Einleitung
Einleitung
Gustav Killian aus Freiburg gelang es 1897 erstmals durch die Anwendung der direkten
Bronchoskopie mittels starrem Oesophagoskop, ein Knochenstück aus dem rechten Hauptbronchus
eines Schwarzwaldbauern per vias naturales zu entfernen [1 ]. Eine weite Verbreitung der Methode findet sich jedoch erst seit der Einführung
der flexiblen Bronchoskopie durch Ikeda 1969 [2 ]. Wie selbstverständlich wird dabei bis heute für die Untersuchung mit Atropin prämediziert,
seit das Medikament in stabiler Rezeptur ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts zur
Verfügung steht [3 ]. Diese Praxis der Prämedikation findet sich auch in den noch immer aktuellen Leitlinien
zur Qualitätssicherung der Deutschen Pneumologischen Fachgesellschaft von 1987 wieder
[4 ].
Der Atropineinsatz wird mit der Kardioprotektion für den Untersuchungsgang begründet.
Gemeint ist damit im Wesentlichen der Vorgang der Intubation, der über vagale Reflexe,
z. B. Provokation des Würgereflexes, eine ernsthafte Bradykardie auslösen kann. Diese
Annahme wurde bislang durch keine Studie auf klinische Relevanz überprüft und beruht
vermutlich mehr auf dem Boden empirischer Deduktion als auf evidenzbasierter Medizin.
Genauso wenig konnte bislang die zweite Annahme einer wirksamen Unterdrückung der
bronchialen Mukussekretion, damit eine Beschleunigung und Vereinfachung des Untersuchungsganges
im Rahmen einer Studie belegt werden [5 ]
[6 ]
[7 ]. So veröffentlichte Williams u. Mitarb. [7 ] eine der wenigen kontrollierten Studien, welche die Auswirkung der Prämedikation
mit Atropin während der flexiblen Bronchoskopie untersuchte. Der Autor ging der Frage
nach, ob sich unter Atropineinsatz ein Einfluss auf Sekretionsmenge und Bronchodilatation,
daneben aber auch auf eine mögliche Blutung unter der Bronchoskopie sowie auf den
Verbrauch des Lokalanästhetikums ergäbe. Einen wesentlichen Vorteil für den Einsatz
von Atropin konnte dabei jedoch in keiner der Untersuchungsgruppen festgestellt werden,
bis auf eine marginale Einsparung des Lokalanästhetikums [7 ]. Auch im Rahmen einer aus Australien stammenden Studie von Hewer fanden sich hinsichtlich
des Untersuchungsablaufs mit und ohne Atropin keine signifikanten Unterschiede, bezogen
auf die Parameter Lungenfunktionsprüfung, Beschleunigung der Durchführung der flexiblen
Bronchoskopie sowie Sekretionsmenge [6 ].
Bislang war die Fragestellung nach dem Grad der Beeinflussung des Herzrhythmus und
möglicher Herzrhythmusstörungen nach unterschiedlicher Prämedikation, mit und ohne
Atropin, während der flexiblen Bronchoskopie in Lokalanästhesie noch nicht erhoben
und in einer kontrollierten Studie untersucht worden. Wir gingen daher den Fragestellungen
nach signifikanten Änderungen des Herzrhythmus, insbesondere relevanten Bradykardien,
supraventrikulären Tachykardien und Herzrhythmusstörungen somit auch der Auswirkung
der üblichen Medikation mit Atropin auf den Herzrhythmus, der endobronchialen Sekretion
und Beschleunigung des Untersuchungsablaufs durch Atropin nach.
Methoden
Methoden
Patientenauswahl, Einschluss- und Ausschlusskriterien
Untersucht wurden alle ambulanten und stationären Patienten, die sich einer flexiblen
Fiber-Bronchoskopie unterziehen mussten, in lokaler Oberflächenanaesthesie, d. h.
ohne Allgemeinnarkose. Die Untersuchungsindikation ergab sich aus fachärztlich überprüften
klinischen Erfordernissen wie Diagnostik und Therapie. Ausgeschlossen wurden alle
Patienten mit Kontraindikation gegen Atropin (wie Atropinallergie, Glaukom, Prostataadenom,
mechanische Obstruktion im Bereich des Magen-Darm-Traktes, Megakolon, paralytischer
Ileus, schwere Zerebralsklerose und Myasthenia gravis). Ebenso wurden Patienten mit
bereits bestehenden Herzrhythmusstörungen und erhöhten Risiken hierfür, wie zum Beispiel
koronare Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz, ausgeschlossen. Patienten mit Hypoxämien
wurden nur eingeschlossen, wenn diese durch Sauerstoffzufuhr zu normalisieren war.
