und Herzerkrankungen in ihrem individuellen Alltag zu beurteilen, und dies in unkomplizierter Weise.
Klassische Ergometrieuntersuchungen auf dem Fahrrad oder auf dem Laufband sind gerade für ältere, gebrechliche oder schwergradig limitierte Menschen in aller Regel ungeeignet. Derartige Funktionsuntersuchungen spiegeln somit die Belastbarkeit im Alltag bei den genannten Patientengruppe nicht wider. Der 6MGT ist hierfür der geeignetere Maßstab [1].
Versuche mit Hilfe des 6MGT die Prognose bzw. Überlebenszeit, die Operabilität für Lungenteilresektionen oder die Indikation zur Lungentransplantation zu beurteilen, zeigen statistisch Korrelationen bzw. diskriminieren über alle Schweregrade chronischer Lungenerkrankungen. Die Voraussetzungen, die erlauben die statistische Auswertung ganzer Gruppen auf eine individuelle, klinisch-relevante Einschätzung zu übertragen, sind allerdings nicht gegeben [2].
Die Hauptvorteile des 6MGT sind dessen Einfachheit, der geringe Aufwand an Ressourcen (Korridor, Supervision) und die Möglichkeit, den 6MGT nahezu überall anwenden zu können. Eine finanzielle Investition, eine spezielle technische Ausstattung oder ein hoher personeller Einsatz sind nicht erforderlich [5].
Testdurchführung und Richtwerte
Testdurchführung und Richtwerte
Meist wird der 6MGT nach Guyatt [6] durchgeführt. In einem 20 bis 50 m langen Korridor gehen die Patienten von einem Ende zum anderen. Sie werden angeleitet, soviel Strecke wie möglich in 6 Minuten zurückzulegen. Alle 30 s werden die Patienten mit Anregungen, wie „das machen Sie gut” oder „weiter so”, aufgemuntert. Pausen sind erlaubt, aber das Gehen sollte wieder aufgenommen werden, sobald sich der Patient dazu in der Lage fühlt. Der verbale Ansporn („encouragement”) hat Einfluss auf die Gehstrecke, im Schnitt ca. 30 m bzw. 10 % bei Patienten mit COPD oder Herzinsuffizienz [6].
Wiederholungen des Tests führen zu einem Lerneffekt. Der Patient lernt, sich die Kraft einzuteilen und umzusetzen. Der zweite Test erreicht dabei ein Maximum, das nachfolgend zunächst nicht überschritten wird [7]. Der Lerneffekt mit Wiederholungen des 6MGT darf bei Vergleichs- und Verlaufsuntersuchungen nicht außer Acht gelassen werden. Er liegt bei 10 - 30 %iger Verlängerung der Gehstrecke bei Patienten mit chronischen kardiopulmonalen Erkrankungen [6]
[8].
Gibbons untersuchte 79 gesunde Probanden zwischen 20 und 80 Jahren. Im Mittel wurden 698 ± 96 m zurückgelegt. Größe, Alter und Geschlecht beeinflussten die Gehstrecke. Bei den gesunden Probanden zeigte eine Wiederholung des 6MGT keinen Lerneffekt; nur ⅕ der Probanden steigerte die Gehstrecke um weniger als 5 % (˜ 40 m) [9].
Abb. 1 Ergebnisprotokoll des 6-Minuten-Gehtests.
Enright und Sherill erstellten Formeln zur Vorausberechnung der 6-Minuten-Gehstrecke (6MGS) [10]. 290 gesunde Probanden zwischen 40 und 80 Jahren wurden untersucht. Ausschlusskriterien waren unter anderem Lungenerkrankungen, Herzschwäche, Arthrosen etc. Abgesehen von vernachlässigbaren Differenzen ergaben sich folgende Richtwerte: 40-Jährige legten im 6MGT um 600 m zurück, 80-Jährige um 400 m. Der untere Normbereich reicht bis ca. 140 m unter diese Mittelwerte. Die abgeleiteten Formeln sind:
Geschlechtsspezifische Regressionsgleichungen der 6MGS
(nach Enright [10])
Männer: 6MGS = (7,57 × Größe) - (5,02 × Alter) - (1,76 × Gewicht) - 309 m
6MGS = 1140 m - (5,61 × BMI) - (6,94 × Alter)
Frauen: 6MGS = (2,11 × Größe) - (5,78 × Alter) - (2,29 × Gewicht) + 667 m
6MGS = 1017 m - (6,24 × BMI) - (5,83 × Alter)
Männer, vereinfacht: 6MGS = 7 × Größe - 5 × Alter - 2 × Gewicht - 300 m
6MGS = 1200 - 6 × BMI - 7 × Alter
Frauen, vereinfacht: 6MGS = 2 × Größe - 6 × Alter - 2 × Gewicht + 700 m
6MGS = 1000 m - 6 × BMI - 6 × Alter
6GMS = 6-Minuten-Gehstrecke
Größe in cm, Alter in Jahren, Gewicht in kg, BMI = kg/Größe in cm im Quadrat
Bei 51 gesunden Menschen zwischen 50 und 85 Lebensjahren wurde eine mittlere 6MGS von 631 m (383 - 820) ermittelt. Alter, Größe und Gewicht beeinflussten die Gehstrecke. In dieser Erhebung beeinflusste auch das Geschlecht die Gehstrecke. Bei Männern lag die 6MGS im Schnitt um 680 m, bei Frauen um 580 m [11]. Diese Größenordnung der Richtwerte bestätigt sich in einer weiteren Arbeit [12].
