Einführung
Die Rolle der Motorik im Hinblick auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen
ist in der Kinder- und Jugendpsychologie, der medizinischen Forschung und der Sportwissenschaft
unumstritten und inzwischen vielfach wissenschaftlich belegt. Dabei steht nicht nur
die motorische Entwicklung im engeren Sinn im Vordergrund. Eine adäquat ausgebildete
körperliche Leistungsfähigkeit im Kindes- und Jugendalter legt den Grundstein für
eine lebenslange Fähigkeit, motorische Alltagsanforderungen zu bewältigen, und wirkt
zudem den gesundheitsbedrohenden Folgen des Risikofaktors Bewegungsmangel in effektiver
Weise entgegen.
Die bislang vorliegenden Untersuchungen aus Medizin und Sportwissenschaft zeigen,
dass das Sportverhalten und die körperliche Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen
abnehmen [Brinkhoff 1998 ]
[Dordel 2000 ], sich bereits im Kindergartenalter frühe Bewegungs- und Haltungsauffälligkeiten
zeigen [Obst 2001 ] und Unfälle durch Ungeschicklichkeit zunehmen [Kunz 1995 ]. Diese vorliegenden Studien deuten auf einen Missstand hin; repräsentative bundesweite
Daten zur exakten Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit von Kindern und
Jugendlichen stehen jedoch bislang aus.
Einer frühzeitigen und umfassenden Untersuchung der Motorik bei Kindern und Jugendlichen
sowie des körperlich-sportlichen Aktivitätsverhaltens sollte deshalb in einem Kinder-
und Jugendgesundheitssurvey ein angemessener Stellenwert eingeräumt werden, um Multiplikatoren,
Wissenschaftlern, Entscheidungsträgern und auch der interessierten Öffentlichkeit
Informationen für die Implementation von Interventionen bereitzustellen. Nur durch
repräsentative Daten hinsichtlich der körperlichen Leistungsfähigkeit und der körperlich-sportlichen
Aktivität von Kindern und Jugendlichen können Aussagen zu Gesundheitsschädigungen
und Entwicklungsdefiziten getroffen werden. Erst aufgrund dieser Informationen können
passende Interventionsmaßnahmen für die einzelnen Alters- und Zielgruppen ausgewählt
werden, um Gesundheit und körperliche Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen
zu verbessern. Bisher liegt keine repräsentative und bundesweite Untersuchung zur
Motorik vor. Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey würde daher eine erhebliche Forschungslücke
schließen. Sowohl im Survey selbst als auch vertiefend in einem dem Survey angegliederten
Modul sollen Untersuchungen zur Motorik durchgeführt werden.
Um eine hohe Aussagekraft der Untersuchungen zu gewährleisten, müssen bei den untersuchten
Kindern und Jugendlichen Verhaltensdaten in Form von motorischen Tests erhoben werden.
Dadurch können genauere Ergebnisse erzielt werden, als sie anhand von Selbsteinschätzungen
(Fragebogen) möglich wären.
Auswahl der Testverfahren
Die Arbeitsgruppen von Bös (Institut für Sport und Sportwissenschaft (IfSS), Universität
Karlsruhe) und Breithecker (Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung,
Wiesbaden) beschäftigen sich bereits seit Jahren mit der Betrachtung von Zusammenhängen
zwischen sportlicher Aktivität, Fitness und Gesundheit im Kindes- und Jugendalter.
Grundlage hierfür ist eine seit 20 Jahren andauernde Auseinandersetzung mit der Systematisierung
motorischer Fähigkeiten (Abb. 1 ). Dazu wurden bisher zahlreiche Studien durchgeführt und Publikationen vorgelegt
[Bös et al. 2001 ].
Abb. 1 Differenzierung motorischer Fähigkeiten [Bös 1994 ].
Diese Systematisierung nach Bös [1994 ] bildet die theoretische Basis der geplanten Motorik-Erhebung. Hierbei lassen sich
die motorischen Grundeigenschaften in die in Abb. 1 genannten 10 motorischen Fähigkeiten untergliedern. Bei der Testung dieser motorischen
Fähigkeiten lassen sich zudem noch folgende Körperbereiche unterteilen:
Teilkörperbewegungen - obere Extremitäten
Teilkörperbewegungen - Rumpf
Teilkörperbewegungen - untere Extremitäten
Ganzkörperbewegungen (einfache und komplexe Läufe, Sprünge, andere Lokomotionsaufgaben)
Tätigkeit ohne Ortsveränderung (Haltung, isometrische Beanspruchung)
Anhand dieser theoretischen Grundlage und unter Zuhilfenahme der Ergebnisse verschiedener
empirischer Studien wurde das „Karlsruher Testsystem für Kinder (KATS-K)” entwickelt
[Bös et al. 2001 ].
