Einleitung
Einleitung
Die Tuberkulose bleibt weiterhin bei Jugendlichen und Erwachsenen weltweit die am häufigsten zum Tode führende Infektionskrankheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt die Zahl der jährlichen Todesfälle auf 2 - 3 Millionen. Es wird davon ausgegangen, dass ein Drittel der Weltbevölkerung mit dem Tuberkulosebakterium infiziert ist. Etwa 5 - 10 % der Infizierten entwickeln im Laufe ihres Lebens eine aktive Tuberkulose. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen wird weltweit auf insgesamt 8,7 Millionen geschätzt, wobei über 95 % aller Tuberkulosefälle in den so genannten Entwicklungsländern auftreten [18 ]. Die 22 Länder mit den meisten Tuberkulose-Erkrankungen verzeichneten im Jahr 2000 allein 80 % aller Fälle. Neben Faktoren wie Armut, Mangelernährung, schlechter medizinischer Versorgung und Migration trägt insbesondere die HIV-Epidemie wesentlich zu einer Verschlechterung der weltweiten Tuberkulosesituation bei [17 ]
[18 ].
Für Deutschland ist aufgrund der geografischen Nähe die Entwicklung in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion von besonderer epidemiologischer Bedeutung [14 ]. Die Zunahme der Tuberkulosezahlen setzte sich in den Neuen Unabhängigen Staaten (NUS) weiter fort. Aber auch die Mortalität, ein Indikator für die Qualität der Tuberkulosetherapie, ist deutlich angestiegen [7 ]
[11 ]
[14 ].
Aus Osteuropa werden gegenwärtig eine Viertelmillion neuer Tuberkulosefälle pro Jahr berichtet. Die höchste Rate an Neuerkrankungen wurde für 2000 - mit weiterhin steigender Tendenz - aus den NUS, und hier insbesondere aus Kasachstan (160/100 000), gemeldet [18 ]. Die rapide wachsende Zahl der HIV-Infektionen, besonders in Russland, gibt zusätzlichen Anlass zur Besorgnis [8 ]
[11 ]
[17 ].
Ein besonders schwer wiegendes Problem ist die weltweite Zunahme medikamentenresistenter Tuberkulosestämme. Auch hier sind die Nachfolgestaaten der Sowjetunion verstärkt betroffen. Insbesondere in Gefängnissen und ähnlichen Einrichtungen ist die Lage sehr ernst [4 ]
[8 ]
[18 ].
Ursächlich für die Entwicklung von Resistenzen ist in erster Linie eine inadäquate Tuberkulosetherapie, bedingt durch fehlerhafte Verordnungen und/oder durch den Mangel an Medikamenten. Auch die ungenügende Kontrolle der Therapie sowie eine mangelhafte Patientenmitarbeit begünstigen die Entstehung von Resistenzen [10 ].
Der WHO wurden 2000 bereits 273 000 Fälle von multiresistenter Tuberkulose gemeldet. Schätzungen gehen von 50 Millionen Menschen aus, die weltweit mit multiresistenten Bakterienstämmen (MDR-TB = multidrug-resistant tuberculosis, d. h. Resistenz gegen mindestens INH und RMP) infiziert sind [15 ].
Die Tuberkulosesituation in der Bundesrepublik Deutschland 2000
Die Tuberkulosesituation in der Bundesrepublik Deutschland 2000
Im Folgenden werden die Daten des 27. Informationsberichtes des DZK für das Jahr 2000 unter besonderer Berücksichtigung der bekannten Risikopopulationen in Deutschland dargestellt [1 ].