Andere Gehtests
Andere Gehtests
Shuttle walk test
Der so genannte „shuttle walk test” (SWT) wurde initial in der Sportmedizin eingesetzt [13]. Es ist ein symptomlimitierter Lauftest, der im Gegensatz zu den einfachen Lauftests die Geschwindigkeit des Gehens durch ein akustisches Signal vorgibt und damit die Leistung stufenweise erhöht. Mit dem SWT wird die maximale Belastbarkeit des Probanden erfasst, der Test korreliert sehr gut mit der maximalen Sauerstoffaufnahme VO2max, ermittelt durch die Spiroergometrie [14]
[15]. Singh [16] modifizierte den SWT, um die maximale Belastbarkeit bei Patienten mit COPD zu ermitteln bzw. zu beschreiben, Revill aus der gleichen Arbeitsgruppe fügte eine Ausdauertestvariante hinzu [19].
Beim SWT wird der Patient aufgefordert, eine Gehstrecke von 10 m Länge (z. B. in einem Korridor oder entsprechend großem Raum) in stufenweise gesteigerter Gehgeschwindigkeit zurückzulegen. Die Geschwindigkeit des Gehens wird durch Signaltöne (Kassettenrekorder) vorgegeben. Kegel, die an den jeweiligen Enden der Gehstrecke umgangen werden müssen, markieren einen „shuttle”, dieser ist pro Signalton zu bewältigen. Kommt der Proband früher an, so wartet er bis das Signal ertönt. Initial werden über 1 Minute die Gehstrecke und die Geschwindigkeit abgestimmt. Nach kurzer Pause beginnt der Gehtest mit einer Geschwindigkeit von 0,5 m/s, minütlich wird sie moderat (z. B. 0,1 - 0,2 m/s) gesteigert, die Steigerung wird durch einen Dreifachton angekündigt. Der Test wird abgebrochen, wenn der Patient erschöpft ist und die Geschwindigkeit nicht mehr halten kann [15]
[16]. Natürlich gelten darüber hinaus die bekannten Abbruchkriterien für eine Belastungsuntersuchung [17]. Als Resultat des SWT wird die Gesamtgehstrecke in m angegeben, sie errechnet sich aus den abgeschlossenen „shuttles” multipliziert mit 10.
Bei Patienten, die beim SWT eine Gehstrecke von über 450 m zurücklegen, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt werden, dass sie eine maximale Sauerstoffaufnahme von über 14 ml/kg/min erreichen, die Arbeitsgruppe um Singh in Leicester bestätigte dies mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,88 [15]
[18]. Der SWT erfasst die maximale Belastbarkeit. Die submaximale Belastbarkeit, gemessen an der VO2max, die eine Langzeitbelastung im Steady-State erlaubt, liegt bei ca. 80 % der maximalen Belastung [19].
2-Minuten- und 12-Minuten-Gehtest
Hinsichtlich der prinzipiellen Durchführung ist der 2MGT dem 6MGT vergleichbar [20]
[21]. Die Reproduzierbarkeit und die Sensitivität des 2MGT bezüglich klinisch relevanter Veränderungen wurden aber als weniger gut eingestuft, hier schien der 6MGT valider [6].
Eine Reihe von Untersuchungen konnte zeigen, dass auch der 12MGT und der 6MGT vergleichbar sind [20]
[21]
[22]
[23]
[24]
[25]
[26]
[27]
[28]
[29]. 6 Minuten Belastung werden von Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen allerdings besser toleriert als 12 Minuten [20]. Zudem sind 12 Minuten Überwachung personalintensiver, ohne dass sich ein bedeutsamer Vorteil gegenüber dem 6MGT in den erwähnten Studien ergeben würde.
