Einführung
Einführung
Unter dem Begriff Gesundheitsverhalten werden Verhaltensweisen zusammengefasst, die
relevant für die Gesundheit eines Menschen sind, wie Art der Ernährung, Freizeitverhalten
und Suchtmittelkonsum. In den ersten Lebensjahren eines Kindes ist das Gesundheitsverhalten
der Eltern und der Familie für das Wohl des Kindes bestimmend. Das sich langsam entwickelnde,
persönliche Gesundheitsverhalten des Kindes wird mit fortschreitendem Alter durch
Spielkameraden, Freunde und Vorbilder beeinflusst. Jugendliche grenzen sich zum Teil
demonstrativ in ihren Verhaltensweisen gegenüber den Eltern ab.
Die Auswirkungen negativer Verhaltensweisen auf die Gesundheit sind vielfältig belegt.
Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklung von Übergewicht durch überkalorische Ernährung
und zu geringe körperliche Betätigung, was u. a. zur Erhöhung des Risikos von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
und Diabetes führt. Da das Gesundheitsverhalten von Bevölkerungsgruppen durch Präventionsmaßnahmen
beeinflusst werden kann, ist es für die Gesundheitspolitik äußerst wichtig, die Verbreitung
bestimmter Fehlverhaltens-Muster zu kennen und Risikopopulationen zu identifizieren.
Mit dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey lassen sich erstmals repräsentative Daten
zum Gesundheitsverhalten von Eltern, Kindern und Jugendlichen in Deutschland erhalten.
In den Jahren 2003 bis 2005 sollen insgesamt ca. 18 000 Kinder und Jugendliche an
150 über Deutschland verteilten Orten durch das Robert Koch-Institut untersucht und
gemeinsam mit ihren Eltern befragt werden [Kurth et al. 2002 ].
Im Folgenden wird dargestellt, welche Bereiche des Gesundheitsverhaltens aus welchen
Gründen und mit welchem Vorgehen im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey erfasst werden.
Dabei werden auch die Ergebnisse eines in den Jahren 2001/02 durchgeführten Pretests
[Kamtsiuris et al. 2002 ] herangezogen.
Säuglingsernährung
Säuglingsernährung
Dass Gesundheit und Wachstum des Säuglings durch die Ernährung beeinflusst werden,
ist seit langem bekannt [Fomon 1974 ]
[Howie et al. 1990 ]. In den letzten Jahren verdichten sich aber die Hinweise darauf, dass sich die Säuglingsernährung
auch langfristig auf die Gesundheit auswirkt, z. B. auf das Risiko, adipös zu werden,
an Diabetes mellitus Typ 1 oder an einer Atopie zu erkranken [von Kries et al. 1999 ]
[Stettler et al. 2002 ]
[Karjalainen et al. 1992 ]
[Bergmann et al. 2002 ]. Sogar die mentale Entwicklung soll durch die Säuglingsernährung geprägt werden.
Dabei wird vor allem das Stillen mit der Flaschenernährung verglichen. Aber auch die
Art der Beikosternährung, der Zeitpunkt ihrer Einführung, die Zufuhr von Wasser oder
der Gebrauch von Nuckelflaschen zur Beruhigung scheint von Bedeutung zu sein [Kersting 2000 ]
[Wetzel 1992 ]
[Bergmann et al. 1989 ].
Es existieren zwar Anhaltspunkte dafür, wie Säuglinge in Deutschland ernährt [Bergmann et al. 1994 ] und insbesondere, wie lange sie gestillt wurden [Dulon et al. 2001 ], aktuelle, für Deutschland repräsentative Daten von Kindern und Jugendlichen über
ihre Ernährung als Säugling sowie zu ihrem derzeitigen Gesundheitsstatus liegen aber
nicht vor. Informationen zur Säuglingsernährung lassen sich natürlich am zuverlässigsten
für die Altersgruppe der 0- bis 2-Jährigen ermitteln. Es hat sich aber gezeigt, dass
sich Mütter noch jahrelang recht genau auf die Stilldauer besinnen, so dass auch bei
den Müttern von Jugendlichen noch verwertbare Antworten zu erwarten sind [Kark et al. 1984 ]
[von Kries et al. 1999 ]. Durch eine solche Stillanamnese kann auch bei älteren Kindern noch untersucht werden,
inwieweit Stillen und die Stilldauer mit Indikatoren der späteren Gesundheitslage
assoziiert sind.