9064 neue Erkrankungsfälle wurden in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2000 registriert. Bei einer Gesamtbevölkerung von 82 163 475 Menschen entspricht dies einer Inzidenz von 11,0 pro 100 000 Einwohner. Damit traten gegenüber 1999 910 Fälle weniger auf (- 9,1 %). Den Verlauf der Tuberkuloseneuerkrankungen für die einheimische und die ausländische Bevölkerung seit 1974 zeigt Abb. [1 ]. Nur in den Jahren 1992 und 1993 war ein geringer Anstieg der Gesamtinzidenz zu verzeichnen. Der Hauptgrund für diesen Anstieg war die Zunahme der Tuberkuloseerkrankungen in der ausländischen Bevölkerung, da in diesem Zeitraum der Zustrom von Migranten besonders ausgeprägt war. Die Abb. [2 ] u. [3 ] zeigen die Anzahl und Inzidenzen Erkrankter von 1991 bis 2000. 33,6 % aller TB-Fälle traten bei der ausländischen Bevölkerung auf (1999: 33,1 %) (Abb. [4 ]).
Abb. 1 Entwicklung der Tuberkuloseinzidenz in Deutschland 1974 - 2000.
Abb. 2 Neuerkrankungen an Tuberkulose (Absolutzahlen) in Deutschland (1991 - 2000).
Abb. 3 Neuerkrankungen an Tuberkulose (Inzidenz) in Deutschland (1991 - 2000).
Abb. 4 Entwicklung der Tuberkulose in Deutschland 1974 - 2000; Anteil der deutschen und der ausländischen Bevölkerung.
Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich die Verteilung auf die einzelnen Tuberkuloseformen nicht wesentlich verändert: Auf Tuberkulose der Atmungsorgane mit Nachweis von Tuberkulosebakterien (Diagnosegruppe 1.1) entfielen 5271 Fälle (58,2 %), auf Tuberkulose der Atmungsorgane ohne Nachweis von Tuberkulosebakterien (Diagnosegruppe 1.2) 2264 Fälle (25,0 %). Auf Tuberkulose anderer Organe (Diagnosegruppe 2) entfielen dagegen 1529 Fälle (16,9 %) (Abb. [4 ] u. [5 ]). Unter den 5271 offen-tuberkulösen Fällen gelang bei 2665 (50,6 %) der direkte Nachweis von Tuberkulosebakterien im Sputum. Dies ist der epidemiologisch entscheidende, da besonders ansteckungsfähige, Anteil an allen Tuberkuloseformen.
Abb. 5 Neuerkrankungen an Tuberkulose (Absolutzahlen) in Deutschland nach Diagnosegruppen (1991 - 2000).
Der weiterhin fortgesetzte Rückgang an Neuerkrankungen ist durch die Abnahme aller Tuberkuloseformen bedingt. Die Zahl der offenen Tuberkuloseformen ist im Vergleich zu 1999 um 8,2 %, die der geschlossenen Tuberkuloseformen um 11,5 % zurückgegangen. Im Gegensatz zu 1999 zeigte sich bei den extrapulmonalen Tuberkulosen ebenfalls ein Rückgang um 8,8 %.
Wie auch in den Vorjahren erkrankten Männer nahezu doppelt so häufig an Lungentuberkulose wie Frauen (65,6 % vs. 34,4 %), die Inzidenz der Frauen betrug 6,2/100 000 Einwohner, die der Männer 12,3/100 000.
Bei den extrapulmonalen Tuberkuloseformen erkrankten Frauen weiterhin etwas häufiger (55,8 %). Die Verteilung innerhalb der extrapulmonalen Formen stellt sich im Wesentlichen unverändert dar. Am häufigsten wurde die periphere Lymphknotentuberkulose mit 48,5 % beobachtet, gefolgt von der Urogenitaltuberkulose mit 20,4 %. Bei 11,8 % der Fälle waren Knochen und Gelenke betroffen, eine Meningitis tuberculosa fand sich in 3,3 % der Fälle (51 Personen, darunter drei einheimische und sechs ausländische Kinder), und 16,0 % der extrapulmonalen Tuberkulosen entfielen auf sonstige Organe (Abb. [6 ]).
Abb. 6 Verteilung der Tuberkuloseformen in Deutschland 2000 (n = 9064).