Den Nachteilen, für den 6MGT eine geeignete „Gehstrecke” nicht zur Verfügung zu haben, begegnet der 6-Minuten-Laufbandtest, ursprünglich von Beaumont, Cockcroft und Guz in die klinische Praxis eingeführt, und von Kirsten u. Mitarb. vor allem für die Rehabilitationsmedizin propagiert [117]
[118]. Neben dem technischen Aufwand (Laufband) ist im Vergleich zum „einfachen” 6MGT anzumerken, dass nicht jede Untersuchungsperson sich dem Rhythmus eines Laufbandes anpassen kann, der 6MGT ist somit individueller und praktisch für jedermann geeignet.
COPD
COPD
In den 70er Jahren wurde der 12MGT zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit bei obstruktiven Atemwegserkrankungen eingeführt [23]. Nachfolgend brachten Vergleiche mit dem 2MGT und dem 6MGT, dass letzterer zum Standard wurde. Der 6MGT ist reproduzierbarer und valider als der 2MGT [1]. Die Aussagefähigkeit des 6MGT stimmt mit dem 12MGT überein, er spiegelt die Anforderungen des täglichen Lebens an den Erkrankten realistisch wider und ist für die Patienten in der Durchführung angenehmer [6]
[20].
Atemnot bei körperlicher Belastung schränkt Menschen mit COPD zunehmend ein. Die gestörte Lungenfunktion und eine fortschreitende Dekonditionierung der Muskulatur sind die Hauptgründe [30]
[31]
[32]
[33]
[34]. Gehstrecke, kardiovaskuläre und muskuläre Konditionierung, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung, Atemnot und Motivation beeinflussen sich wechselseitig. Die Gehstrecke zur Charakterisierung der Leistungssituation des COPD-Patienten ist also nur ein Aspekt, die vorgenannten zusätzlichen Parameter sollten für die Gesamteinschätzung des Patienten miterfasst und im Urteil über den 6MGT mitbeschrieben werden [33]. Der dynamischen Überblähung kommt diesbezüglich eine besondere Rolle zu, die Zunahme der Überblähung bei Belastung korreliert negativ mit der 6MGS [34]. Die Fähigkeit, die Kräfte einzuteilen und die Bewegungsabläufe zu koordinieren, muss bei fortgeschrittener COPD geübt werden, das so genannte „self-pacing” [30]
[31]
[35].
Die subjektive Einschätzung der Belastbarkeit und Atemnot bei Belastung korreliert in der Gruppe der COPD-Patienten zwar statistisch mit der Gehstrecke, streut aber weit und ist damit nicht auf den Einzelfall übertragbar. Die Verbesserung oder Verschlechterung der Leistung wird erst ab ca. 15 % Differenz der Gehstrecke vom Patienten subjektiv als Verbesserung bzw. Verschlechterung wahrgenommen. Bei im Mittel 300 m waren dies in der Untersuchung von Redelmeier 54 m [36]. ⅔ der Studien, die signifikante Ergebnisse zum 6MGT erzielten, bewegten sich unter dieser Wahrnehmungsschwelle [2].
Die Korrelation der 6MGS mit Ergometrie und Spiroergometrie, also zu maximaler Wattzahl bzw. zu maximaler Sauerstoffaufnahme VO2max, wurde bei COPD-Patienten mehrfach untersucht [1]
[21]
[37]
[38]
[39]
[40]. Die Korrelationskoeffizienten über weite Bereiche der Schweregrade der COPD lagen um 0,5 bis 0,6. Ähnliche Ergebnisse liegen für den 12MGT vor [21]
[25]
[27]
[41]. Eine Arbeit fand einen Koeffizienten von 0,8 [42].
Stellt man die Spirometrie, also die FEV1 dem 6MGT gegenüber, so sind die Zusammenhänge inkonsistent mit Korrelationskoeffizienten zwischen 0 bis 0,6 [21]
[38]
[42]. Eine ähnliche Schwankungsbreite wurde bezüglich der 1-Sekunden-Kapazität mit dem 12MGT beobachtet [22]
[23]
[24]
[25]
[26]
[27]
[28]
[29].