Die Studie wurde unter Beachtung der Kriterien der Helsinki-Konvention, der Good-Clinical-Practice
und den Vorgaben der örtlichen Ethikkommission geplant und mit vollständiger Aufklärung
und Einverständnis der Patienten durchgeführt. Es wurden im zweiten Halbjahr 1996
konsekutiv 55 Patientinnen und Patienten der Abteilung für Lungenchirurgie des Klinikums
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (39 Patienten) und der Lungenfachklinik St.
Blasien im Schwarzwald randomisiert. In beiden Zentren bronchoskopierte jeweils nur
ein und derselbe Untersucher.
Um eine untersucherunabhängige Zufallsverteilung zu erreichen, wurde die Zuordnung
zur Gruppe der Prämedikation mit (0,5 mg) oder ohne Atropin von einer vom Untersuchungsteam
unabhängigen dritten Person vorgenommen. Nach Zufallsprinzip (Random-Liste) wurde
die Verteilung vorgenommen und neben der Dicodid®-Spritze eine zweite Spritze mit
dem Etikett „Bronchoskopie-Studie” den Unterlagen beigelegt und in der Liste „Verum”
Atropin oder „Plazebo” (NaCl 0,9 %) vermerkt. Die Spritzen wurden dann von der Bronchoskopie-Assistenz
appliziert. Somit wurde sichergestellt, dass weder die Bronchoskopie-Assistenz, noch
der Untersucher oder der Patient von dem Inhalt der jeweiligen Spritze wussten. Erst
nach Auswertung des LZ-EKGs durch einen Referenzarzt der Kardiologischen Abteilung
und Vorliegen der semiquantitativen Sekretmengeneinschätzung durch den Untersucher
wurden die Unterlagen geöffnet und die zwei Patientengruppen von einem weiteren und
unabhängigen Untersucher unterschieden und ausgewertet.
Alle Patienten erhielten eine Dicodid®-Gabe (Hydrocodon, 15 mg, s. c.) als Antitussivum,
von dem in der verwendeten Dosis keine relevanten Herzrhythmusstörungen zu erwarten
waren. Es wurde außerhalb der mitgeteilten Medikation für die Bronchoskopie keinerlei
weitere Medikation gegeben. Es wurde kein Patient zusätzlich während der Untersuchung
oder in der Prämedikation sediert. Kein Patient erhielt lokal Lidocain/Xylocain. Alle
Patienten wurden ausschließlich mit Novesine® 1 % (Oxybuprocainhydrochlorid, Wander®)
Schleimhaut-anästhesiert. Die vom Hersteller vorgeschriebene Höchstmenge von 1,5 mg/kg
Körpergewicht wurde bei keinem Patienten erreicht. Laut Fachinformation des Herstellers
gab es auch hier bei bestimmungsgemäßer Anwendung sowie bei möglicher Überdosierung
keinen Anhalt für Herzrhythmusstörungen [8 ]. Es gibt keine etablierte Methode zur Bestimmung der Serumkonzentration. Eine Resorption
durch das Respiratorische Epithel soll laut Hersteller ausgeschlossen sein. Stichprobenartige
Serumuntersuchungen an 18 aufeinander folgenden Patienten (8 mit Atropin, 10 ohne
Atropin) ergaben keinen Nachweis von Lidocain, das anstelle von Oxybuprocainhydrochlorid
gewählt wurde, unter der Annahme der pharmakologischen Ähnlichkeit.
Gemäß dem üblichen Monitoring wurde während der gesamten Untersuchung, vor Beginn
bis zwei Stunden nach Beendigung der Bronchoskopie, eine kontinuierliche Überwachung
des EKG- und auch der Sauerstoffsättigung durchgeführt. Alle Patienten erhielten Sauerstoff
per Nasensonde, womit eine Sättigung von mindestens 90 % gehalten wurde. Zwischen
Beginn der Untersuchungen und dem Ende der Sättigungsüberwachung sind bei keinem Patienten
relevante Hypoxämien registriert worden.
