Glossar: AMA = antimitochrondriale
AK; ANA = antinukleäre Antikörper;
ANCA = antineutrophile cytoplasmatische
Antikörper; AK = Antikörper;
CIDP = chronische inflammatorisch-demyelinisierende
Polyradikulopathie; ds-DNS-AK = doppelsträngige
DNS-Antikörper; GBS = Guillain-Barré-Syndrom;
GM1-/GM2-/GQ1b-/Gd1a-AK = Gangliosid
AK; HNPP = Hereditäre Neuropathie
mit Neigung zu Druckparesen; IVIG = intravenöse
Immunglobulingabe; MAG = Myelin-assoziiertes
Glykoprotein; MGUS = monoklonale Gammopathie unbestimmter
Signifikanz; MMN = Multifokale motorische
Neuropathie; MRT = Magnetresonanztomographie; PNP = Polyneuropathie;
PMP = peripheres Myelin-Protein; SGPG = Sulfoglucuronyl-Paragloboside
Primär demyelinisierende Polyneuropathien (immunvermittelt)
Guillain-Barré-Syndrom (und Unterformen) / chronische inflammatorisch-demyelinisierende
Polyradikulopathie / Paraproteinämien
Die intravenöse hochdosierte Immunglobulingabe (IVIG)
mit 0,4 g/kg KG über 5 Tage wird beim
GBS als nicht-invasive Therapieform meist bevorzugt und ist in ihrer
Wirkung der Plasmapherese gleichzusetzen [37].
Glukokortikoide zeigen beim GBS keinen Effekt [17] [18]
. Bei Übergang in die
chronische GBS-Form, die chronisch-inflammatorisch demyelinisierende
Polyradikuloneuropathie (CIDP) und bei der relapsierenden Form sind
Glukokortikoide indiziert (initial 1-1,5 mg/kg KG,
meist 80-120 mg/die), auch die Plasmapherese
kommt zum Einsatz [38]. Die positive
Wirkung von IVIG bei CIDP wurde in mehreren Studien belegt [39]. Tritt unter diesen Therapien
keine Besserung ein, kommen zusätzlich immunsuppressive
Substanzen wie Azathioprin, Methotrexat und Cyclophosphamid zum
Einsatz. Eine Studie [11] zeigte jedoch
keinen weiteren Nutzen durch Gabe von Azathioprin in Kombination
mit Glukokortikoiden. In Einzelfällen konnte eine Stabilisierung
oder Besserung durch Gabe von Cyclosporin A erzielt werden
in einer Anfangsdosis von 3-5 mg/kg KG/die [24]
. CIDP-Patienten mit proximalen
und distalen Paresen scheinen von einer Glukokortikoidgabe zu profitieren,
unabhängig ob es sich um eine CIDP oder eine CIDP-MGUS
handelt [2]. Bei Paraproteinämien
bei zugrunde liegendem Plasmozytom und M. Waldenström wird
die jeweilige Grunderkrankung therapiert. Plasmapherese kann effektiv
sein bei IgA- und IgG-MGUS [12]. Patienten
mit monoklonaler IgM-Gammopathie mit oder ohne MAG-AK, können
von intensivierten immunmodulierenden Therapien profitieren, wie
einige Untersuchungen gezeigt haben: unter anderem von Plasmapherese [16]
, Plasmapherese plus iv-Cyclophosphamid [3]
, Plasmapherese plus Chlorambucil [32], hochdosierter intravenöse
Immunglobulingabe (IVIG) [7], der Gabe
von alpha-Interferon [25]. Nicht immer
spricht diese Neuropathie auf eine zytostatische Therapie an [29].
Multifokale Motorische Neuropathie
Viele Autoren berichteten über die Behandlung mit Glukokortikoiden
allein [36] oder in Kombination mit
Plasmapherese oder immunsuppressiven Substanzen [14]. Nur bei wenigen Patienten wurde
damit eine Besserung erzielt [8], wesentlich
mehr zeigten sogar eine klinische Verschlechterung [10]. Seit 1992 ist bekannt, dass
diese Neuropathie sehr gut auf hoch-dosierte IVIG-Gabe (0,4 g/kg
KG über 5 Tage) anspricht [21].