Dyspnoescores unterschiedlicher Art zeigen einen moderaten Zusammenhang mit der 6MGS [1]
[37]
[38]
[42]. Eine starke Korrelation zwischen 0,6 bis 0,9 wurde einmal mit dem 12MGT beobachtet; korreliert wurden bei mehreren Testdurchgängen mit unterschiedlichen Gehstrecken die Differenz der Einschätzung der Atemnot [26].
Lebensqualität und die Strecke im 6MGT, relatives emotionales Wohlbefinden und das Bewältigen alltäglicher Anforderungen stehen zueinander in Beziehung [43], siehe auch Tab. [1]. Atemnotscores, Krankheitsprofile, Angstskalen und Befindlichkeitschecklisten korrelieren mit der 6MGS. Der 6MGT scheint somit ein Maßstab zu sein, der multiple physiologische und physische Aspekte umfasst [33]. Die Lebensqualität von COPD-Patienten wird im Wesentlichen vom 6MGT, der Atemnot und von Angst-/Depressions-Scores beschrieben, die miteinander korrelieren [43]
[44]
[45].
Die Prognose bzw. die Überlebenszeit der Patienten mit COPD steht mit der Gehstrecke in einem statistischen Zusammenhang [29]. Gerardi beobachtete 158 COPD-Patienten nach Rehabilitation über 40 ± 17 Monate. 43 Patienten verstarben im Beobachtungszeitraum. Die 3-Jahres-Überlebenszeit bei einer 12MGS über 750 m war 92 %, unter 750 m 68 %.
Tab. 1 6-Minuten-Gehstrecke, Atemnots- und Befindlichkeits-Scores bei COPD-Patienten
6 MGS (m) | 309 ± 87 | 261 ± 93 | 207 ± 83 |
Patienten (n)
| 22 | 25 | 21 |
m/w (n)
| 15/7 | 16/9 | 12/9 |
FEV1 (%pred)
| > 50 | 30 - 49 | < 30 |
Alter (J)
| 64 ± 6 | 65 ± 7 | 64 ± 7 |
Kh-Dauer (J)
| 6 ± 5 | 7 ± 5 | 8 ± 4 |
VC (%pred)
| 83 ± 14 | 65 ± 14 | 51 ± 14 |
DLCO (%pred)
| 47 ± 26 | 34 ± 21 | 21 ± 12 |
SGRQ
| 36 ± 19 | 47 ± 17 | 54 ± 15 |
SIP
| 5 ± 7 | 10 ± 9 | 11 ± 7 |
SGRQ = St. Georg's Respiratory Questionnnaire, SIP = Sickness Impact Profile, Kh-Dauer = Krankheitsdauer |
Pneumologische Rehabilitation
Pneumologische Rehabilitation
Die pneumologische Rehabilitation für Patienten mit COPD ist etabliert und akzeptiert; vor allem das Trainingsprogramm soll die Symptome lindern und die Leistungsfähigkeit steigern [46]
[47]
[48]
[49]. Der 6MGT ist ein Maß des Erfolges der pneumologischen Rehabilitation. Eine Metaanalyse von 11 kontrollierten und randomisierten Studien ergab eine Zunahme der funktionellen Kapazität im 6MGT von 55 m nach Rehabilitation [50]. Dies wird gerade noch als klinisch signifikant erachtet, weil darunter eine Steigerung der Leistungsfähigkeit subjektiv nicht mehr wahrgenommen wird [36]. Es gibt aber auch Untersuchungsergebnisse mit negativem Ausgang: So sah Van Stel bei einem Großteil von 53 Patienten nach mehrmonatiger Rehabilitation eine Verkürzung der Gehstrecke [33]. Offen muss die Frage bleiben, ob die Patientenkollektive der hier zitierten Studien in den wichtigsten Charakteristika vergleichbar sind, d. h. also, ob die Unterschiede nicht auch auf methodische Probleme zurückzuführen sind.
Nach den Richtlinien des American College of Chest Physicians und der American Association of Cardiovascular and Pulmonary Rehabilitation (ACCP/AACVPR) erwartet man vom Training der unteren Extremitäten bei COPD-Patienten eine Verbesserung der Belastbarkeit und eine Verminderung der Atemnot bei Belastung [49]. Diese Erwartung basiert auf 14 randomisierten und kontrollierten Studien. 9 Studien erfassten Gehtests, alle bis auf eine berichteten über eine signifikante Zunahme der Gehstrecken durch die Trainingsmaßnahmen, allerdings erfüllten die Arbeiten mit positiven Ergebnissen nicht die Forderung, den Ausgangswert mit wiederholten Gehtests zu erfassen, d. h. der Lerneffekt wurde nicht berücksichtigt. In den 11 Arbeiten, die die Sauerstoffaufnahme berücksichtigten, war bei 9 keine VO2-Zunahme nach Training zu verzeichnen. 7 Studien befassten sich auch mit der Belastungsdauer im submaximalen Belastungsbereich; nur 3 Gruppen konnten eine Zunahme der Belastungsdauer feststellen. Leider war das Trainingsprogramm bei den meisten der Studien, die die ACCP heranzog, nicht definiert oder eindeutig zu gering [49]. Die Studien, die das Trainingsprogramm beschrieben und dies effektiv mit hoher Intensität und Supervision durchführten, erzielten überzeugende positive Ergebnisse [39]
[51]
[52].