Instrumente und Methodik im Survey
Im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey werden die Eltern der 0- bis 17-Jährigen mit
einem Selbstausfüllfragebogen um Auskunft zu den folgenden Fragen gebeten:
Wird oder wurde der Säugling bzw. wurde das ältere Kind im Säuglingsalter gestillt?
Wie viele Monate lang wurde gestillt?
Wie lange wurde ausschließlich gestillt?
Die Eltern der 0- bis 2-Jährigen sollen außerdem angeben, ob und wenn ja von welchem
Lebensmonat an der Säugling die folgende Kost erhielt:
Säuglingsflaschennahrung; hypoallergene Flaschennahrung; probiotische Flaschennahrung;
Vollmilch; Tee (gesüßt oder ungesüßt); Fruchtsaft; Milchbrei; milchfreien Brei; Gemüsebrei;
Gemüse; Früchte; fleischhaltige Kost; Vollkornprodukte; Familienkost.
In der Altersklasse der 0- bis 2-Jährigen wird auch nach vegetarischer Ernährung gefragt
sowie die regelmäßige Gabe von Supplementen ermittelt. In diesem Zusammenhang sind
Labormesswerte von Bedeutung, etwa die Werte für 25(OH)Vitamin D, Folsäure, Eisen,
Blutbild oder Serumlipide, die im Survey bestimmt werden.
Erfahrungen aus dem Pretest: Nach den nicht auf Deutschland hochrechenbaren Daten
des Pretests wurden etwa 80 % der Kinder und Jugendlichen gestillt. Wenn man die Stilldauer
in den verschiedenen Altersgruppen miteinander vergleicht, zeichnet sich ab, dass
die Werte nahe bei denen anderer Erhebungen in Deutschland liegen und dass der Anteil
der Kinder, die drei und mehr Monate lang gestillt wurden, in den vier Beobachtungsregionen
des Pretests in den letzten Jahren offensichtlich zugenommen hat. Die Übereinstimmungen
deuten darauf, dass die Erhebung zu validen Ergebnissen führen dürfte.
Zu erwartende Ergebnisse
Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey wird aktuelle Daten zur Säuglingsernährung,
speziell zur Stillrate und -dauer liefern, die u. a. für zeitliche, regionale und
internationale Vergleiche herangezogen werden können. Er erlaubt die Analyse von Zusammenhängen
zwischen der (früheren) Säuglingsernährung und der derzeitigen Gesundheit des Kindes,
den vorliegenden Risikofaktoren und Krankheiten sowie der Inanspruchnahme medizinischer
Leistungen. Einflussgrößen wie sozioökonomischer Status, Rauchen, körperliche Aktivität
usw. können berücksichtigt werden.
Ernährung von Kindern und Jugendlichen
Ernährung von Kindern und Jugendlichen
Wie bereits bei der Ernährung von Säuglingen ausgeführt, ist eine adäquate Ernährung
extrem wichtig für das Wachstum und die Entwicklung heranwachsender Kinder und Jugendlicher
und ebenso Voraussetzung für den Erhalt ihrer Gesundheit. In diesem Lebensabschnitt
bilden sich ferner Präferenzen für die Auswahl bestimmter Lebensmittel [Leach 1999 ]. Dementsprechend gilt eine Verbesserung des Ernährungsverhaltens bereits im Kindesalter
als wichtige langfristige Präventionsmaßnahme.
Schon im Kindesalter können gesundheitliche Probleme auftreten, die sich teilweise
auf eine falsche Ernährung zurückführen lassen. So wurde für das Jahr 1999 geschätzt,
dass etwa 20 % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland übergewichtig bzw. adipös
sind [Pudel 2000 ]. Zudem werden Ernährungsfaktoren für die steigende Prävalenz von Allergien im Kindesalter
mitverantwortlich gemacht. Auch Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2, Karies und
eine Schilddrüsenvergrößerung sind ernährungsmitbedingt.
