Aktuelle Dermatologie 2002; 28(12): 453-455
DOI: 10.1055/s-2002-36956
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Brachydaktylie Typ C

Brachydactyly Type CG.  F.  Linß1 , E.  Fischer-Funk1
  • 1Klinik für Dermatologie, Klinikum Frankfurt (Oder) (Ehemaliger Chefarzt der Hautklinik: Dr. med. habil. Linß) (Ehemalige Chefärztin des Instituts für Radiologie: Dr. med. Fischer-Funk)
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Dr. med. habil. G. F. Linß

Klinik für Dermatologie · Klinikum Frankfurt (Oder)

Heilbronner Straße 1 · 15230 Frankfurt (Oder)

Email: Klinikum@zentrale.ff.shuttle.de

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Publication Date:
29 January 2003 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Autoren beschreiben eine Familie mit Brachydaktylie Typ C mit autosomal-dominantem Erbgang in vier Generationen. Die typische Verkürzung der Finger 2 und 3 konnten bei einem Familienmitglied gezeigt werden (Proposita). Die Mutter hatte nur Verkürzungen der Metacarpale I und Mittelphalangen II, III und V. So erschien der vierte Finger als der längste. Die Großmutter zeigte eine normale Entwicklung der Hände mit Kampto-Klinodaktylie. Aber die Urgroßmutter und deren unverheiratete Schwester (beide verstorben) wiesen nach Angaben den gleichen Befall wie die Proposita auf.

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Abstract

The authors describe a family with brachydactyly type C with autosomal-dominant heredity in four generations. The expression of the symptoms is very different. The typical shortening of the fingers 2 und 3 could be demonstrated in one female family member (proposita). The mother had short metacarpalia I and middle phalanges II, III and V only. So the IV th finger seemed to be the longest. The grandmother had a normal development of the hands with campto-clino dactyly. But the great-grandmother and her unmarried sister (both dead) were affected in the same way as the proposita.

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Einleitung

Verkürzungen und andere Veränderungen an den Fingern sind meist mit weiteren Anomalien mesenchymalen Ursprungs als Syndrom verknüpft, während die Brachydaktylie Typ C im Gegensatz zu den anderen Typen A, B und D dies bis auf Ausnahmen vermissen lässt [1] [2] [6] [7].

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Kasuistik

Eine 22-jährige Patientin (Nr. 1, Proposita) kam wegen einer Psoriasis vulgaris der Ellbogen und Knie zur Behandlung. Dabei fielen die beidseits verkürzten Finger auf. Auf Befragen stellte sich heraus, dass bereits die Urgroßmutter und deren Schwester ebenfalls kurze Finger aufwiesen.

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Patientin Nr. 1

Die 22-jährige Patientin hat beidseits kürzere dreigliedrige Finger 2 und 3, die keinerlei Einschränkung bei Beugung und Streckung aufweisen. Die Nägel sind vollständig ausgebildet. Beidseits besteht eine Vierfingerfurche (Abb. [1 a] u. [b]). Die Zehen sind unauffällig.

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Abb. 1 a Verkürzte Finger II und III linke Hand. b Vierfingerfurche rechte Hand.

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Röntgenaufnahmen der Hände und der distalen Unterarme

Dysproportionierte Handskelette beidseits: Verkürzte Mittelphalanx Dig. II beidseits. Ulnarseitige Abflachung der Grundphalanxbasis II beidseits. Abflachung des Os metacarpale-Köpfchens Dig. II beidseits. Dig. III beidseits besteht aus vier knöchernen Segmenten. Die Gesamtlänge von Dig. III ist beidseits verkürzt. Die Gelenkfläche der distalen Ulna projiziert sich ca. 5 mm proximal des distalen Radio-Ulnargelenkes.

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Beurteilung

Unproportionierte Verkürzungen mehrerer Phalangen des II. und III. Fingers beidseits. Segmentierungsstörung mit Nachweis von vier Segmenten des III. Fingers beidseits. Dysmorphie der Grundphalanxbasis II und des Metakarpaleköpfchens beidseits, Ulna-Minusvariante beidseits (Abb. [2]).

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Abb. 2 Zweiteilige Mittelphalanx des Fingers III rechts.

Aus Platzgründen ist der beidseits gleich geartete Befund fotografisch von der li. und re. Hand sowie röntgenologisch von der rechten Hand dargestellt.

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Patientin Nr. 2 (Mutter von Nr. 1)

Bei der 42-jährigen Patientin fällt auf, dass der Finger IV beidseits am weitesten nach distal vorragt. Beide Kleinfinger zeigen eine leichte Beugestellung bei maximaler Streckung und Verkrümmung in der Längsachse (Klino-Kamptodaktylie). Funktionelle Einschränkungen bestehen nicht. Nagelveränderungen sind nicht vorhanden. Die Zehen weisen keine Anomalien auf (Abb. [3]).

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Abb. 3 Finger IV ragt am weitesten nach distal vor, Klino-Kamptodaktylie (Beugestellung bei maximaler Streckung und Krümmung in der Längsachse).

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Röntgenaufnahmen der Hände und distalen Unterarme

Os metacarpale I beidseits verkürzt und verplumpt. Verkürzte Mittelphalangen von Dig. II, III und V beidseits. Die Gelenkfläche der Ulna projiziert sich beidseits ca. 5 mm proximal des distalen Radio-Ulnargelenkes.

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Beurteilung

Unproportionierte Verkürzungen des Metakarpale Dig. I beidseits und der Mittelphalangen II, III, V beidseits. Ulna-Minus-Variante.