Es ist davon auszugehen, dass die Sauerstoffaufnahme, die Verwertung und die Energieumsetzung in der Muskulatur, vor allem bei fortgeschrittener COPD, dekonditioniert ist [53]. Während die Lungenfunktion unter optimaler Therapie weitestgehend irreversibel eingeschränkt ist, ist die muskuläre Funktion verbesserbar, nicht selten auch schon allein durch Reduktion oder Aufgabe systemischer Steroide [54]. Dies beruht auf einer zu steigernden Kapillarisation, Mitochondriendichte und Enzymausstattung. Nach insuffizienten Trainingsprogrammen sind die funktionell-strukturellen Veränderungen der Beinmuskulatur histochemisch nicht nachweisbar [55], effiziente Programme führen jedoch zu Verbesserungen [56].
Eine Arbeitsgruppe der ERS [57] bemüht sich um eine Standardisierung der Belastungstests bei chronischen Lungenerkrankungen. Belastungsprotokolle, die die Leistung differenziert erfassen, werden als valide eingestuft und sind zu bevorzugen. Empfohlen wird in erster Linie die Spiroergometrie, auch im Rahmen der Rehabilitation.
Der 6MGT ist in der Rehabilitation ein Parameter in der Beurteilung der Belastbarkeit initial und im Verlauf, er stellt ein einfaches, aber nützliches Monitoring dar. Verbesserungen der Gehstrecke sind psychologischen und mentalen Effekten des Trainingsprogramms zuzuordnen und nur zum Teil einer physiologischen Leistungssteigerung der Muskulatur [30]
[31]
[40]
[47]
[58]
[59]. Die Motivation, der antidepressive Effekt des Trainings und der Zuwendung, die reduzierte Angst vor der Atemnot, eine erhöhte Atemnottoleranz, eine verbesserte Gehtechnik und ein Lerneffekt bez. der Krafteinteilung verbessern die funktionell-körperliche Leistungsfähigkeit [60]. Entsprechend muss bei der Eingangsuntersuchung zu Beginn der pneumologischen Rehabilitation der 6MGT am besten 3-mal durchgeführt werden, um den Lerneffekt der Krafteinteilung als Kofaktor einer etwaigen Besserung zu erfassen [6]
[8]. Ein intensives Trainingsprogramm ist die Voraussetzung für den Erfolg rehabilitierender Maßnahmen [39]
[51]
[52]. Eine standardisierte, kontrollierte Durchführung des 6MGT mit Aufmunterungen ist wiederum die Voraussetzung, um vergleichbare Ergebnisse vor und nach Rehablitationsmaßnahmen zu erzielen [33].
Lungenresektion und Operabilität
Lungenresektion und Operabilität
Die Beurteilung des perioperativen kardiopulmonalen Risikos von Lungenresektionen erfolgt in erster Linie durch die 1-Sekunden-Kapazität FEV1, die Diffusionskapazität DLCO und die maximale Sauerstoffaufnahme VO2max. [61]
[62]
[63]
[64]
[65]
[66]
[67]. Die 6MGS findet in den Empfehlungen der Fachgesellschaften keine Berücksichtigung. Die Sequenz der 1-Sekunden-Kapazität, Diffusionskapazität, die Berechnung der prädiktiven postoperativen Werte und letztlich die Analyse der maximalen Sauerstoffaufnahme im Rahmen der Spiroergometrie sind die wichtigsten Schritte in der Stufendiagnostik [17]
[68]
[69].
