Pneumologie 2002; 56(11): 661-662
DOI: 10.1055/s-2002-35549
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Leitlinie zur COPD ist da!

COPD Guidelines are Now Available!H.  Magnussen1
  • 1Krankenhaus Großhansdorf, Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie
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Prof. Dr. med. H. Magnussen

Krankenhaus Großhansdorf · Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie

Wöhrendamm 80

22927 Großhansdorf

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Publication Date:
20 November 2002 (online)

Table of Contents #

Die nationale Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronischer Bronchitis und Lungenemphysem liegt vor [1]. Die Leitlinie wurde von der Deutschen Atemwegsliga in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie erstellt und signalisiert damit den Konsens der in der Pneumologie tätigen Ärzteschaft. Die Leitlinien wurden nach den methodischen Vorgaben zur Entwicklung von Leitlinien für Diagnostik und Therapie der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erstellt. Aufgrund der formalen Konsensbildung handelt es sich um eine S2-Leitlinie. Die AWMF hat bisher für die Innere Medizin 26 wissenschaftlich begründete Leitlinien veröffentlicht. 16 dieser Leitlinien entsprechen der Stufe S1, 8 der Stufe S2 und 2 der Stufe S3. Die Pneumologie verfügt über eine S1-Leitlinie (schlafbezogene Atmungsstörungen beim Erwachsenen), eine S3-Leitlinie (Langzeitsauerstofftherapie) sowie die jetzt erstellte Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem. Damit unterstreichen die pneumologischen Gesellschaften ihre Bereitschaft und Fähigkeit zur qualitativ hochwertigen Medizin.

Den Autoren - insbesondere Heinrich Worth - gebührt der besondere Dank, da hinter der Erstellung einer derartigen Leitlinie eine für Außenstehende kaum vorstellbare Arbeit liegt.

Die chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem sind die häufigsten Erkrankungen, die Pneumologen beschäftigen. Da der Pneumologe jedoch in der Regel erst die fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung sieht, muss der besondere Wert auf die Früherkennung gelegt werden. Die Früherkennung kann jedoch erfolgreich nur in der Zusammenarbeit mit nicht spezialisierten Ärzten und nicht-ärztlichem, medizinischem Personal erreicht werden. Leitlinien sollen und müssen sich daher auch an diejenigen wenden, die nicht über eine besondere Fachkompetenz in der Pneumologie verfügen. Die Kitteltaschenversion sowie die Patientenbroschüre, die in Kürze zur Verfügung stehen, sind Ausdruck dieser Überlegungen.

Die jetzt vorgelegte Leitlinie ist in enger Anlehnung an die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) erstellt worden. Die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) ist eine Initiative des National Institutes of Health, National Heart, Lung and Blood Institute sowie der World Health Organisation. Die Initiative gründet sich auf die Erkenntnis, dass die COPD eine wesentliche Ursache der chronischen Morbidität und Mortalität weltweit darstellt. GOLD wurde gegründet, um das Bewusstsein um die COPD bei den medizinischen Experten, dem Gesundheitswesen sowie der Öffentlichkeit zu verstärken. Die Initiative zielt auf die Prävention und das Management der COPD in einer weltweiten Aktion. Der aktuelle GOLD Newsletter (www.goldcopd.com) fasst die vergangenen und gegenwärtigen Aktivitäten zusammen. Die Bedeutung von GOLD kann anhand folgender Tatsachen verdeutlicht werden:

  • In mehr als 100 Ländern werden die Publikationen von GOLD den nationalen Besonderheiten angeglichen (GOLD Launch Activities).

  • Der 20. November 2002 wird der World COPD Day sein. Das Thema lautet: Raising COPD Awareness Worldwide und der Slogan ist: Breathing for life!

  • Die unmittelbare Aufgabe von GOLD ist die Einführung von Standards zur Durchführung der Spirometrie.

Die nationalen Aktivitäten der Launch Leader (für Deutschland H. Magnussen) sollen die Besonderheiten des jeweiligen Landes mit der weltweiten Perspektive abgleichen. Für die Bundesrepublik Deutschland ergeben sich gesonderte Überlegungen, da bereits erhebliche Vorarbeiten geleistet wurden.

Die nationale Leitlinie wird am 06.11.02 der Presse vorgestellt, so dass medizinische Experten, das Gesundheitswesen und die Öffentlichkeit von der Initiative unterrichtet werden.