Die Altersverteilung der Tuberkuloseerkrankungen
Die Altersverteilung der Tuberkuloseerkrankungen
Abb. [7 ] zeigt die Tuberkuloseinzidenzen bezogen auf Alter und Geschlecht. Die Inzidenz der Frauen für alle Tuberkuloseformen betrug 8,2/100 000, die der Männer 14,0/100 000. An Tuberkulose erkrankten unverändert am häufigsten ältere Männer. Männer, die älter als 75 Jahre waren, zeigten die höchste Inzidenz, an Tuberkulose zu erkranken (39,7/100 000). Inzidenz und Mortalität in Abhängigkeit von den einzelnen Altersgruppen werden in Abb. [8 ] gezeigt.
Abb. 7 Tuberkuloseinzidenzen (alle Formen) in Deutschland 2000 nach Alter und Geschlecht.
Abb. 8 Neuerkrankung und Sterblichkeit für alle Tuberkuloseformen in Deutschland 2000.
Abb. [9 ] zeigt die Altersverteilung für die einheimische und die ausländische Bevölkerung. Bei der einheimischen Bevölkerung nimmt die Inzidenz nahezu kontinuierlich mit höherem Alter zu, während sich bei der ausländischen Bevölkerung drei Inzidenzgipfel finden: Kleinkinder (1 - 5 Jahre), jüngere Erwachsene (20 - 45 Jahre) und über 65-Jährige zeigen im Vergleich zu den anderen Altersgruppen deutlich erhöhte Inzidenzen (die altersabhängigen Inzidenzraten sind in Abb. [9 ] als unstandardisierte Inzidenzraten für die einzelnen Altersgruppen abzulesen).
Abb. 9 TB-Fälle in Deutschland (Inzidenzen und Absolutzahlen) nach Alter und Herkunft 2000.
Die Mortalität der Tuberkulose
Die Mortalität der Tuberkulose
2000 starben in der Bundesrepublik Deutschland 607 Menschen an einer Tuberkulose oder deren Spätfolgen. Dies waren 3,7 % weniger als 1999 (630 Sterbefälle). Den „primären Phthisentod” starben 497 Personen, während 110 Personen an den Spätfolgen einer Tuberkulose verstarben. Der prozentuale Anteil der Sterbefälle an aktiver Tuberkulose war mit 5,5 % gegenüber den Vorjahren leicht angestiegen (1999: 5,0 %). Die Mortalität der Tuberkulose lag 2000 bei 0,74 pro 100 000 Einwohner und war somit etwas geringer als im Vorjahr (1999: 0,77/100 000; Tab. [1 ], Abb. [8 ]).
Tab. 1 Neuerkrankungen und Sterbefälle an Tuberkulose 1993 - 2000
Tuberkulose-Erkrankungen Sterbefälle an aktiver Tuberkulose Sterbefälle einschließlich Spätfolgen
N n % N
1991
13 834 868 6,3 1146
1992
14 113 866 6,1 1155
1993
14 161 774 5,5 1037
1994
14 982 758 5,8 1014
1995
12 198 709 5,8 935
1996
11 814 692 5,8 896
1997
11 163 593 5,3 805
1998
10 440 541 5,2 711
1999
9974 499 5,0 630
2000
9064 497 5,5 607
Die Tuberkulosesituation in den einzelnen Bundesländern 1998 - 2000
Die Tuberkulosesituation in den einzelnen Bundesländern 1998 - 2000
Im Jahr 2000 waren die Tuberkuloseinzidenzen überwiegend rückläufig. Allein im Saarland wurde ein Anstieg der Inzidenz von 12,0 (1999) auf 13,8 verzeichnet. In Hamburg war die Inzidenz - nach dem Anstieg im Jahre 1999 (19,1) - mit 17,2 wieder nahezu auf dem Stand von 1998 (16,8). Hamburg, Hessen, Berlin, das Saarland, Nordrhein-Westfalen und Bremen lagen über dem Bundesdurchschnitt von 11,0/100 000. Bei den Erkrankungen an offener TB lag neben den aufgeführten Ländern auch Mecklenburg-Vorpommern über dem Bundesdurchschnitt von 6,4.
