Einleitung
Einleitung
Ablesefehler bei der Epikutantestung, die eine falsche Interpretation des Testergebnisses nach sich ziehen, unterliegen dem Einfluss verschiedener Faktoren. Am häufigsten führt eine zu hohe Konzentration bei gleichzeitiger 48-Stunden-Applikation der Noxe zu einer „falsch positiven” Testreaktion. Typische Beispiele aus der Standardreihe sind Nickel und die Parabene. In mitgebrachten Allergieausweisen findet man diese Noxen besonders häufig als Eintrag vor. Fragt man die betreffende Patientin nach einer Modeschmuck- oder „Jeans”-Knopfunverträglichkeit, so wird diese jedoch verneint. Schlüsselt man bei positivem Paraben-Mix die Parabene auf, bleiben die vier p-Hydroxybenzoesäureester in der Regel negativ. Ungereimtheiten dieser Art geht man von vornherein aus dem Wege, indem man die Testkonzentration des Nickelsulfats auf die Hälfte senkt und das Parabengemisch auf 10 % verdünnt [1]
[2]. Beschränkt man die Applikationszeit des Testpflasters auf 24 h, reduziert sich die Zahl der „falsch-positiven” Testreaktionen auf ein Minimum. Ohne die Diskussion zur 24- oder 48-Stunden-Applikation erneut entfachen zu wollen, sollte man sich jedoch ernsthaft die Frage stellen, welche Substanzen, Stoffe, Materialien oder Gegenstände bei einem Menschen mit gesunder Haut länger als 24 h mit dieser in Kontakt bleiben. Sie lassen sich an einer Hand abzählen: Nagellack, Ringe, Ohrringe, gefärbte Haare, Augenbrauen, eine Tätowierung, gegebenenfalls eine Armbanduhr.
Auch Kobaltchlorid steht häufig als Eintrag im Allergieausweis, ohne dass man die Sensibilisierung in der Nachtestung bestätigen kann.
In diesem Fall handelt es sich jedoch um ein Problem der verwendeten Testnoxe, die sich während der Lagerung verändert und dadurch das Testergebnis negativ beeinflusst. Der Ursache einer solchen „verfälschenden” Testreaktion kommt man erst nach längerer Beobachtung auf die Spur. Am Beispiel des Kobaltchlorids als Nr. 5 der Standardreihe (1 % Vas.) sei diese „Verfälschung” im Folgenden beschrieben.
Beobachtung
Beobachtung
Beobachtet man bei einer „falsch positiven” Testreaktion auf Nickelsulfathydrat noch Papeln und Vesikel, die den Betrachter zu einer a-Beurteilung verleiten könn(t)en, fallen einem bei der 24-Stunden-Ablesung der Kobaltchloridreaktion in unregelmäßigen Abständen Hautveränderungen auf, die eher an Einblutungen denken lassen. Bei genauer Betrachtung ist die Oberfläche glatt, mit kleinen Maculae bestückt, leicht rötlich bis rot gefärbt, nicht palpabel; gelegentlich sieht man kleine Einsenkungen (Abb. [1]). In der 72-Stunden-Ablesung erscheint das Testfeld ein wenig blasser, die Flecken sind rötlichbraun gefärbt (Abb. [2]). Verfolgt man dieses Phänomen über Wochen und Monate, wobei die Patienten wechseln, die Noxe jedoch aus der gleichen Spritze stammt, so werden die „Petechien” im Laufe der Zeit immer zahlreicher, dunkler und deutlicher. Bis zu 50 % der Testpersonen sind betroffen. Benutzt man eine neue, frisch gelieferte Testspritze, ist das Testfeld wieder glatt und hautfarben. Nach einigen Wochen entwickeln sich erneut kleine, verstreut liegende, an Einblutungen erinnernde Maculae. Ihre Zahl und Deutlichkeit nimmt zu, bis das oben beschriebene Bild wieder erreicht ist. Der Zeitraum bis zum Auftreten der „Petechien” variiert mit dem Alter der Spritze und den Eigenheiten ihrer Handhabung. Das Phänomen kann nach wenigen Wochen, aber auch erst nach Monaten auftreten. Überführt man die Spritze nach dem Aufbringen der Noxe auf das Testpflaster gleich wieder in den Kühlschrank, verlängert sich dieser Zeitraum. Liegt sie jedoch für Stunden bei Zimmertemperatur auf dem Vorbereitungsplatz im Allergielabor oder hat die Assistentin das Testpflaster bereits am Tage zuvor befüllt, ohne es anschließend kühl aufzubewahren, verkürzt sich diese Spanne. Auch der schnellere Verbrauch der Spritze bei hohem Patientenaufkommen führt seltener zum Auftreten der beschriebenen Beobachtung. Das Verfallsdatum der Kobaltchloridspritzen ist beim Auftreten des Phänomens in den meisten Fällen noch nicht erreicht.