Diese Therapie muss zyklisch durchgeführt werden zunächst
im Abstand von 4-6 Wochen, da die Wirkung nach einiger
Zeit nachlässt. Im Verlauf wird versucht, das Zeitintervall
zwischen den Zyklen zu strecken und die Dosis pro Zyklus zu verringern.
Die einzig wirksame Therapie-Alternative zur IVIG-Behandlung besteht
nach derzeitigem Wissensstand in der hochdosierten intravenösen Gabe
von Cyclophosphamid mit anschließender oraler Erhaltungstherapie.
Der Effekt zeigt sich erst verzögert nach 2-5-monatiger
Therapie [14]. Diese Therapie ist
nebenwirkungsreich und kann bei den meist jüngeren Patienten
nur über einen limitierten Zeitraum fortgeführt
werden.
|
kurzgefasst: Immunglobuline
sind die Therapie der ersten Wahl beim Guillain-Barré-Syndrom
und bei der Multifokalen Motorischen Neuropathie.
|
Primär axonale Polyneuropathien
Axonales GBS und Miller-Fisher-Syndrom
Bei diesen Neuropathien kommt wie beim GBS eine hochdosierte
Immunglobulin-Therapie zum Einsatz (s. Therapie GBS und Unterformen).
Vaskulitische Neuropathien
Eine vaskulitische Neuropathie bei systemischer Vaskulitis stellt
eine von multiplen möglichen Organbeteiligungen dar und
wird wie eine systemische Vaskulitis behandelt. Das Therapieschema
richtet sich nach Schweregrad und Progredienz der Erkrankung. Die Standardtherapie besteht aus Glukokortikoiden in
Kombination mit Zytostatika wie Cyclophosphamid oder Methotrexat.
Therapeutische Studien konnten die Wirkung von Cyclophosphamid bei
systemischer Vaskulitis, v. a. bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden
belegen [33]. Initial ist die Therapie
hochdosiert zur Remissionsinduktion mit Glukokortikoiden 1 mg/kg KG/die
und Cyclophosphamid 2 mg/kg KG/die
oder alternativ anstelle von Cyclophosphamid das Zytostatikum Methotrexat
mit 15-25 mg/Woche. Bei klinischer
Besserung wird versucht, eine möglichst niedrigdosierte
Erhaltungstherapie zu etablieren [23].
Glukokortikoide werden bei Besserung langsam reduziert und nach
einem Zeitraum von 6-12 Monaten abgesetzt. Aufgrund der
Substanztoxizität ist man dazu übergegangen, Cyclophosphamid
zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, 3-6
Monate nach Remission, durch Azathioprin oder Methotrexat zu ersetzen.
Studien zeigten keine höhere Rezidivrate über
einen Beobachtungszeitraum von 18 Monaten nach Therapiebeginn, jedoch
einen Trend zu weniger Nebenwirkungen [22].
Azathioprin (2 mg/kg KG/die)
wird in der Regel nicht zur Induktionstherapie einer systemischen
Vaskulitis eingesetzt, eignet sich aber als Rezidiv-Prophylaxe,
wenn es unter Cyclophosphamid oder Methotrexat zu einer Remission
gekommen ist [13].
Bei schweren Krankheitsverläufen können
additiv Plamapherese oder IVIG eingesetzt werden [13]
[34] und
Glukokortikoide in einer Höhe von bis zu 1000 mg/die über
3-5 Tage als initiale intravenöse Pulstherapie. Neuere Substanzen zur Erhaltungstherapie und
bei Versagen der Remissionstherapie sind Mycophenolat mofetil und
Leflunomid [26]
[30]. Über
die Wirkung der Plasmapherese additiv zur Immunsuppression gibt
es keine einheitliche Meinung. IVIG-Behandlungen scheinen bei 40-75 % der Patienten
mit ANCA-assoziierter Vaskulitis einen gute Wirksamkeit zu zeigen [34]. Zur Behandlung
einer Vaskulitis bei Hepatitis B (assoziiert mit Panarteritis
nodosa) und Hepatitis C (assoziiert mit
Kryoglobulinämie) kommt in erster Linie eine antivirale
Therapie mit Interferon-alpha plus Ribavirin zum Einsatz [9]. Bei Versagen dieser Therapie wurde
der Einsatz von Glukokortikoiden und Zytostatika, ggf. auch Plasmapherese
beschrieben [27]. Dazu existieren
noch keine studienkontrollierten Daten.