Zur Erfassung von Rhythmusveränderungen vor, während und nach der Bronchoskopie wurde
ein Langzeit-EKG [9 ] eingesetzt. Es wurde jedem Patienten vor allen anderen Maßnahmen ein Holter-EKG
gemäß den internationalen Standards angelegt und für 24 Stunden belassen [10 ]. Ausgewertet wurden Änderungen der Herzfrequenz sowie das Auftreten von supraventrikulären
und ventrikulären Rhythmusstörungen qualitativ und quantitativ während und in den
beiden ersten Stunden nach Durchführung der flexiblen Bronchoskopie mit und ohne Atropin
in der Prämedikation. Als Befunde wurden spezifiziert: Bradykardie, Tachykardie, supraventrikuläre
und ventrikuläre Extrasystolen. Die unabhängige Auswertung aller Holter-EKG-Aufzeichnungen
erfolgte durch den Leiter des Bereichs Elektrophysiologie der Kardiologischen Abteilung
der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg (M.Z.).
Statistische Analysen
Ausgewertet wurde mittels SPSS-10,0 für Windows. Ein Mittelwert-Vergleich zweier definierter
Stichproben wurde mit dem t-Test berechnet, nach Prüfung von Normalverteilung und
Gleichheit der Varianzen mit dem Levene-Test. Signifikant wurde ein Konfidenzniveau
von 5 % mit p < 0,05 angenommen. Ein kritischer T-Wert der t-Verteilung wird erst
bei einem T > 2 mit einem signifikanten Unterschied erwartet. Im Übrigen wurde der
Rangsummentest von Mann und Whitney (U-Test) verwendet. Mit Hilfe des X²-Unabhängigkeitstests
erfolgte der Vergleich der Ausgangswerte anumerischer Faktoren.
Ergebnisse
Ergebnisse
Basisdaten und Ergebnisse
Die 55 bronchoskopierten Patienten waren nach epidemiologischen Daten, klinischer
Indikation, Sekretmengeneinschätzung durch den Untersucher und Untersuchungsdauer
gleich verteilt (Tab. [1 ]).
Tab. 1 Basisdaten und Ergebnisse in den Gruppen mit und ohne Atropin-Prämedikation. In die
Studie wurden 55 Patienten aufgenommen. Durch Zufallszuteilung wurden sie der Gruppe
mit und ohne Atropin-Prämedikation zugeteilt. Epidemiologische Parameter, Herzfrequenz,
Mukusmengen-Schätzung und Untersuchungsdauer als Mittelwert, Minimum und Maximum waren
ohne signifikante Unterschiede gleich verteilt
Atropin
Plazebo
Differenz
Patienten n =
25
30
davon Frauen n = (%)
7 (28,0)
8 (26,7)
davon Männer n = (%)
18 (72,0)
22 (73,3)
Durchschnittsalter (Jahre)
58,4
56,5
Indikation
diagnostisch: Malignomverdacht
7/25
8/30
diagnostisch: andere Lungenerkrankung
10/25
13/30
diagnostisch: Anastomosen-/Stumpfkontrolle
8/25
9/30
Herzfrequenz
f = Durchschnitt (± SEM) Schläge × Minute -1
97,4 (± 18,1)
97,7 (± 16,7)
n. s.
f = max Schläge × Minute -1
129
133
n. s.
f = min Schläge × Minute -1
63,8
74,1
n. s.
f = Pausen × Minute -1
0
0
n. s.
Sekretmenge (Schätz-Skala)1: kein, 2: wenig, 3: vermehrt, 4: reichlich Mukus
Mittelwert
1,88
2,0
n. s.
Minimum (n =)
3
2
n. s.
Maximum (n =)
2
3
n. s.
Untersuchungsdauer
t = Mittelwert ± SEM (Minuten)
16,8 ± 6,5
15,6 ± 5,99
n. s.
t = Minimum (Minuten)
10
10
n. s.
t = Maximum (Minuten)
30
35
n. s.