Die Länder mit den niedrigsten Gesamt-Inzidenzraten waren Sachsen (7,6), Brandenburg (7,9), Thüringen (8,1) und Schleswig-Holstein (8,2). In Abb. [10 ] sind die Inzidenzen der einzelnen Bundesländer von 1998 bis 2000 aufgeführt. Die Karte in Abb. [11 ] zeigt die Kreise der Bundesrepublik mit Inzidenzen > 13,8/100 000 Einwohnern (20 % der Kreise mit den höchsten Tuberkuloseinzidenzen).
Abb. 10 Tuberkuloseinzidenzen (alle Formen, Gesamtbevölkerung) für die einzelnen Bundesländer 1998 - 2000.
Abb. 11 Regionale Verteilung der Tuberkulose-Neuzugänge 2000 pro 100 000 der Bevölkerung (Kreise mit Inzidenz > 13,8/100 000).
Die Tuberkulose der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer
Die Tuberkulose der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer
In der Bundesrepublik Deutschland lebten am 31.12.2000 insgesamt 7 296 817 Ausländer (Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung 8,9 %) [16 ]. Bezüglich epidemiologischer Aussagen ist zu berücksichtigen, dass die Tuberkulosemeldestatistik, entgegen der DZK-Statistik, lediglich die Staatsangehörigkeit - und nicht das Geburtsland - berücksichtigt. Die Gruppe der Spätaussiedler wird somit aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft zur deutschen Bevölkerung gezählt. Im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes erfolgt seit 2001 auch eine Differenzierung nach Geburtsland.
Unter der ausländischen Bevölkerung waren bundesweit am 31.12.2000 Türken mit 1 998 534 am stärksten vertreten, gefolgt von Jugoslawen, Bosniern, Herzegowinern, Kroaten, Mazedoniern und Slowenen mit zusammen 1 035 616, Italienern mit 619 060, Griechen mit 365 438 und Polen mit 301 366 [16 ]. Insgesamt stammten 80,3 % der in Deutschland lebenden Ausländer aus Europa (5 857 791), 11,5 % aus Asien (841 738), 4,1 % aus Afrika (299 255), 2,9 % (213 285) aus Amerika, 0,1 % aus Australien/Ozeanien (10 410) und 1,0 % waren staatenlos oder mit ungeklärter Staatsangehörigkeit (74 338) [15 ]
[16 ].
2000 stellten 78 564 Personen einen Antrag auf Asyl. Damit ist die Zahl der Antragsteller weiterhin rückläufig (vgl. 1999: 95 113). Der größte Teil der Antragsteller kam aus Asien (39 091; vor allem Irak) gefolgt von Osteuropa (18 359; insbesondere aus dem ehemaligen Jugoslawien) sowie der Türkei (8968).
Unter den im Jahr 2000 an Tuberkulose Erkrankten befanden sich 3047 ausländische Mitbürger (33,6 %). Gegenüber 1999 waren dies 258 Personen weniger (- 7,8 %), was einer Inzidenz von 41,5 pro 100 000 entsprach. Damit lag die Inzidenz 5,2fach höher als die der einheimischen Bevölkerung (8,0/100 000). Für die einheimische Bevölkerung war im gleichen Zeitraum ein Rückgang der Neuerkrankungen von 652 Fällen zu verzeichnen (- 9,8 %).
Die Inzidenz der Erkrankung an einer offenen Tuberkulose war 2000 für die in der Bundesrepublik lebenden Ausländer mit 21,1/100 000 4,2fach höher als die der einheimischen Bevölkerung (5,0/100 000). 1549 Fälle ließen sich der Diagnosegruppe 1.1 zuordnen (50,8 %), 847 Fälle der Diagnosegruppe 1.2 (27,8 %), und 651 Fälle (21,4 %) fielen unter die Diagnosegruppe 2. Bei den Einheimischen betrug der Anteil offener Tuberkulosen 61,2 %, geschlossener Formen 23,5 % und extrapulmonaler Tuberkulosen 14,6 %. Auch in der ausländischen Bevölkerung erkrankten Männer nahezu doppelt so häufig an Lungentuberkulose wie Frauen, während extrapulmonale Tuberkulosen bei Frauen etwas häufiger auftraten.