Zur Beurteilung der derzeitigen Ernährungssituation und ihrer Folgen für die Gesundheit
der Kinder und Jugendlichen in Deutschland werden repräsentative Daten benötigt.
Instrumente und Methodik im Survey
Bei der Befragung der 3- bis 17-Jährigen wird ein breites Spektrum an Fragen zur Ernährung
eingesetzt. So werden u. a. Fragen zur Verzehrshäufigkeit und zu den Verzehrsmengen
bestimmter Lebensmittel in den letzten Wochen gestellt:
Konsum ausgewählter Speisen
Konsum ausgewählter Getränke
Konsum zusätzlicher Vitamine und Mineralstoffe sowie von Functional Food
Befragt werden die 11- bis 17-jährigen Kinder bzw. Jugendlichen sowie die Eltern der
3- bis 13-jährigen Kinder. Daneben werden an alle Eltern die schon angesprochenen
Fragen zum Ernährungsverhalten im Säuglingsalter und zu einer vegetarischen Ernährung
gestellt.
Die Ernährung zählt zu den Verhaltensweisen, welche im Rahmen von epidemiologischen
Studien besonders schwierig zu erfassen sind. Dies wird durch das sich ständig erweiternde
Angebot an Lebensmitteln, aber auch die Vielzahl von Umständen, unter denen man heutzutage
essen kann, erschwert. Wir beschränken uns schon längst nicht mehr auf die traditionellen
drei Mahlzeiten am Tag zu Hause. Gerade bei Kindern und Jugendlichen spielt der Außer-Haus-Verzehr
eine wichtige Rolle. Darüber hinaus ist unser Ernährungsverhalten stark von der Jahreszeit,
von regionalen Verzehrsgewohnheiten und modischen Ernährungstrends geprägt.
Nur mit einer aufwändigen und für die Teilnehmer sehr anspruchsvollen Befragungsmethodik
(z. B. Verzehrsprotokolle, mehrfache Recalls oder Diet-History-Befragungen) ist es
möglich, ein umfassendes Bild über den Lebensmittelverzehr zu erhalten [Willet 1998 ]
[Margetts, Nelson 1997 ]
[Schneider 1997 ]
[Mensink et al. 1998 ]. Jedoch würde dies den Rahmen eines Surveys sprengen. Deshalb wurde unter Mitarbeit
von externen Experten eine Food-Frequency-Fragenbatterie entwickelt. Obwohl der Food
Frequency ein weniger detailliertes, rein qualitatives Bild des Lebensmittelverzehrs
liefert, hat er durchaus seine Berechtigung. Dies liegt unter anderem an seinem geringen
Zeitaufwand, den geringen Kosten und der Abwesenheit von Interviewer-Bias. Zudem sind
Food-Frequency-Daten im Vergleich zu Daten, die mit aufwändigeren Methoden gewonnen
werden, relativ leicht auszuwerten und können deshalb problemlos als Teil eines Public-Use-Files
der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Während des Pretests stellte sich heraus, dass die tabellarische Fragenliste des Food
Frequencys eintönig und „erschlagend” auf viele Studienteilnehmer wirkt. Die Art der
Gestaltung inklusive der Tatsache, dass sich der Food Frequency innerhalb eines sehr
umfangreichen Gesundheitsfragebogens befand, forderte ein hohes Maß an Motivation
und Konzentration. Dennoch gab es nur wenige fehlende Werte bei den Antworten. Für
einige Lebensmittel stellte sich heraus, dass sie nur äußerst selten von Kindern und
Jugendlichen verzehrt wurden. Diese wurden deshalb aus der Fragenliste gestrichen.
Entsprechend den Pretest-Erkenntnissen wurden verschiedene Veränderungen vorgenommen.