Auch wenn der Spiroergometrie die höchste Wertigkeit in der präoperativen Funktionsdiagnostik zugeordnet wird, bedenkt die britische Fachgesellschaft die knappe Verfügbarkeit. Sollte die Spiroergometrie nicht verfügbar sein, kann ein Gehtest helfen, Hochrisikopatienten abzugrenzen, bei denen man von einer Operation absehen sollte. Bei der Auswahl des Gehtests wird allerdings nicht der 6MGT mit submaximaler Belastung als geeignet erachtet, sondern der sog. „shuttle-walk-test”, weil dieser den Patienten rasch in den Bereich der maximalen Belastung führt [15]
[18]
[69]. Der 6MGT erfasst die Dauerbelastung, der Patient erreicht bei diesem Protokoll seine submaximale Belastbarkeit, und submaximale Belastungsprotokolle sind keine geeigneten Prädiktoren des perioperativen kardiopulmonalen Risikos [70]
[71]. Eine Detektierung von Hochrisikopatienten bei submaximaler Belastung war nur durch die invasive Erfassung des Herzminutenvolumens, des Sauerstofftransportes und durch die Okklusion der Pulmonalarterie des zu resezierender Lungenlappens resp. -flügels mittels Pulmonaliskatheter möglich [66]
[72]
[73]
[74]
[75].
Bagg erfasste bei 30 Patienten die 12MGS vor und nach Pneumektomie [76]. Die Gruppe mit postoperativen Komplikationen wurde nicht differenziert. Eine Trennlinie lag bei 1100 m, diese unterschied die Gruppen, aber nicht signifikant, mit weiten Überlappungen. Zu gleichen Ergebnissen kamen Markos u. Mitarb., die der 12MGS keinen prädiktiven Wert beimessen [77].
Eine 6MGS unter 330 m erachteten Holden u. Mitarb. als Indikator einer erhöhten Mortalität nach Lungenresektion [78]. Limitierend an dieser Studie ist die kleine Fallzahl und die Tatsache, dass von den 16 untersuchten Patienten immerhin 5 (31 %) innerhalb von 90 Tagen postoperativ starben.
Lungenvolumenreduktion bei Emphysem
Lungenvolumenreduktion bei Emphysem
Der Nutzen einer bilateralen Lungenvolumenreduktion bei Lungenemphysem ist in erster Linie bei Patienten zu erwarten, die präoperativ eine 6MGS über 200 m zurücklegen. Eine optimale konservative Therapie und Rehabilitaion sollte der Bewertung des präoperativen 6MGT vorausgehen [79]. Keiner der Patienten mit Normokapnie und einer 6MGS über 200 m verstarb, die Mortalität der Patienten mit einer 6MGS unter 200 m oder einer Hyperkapnie bei Ruheatmung lag hingegen bei 38 % (). Postoperative Komplikationen, die Morbidität und die Dauer des Krankenhausaufenthaltes korrelierten mit einem 6MGT unter 200 m. Diese klaren Aussagen zum Wert des 6MGT sind allerdings nicht unwidersprochen geblieben. Das Risiko für ein respiratorisches Versagen nach chirurgischer Lungenvolumenreduktion bei schwerem inhomogenen Lungenemphysem scheint nach Chatila u. Mitarb. durch den präoperativen 6MGT nicht erfasst werden zu können [80].
Die 6MGS steigt nach einer Untersuchung von Teschler u. Mitarb. durch die Lungenvolumenreduktion von 230 m auf 400 m nach 3 Monaten postoperativ an [81]. Allerdings wurde auch bei einer 6MGS von 137 ± 65 m erfolgreich operiert; dabei wurden dann eine 6MGS von 265 ± 175 m 3 Monate postoperativ angegeben [82]. Thurnheer analysierte 42 Patienten mit bilateraler Lungenvolumenreduktion. Die präoperative 6MGS lag um 220 - 300 m, diese war 3 Monate postoperativ um 30 - 100 m länger [83]. Flaherty erfasste 65 Patienten nach Lungenvolumenreduktion über 3 Jahre. Präoperativ war die 6MGS um 275 m, nach einem Jahr postoperativ 340 m, nach 2 Jahren 400 m und nach 3 Jahren um 430 m [84].
Die Mortalität durch respiratorisches Versagen nach operativer Lungenvolumenreduktion innerhalb von 12 Monaten postoperativ liegt bei 4 % [85]. Es werden ähnliche Größenordnungen der Mortalität in konservativ behandelten Vergleichsgruppen angegeben [86]. Die perioperative Mortalität wurde abhängig vom Ausmaß der Operation, der Operationstechnik, dem Emphysemtyp und der Patientenselektion mit 3 - 10 % definiert [87]
[88]
[89]
[90]
[91]
[92]
[93]
[94]
[95]
[98]. Nur etwa die Hälfte der operativen Mortalität ist allerdings dem respiratorischen Versagen zuzuordnen [87]. Um eine möglichst geringe peri- und postoperative Mortalität bei LVR zu erreichen, wird eine 6MGS von wenigsten 150 m [96]
[97] oder 200 m [79] gefordert.