Abb. 1 An „Einblutungen” erinnernde Hautveränderungen durch Kobaltchlorid (1 % in Vaseline) in der 24-Stunden-Ablesung.
Abb. 2 Abgeblasste Reaktion in der 72-Stunden-Ablesung.
Material und Methode
Material und Methode
Der Vergleich einer älteren Spritze mit einer frisch gelieferten zeigt bei flüchtiger Betrachtung nur einen geringen Farbunterschied. Eine neue Spritze hat einen rosafarbenen, eine alte, zu „Petechien” führende, weist dagegen einen etwas dunkler gefärbten Inhalt auf. Führt man mit dem Inhalt der gealterten Spritze eine Homogenisierung auf einem Dreiwalzenwerk durch, ist der alte, rosafarbene Zustand leicht wieder herzustellen. Schon drei bis fünf Durchgänge genügen. Beim ersten Durchgang trifft die hinterste Keramikwalze offensichtlich auf etwas dickere Kobaltchloridkristalle. Sie verursachen beim Zerquetschen ein deutliches Geräusch und hinterlassen ein rotes Band im austretenden Vaselinestreifen (Abb. [3]). An den Rändern bildet sich ein roter Saum. Ist nach mehreren Durchgängen eine einheitliche, blass-rosa Färbung der Vaseline erreicht, sind alle Kristalle aufs Feinste zermahlen. Der Inhalt kann wieder in die Spritzen eingefüllt werden und verursacht auf der Haut keine „Petechien” mehr. Auf die Qualität des Kobalts als Testallergen hat das geschilderte Phänomen demnach keinen Einfluss.
Abb. 3 Roter Streifen von zerquetschten Kobaltchloridkristallen in der Vaseline beim Aufarbeiten einer gealterten Testspritze auf dem Dreiwalzenwerk.
Lagerungsversuche
Kommerziell erhältliche Kobaltchloridspritzen lagerten wir 1. im Kühlschrank, 2. nur bei Zimmertemperatur und 3. abwechselnd für jeweils 15 h im Kühlschrank, dann für 9 h auf dem Labortisch und anschließend wieder im Kühlschrank; am Wochenende zwei Tage im Kühlschrank. Während der mehrmonatigen Versuche verglichen wir regelmäßig die Farbe der Spritzen mit der einer frischen (bzw. frisch aufgearbeiteten) und überprüften in regelmäßigen Abständen im Epikutantestung, ob schon „Petechien” verursacht wurden. Die Spritze erhielt daraufhin einen Datumsvermerk. Zum Vergleich dienten weitere Spritzen, deren Verfallsdatum um drei Monate, ein halbes, ein ganzes Jahr und um mehr als zwei Jahre überschritten war.
Makroskopische Untersuchungen, Biopsien
Die Beobachtung mit dem bloßen Auge bzw. einem Vergrößerungsglas lieferte keinen eindeutigen Beweis für das Vorliegen von „Einblutungen”. Daher baten wir Patienten, auf deren Rücken dieses Phänomen zutage trat, um eine Hautprobe. Ein junger Mann und eine junge Frau stellten sich für eine Biopsie zur Verfügung.
Aus frisch gelieferten, wieder aufgearbeiteten sowie sechs, zehn und zwölf Wochen, bzw. vier und sechs Monate alten, benutzten Kobaltchloridspritzen wurde ein dünner Strang auf Objektträger gepresst, hauchdünn verteilt und mit einem Deckgläschen gesichert. Anschließend unterzogen wir diese einer genauen mikroskopischen Untersuchung.
Ergebnisse
Ergebnisse
Eine unbenutzte, nur im Kühlschrank aufbewahrte Testspritze zeigte keine farbliche Veränderung des Inhalts. Die in der Wärme gelagerte veränderte sich erst nach Ablauf des Verfallsdatums. Doch an den wechselweise im Kühlschrank und auf dem Labortisch des Allergielabors aufbewahrten Spritzen ließ sich deutlich demonstrieren, dass etwas mit dem Inhalt geschehen sein musste. Es kam zur Bildung der oben beschriebenen „Petechien”. Das Verfallsdatum war noch nicht erreicht. Auf dem Dreiwalzenwerk zeigten rote Streifen im austretenden Vaselineband das Zerquetschen von Kobaltchloridkristallen an. Nach dem Aufarbeitungsvorgang ließ sich das Testmaterial wieder problemlos verwenden. Das zuvor beobachtete Phänomen trat für längere Zeit nicht mehr auf.