Der Food Frequency wurde aus dem Kernfragebogen gelöst und für die Studienteilnehmer
in Anlehnung an einen vom National Institute of Health (NIH) entwickelten Fragebogen
ansprechender gestaltet [Subar et al. 2001 ]. Dabei konnten die Lebensmittelgruppen, wie sie im Pretest auf ihre Eignung geprüft
wurden, weitgehend übernommen werden. Durch die Aufhebung der tabellarischen Fragenanordnung
bilden nun die einzelnen Fragen zusammen mit ihren Antwortkategorien jeweils eine
deutliche Einheit. Die vorgegebenen Häufigkeitskategorien (pro Tag, Woche oder Monat)
wurden auswertungsgerechter gebildet. Die neue Gestaltungsform erlaubt Unterfragen,
z. B. nach dem Verzehr von frittierten Lebensmitteln, sowie die Abfrage von Portionsgrößen.
Somit wurde der „Short Food Frequency” zu einem semiquantitativen Food Frequency weiterentwickelt
(siehe Abb. 1 ). Diese optimierte Form der Ernährungsbefragung wurde einem weiteren Pretest unterzogen.
Er zeigte, dass die gewählte Gestaltung positiv bewertet wurde.
Abb. 1 Beispiel einer Frage aus dem neu gestalteten Lebensmittelverzehrs-Fragebogen.
Zu erwartende Ergebnisse
Der Food Frequency ermöglicht die Beschreibung sowie einen Vergleich des Lebensmittelverzehrs
durch Kinder und Jugendliche in verschiedenen Altersklassen. Zudem ist ein Vergleich
mit anderen Studien möglich, sofern in diesen vergleichbare Food-Frequency-Fragebogen
eingesetzt wurden. Es können tendenzielle Entwicklungen im Ernährungsverhalten von
Kindern erkannt werden. Außerdem können Zusammenhänge zwischen dem Verzehr bestimmter
Lebensmittel und Gesundheitsmerkmalen untersucht werden. Antworten u. a. zu folgenden
Fragen können gefunden werden: Essen Jugendliche ausreichend Obst und Gemüse? Trinken
sie ausreichend? Wie häufig werden Supplemente eingenommen? Essen Kinder in Städten
ungesünder als auf dem Land?
Essstörungen
Essstörungen
Das Thema Essstörungen hat in den letzten Jahren in Fachkreisen und in der breiten
Öffentlichkeit an Aufmerksamkeit gewonnen. 8 % aller Jungen und Mädchen zwischen 6
und 17 Jahren sind untergewichtig, 11 % der Kinder und Jugendlichen übergewichtig.
9 % der Jungen bzw. 7 % der Mädchen weisen eine Adipositas auf. Damit hat fast jedes
dritte Kind ein außerhalb der Norm liegendes Gewicht, das möglicherweise Ursache oder
Beginn einer Essstörung sein kann [Pott 2001 ]. Damit im Zusammenhang steht, dass bei den 11- bis 15-Jährigen 11 % der Jungen und
17 % der Mädchen bereits Diäterfahrungen haben. Viele Jugendliche, Mädchen häufiger
als Jungen, weisen ein negatives Körperselbstbild auf. 56 % der 13- bis 14-Jährigen
wären gern dünner [Milhoffer et al. 1999 ].
Häufige, bereits im Jugendalter auftretende Essstörungen sind die Anorexia, die Bulimia
nervosa und die Binge Eating Disorder. Bei der Anorexia handelt es sich um die Krankheit,
die unter den kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen die höchste Mortalität
aufweist. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 14 und 16 Jahren. Bei der Bulimia nervosa
erkranken die meisten Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren. Zur Binge Eating Disorder,
einer Essstörung, die durch wiederkehrende Heißhunger- und Essattacken mit einhergehendem
Kontrollverlust gekennzeichnet ist, liegen nur wenige Studien vor [Holtkamp, Herpertz-Dahlmann 2002 ].