Die kontinuierliche EKG-Registrierung der ersten 20 Minuten nach Beginn der Bronchoskopie
wurde in der Betrachtung für jede einzelne Minute im Mittelwertvergleich besonders
berücksichtigt, um den Abschnitt der Untersuchung genauer zu analysieren, in dem eine
relevante Bradykardie zu erwarten war. Es ergab sich jedoch weder in den einzelnen
gegeneinander verglichenen 20 Minuten, noch im Mittelwertvergleich der ersten oder
der zweiten Stunde und nach Ende der Untersuchung ein signifikanter Unterschied (Abb.
[1 ] u. [2 ]).
Abb. 1 Zeitlicher Ablauf der Auswertung. Nach Anlage der Holter-EKG-Elektroden und Beginn
der Registrierung wurde die Prämedikation gegeben (zwei Spritzen, jeweils Dicodid
und Plazebo [NaCl 0,9 %] oder Atropin), nach 20 Minuten Beginn mit der Bronchoskopie.
Dies ist der Auswertungsbeginn für die ersten 20 Minuten und die Stunde 1 und 2. Die
Auswertung der 24-Stunden-Registrierung umfasst dagegen den Zeitpunkt ab Registrierungsbeginn
bis Ende.
Abb. 2 Herzfrequenz, Mittelwertvergleich von Bronchoskopie-Beginn bis Minute 20. Die ersten
zwanzig Minuten ab Beginn der Bronchoskopie wurden besonders analysiert, da hier am
ehesten Unterschiede zu erwarten waren. Die statistische Auswertung ergab für sämtliche
Untersuchungspunkte keine signifikanten Differenzen in der Gruppe mit und ohne Atropin.
Die ventrikulären Rhythmusstörungen präsentierten sich entsprechend der Klassifikation
nach Lown und Wolf, ergänzt von Brigger 1981 und Bethge 1989 [10 ]
[11 ]
[12 ] als einfache, monomorphe Extrasystolen (in der Gruppe mit Atropin fünfmal Lown I,
in der Gruppe ohne Atropin viermal Lown I, einmal Lown II). Lediglich in der Gruppe
mit Atropin fand sich bei einem der Patienten in der 4. Untersuchungsminute dreimal
in Folge ein Bigeminus (Lown IIIb). Zwischen den untersuchten Gruppen konnten in Bezug
auf das Auftreten von Extrasystolen keine signifikanten Unterschiede festgestellt
werden (p = 0,75 χ²-Test) (Tab. [2 ]).
Tab. 2 Vergleich supraventrikulärer und ventrikulärer Rhythmusstörungen beider Patientengruppen.
Mit dem Holter-EKG wurden mit Beginn der Bronchoskopie die registrierten Ereignisse
der ersten 20 Minuten, nach einer Stunde und nach zwei Stunden für die beiden Gruppen
mit und ohne Prämedikation ausgewertet und gegeneinander verglichen. Zu keinem Zeitpunkt
konnte eine Häufung an supraventrikulären Extrasystolen (SVES), ventrikulären Extrasystolen
(VES) oder Kombination von beiden (SVES/VES) gesehen werden
gesamt
mit Atropin
ohne Atropin
Differenz
n = (%)
n = (%)
n = (%)
24 h Registrierungsdauer
SVES
7 (12,7)
4 (7,3)
3 (5,5)
n. s.
ohne SVES
48 (87,3)
21 (38,2)
27 (49,1)
n. s.
VES
10 (18,1)
5 (9,0)
5 (9,0)
n. s.
ohne VES
45 (81,8)
20 (36,3)
25 (45,4)
n. s.
SVES/VES
13 (23,6)
7 (12,7)
6 (10,9)
n. s.
ohne SVES/VES
42 (76,4)
18 (32,7)
24 (43,6)
n. s.
Registrierung Stunde 1
SVES1
18 (37,7)
10 (18,1)
8 (14,5)
n. s.
ohne SVES1
37 (67,2)
15 (27,2)
22 (40)
n. s.
VES1
22 (40)
11 (20)
11 (20)
n. s.
ohne VES1
33 (60)
14 (25,4)
19 (34,5)
n. s.
SVES/VES1
26 (47,3)
15 (27,3)
11 (20)
n. s.
ohne SVES/VES1
29 (52,7)
10 (18,2)
19 (34,5)
n. s.