Die Tuberkulose im Kindesalter
Die Tuberkulose im Kindesalter
In der statistischen Erfassung werden Personen zum Kindesalter gerechnet, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. 2000 lebten insgesamt 12 897 014 Kinder in Deutschland [15 ]
[16 ].
In Deutschland erkrankten 2000 insgesamt 446 Kinder an einer aktiven Tuberkulose, dies entspricht einer Inzidenz von 3,46/100 000 Kinder (Abb. [12 ]). Im Vergleich zu 1999 wurden somit 21 Fälle mehr gemeldet (+ 4,7 %). Dieser Anstieg ist vor allem auf eine Zunahme der Lymphknotentuberkulose bei den 1 - 5-jährigen Kindern zurückzuführen. Die Inzidenz stieg im Vergleich zu 1999 bei den in Deutschland lebenden ausländischen Kindern mit 18,6/100 000 leicht an und blieb bei den deutschen Kindern mit 1,5/100 000 nahezu unverändert (Abb. [12 ]). Das Risiko ausländischer Kinder, an einer Tuberkulose zu erkranken, lag je nach Altersgruppe 7 - 19fach höher als das deutscher Kinder.
Abb. 12 Tuberkuloseinzidenzen beim Kind in Deutschland: Gesamt, ausländische und deutsche Kinder (1994 - 2000).
Der größte Teil der 446 tuberkulosekranken Kinder (57,0 %) entfiel auch 2000 auf die Diagnosegruppe 1.2 (Tuberkulose der Atmungsorgane ohne Nachweis von Tuberkulosebakterien, n=254); unter die Diagnosegruppe 1.1 (Tuberkulose der Atmungsorgane mit Nachweis von Tuberkulosebakterien, n=101) fielen 22,6 % und unter die Diagnosegruppe 2 (extrapulmonale Tuberkulosen) 20,4 % der Fälle (n=91).
Der Anteil offener Fälle (Diagnosegruppe 1.1) an der Gesamtzahl der Lungentuberkulosen (Diagnosegruppen 1.1 und 1.2) betrug 28,5 % (101/355), davon waren 62 ausländische Kinder (61,4 %). In 29,7 % der Fälle (30/101) gelang dabei der Nachweis von M. tuberculosis direkt im Sputumausstrich. Somit fand sich lediglich bei 6,7 % aller an Tuberkulose erkrankten Kinder eine Lungentuberkulose mit positivem mikroskopischen Befund im Sputum (30/446).
Bei den extrapulmonalen Tuberkulosen (91 Fälle, davon 47 bei ausländischen Kindern) war auch 2000 die Tuberkulose der peripheren Lymphknoten mit 61 Fällen (67,0 %) am häufigsten, darunter waren 26 ausländische Kinder. Es folgte mit neun Fällen (9,9 %) die Meningitis tuberculosa. An einer Knochentuberkulose erkrankten acht Kinder (8,8 %), davon sechs ausländische. Drei Erkrankungen an einer Urogenitaltuberkulose wurden 2000 gemeldet. Eine Tuberkulose der „sonstigen Organe” wurde in zehn Fällen berichtet, wobei hier die statistische Erfassung keine weitere Differenzierung (z. B. Miliartuberkulose) ermöglicht. Abb. [13 ] zeigt die unterschiedliche Verteilung der Tuberkuloseformen für einheimische und ausländische Kinder. Bei einheimischen Kindern wurden anteilig mehr Tuberkulosen der peripheren Lymphknoten beobachtet.
Abb. 13 Vergleich der Tuberkuloseformen bei ausländischen und einheimischen Kindern in Deutschland 2000.
Wie oben bereits aufgeführt, erkrankten 2000 insgesamt neun Kinder an einer Meningitis tuberculosa (9,9 % der extrapulmonalen Tuberkulosen), darunter waren sechs Kinder ausländischer Herkunft. Die Inzidenz einer tuberkulösen Meningitis bei ausländischen Kindern betrug somit 0,41/100 000 (1999: 0,34/100 000), die bei einheimischen Kindern 0,026/100 000 (1999: 0,026/100 000).