Schon im Säuglings- und Kleinkindalter können unspezifische Essstörungen (Fütterstörungen)
auftreten. Sie sind durch die Ablehnung bzw. Bevorzugung einzelner Speisen, extrem
langsame Nahrungsaufnahme oder die Verweigerung fester Nahrung gekennzeichnet. Häufig
weisen sie auch Bezüge zu Entwicklungsverzögerungen, Gedeihstörungen, Schlafstörungen
bis hin zu Verhaltensauffälligkeiten auf. Der Verlauf der im frühen und mittleren
Kindesalter auftretenden Essstörungen ist zwar in der Regel günstig, bedarf jedoch
entsprechend frühzeitiger Diagnose und entsprechender Psychotherapie auch unter dem
Aspekt, dass die über die Essstörung ablaufenden Auseinandersetzungen zwischen dem
Kind und seinen Bezugspersonen (meistens der Mutter) zu einer ernsthaften Gefährdung
der Persönlichkeitsentwicklung führen können [Steinhausen 1996 ].
Instrumente und Methodik im Survey
Neben der Darstellung von psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten werden
im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey Ess- und Fütterstörungen gesondert erfasst.
Dabei werden zur Identifizierung essstörungsrelevanter Verhaltensweisen Indikatoren
des Essverhaltens und der Körpereinschätzung herangezogen. Die zum Einsatz kommenden
Befragungsinstrumente haben sich im Pretest des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys
bewährt.
Für die Befragung der Kinder und Jugendlichen wird der aus Großbritannien stammende,
speziell zur Identifizierung von Essstörungen entwickelte „SCOFF”-Questionnaire [Morgan et al. 1999 ] eingesetzt. Er besteht aus fünf Fragen, die die fünf Kernsymptome der Anorexia und
der Bulimia nervosa charakterisieren. Darüber hinaus wird die Selbstbeurteilung der
Figur als Indikator für das Körperselbstbild und die Körperzufriedenheit mit fünf
Items abgefragt. Diese Methode wurde wegen der hohen Korrelation der Körperselbsteinschätzung
mit dem Körpergewicht (Bodymass-Index), der körperlichen Aktivität und dem Essverhalten
ausgewählt. Für die schriftliche Befragung der Eltern wurden in Zusammenarbeit mit
dem Department of Child and Adolescent Psychiatry in Marburg Fragen zum Essverhalten
für die fünf Altersbereiche 0 bis 2, 3 bis 6, 7 bis 10, 11 bis 13 und 14 bis 17 Jahre
entwickelt. Diese orientieren sich grundsätzlich ebenfalls an den Leitsymptomen für
Essstörungen und bieten die Möglichkeit, Auffälligkeiten im Essverhalten (auch „Fütterstörungen”)
ab dem Kleinkindalter zu erfassen. Dabei werden je nach Altersgruppe neben den Angaben
zum Essverhalten (Häufigkeit, Menge, Frequenz) auch körperliche Symptome, Maßnahmen
zur Gewichtsreduktion und ärztliche Konsultationen abgefragt. Zusätzlich werden die
Eltern aufgefordert, anhand von fünf auch in der Selbstbefragung der Kinder und Jugendlichen
eingesetzten Kriterien die Figur ihres Kindes einzuschätzen.
Zu erwartende Ergebnisse
Durch den Einsatz der beschriebenen Befragungsinstrumente im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey
werden Aussagen über die Prävalenz essstörungsspezifischer Merkmale in der Kinder-
und Jugendlichenpopulation in Deutschland möglich. Die repräsentativen Daten können
unter dem Blickwinkel der Alters- und Geschlechtsspezifik betrachtet und mit anderen
Gesundheitsmerkmalen (Schmerzen, Bodymass-Index, körperliche Aktivität usw.) korreliert
und interpretiert werden. Dieses Vorgehen lässt im Weiteren die Identifizierung von
Risikogruppen und die Ableitung von Interventionsbedarf zu.
Alkohol
Alkohol
Alkoholische Getränke zählen zu den Genussmitteln und Rauschmitteln und letztendlich
zu den (legalen) Drogen. Aufgrund ihrer negativen Wirkungen (z. B. als Ursache von
Verkehrsunfällen, Gewalt und als mögliche Einstiegsdroge) sind sie in der Ernährung
von Kindern und Jugendlichen unerwünscht. Dennoch ist das Jugendalter die Zeit, in
der häufig die ersten Erfahrungen mit Alkohol gemacht werden. Diese können das spätere
Alkoholkonsumverhalten prägen. So wurde ein Zusammenhang zwischen einem frühen Kontakt
mit Alkohol und Lebenszeitprävalenz von Alkoholmissbrauch beobachtet [Grant, Dawson 1997 ].