Kardiologische Erkrankungen
Kardiologische Erkrankungen
Bei kardiologischen Erkrankungen hilft der 6MGT, die Leistungsfähigkeit von Patienten mit Herzinsuffizienz bei alltäglichen Belastungen zu beschreiben. Die Beurteilung der submaximalen Belastbarkeit mit Gehtests spielt zunehmend eine Rolle in Studien bez. neuer therapeutischer Konzepte für Patienten mit Herzerkrankungen [1]
[6]
[12]
[99]
[100]
[101]
[102]. Der 6MGT korreliert gut mit der Ergometrie und der Spiroergometrie, vor allem wenn unterschiedliche Schweregrade der Herzinsuffizienz vorliegen [1]
[36]
[37]
[102]
[104]
[105]. Der Test ist in der Lage, die NYHA-Gruppen II und III signifikant voneinander zu trennen [1]
[102]
[106]
[107]. Lipkin u. Mitarb. gaben bei Normalpersonen eine 6MGS um 683 m an; NYHA-II-Patienten erreichten um 558 m, bei NYHA-III waren es nur 402 m [12].
Umstritten ist die Wertigkeit des 6MGT, aber bei der Prognosebeschreibung und Risikobeurteilung von Patienten mit Herzinsuffizienz. Calahin u. Mitarb. sahen bei NYHA-III-Patienten und einer Gehstrecke unter 300 m gehäuft fatale Krankheitsverläufe bzw. ein vermehrtes Auftreten kardialer Komplikationen [103]. Auch Bittner u. Mitarb. fanden bei einer Gehstrecke unter 300 m verglichen mit einer Strecke von über 450 m ein 4fach erhöhtes Risiko, innerhalb eines Jahres zu sterben bzw. ein 10fach erhöhtes Risiko, im Laufe eines Jahres hospitalisiert zu werden [102]. Zweifel an der Relevanz des 6MGT im Hinblick auf seinen prognosebestimmenden Wert im klinischen Alltag gründen sich vor allem auf die große Streubreite der erhobenen Daten und auf die sich daraus ergebene Überlappung von Grenzwerten, die am einzelnen Patienten eine Risikobeschreibung nicht möglich machen [104]
[108]
[109]
[110]
[111]
[112]. Demgegenüber trennt die maximale Sauerstoffaufnahme Risikogruppen unter dem Aspekt früher einsetzender Komplikationen und Hospitalisierungen signifikant schärfer, und auch der Shuttle-walk-Test, der die maximale Belastbarkeit erfasst, scheint ebenfalls ein besserer Prädiktor für die Prognose als der 6MGT zu sein [110].
Hilfreich ist der 6MGT für die optimale Einstellung von Herzschrittmachern [113]. Der häufig gewählten Standardeinstellung mit VVI 60/min zeigt sich eine höhere Herzfrequenz um 80/min oder gar ein VVIR-Modus mit bedarfsgerechter Frequenz als überlegen. Atemnot und 6MGS sind die bei Einstellung und Kontrolle zu erhebende Parameter [101], der Gehtest kann den Bedarf für Korrekturen und Anpassungen der Schrittmacherfunktion im Verlauf erkennen [114].
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Der 6MGT erfasst die Belastbarkeit von Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen und Herzinsuffizienz. Er beschreibt die Fähigkeit dieser Menschen, sich im Alltag zu bewegen. Er wird als nützliches Instrument zur Evaluation von Therapie-, Rehabilitations- und Trainingsmaßnahmen eingestuft sowie als Verlaufsparameter bei Fortschreiten der Erkrankungen (Tab. [2]) [57]
[115]
[116]. Abb. [1] gibt einen Vorschlag für ein Ergebnisprotokoll, das den individuellen Charakter des Tests ausreichend berücksichtigt.