Registrierung Stunde 2
SVES2
12 (21,8)
8 (14,5)
20 (36,3)
n. s.
ohne SVES2
13 (23,6)
22 (4)
35 (63,6)
n. s.
VES2
10 (18,1)
7 (12,7)
17 (30,9)
n. s.
ohne VES2
15 (27,2)
23 (41,8)
38 (69,0)
n. s.
SVES/VES2
14 (18,1)
9 (16,3)
23 (41,8)
n. s.
ohne SVES/VES2
11 (20)
21 (38,1)
32 (58,1)
n. s.
Diskussion
Diskussion
Rhythmusveränderung durch Bronchoskopie
Ein Rückblick auf über 100 Jahre Geschichte der Bronchoskopie verdeutlicht, dass sich
die Bronchoskopie aus bescheidenen Anfängen mit der relativ seltenen Indikationsstellung
der Fremdkörperentfernung zu einer häufig angewendeten Untersuchungsmethode entwickelte.
Insbesondere nach der Einführung der flexiblen Bronchoskopie durch Ikeda [2 ] in den 70er Jahren kam es zu einer Verbreitung und Erweiterung des diagnostischen
und therapeutischen Spektrums, so dass diese Form der Untersuchung unverzichtbar für
die moderne Medizin wurde [13 ].
Mit dem Einsatz der Bronchoskopie fest verbunden sind Sicherheitsmaßnahmen, die sich
wie die Prämedikation aus pathophysiologischen Überlegungen verselbständigt haben
und lange nicht hinterfragt wurden, da sie allen Beteiligten intuitiv richtig erschienen.
Mit wissenschaftlicher Überprüfung erweisen sich solche „Standards” nicht selten als
überflüssig, gelegentlich sogar als kontraproduktiv. Als gutes Beispiel kann die umfangreiche
Studie von Colt und Morris genannt werden [14 ], die eine in den achtziger Jahren weit verbreitete Praxis der generellen sedierenden
Prämedikation überprüfte. Dabei wurde besonders die übliche Konsequenz der stundenlangen
Nachkontrolle und Verkehrsuntüchtigkeit bemängelt. Besonderer Schwerpunkt wurde auf
die durch die Prämedikation selbst ausgelösten Komplikationen gelegt, wie Atemdepression
und relevante Hypotonien. Diese Studie konnte belegen, dass ohne sedierende Prämedikation
wesentliche Patientengefährdung vermieden werden konnte und durch den Verzicht auf
eine Sedierung keine Verschlechterung im Hinblick auf den Untersuchungsablauf und
das Ergebnis zu erwarten ist. Diese, wie auch andere Studien, beschäftigten sich jedoch
nicht mit einer kontrollierten Erfassung von Herz-Rhythmus-Parametern.
Da nur aus kontinuierlichen und reproduzierbaren Daten eine Erkenntnis über eine Auslösung
von Herzrhythmusveränderungen durch die Bronchoskopie und sich daraus ergebende relevante
Störungen ziehen lassen, war es Ziel der vorliegenden Arbeit, solche Herzrhythmusveränderungen
möglichst lückenlos mittels Holter-EKG zu erfassen. Gleichzeitig wollten wir die Auswirkungen
hinsichtlich der angenommenen „Kardioprotektion” einer Prämedikation, mit und ohne
Atropin, während der flexiblen Bronchoskopie in Lokalanästhesie überprüfen und in
einer kontrollierten Studie untersuchen (Tab. [3 ]).
Tab. 3 rand.: randomisiert, A. vs. P: Atropin versus Plazebo; Herzrhythmus: Erfassung Herzrhythmusstörungen
mittels EKG und/oder Holter-EKG und/oder Monitor; Sekret: Unterschied der Sekretmenge;
Prozedur: Unterschied des Zeitaufwandes; *: Unterschied ermittelt; p: 0,001 Signifikanzniveau
des Unterschieds; n. s.: kein signifikanter Unterschied; n. u.: nicht untersucht;
f: Herzfrequenz; CCHS: Kongenitales Zentrales Hypoventilationssyndrom (Kinder); KHK:
Patienten mit koronarer Herzkrankheit; FVC: Forcierte Vitalkapazität; A: Gruppe mit
Atropin; P: Gruppe mit Plazebo; NaCl: 1 ml NaCl 0,9 %; K: Kontrollgruppe; Arrh.: Arrhythmien;
SB: Sinusbradykardie; AS: Asystolie/Pause bis maximal 6,5 sec
Autor
Gruppen
Herzrhythmus
Sekret
Prozedur
Ergebnis
Hewer 2000
[6 ]
rand.