In Großbritannien haben 84 % der 12- bis 17-Jährigen schon Erfahrungen mit Alkohol
gemacht, meistens zu Hause [Coussins 2002 ]. In Deutschland hatten 1997 mehr als die Hälfte der 12- bis 17-Jährigen schon einmal
Alkohol getrunken [Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 1998 ], während bei den mindestens 14-Jährigen nur 11,5 % noch keine Erfahrung mit Alkohol
hatten. Diese Zahlen werden von weiteren Studien gestützt [Bundesministerium für Gesundheit 2000 ]. Es ist allerdings zu vermuten, dass immer mehr Jugendliche bereits früh Kontakt
mit Alkohol haben, da vermehrt „leicht alkoholische Getränke” auf den Markt gekommen
sind.
Etwa 5 % der 15- bis 17-jährigen Jungen und Mädchen aus Hamburg trinken mehr als 30 g
bzw. 20 g pro Tag [Bundesministerium für Gesundheit 2000 ]. Für Brandenburg wird geschätzt, dass unter den 14- bis 15-Jährigen etwa 5000 Jugendliche
regelmäßig Alkohol trinken und 900 Jugendliche regelrecht Alkoholmissbrauch betreiben
[Ziel 2002 ].
Das Alkoholkonsumverhalten von Jugendlichen stellt einen wichtigen Aspekt ihres Gesundheitsverhaltens
dar. In seiner Empfehlung vom 5. Juni 2001 empfiehlt der Rat der Europäischen Union
einen Forschungsschwerpunkt auf „Aspekte der Probleme im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum
junger Menschen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen” zu legen [Rat der Europäischen Union 2001 ].
Daneben muss unbedingt herausgestellt werden, dass Alkoholkonsum während der Schwangerschaft
zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bzw. Schädigungen des Kindes führen kann.
Instrumente und Methodik im Survey
Die Eltern aller Kinder werden im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey um Auskunft
gebeten, ob die Mutter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken hat. Ab einem
Alter von 11 Jahren werden sowohl die Kinder selbst als auch deren Eltern danach gefragt,
ob sie (die Kinder) schon einmal Alkohol getrunken haben und wenn ja, wie oft, welche
Mengen und welche Art von Alkohol.
Zu erwartende Ergebnisse
Neben den Daten zur Verbreitung von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft und zu frühem
Alkoholkonsum bei den Heranwachsenden ergeben sich Hinweise auf die Einflussgrößen
dieses Verhaltens, die für die Konzeption von Präventionsmaßnahmen von großer Bedeutung
sind.
Rauchen
Rauchen
Die Bedeutung des Rauchens für die Entwicklung von Atemwegskrankheiten, Herz-Kreislauf-Krankheiten
und Krebs ist unbestritten.
Die Entscheidung, ob jemand zum Raucher wird oder nicht, fällt meist in der Jugend.
Aus diesem Grund sind auch die Marketing- und Werbemaßnahmen der Zigarettenindustrie
zu großen Teilen auf die Zielgruppe der Jugendlichen ausgerichtet. Das Einstiegsalter
liegt für Mädchen und Jungen bei knapp 14 Jahren [Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2001 ]. Es ist das erklärte Ziel vielfältiger Maßnahmen auf Bundes- und Länderebene, zumindest
das Einstiegsalter zu erhöhen. Daher ist es unerlässlich, sowohl das Rauchverhalten
der Kinder und Jugendlichen zu erfragen als auch das Umfeld zu betrachten und die
Rauchgewohnheiten der Eltern und Freunde ebenfalls zu erheben.