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Patientin Nr. 3 (Mutter von Nr. 2)

Die Kleinfinger der 65-jährigen Patientin sind beiderseits in leichter Beugestellung und in der Längsachse etwas daumenwärts gebogen (Kampto-Klinodaktylie). Bei ihr überragt der Finger III beiderseits die anderen nach distal. An den Zehen bestehen keine Anomalien.

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Abb. 4 Stammbaum der Familie.

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Röntgenaufnahmen der Hände und distalen Unterarme

Beide Handskelette sind regelrecht proportioniert. Gelenkspaltverschmälerungen in den distalen Interphalanxgelenken und diskrete Randosteophyten.

Beurteilung: Keine Anomalien der Handskelette, Herberden-Arthrosen beidseits.

Die Urgroßmutter der Proposita und deren unverheiratete Schwester (beide bereits verstorben) hatten nach Angaben der Angehörigen auch verkürzte Zeige- und Mittelfinger.

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Kommentar

Es handelt sich um einen autosomal-dominanten Erbgang mit unterschiedlicher Expressivität. Der Befall von nur weiblichen Familienmitgliedern über vier Generationen ist wohl rein zufällig, zumal der defekte Genort mit Wahrscheinlichkeit auf Chromosom 12q24 liegt [3] [4] [5]. Lediglich Baraitser und Burn diskutieren einen rezessiven Erbgang [1].

Wenn auch gegenüber anderen Brachydaktylien keine schwerwiegenden Veränderungen vorliegen, so zeigen doch die Röntgenuntersuchungen weiterreichende Anomalien an Mittelhand und Ulna. Zum Teil sind die Veränderungen sehr gering ausgeprägt, was zum Phänomen des Überspringens einer Generation führt. Differenzialdiagnostisch sind andere Brachydaktylien auszuschließen, vor allem durch die fehlenden weiteren schwerwiegenden mesenchymalen Missbildungen [8].

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Literatur

  • 1 Baraitser M, Burn J. Recessively inherited brachydactyly C.  J Med Genet. 1983;  20 128-129
  • 2 Camera G, Camera A, Costa M, Mantero R. Pitfalls of genetic counselling in brachydactyly type C. Amer.  J Med Genet. 1994;  53 199-201
  • 3 Polinkovsky A, Robin N H, Terrig T, Irons M, Lyan A, Goodman F R, Readon W, Kant S G, Brunner H G, van der Burgt I, Chitayat D, McGanghran J, Donnai D, Luytren F P, Warman M C. Mutation in CDMP1 cause autosomal dominant brachydactyly type C.  Nature Genet. 1997;  17 18-19
  • 4 Polymeropoulus M H, Ide S E, Magyari T, Francomano C A. Brachydactyly type C gene maps to human chromosome 12q24.  Genomics. 1996;  38 45-50
  • 5 Robin N R, Gunay-Aygun M, Polinkovsky A, Warmen M L, Morrison H. Clinical and locus heterogeneity of brachydactyly type C.  Amer J Med Genet. 1997;  68 369-377
  • 6 Rowe-Jones J M, Moss A LH, Patton M A. Brachydactyly type C associated with shortening of the hallux.  J Med Genet. 1992;  29 346-348
  • 7 Sanz J, Gilgenkrantz S. Type C brachydactyly transmitted through four generations Ann.  Genet. 1988;  31 43-46
  • 8 Zguriacs J, Bakker W E, Hens H, Lindhout D, Heuthink P, Hovius S ER. Genetics of limb development and congenital hand deformations.  Plast Reconstr Surg. 1998;  101 1126-1135

Dr. med. habil. G. F. Linß

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Literatur

  • 1 Baraitser M, Burn J. Recessively inherited brachydactyly C.  J Med Genet. 1983;  20 128-129
  • 2 Camera G, Camera A, Costa M, Mantero R. Pitfalls of genetic counselling in brachydactyly type C. Amer.  J Med Genet. 1994;  53 199-201
  • 3 Polinkovsky A, Robin N H, Terrig T, Irons M, Lyan A, Goodman F R, Readon W, Kant S G, Brunner H G, van der Burgt I, Chitayat D, McGanghran J, Donnai D, Luytren F P, Warman M C. Mutation in CDMP1 cause autosomal dominant brachydactyly type C.  Nature Genet. 1997;  17 18-19
  • 4 Polymeropoulus M H, Ide S E, Magyari T, Francomano C A. Brachydactyly type C gene maps to human chromosome 12q24.  Genomics. 1996;  38 45-50
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  • 6 Rowe-Jones J M, Moss A LH, Patton M A. Brachydactyly type C associated with shortening of the hallux.  J Med Genet. 1992;  29 346-348
  • 7 Sanz J, Gilgenkrantz S. Type C brachydactyly transmitted through four generations Ann.  Genet. 1988;  31 43-46
  • 8 Zguriacs J, Bakker W E, Hens H, Lindhout D, Heuthink P, Hovius S ER. Genetics of limb development and congenital hand deformations.  Plast Reconstr Surg. 1998;  101 1126-1135

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Abb. 1 a Verkürzte Finger II und III linke Hand. b Vierfingerfurche rechte Hand.

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Abb. 2 Zweiteilige Mittelphalanx des Fingers III rechts.

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Abb. 3 Finger IV ragt am weitesten nach distal vor, Klino-Kamptodaktylie (Beugestellung bei maximaler Streckung und Krümmung in der Längsachse).

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Abb. 4 Stammbaum der Familie.