Tab. 2 Richtwerte des 6-Minuten-Gehtests bei Gesunden, COPD und Herzinsuffizienz (alle Angaben in Metern)
| 6MGS | 6MGS (unterer Bereich) | Lerneffekt Wiederholung | pneumologische Rehabilitation |
Gesunde, 40. Lj.
| 600 | 450 | 0 - 40 | |
Gesunde, 80 Lj.
| 400 | 250 | 0 - 40 | |
| | | | |
COPD
| | | | |
FEV1 %Soll > 50
| 300 | 200 | 30 - 90 | + 0 - 50 |
FEV1 %Soll 30 - 50
| 250 | 150 | 25 - 75 | |
FEV1 %Soll < 30
| 200 | 100 | 20 - 60 | |
| | | | |
Herzinsuffizienz
| | | | |
NYHA-II
| 500 | | | |
NYHA-III
| 300 - 400 | 200 | | |
hohes kardiales Risiko
| < 300 | | | |
Die Studienlage zur Frage der Wertigkeit des 6MGT im Hinblick auf die Prognosebeschreibung, auf mögliche Therapiekomplikationen (chirurgische Eingriffe) und auf mögliche Therapieaussichten (Rehabilitation) ist uneinheitlich: Es gibt Studien, die Korrelationen und Unterscheidungen beschreiben und solche, die diese statistischen Signifikanzen nicht nachvollziehen können. Statistische Signifikanz hängt von der Auswahl der Gruppe ab. Streut das Ausmaß der Einschränkung über einen weiten Bereich, so wird die Signifikanz naturgemäß höher sein. Statistisch moderate bis gute Korrelationen bzw. Unterscheidungen von weit gefächerten Gruppen sind für klinisch-praktische Entscheidungen im Einzelfall nicht umsetzbar. In engen Bereichen sind diese positiven Zusammenhänge nicht mehr gegeben. Beispielhaft formuliert stellt sich das wie folgt dar: Die Prognose einer NYHA-III-Herzinsuffizienz ist schlechter als die einer NYHA-I-Herzinsuffizienz, dies lässt sich natürlich auch mit dem 6MGT nachvollziehen. Eine Differenzierung im engeren Bereich einer NYHA-III-Herzinsuffizienz oder einer fortgeschrittenen COPD ist mit dem 6MGT allerdings nicht mehr möglich, hier würde der 6MGT für etwas strapaziert, das er nicht leisten kann und auch nicht leisten muss.
Komplexe Normwertformeln beziehen sich auf Alter, Größe, Körpergewicht und Geschlecht. Diese differenzierte Betrachtung findet sich in keiner der vielen kleinen Untersuchungen. Eine derartige Aufschlüsselung würde bei den kleinen Fallzahlen zu nicht mehr nachvollziehbaren Ergebnissen führen. Hierfür besteht zudem keine Notwendigkeit. Die Aussage des 6MGT soll sein, wie weit ein Patient in 6 Minuten in seinem Lebensbereich im Alltag gehen kann und nicht wieweit er gehen könnte, wenn er jünger, größer oder schlanker wäre.
Der Hauptvorteil des 6MGT ist dessen Einfachheit, der geringe Aufwand an Ressourcen (Korridor, Supervision) und die Möglichkeit, ihn überall anwenden zu können. Die Hauptnachteile sind die mangelnde Kontrolle der Motivation des Patienten und des Supervisors in der täglichen Praxis, die Nichtstandardisierung und der nur singuläre Messparameter Gehstrecke in 6 min. Diese Nachteile wären zu überwinden mit der Anwendung stringenterer Testkriterien und Messapparaturen. Der Vorteil der Methode würde hiermit dann aber wieder zunichte gemacht werden [58].
Schlussfolgerungen für die Praxis
Schlussfolgerungen für die Praxis
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Die Hauptvorteile des 6MGT sind dessen Einfachheit, der geringe Aufwand und die Möglichkeit, ihn nahezu überall (Klinik und Praxis) anwenden zu können.
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Der 6MGT beschreibt den Bewegungsradius eines Patienten mit chronischer Lungenerkrankung oder Herzinsuffizienz und erlaubt damit Aussagen über dessen Fähigkeit, Anforderungen des täglichen Lebens zu bewältigen.
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Der 6MGT ist hilfreich für die Beschreibung des Krankheitsverlaufs bei COPD und Herzinsuffizienz.
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Der 6MGT ist als Kontrollparameter geeignet, der den Einfluss einer Therapie dokumentiert. Hierzu gehören die Optimierung der medikamentösen Therapie, eines Trainings und einer Rehabilitation oder der Effekt einer chirurgischen Behandlung (z. B. Volumenreduktion bei Lungenemphysem).
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Die Qualitätssicherung fordert zunehmend eine Erfolgsdokumentation ärztlicher Maßnahmen. Hierfür kann der 6MGT bei chronischen pulmonalen und kardialen Erkrankungen herangezogen werden.