2000 lebten 1 457 453 ausländische Kinder in Deutschland (11,3 %) (Stichtag 31.12.1999) [15 ]. Von den insgesamt 446 erkrankten Kindern waren 271 ausländische Kinder (60,8 %). Die Inzidenz lag bei den 1 - 5-jährigen ausländischen Kindern mit 29,9/100 000 Kinder am höchsten (1999: 21,2/100 000); während sie bei deutschen Kindern dieser Altersgruppe 3,1/100 000 betrug. Somit lag das Risiko ausländischer Kinder, an einer Tuberkulose zu erkranken, je nach Altersgruppe 7 - 19fach höher als das deutscher Kinder.
Aufgrund konstant niedriger Tuberkuloseinzidenzen und aktueller Nutzen-Risiko-Abwägungen wird von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) die BCG-Impfung in Deutschland seit März 1998 nicht mehr empfohlen [12 ].
Resistenz von M. tuberculosis -Stämmen in Deutschland
Resistenz von M. tuberculosis -Stämmen in Deutschland
Im Folgenden sind die Ergebnisse der Umfrage des Arbeitskreises Mykobakterien (AKM) zu Empfindlichkeitsprüfungen von M.-tuberculosis -Komplex (Erstisolate) für 1991 - 2000 [1 ]
[7 ] im Vergleich mit den Daten der DZK-Studie zur Epidemiologie der Tuberkulose [1 ]
[2 ]
[15 ] dargestellt (Tab. [2 ], [3 ]).
Tab. 2 Resistenzen gegen Antituberkulotika (DZK-Studie 1996 - 2000)
Jahr n H % R % S % E % Z % H + R % % jegliche Resistenz (HRES) % jegliche Resistenz (HRESZ)
1996
2720 5,0 1,5 3,5 1,5 1,9 1,2 (n = 33) 6,8 7,9
1997
3170 5,4 1,6 3,9 1,4 1,8 1,3 (n = 42) 7,3 8,6
1998
3273 6,2 1,7 5,0 1,5 1,8 1,3 (n = 44) 8,9 10,4
1999
3257 5,8 1,7 5,2 1,7 1,9 1,4 (n = 45) 8,5 9,9
2000
2781 6,0 1,9 5,7 1,6 1,7 1,7 (n = 48) 8,6 10,3
DZK-Studienergebnisse: alle kulturell gesicherten Tuberkulosen, für die mindestens das Ergebnis der Resistenzprüfung gegen INH und RMP bekannt war. „Jegliche” Resistenz wird in Bezug auf H, R, E oder S für internationale Vergleiche, bzw. H, R, Z, E oder S für Vergleiche mit AKM-Daten ausgewiesen. Doppelzählungen sind ausgeschlossen. H = INH, R = RMP, S = SM, E = EMB, Z = PZA
Tab. 3 Resistenzen gegen Antituberkulotika (Umfrageergebnisse des AKM 1991 - 2000)
AKM-Ergebnisse
Jahr Zahl der teilnehm. Labore Zahl der Stämme Hr
% Rr
% Sr
% Er
% Zr
*
% Hr +Rr (+Xr ) % % jegliche Resistenz (HRSEZ)
1991
32 2776 5,1 1,4 2,9 1,0 - 1,1 -
1992
32 3345 5,6 1,5 5,0 1,0 - 1,0 -
1993
25 2654 6,3 1,7 5,0 1,9 - 1,4 -
1994
27 2418 4,4 1,5 3,9 1,0 - 1,2 -
1995
33 2579 5,5 1,6 4,7 2,0 1,4 1,3 -
1996
40 3332 5,6 1,7 4,0 1,2 1,1 1,4 -
1997
43 3267 7,1 2,5 4,7 2,3 1,7 2,1 10,5
1998
28 2727 7,2 2,1 5,3 2,2 1,5 1,7 10,9
1999
35 2907 6,4 2,1 5,5 1,6 1,4 1,9 9,4
2000
57 2912 7,5 2,8 7,0 2,2 1,0 2,3 10
H = INH, R = RMP, S = SM, E = EMB, Z = PZA * M. bovis wurde nicht gezählt