Auch der Inhalt von weit über das Verfallsdatum hinaus gealterten Spritzen ließ sich durch die Homogenisierung auf den Keramikwalzen in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Die Testzubereitung nahm wieder eine einheitliche, hellrosa Farbe an und lieferte einwandfreie Testergebnisse.
Ergebnis der histologischen Untersuchung
Eine 4 mm durchmessende Probebiopsie der Haut einer getesteten Person wurde mit 64 Schnittstufen aufgearbeitet. Das histomorphologische Bild veränderte sich mit zunehmender Schnitttiefe. Das Stratum corneum wies zunächst Serofibrineinschlüsse mit Zellkerndetritus auf, zunehmend in kompakt geschichtete Parakeratosen übergehend. Ebenso fanden sich im Stratum granulosum anfänglich Keratinozytennekrosen, übergehend in vermutlich reaktiv bedingte Vermehrungen der Granulosazellen (Abb. [4]), die zusätzlich verplumpte und vermehrte Keratohyalingranula erkennen ließen. Parallel konnte eine spongiotische Auflockerung der Epidermis, bedingt durch invadierende Lymphozyten nachgewiesen werden. Das Stratum papillare war ödematös aufgelockert und zeigte stark dilatierte Kapillargefäße, die von Erythrozyten und polymorphkernigen Granulozyten angeschoppt waren. Es fand sich kein Anhalt für eosinophile Granulozyten. Erythrozytenextravasate ließen sich in keiner der zahlreichen Schnittebenen sichern, obgleich die Endothelien der Gefäße geschwollen imponierten. Einblutungen ließen sich histologisch nicht nachweisen. Möglicherweise ist die entzündlich bedingte reaktive Gefäßweitstellung Ursache der rötlich gefärbten Maculae, die man bei Betrachtung mit dem bloßen Auge als Petechien interpretieren könnte.
Abb. 4 Keratinozytennekrosen an der Eindringstelle der Kristalle.
Alle Schnittstufen wurden zusätzlich mit der Polarisationsoptik untersucht. Kristallstrukturen ließen sich nicht sichern. Falls solche vorgelegen haben, sind sie mit großer Wahrscheinlichkeit im Prozess der histologischen Gewebeaufarbeitung durch Lösungsmittel aufgelöst worden.
Zusammenfassende histologische Beurteilung: Superfizielle spongiotische Dermatitis mit Keratinozytennekrosen und reaktiver Hypergranulose, vereinbar mit einer toxisch-irritativen Dermatitis. Die Infiltratzusammensetzung spricht gegen eine allergische Kontaktdermatitis.
Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung der Testspritzen
Die Inhalte der verschiedenen Testspritzen zeigten mit der Polarisationsoptik unter dem Mikroskop folgendes Bild: Frisch gelieferte, aber auch mittels Dreiwalzenwerk homogenisierte Spritzeninhalte wiesen winzige, flach nebeneinander in Feldern zusammenliegende Kristalle auf (Abb. [5]). In den gealterten, „Petechien” hervorrufenden Testzubereitungen zeigten sich raphidenartige Zusammenballungen von rötlich gefärbten Kristallen, wie man sie in der anorganischen Chemie als Neubildungen von gewachsenen, länglichen Kristallen um einen Kristallisationskern herum findet (Abb. [6]).
Abb. 5 Kobaltchloridkristalle in feiner Verteilung in einer frisch gelieferten Testspritze.
Abb. 6 Neu gebildete Kristalle als seeigelartige Ansammlung von Kobaltchlorid in einer gealterten Testspritze.
Diskussion
Diskussion
Das geschulte Auge ist in der Lage, einer Einblutung ähnelnde Hautveränderungen vom morphologischen Bild einer echten allergischen Testreaktion zu unterscheiden. Liegt keine Sensibilisierung gegenüber Kobalt vor, bleibt eine „crescendo”-Reaktion aus. Das Bild der „Petechien” ist in der 72-Stunden-Ablesung sogar noch etwas blasser als nach Abnahme des Testpflasters. Läge eine echte allergische Reaktion vor, wären die anfangs gesehenen „Petechien” in der Spätablesung jedoch durch Papeln, Vesikel, Infiltration und gegebenenfalls Pusteln so überlagert, dass man sie nicht wiederfinden würde. Weder das morphologische Bild noch der Verlauf darf den Beurteilenden daher zu einer Einstufung der petechien-ähnlichen Reaktion auf Kobaltchlorid als „positiv” verleiten.