Da gesundheitsschädigende Stoffe des Tabakrauchs sowohl in den fetalen Kreislauf als
auch in die Muttermilch übergehen, wird Raucherinnen während dieser kritischen Zeit
(Schwangerschaft, Stillzeit) generell vom Zigarettenkonsum abgeraten. In Deutschland
existieren keine repräsentativen Daten zur mütterlichen Rauchprävalenz während der
Schwangerschaft und der Stillzeit. Es ist daher von Interesse zu ermitteln, wie häufig
eine Exposition gegenüber Zigarettenrauch in Schwangerschaft und Stillzeit vorkommt
und welche Einflussgrößen dabei eine Rolle spielen.
Instrumente und Methodik im Survey
Die Fragen zum Rauchen wurden in Anlehnung an die Empfehlungen der WHO [de Bruin et al. 1996 ] formuliert. Im Survey wird sowohl das elterliche Rauchverhalten als auch das der
Kinder (ab 11 Jahre) erhoben. Zusätzlich wird erfragt, ob die Mutter während der Schwangerschaft
oder Stillzeit geraucht hat.
Zu erwartende Ergebnisse
Der Survey trägt dazu bei, die Begleitumstände, die das Einstiegsalter bzw. die Rauchentscheidung
beeinflussen, zu identifizieren. Außerdem werden repräsentative Informationen über
die Prävalenz des Rauchens bzw. der (Passiv-)Rauchbelastung in der Kinder- und Jugendpopulation
gewonnen. Die Gruppe der Eltern, Schwangeren und stillenden Mütter, die rauchen, kann
genauer charakterisiert werden, was u. a. für die Planung von Interventionsmaßnahmen
von Bedeutung ist.
Drogen
Drogen
Der Konsum der meisten Drogen ist illegal. Wichtig aber ist: Der Konsum von Drogen
kann in die Abhängigkeit führen und schwere gesundheitliche Schäden verursachen. Nach
Aussagen der BZgA [Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2001 ] kommen viele Jugendliche mit Drogen in Kontakt und probieren diese auch aus. Der
Anteil der Jugendlichen, der illegale Drogen konsumiert, ist dagegen gering und konzentriert
sich sehr stark auf Cannabisprodukte. Auch wenn sich derzeit nach den Angaben der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung keine besorgniserregende Entwicklung
beim Konsum von Drogen abzeichnet, so ist es doch extrem wichtig, aktuelle Daten zum
Drogenkonsum der Jugendlichen zu erheben und die Begleitumstände zu identifizieren,
die das Konsumverhalten beeinflussen.
Instrumente und Methodik im Survey
Die Fragen nach dem Drogenkonsum werden ausschließlich den Kindern und Jugendlichen
ab 11 Jahren gestellt, da davon ausgegangen werden muss, dass die Eltern in diesem
Bereich nur sehr unzureichend informiert sind. Die Fragen beziehen sich auf die zurückliegenden
zwölf Monate. Aufgrund der Ergebnisse des Pretests wurde die Frage nach dem Probieren
bzw. Konsum von LSD gestrichen, da es hier fast keine Nennungen gab. Somit verbleiben
noch fünf Items in der Frage nach Drogen: Marihuana/Haschisch, Ecstasy, Aufputschmittel,
Medikamente, Lösungsmittel.
Zu erwartende Ergebnisse
Es können Faktoren beschrieben werden, die den Konsum von Drogen begünstigen. Die
Kenntnis dieser Faktoren ist aus Sicht der Prävention von großem Interesse. Außerdem
können mit den Daten zum Drogenkonsum, weitere Erhebungen vorausgesetzt, zukünftige
Trends sowie Verschiebungen innerhalb des Drogenspektrums erkannt werden.
Freizeitverhalten
Freizeitverhalten
Für die Einschätzung gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen
ist die Betrachtung des individuellen Freizeitverhaltens unerlässlich. Dies umfasst
nicht nur grundlegende Fragestellungen wie die elterliche Zuwendung im Kleinkindalter,
sondern auch den Medienkonsum innerhalb der Familie und in der Gruppe der Gleichaltrigen
sowie die körperlichen Aktivitäten der Kinder und Jugendlichen. Die Freizeit stellt
einen wesentlichen Bereich zur Entwicklung und Verfolgung eigener Interessen, der
Selbstfindung und eines selbstbestimmten Lebensstils dar.