Die Ergebnisse der seit 1996 durchgeführten DZK-Studie zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland [5 ], an der 2/3 aller deutschen Gesundheitsämter teilnehmen und die etwa 60 % aller Patienten in Deutschland erfasst, zeigen für 2000 einen Anstieg der Resistenz. Während sich in der deutschen Bevölkerung keine Zunahme der Resistenzen feststellen lässt, finden sich (multi-)resistente Stämme insbesondere bei der im Ausland geborenen Bevölkerung. Die höchste Resistenzrate gegenüber jeglichen Erstrangmedikamenten wurde, bei insgesamt kleinen Fallzahlen, mit 36,8 % bei in den NUS geborenen Tuberkulosepatienten, die in Deutschland leben, beobachtet. Hauptsächlich traten hier Resistenzen gegenüber INH und SM auf (27,8 % und 31,1 %), gefolgt von PTH (12,5 %), EMB (11,0 %) und RMP (9,0 %). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der MDR-TB, deren Rate 2000 für Patienten aus den NUS 8,5 % (1999: 9,4 %, 1998: 11,2 %, 1997: 11,8 %) betrug, während die MDR-TB in Deutschland insgesamt von 1,2 % (1996) auf 1,7 % (2000) anstieg [1 ]
[5 ].
Die in den Vorjahren insbesondere bei der im Ausland geborenen Bevölkerung angestiegenen Resistenzraten verdeutlichen die Auswirkungen des weltweiten Anstiegs resistenter Tuberkulosestämme auch in Deutschland, wobei die geografische Nähe zu Osteuropa eine besondere Rolle spielt. Insbesondere die dramatische Entwicklung in den NUS lässt eine weitere Zunahme der Resistenzen dieser Personengruppe in Deutschland erwarten. Demgegenüber wurde in der DZK-Studie bei den in Deutschland Geborenen keine Zunahme der Resistenzen beobachtet [5 ]. Es ist daher notwendig, Patienten, die aus Ländern mit hohen Resistenzraten stammen und/oder bereits antituberkulotisch vorbehandelt wurden, bis zum Erhalt des Resultates der Empfindlichkeitsprüfung streng zu isolieren und initial mit vier, oder besser mit fünf, Medikamenten zu behandeln [3 ]
[6 ].
Auch in den Umfrageergebnissen des AKM wurde ein Anstieg resistenter Tuberkulosebakterien in Deutschland beobachtet. Die Angaben zur Resistenz gegen Pyrazinamid sind mit Vorbehalt zu bewerten, weil nicht genug Informationen über die Häufigkeit boviner Stämme für diese Auswertung vorliegen. Bei den Mehrfachresistenzen zeigt sich im Vergleich zu den Vorjahren ein Anstieg, bei allerdings weiterhin kleinen Fallzahlen. Es ist anzunehmen, dass es sich bei den Mehrfachresistenzen vorwiegend um sekundäre Resistenzen handelt. Daten zur Vorbehandlung der Patienten stehen jedoch nicht zur Verfügung [1 ]
[2 ]
[7 ].
Die Daten des Nationalen Referenzzentrums (NRZ) für Mykobakterien in Borstel zeigten 2000 bei 2198 untersuchten Stämmen deutlich höhere Resistenzraten (INH: 15,4 %; SM: 13,7 %; RMP: 5,8 %; EMB: 4,3 %; PZA: 2,3 % sowie INH+RMP: 5,5 % und jegliche Resistenz: 19,4 %). Da in Borstel aber überdurchschnittlich viele Stämme von Patienten eingehen, bei denen eine therapeutische Problematik besteht, sind diese Ergebnisse nicht als repräsentativ für Deutschland anzusehen. Darüber hinaus beziehen sich diese Angaben nicht auf Neuerkrankungen, sondern auf prävalente Fälle.