Beginnen sich „Petechien” zu entwickeln, ist dies als sicheres Zeichen für das Einsetzen der Kristallbildung zu werten. In diesem Fall treffen im Epikutantest nicht fein in der Vaseline verteilte, winzige und relativ flache Kobaltchloridpartikel auf die Haut. Vielmehr dringen die länglich herausragenden Kristalle wie spitze Nadeln in das Gewebe ein und zerstören die Zellen, wie histologisch nachgewiesen. An der Eindringstelle liegt Kobaltchlorid in sehr hoher Konzentration vor und wirkt daher irritativ-toxisch. Kobaltchlorid ist sehr hygroskopisch. In der frisch gelieferten Spritze liegt es als rosafarbenes Hydrat der Konstitution CoCl2 × 6H2O vor. Beim Erwärmen bis 35 °C geht es in wasserärmere Hydrate über, z. B. CoCl2 × 1œ H2O (dunkelblauviolett). In feuchter Umgebung vollzieht sich der umgekehrte Vorgang. Das Chlorid nimmt aus der Vaseline das vorher abgegebene Wasser wieder auf. Der ständige Wechsel zwischen Zimmertemperatur auf dem Allergielabortisch (∼ 25 °C; im Sommer auch höher) und niedriger Temperatur im Kühlschrank (∼ 4 °C) führt in unregelmäßigen Abständen zur Abgabe und zur Wiederaufnahme von Wasser. Im Laufe der Zeit überwiegen die Perioden der Lagerung bei kühler Temperatur, vor allem an den Wochenenden. Zunächst liegen nur einzelne, deutlich unter dem Mikroskop erkennbare Zusammenballungen von neu gebildeten, länglichen Kristallen vor. Es kommt zum ersten Auftreten der„Petechien”. Im weiteren Verlauf nehmen die Größe und Zahl der stacheligen, seeigelartigen Gebilde langsam zu (Abb. [6]).
Besonders häufiges Transportieren vom Kühlschrank auf den Arbeitstisch und zurück führt bei einer größer werdenden Zahl von Testpflasterzubereitungen schon recht früh zur Bildung solcher Kristallbildungen, während wenige Wechsel und eine längere Aufbewahrungsdauer den Vorgang verzögern. Schwankungen zwischen einigen Wochen und mehreren Monaten bis zum Einsetzen der „Petechien”-Bildung sind somit erklärlich. Gelegentlich liegt der Zeitpunkt bereits nahe am Verfallsdatum, hat dieses bereits erreicht oder sogar überschritten. Dies kann geschehen, wenn eine Spritze noch bis zum Ende verbraucht werden soll und die neue schon bestellt ist. Wann die Kristallbildung ein Ausmaß erreicht, das die Testbeurteilung negativ beeinflusst, kann das geschulte Auge an der Zahl und an der Prägnanz der „Petechien” ablesen. Da der Vorgang handhabungsabhängig ist und sich ohne die Anwendung technischer Mittel in Klinik und Praxis nicht beheben lässt, erscheint eine Verkürzung des Verfallsdatums nur wenig sinnvoll.
Abhilfe schafft ein Dreiwalzenwerk. Mühelos lässt sich das Kobaltchlorid-Vaselinegemisch wieder in einen homogenen Zustand zurückversetzen und in die Spritze einfüllen. Kriterium für die hochfeine Verteilung ist die wieder erreichte, einheitliche Färbung beim Austritt der Testsubstanz aus dem Dreiwalzenwerk nach mehrmaligem Durchgang. Den Beweis für die Unbedenklichkeit der Charge erbringt man durch einen Epikutantest an der Haut von Kontrollpersonen oder an sich selbst. Das Datum der Homogenisierung schreibt man auf die Spritze. So lässt sich nicht nur kontrollieren, wie alt der Spritzeninhalt ist, sondern auch recht gut berechnen, wann der Aufarbeitungsvorgang wiederholt werden muss.
Eine falsche Interpretation des Ergebnisses einer Epikutantestung mit Kobaltchlorid als Folge von „Petechien” lässt sich vermeiden, wenn man diesem Phänomen Beachtung schenkt und rechtzeitig eine Homogenisierung vornimmt. Das mechanische Hilfswerk eignet sich auch vortrefflich zur Einarbeitung nichtkommerzieller Noxen in Vaseline, schlägt jedoch mit über 500,- Euro zu Buche.
Danksagung
Herrn Dr. Philipp Buck danken wir für die technische Assistenz.