|
kurzgefasst: Die medikamentöse
Behandlung der vaskulitischen Neuropathie bei systemischer Vaskulitis
richtet sich nach Progredienz und Schweregrad der Erkrankung. Man
unterscheidet zwischen einer hochdosierten Remissionstherapie und
einer möglichst niedrigdosierten Erhaltungstherapie.
|
Nicht-systemische vaskulitische Neuropathie
Im Gegensatz zur primären systemischen Vaskulitis kann
bei der nicht-systemischen vaskulitischen Neuropathie zunächst eine
Monotherapie mit Glukokortikoiden (1 mg/kg KG/die)
ausreichen. Bei Progression der Neuropathie kann zusätzlich
Cyclophosphamid gegeben werden, bei leichteren Verläufen
auch Azathioprin. Sind über einen Beobachtungszeitraum
von 3 Monaten die neurologischen Defizite rückläufig
und treten keine neuen Symptome auf, kann Cyclophosphamid langsam
ausgeschlichen und reduziert werden. Auch die Glukokortikoide werden
langsam reduziert, aber in der niedrigstmöglichen Dosierung
als Rezidivprophylaxe über mindestens 12 Monate beibehalten [41]
.
Paraneoplastische Neuropathien
Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass periphere neurologische
Symptome bei Neoplasien resistent sind gegenüber immunsuppressiven
Therapien oder Plasmapherese [15].
Die positive Wirkung von IVIG wurde erstmals 1993 beschrieben [28], scheint aber mit dem frühen
Einsatz der Therapie nach Auftreten der neurologischen Symptome
zu korrelieren.
Metabolisch-toxische Neuropathien
Bei der diabetischen Neuropathie ist
eine gute Blutzucker-Einstellung die Basistherapie. Hierunter sind
ein präventiver Effekt und eine langsamere Progression
der Neuropathie zu beobachten [35].
In Kurzzeit-Studien mit C-Peptid zeigte sich bei Patienten mit Typ-1-Diabetes
ein positiver Effekt auf die Funktionen sensibler und autonomer
Nerven [20]. Aldose-Reduktase-Hemmer
scheinen in der Frühphase der diabetischen Neuropathie einen
positiven Effekt zu haben [4]. Unter
der Gabe von Gamma-Linolsäuren wurde eine Verbesserung
sensibler und motorischer NLG beschrieben [5].
Der Einsatz von rekombinantem Nervenwachstums-Faktor hat bislang
noch keine signifikanten Effekte gezeigt [1].
In Kurzzeit-Beobachtungen über 3 Wochen zeigte Alpha-Liponsäure
intravenös verabreicht eine signifikante Besserung von
Schmerzen und Neuropathie (40). Bei der diabetischen Amyotrophie
(auch diabetische Polyradikulopathie) können Immunglobuline
zu einer Besserung führen [31].
Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen stehen vor allem Antidepressiva
(Amitryptilin, Imipramin, Clomipramin) und Antikonvulsiva (Carbamazepin,
Gabapentin, Lamotrigin) zur Auswahl [19].
Bei der Alkohol-toxischen PNP sollten
neben Alkohol-Karenz auch nutritiv bedingte Vitaminmängel
ausgeglichen werden. Bei den Metall-Neuropathien kann
ein Therapieversuch mit Chelat-Bildnern (Penicillamin) durchgeführt
werden, hierzu gibt es jedoch keine kontrollierten Studien [6].