Behandlungsergebnisse
Behandlungsergebnisse
In der DZK-Studie konnten ebenfalls die Behandlungsergebnisse ermittelt werden (Abb. [14 ]). Insgesamt konnte bei allen Patientengruppen ein Therapieerfolg in 74,2 % verzeichnet werden. Allerdings sind darunter 5,5 %, über die keine Angaben erhältlich waren (besonders jüngere mobile Patienten). Während 4,7 % an TB verstarben, starben weitere 11,7 % durch andere Ursachen (vor allem ältere Patienten). Diese Einflussfaktoren verzerren die Ergebnisse des Therapieerfolges und führen dazu, dass das von der WHO propagierte Ziel von 85 % Behandlungserfolg in Deutschland nicht erreicht wird.
Abb. 14 Behandlungsergebnisse (%) bei Tuberkulose nach Resistenz, 1997 - 2000.
Bei Patienten mit einer multiresistenten Tuberkulose wurde in 59,5 % der Fälle die Therapie erfolgreich abgeschlossen. Bei 9,2 % versagte die Therapie, 7,6 % starben an Tuberkulose, 6,1 % starben durch andere Ursachen, 3,1 % unterbrachen ihre Tuberkulosetherapie und von 14,5 % der Patienten konnten keine Angaben ermittelt werden. Es wird deutlich, dass der Therapieerfolg und die Mortalität entscheidend von der Resistenzlage und dem Alter beeinflusst werden.
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Die epidemiologische Situation der Tuberkuloseerkrankungen in Deutschland ist unverändert stabil. Die Inzidenz für 2000 betrug 11,0 pro 100 000 Einwohner und ist somit weiterhin rückläufig. Die 2000 gemeldeten Tuberkulosefälle (alle Formen) zeigten im Vergleich zu 1999 einen Rückgang um 9,1 %. Der Rückgang an offener Tuberkulose betrug 8,2 %, an geschlossener Tuberkulose 11,5 % sowie 8,8 % bei der extrapulmonalen Tuberkulose. Der Ausländeranteil betrug, ähnlich wie im Vorjahr, 33,6 %, bei den Kindertuberkulosen 60,8 %. Die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen bei Kindern stieg 2000, nach einem deutlichen Rückgang 1999 (- 13,3 %), erneut an (+ 4,7 %). Das Erkrankungsrisiko ausländischer Kinder lag im Vergleich zu dem einheimischer Kinder durchschnittlich um das 7 - 19fache höher. Unverändert zeigte sich eine höhere Inzidenz im Alter; die ausländische Bevölkerung wies drei Altersgipfel auf.
Unter Berücksichtigung der dargestellten Daten zur Resistenzentwicklung, welche die derzeitige Problematik in den Herkunftsländern widerspiegeln, muss auch weiterhin von einer langsamen Zunahme der Resistenzen in Deutschland ausgegangen werden, wobei hier vor allem ausländische Bevölkerungsgruppen betroffen sind. Insbesondere die Zunahme der (Multi-)Resistenzen und die rapide Zunahme der HIV-Epidemie in den NUS sind auch für die Bevölkerung Deutschlands von Bedeutung [10 ]. Eine Eindämmung der dortigen Tuberkulose- und HIV-Epidemie liegt somit im eigenen Interesse. Hier ist vor allem eine stärkere deutsche Beteiligung an internationalen Tuberkulose- und HIV-Kontrollmaßnahmen vor Ort erforderlich. Unter Berücksichtigung der Verschlechterung der Resistenzlage ist auf die zwingende Therapieeinleitung mit mindestens vier Antituberkulotika bei Neuerkrankungen dringend hinzuweisen [15 ].
Bei abnehmendem Erkrankungsrisiko in der Allgemeinbevölkerung konzentrieren sich in Deutschland die Tuberkulosekontrollmaßnahmen zunehmend auf Risikopopulationen. Die effektive Kontrolle und effiziente Bekämpfung der Tuberkulose erfordert unter anderem die Identifikation gefährdeter Personengruppen, die konsequente Durchführung von Umgebungsuntersuchungen und die damit verbundenen erforderlichen Präventionsmaßnahmen [9 ]. Effektive, kostengünstige Prävention und Therapie der Tuberkulose setzen die Kenntnis aktueller epidemiologischer Trends und somit eine fundierte Datengrundlage zwingend voraus. Hierfür schafft die Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes eine wichtige Grundlage.