Einen World COPD Tag kann es in diesem Jahr nicht geben, da bereits der Lungentag die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hat.

Die Gründung der pneumologischen Arbeitskreise hat zu einer deutlichen Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Allgemeinärzten und Pneumologen auf dem Gebiet der spirometrischen Diagnostik geführt. Dennoch bedarf es anhaltender Anstrengungen, um die Spirometrie zu einer routinemäßig einsetzbaren Methode zu entwickeln, die allen Ärzten zur Objektivierung eines Funktionsschadens der Lunge zur Verfügung steht.

Die nationale Leitlinie hat sich in besonderer Weise verdient gemacht, da sie medizinische Aspekte betont, die in einigen Ländern anders gesehen werden. Während der Ausdruck COPD, chronic obstructive pulmonary disease, von der GOLD-Initiative ausdrücklich gewählt wurde, um den Begriff chronische Bronchitis und Lungenemphysem nicht mehr zu verwenden, geht die nationale Leitlinie bereits in ihrem Titel andere Wege. Hier heißt es nach wie vor Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronischer Bronchitis und Lungenemphysem. Es handelt sich hier um keine semantische Auseinandersetzung, sondern vielmehr um ein grundlegendes Verständnis derjenigen Erkrankungen, die mit einer chronischen Atemwegsobstruktion einhergehen. Die chronisch obstruktive Bronchitis hat eine andere medizinische Dimension je nachdem ob sie mit oder ohne Emphysem einhergeht. Auch gibt es seltenere Krankheitsbilder, bei denen das Lungenemphysem die klinische Symptomatologie bestimmt. Das Lungenemphysem lässt sich mit geeigneten diagnostischen Verfahren (Ganzkörperplethysmographie, Diffusionskapazität, dynamische Lungenüberblähung während körperlicher Belastung, aerodynamic airway morphology sowie der Computertomographie) mit ausreichender Präzision bestimmen.

Die qualitative und quantitative Beschreibung eines Lungenempyhsems ist daher nicht mehr ausschließlich pathologischen anatomischen Methoden vorbehalten. Die nationalen Leitlinien haben daher besonderen Wert darauf gelegt, verfügbare und evaluierte funktionelle Verfahren zur Abgrenzung der chronisch obstruktiven Bronchitis und des Lungenemphysems nicht einem Sammelbegriff zu opfern. Ich halte dies für einen der wesentlichen Fortschritte, die sich aus der nationalen Leitlinie ergeben. Der Streit um die Wirksamkeit von inhalativen Corticosteroiden bei der COPD ist meines Erachtens nach ein Streit um die differenzialdiagnostische Abgrenzung der Atemwegs- versus parenchymatösen Komponente des Krankheitsbildes. Ein Lungenemphysem wird nicht durch inhalative Corticosteroide zu verbessern sein, während dies sehr wohl bei einer Atemwegserkrankung denkbar ist. Eine Abgrenzung der Bronchitis und des Emphysems bei der COPD ist daher nach wie vor aus prognostischen und therapeutischen Aspekten wünschenswert. Der von der GOLD-Initiative gewählte Begriff COPD ist daher nur unter dem Aspekt zu begrüßen, dass er weltweit verstanden wird und die funktionelle Konsequenz (Obstruktion) mit einfachen Mitteln (Spirometrie) objektivierbar ist. Hier zeigt sich aber lediglich die Notwendigkeit, einen Mangel an pneumologischer Expertise auszugleichen, ein solches Bemühen sollte jedoch nicht als ein Fortschritt im pneumologischen Können missverstanden werden.

Ich wünsche den nationalen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronischer Bronchitis und Lungenemphysem eine weite Verbreitung. Ich wünsche dies umsomehr, um das große Leid derjenigen Patienten zu vermindern, die keine adäquate Diagnostik und damit Therapie erfahren haben.

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Literatur

  • 1 Worth H. et al . Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD).  Pneumologie (selbes Heft). 2002;  11 703-737

Prof. Dr. med. H. Magnussen

Krankenhaus Großhansdorf · Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie

Wöhrendamm 80

22927 Großhansdorf

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Literatur

  • 1 Worth H. et al . Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD).  Pneumologie (selbes Heft). 2002;  11 703-737

Prof. Dr. med. H. Magnussen

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Wöhrendamm 80

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