A (500 g) vs. P (NaCl 0,9 %) n = 10: i.m., n = 10: i. m. alle: Pethidin
n. s. EKG
n. s.
n. s.
A: trockener Mund (p: 0,001) P: FVC-Abfall (p: 0,005), nicht sign. zwischen den Gruppen
Silvestri 2000
[21 ]
nicht rand.
CCHS vs. Kontr. n = 14 vs. n = 17
* EKG Holter
n. u.
n. u.
*: CCHS : f ↓ (p 0,0001) CCHS : Arrh.↑: (p 0,03) SB, AS
Williams 1998
[7 ]
rand.
A (600 g) vs. P (NaCl) n = 50 vs. n = 50 alle: Midazolam
n. s. EKG Holter
n. s.
n. s.
zusätzlich: n. s. Bronchodilatation, Blutung, O2 -Sättigung, P: mehr Husten und Midazolam (p: 0,02)
Vasic 1995
[22 ]
nicht rand.
geringe vs. relevante HRST n = 75 vs. n = 30
Gruppen nach Unt. EKG
n. u.
n. u.
rel. Herzrhythmusstörungen nur bei Tumor links
Gronnebech 1993
[5 ]
nicht rand.
A. vs. Glycopyrrolate n = 45 (Tracheoskopie) vs. n = 45 (BSK)
n. s. EKG
n. s.
n. s.
Dombret 1990
[23 ]
nicht rand.
KHK vs. Non-KHK n = 18 vs. n = 18
n. s. EKG
n. u.
n. u.
n. s. Xylocainspiegel, Kalium f↑ in beiden Gruppen, 3 Koronarpatienten mit Repolarisationsstörungen
Gove 1985
[24 ]
nicht rand.
Xylo Vernebelung vs. Bolus n = 26 vs. n = 26 alle Diazepam
n. u.
n. u.
n. u.
Vernebelung schneller (p: 0,05) SaO2 : sinkt unter Diazepam
Katz 1981
[25 ]
eine Gruppe
Prospektiv n = 50
EKG Holter
n. u.
n. u.
40 % Rhythmus-Veränderungen, 20 % VES, 32 % Arrhythmien, 68 % längere Desaturation insgesamt ohne klinische Relevanz
Elguindi 1979
[26 ]
eine Gruppe
Prospektiv n = 26
EKG Holter
n. u.
n. u.
69 % Arrhythmien und 8 % relevante Arrh. vor Untersuchung, Lidocain-ass. Arrh.-Protektion
Pille 1978
[27 ]
eine Gruppe
Prospektiv n = 41
EKG (12/41)
n. u.
n. u.
SaO2 : sinkt bei 1,4 % Sinustachykardie
Schrader 1978
[28 ]
eine Gruppe
Prospektiv n = 70
EKG Monitor
11 % relevante Arrh., klinisch ohne Konsequenz, assoziiert an SaO2 : < 60 %
Dahm 1977
[29 ]
eine Gruppe
Prospektiv n = 153
EKG Monitor
keine relevante Arrh.
Der regelmäßige Einsatz von Atropin in der Prämedikation der Bronchoskopie erfolgt
seit seiner klinischen Verfügbarkeit ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts [3 ]. Atropin soll dem myokardialen Vagotonus-Effekt unter der endotrachealen Intubation
vorbeugen [15 ]. Zusätzlich wird eine wirksame Unterdrückung der endobronchialen Sekretion angenommen
[16 ], wodurch eine Beschleunigung und somit Vereinfachung des Untersuchungsvorganges
antizipiert wird.
Vor der Wirkung an den Speicheldrüsen tritt der kardiale Effekt von Atropin auf. Dabei
kommt es unter i. v. Gabe von weniger als 0,5 mg häufig zu einer so genannten paradoxen
Bradykardie, und zwar durch die zentrale Vaguserregung bei peripherer Vagusblockade.