Neuere Untersuchungen zeigen, dass es in den letzten Jahren zu einer Abnahme der sportlichen
Aktivität gekommen ist, wovon insbesondere die Gruppe der Mädchen betroffen ist [Hüttner et al. 1997 ]. Körperliche Inaktivität fördert, vermittelt über eine reduzierte kardiovaskuläre
Fitness, langfristig die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen [Bouchard et al. 1990 ]. Möglicherweise ist körperliche Inaktivität auch für die Entwicklung motorischer
Entwicklungsdefizite mitverantwortlich und trägt damit u. a. auch zur Entstehung von
Unfällen im Kindesalter bei. Unfälle und Verletzungen im Zusammenhang mit Sport und
anderen körperlichen Aktivitäten sind bei Kindern relativ häufig. Besonders Jungen
im Vorschulalter und Schulanfänger sind gefährdet [Menke 2002 ]. Dabei ist nicht klar, ob untrainierte Kinder und Jugendliche gefährdeter sind,
da sie ja vergleichsweise auch seltener Risiken durch Sport ausgesetzt sind.
Ein hoher Stellenwert kommt im Rahmen des Freizeitverhaltens dem Fernseh- bzw. Computerkonsum
zu, der besonders bei Kindern im Schulalter weiter steigt [Schnoor, Zimmermann 1989 ]
[Feierabend, Windgasse 1997 ]. Welche Auswirkungen das Fernsehen und die Nutzung neuer Medien, einschließlich
Mobiltelefone, auf Kinder haben, ist noch unzureichend untersucht. Es gibt Hinweise,
die einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Medienkonsum und der körperlichen Aktivität
sowie einer Förderung von Adipositas vermuten lassen [Dietz, Gortmaker 1985 ]. Auch psychische Auffälligkeiten, insbesondere aggressive Verhaltensweisen, die
auch Indikatoren für körperliche Gesundheit darstellen, werden mit dem Fernsehkonsum
von Kindern und Jugendlichen in Zusammenhang gebracht [Johnson et al. 2002 ].
Instrumente und Methodik im Survey
Sowohl in den Eltern- als auch in den Kinderfragebogen werden die oben genannten Themenbereiche
altersentsprechend abgefragt. Die Auswahl der Fragen erfolgte in Anlehnung an andere
nationale Kinder- und Jugendstudien und wurde durch eigene Fragestellungen komplettiert.
Die Akzeptanz, Verständlichkeit und Aussagefähigkeit der Fragen wurden im Pretest
zum Kinder- und Jugendgesundheitssurvey überprüft. Fragen nach der Beschäftigung mit
dem Kind werden ausschließlich bei den 0- bis 2-Jährigen gestellt. Die Themen körperliche
Aktivität und Medienkonsum werden ab dem Alter von drei Jahren abgefragt. Zum Themenkomplex
Gewalt werden nur die Jugendlichen ab einem Alter von 11 Jahren um Auskunft gebeten.
Um einen Eindruck von den körperlichen Fähigkeiten der Kinder zu bekommen, erfolgt
ergänzend zur Befragung bei den 4- bis 10-jährigen Kindern eine Überprüfung der feinmotorischen
Koordination und bei den 11- bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen die Feststellung
der Ausdauer mittels eines Fahrradergometers [Bös et al. 2002 ].
Zu erwartende Ergebnisse
Ein Ziel ist die Schaffung repräsentativer Basisdaten über die elterliche Zuwendung,
den Medienkonsum und das körperliche Aktivitätsniveau, einschließlich feinmotorischer
Fähigkeiten bzw. Ausdauerleistung im Kindes- und Jugendalter. Es können Abhängigkeiten
zwischen den genannten Größen und anderen gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen wie
zum Beispiel Ernährung oder Rauchen untersucht werden. Postulierte Zusammenhänge zwischen
Medienkonsum, körperlicher Aktivität und Bodymass-Index können geprüft werden. Im
Fall von Wiederholungsuntersuchungen wird es möglich sein, Trendaussagen zu erhalten.