Erst Dosierungen über 0,5 mg i. v. bewirken einen zuverlässigen Frequenzanstieg [3 ]. Bei i. v. Injektionen wird es umgehend so im Körper verteilt, dass die Wirkung
in wenigen Sekunden eintritt und ihr Maximum nach ca. 3 - 5 Minuten erreicht. Im Rahmen
der Prämedikation erfolgt die Verabreichung ca. 15 - 30 Minuten vor Untersuchungsbeginn
und subkutan, hierbei ist eine Halbwertszeit von ca. 2 - 4 Stunden zu erwarten [3 ].
In einer zu den vorgestellten Ergebnissen vergleichbaren Studie [6 ] wurde mittels EKG-Monitor an jeweils zehn Patienten, jedoch ohne Langzeit-EKG, ebenfalls
kein Vorteil durch den Einsatz von Atropin gesehen, weder hinsichtlich des Zeitaufwands
der Untersuchung, noch der Reduktion der Sekretmenge oder des Auftretens oder möglicher
Reduktion von Herzrhythmusstörungen.
Sämtliche von uns erhobenen Herzrhythmusveränderungen und Extrasystolen waren ohne
klinische Relevanz oder therapeutische Konsequenz. Die Veränderungen ließen sich auch
nicht zwingend auf den Vorgang der Bronchoskopie selbst zurückführen. Im Vergleich
der beiden Stunden nach Ende der Untersuchung ergab sich ein vermehrtes Auftreten
von supraventrikulären wie ventrikulären Rhythmusstörungen bei 26 (47 %) Patienten
in der ersten und 23 (41,81 %) Patienten in der zweiten Stunde, gleichverteilt in
den Gruppen mit und ohne Atropin. Ergänzend ist zu bemerken, dass hier in der zweiten
Stunde erstmals ein nichtsignifikanter Unterschied mit einem p = 0,052 bei einem vermehrten
Vorkommen beider Formen von Rhythmusstörungen in der Gruppe mit Atropin zu sehen war.
In der vorliegenden Studie waren Patienten mit Hinweisen auf arrhythmogene Risiken
ausgeschlossen worden. Jedoch scheint auch eine gezielte Selektion von Patienten mit
gesicherter koronarer Herzkrankheit im Vergleich zu herzgesunden Patienten kein signifikant
erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen zu ergeben. Hier waren lediglich 3 aus 8
Patienten mit koronarer Herzkrankheit mit transienten Repolarisationsstörungen aufgefallen.
Für keinen hatte dies eine therapeutische Konsequenz [23 ].
Wir konnten weder einen Einfluss einer Prämedikation mit Atropin auf eine wirksame
Unterdrückung der endobronchialen Sekretion nachweisen, noch eine Verkürzung der Untersuchungsdauer
im Vergleich beider Patientengruppen erheben.
Mit dem Ergebnis der vorgelegten Studie lässt sich abschließend sagen, dass in unserer
Gruppe der bronchoskopierten Patienten die Prämedikation mit Atropin für die Patienten
keinen klinisch relevanten Vorteil gebracht hat, sowohl hinsichtlich der „Kardioprotektion”,
also der Vermeidung von Herzrhythmusstörungen, als auch einer relevanten Minderung
der Sekretmenge oder einer wesentlichen Verkürzung der Untersuchungszeit. Dies hat
sich trotz fehlender Aktualisierung der Leitlinien [17 ]
[18 ]
[19 ]
[20 ] bereits im klinischen Alltag bemerkbar gemacht. In einer Fragebogenerhebung an 681
bronchoskopierenden Zentren Deutschlands, ergibt sich im Hinblick auf die Prämedikation
ein uneinheitliches Bild. Hiernach untersuchen zwei Drittel der Untersucher ausschließlich
in lokaler Schleimhautanästhesie, ein Drittel auch mit allgemeiner Narkose. Es variiert
die Prämedikation von regelmäßig keinerlei Zusatzmedikation zur Schleimhautanästhesie
(28 von 681) bis zum Gebrauch aller abgefragten Medikamente (26 von 681) [13 ]. Die Bronchoskopie stellt nach dem Ergebnis unserer vorgestellten Studie auch ohne
den Einsatz einer Prämedikation, von zum Beispiel Atropin, eine hinsichtlich arrhythmogener
Ereignisse sichere und wenig belastende Untersuchungsmethode dar.