Kriterien für die Auswahl der motorischen Testitems im Kernsurvey und im Modul
Für die Auswahl der motorischen Testitems waren folgende Kriterien richtungweisend:
Validität (Aussagekraft des Items, wissenschaftlicher Anspruch)
Reliabilität (Standardisierungsgrad, metrische Messung)
Ökonomie der Items (Praktikabilität, Akzeptanz durch Versuchsperson)
Durchführbarkeit in allen bzw. möglichst vielen Altersgruppen
korrelative Beziehung zu gesundheitlichen Fragestellungen
Für die Zusammenstellung des Testprofils wurden nachstehende Kriterien berücksichtigt:
Dimensionalität der Motorik (Aussage über gesamte körperliche Leistungsfähigkeit muss
möglich sein)
Ökonomie und Durchführbarkeit
Innovation (die Tests sollen auch in Zukunft Anwendung finden)
Praxistransfer für Schule, Schuleingangsuntersuchung sollte möglich sein
Begründung für die einzelnen Testinhalte (Motorikbereiche) [Bös et al. 2001 ]
[Bös, Tittlbach 2002 ]
Ausdauer (insbesondere aerobe Ausdauer) - Ausdauer ist eine zentrale Dimension der Motorik.
Die Verbindung zu koronaren Herzkrankheiten ist evident.
Kraft (Teilkomponenten: Muskelkraft, Schnellkraft, Kraftausdauer) - Kraft ist eine zentrale
Dimension der Motorik. Die Verbindung zu Körperhaltung und Rückenproblemen ist evident.
Koordination (Komponenten: Koordination unter Zeitdruck, Koordination bei Präzisionsaufgabe, Reaktionsschnelligkeit)
- Koordination ist eine zentrale Dimension der Motorik. Koordination unter Zeitdruck
und Reaktion sind wichtig für die Verkehrssicherheit und das Unfallgeschehen. Koordination
bei Präzisionsaufgabe ist Voraussetzung für Bewegungslernen und Konzentration (Feinmotorik,
Schreibmotorik).
Beweglichkeit - Beweglichkeit ist die Voraussetzung für motorische Leistungen.
Konstitution, Körperbau - Konstitution hat Verbindung zur motorischen Leistung. Übergewicht und Adipositas
sind zentrale Problematiken im Kindes- und Jugendalter.
Die Erstellung einer Testbatterie, wie sie in Tab. 1 aufgeführt ist, erfolgte in Absprache mit dem Robert Koch-Institut und unter Einbeziehung
der Ergebnisse des Pretests des Kinder- und Jugendsurveys sowie anhand mehrerer Diagnose-Meetings
und Vorstudien am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Karlsruhe.
Des Weiteren fanden Absprachen mit Motorik-Experten (Prof. Wydra, Dr. Dordel, Dr. Breithecker)
statt.
Tab. 1 Aufgaben und Inhalte der Testbatterie
Bezeichnung der Testaufgabe
Testinhalt (Fähigkeiten)
primäre Beanspruchung
A. Koordination
sensorische Regulation bei Präzisionsaufgaben
Einbeinstand
interozeptiv/statisch
Vestibularapparat
Balancieren rückwärts
exterozeptiv-geführt/dynamisch
Ganzkörper
Liniennachfahren (MLS)
exterozeptiv-geführt
Auge-Hand-Koordination
B. Koordination
Koordination unter Zeitdruck
Stifte einstecken (MLS)
exterozeptiv-geführt
Auge-Hand-Koordination
Reaktionstest
Reaktionsschnelligkeit
Auge-Hand-Koordination
C. Beweglichkeit
Rumpfbeugen
Dehnfähigkeit (aktiv)
rückwärtige Muskulatur, untere Extremitäten, lange Rückenstrecker
D. Kraft
Standweitsprung
Schnellkraft
untere Extremitäten
Liegestütz
dynamische Kraftausdauer
obere Extremitäten, stabilisierende Rumpfmuskulatur
Kraftmessplatte
Maximalkraft
untere Extremitäten
seitl. Hin- und Herspringen
dynamische Kraftausdauer
untere Extremitäten
E. Ausdauer
Fahrradergometer
aerobe Ausdauer
untere Extremitäten, Herz- Kreislauf-System
Im Kernsurvey des Robert Koch-Instituts werden alle Kinder und Jugendlichen mit spezifischen
Kurztests untersucht. Der Untersuchungsschwerpunkt liegt bei den 4- bis 10-Jährigen
bei der Erfassung koordinativer Fähigkeiten, während es bei der Altersgruppe ab 11
Jahre die Untersuchung der aeroben Ausdauerleistungsfähigkeit ist. Die Testitems des
Moduls Motorik erfassen in den verschiedenen Altersgruppen ergänzend dazu alle weiteren
Dimensionen der Motorik. Dadurch wird eine Gesamtaussage hinsichtlich der körperlichen
Leistungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen möglich. Als Untersuchungsdauer im
Modul sind pro Testperson ca. 30 bis 45 Minuten vor Ort vorgesehen.
Tab. 2 gibt einen Überblick über die Verteilung der Testitems auf Kernsurvey (Robert Koch-Institut)
und Modul (IfSS Universität Karlsruhe).
Tab. 2 Verteilung der Testitems auf Kernsurvey und Modul
4-5 Jahre
6-10 Jahre
11-17 Jahre
<$>currrotate{Robert Koch-Institut}<$>
_
_
Fahrradergometer (AA)
Reaktionstest Software (RS)
Reaktionstest Software (RS)
_
MLS-Stifte einstecken (KZ)
MLS Stifte einstecken (KZ)
_
MLS-Linien nachfahren (KP)
MLS Linien nachfahren (KP)
_
Einbeinstand (KP/Haltung)
Einbeinstand (KP/Haltung)
_
seitliches Hin- und Herspringen (KZ/KA)
seitliches Hin- und Herspringen (KZ/KA)
_
Rumpfbeugen (B)
Rumpfbeugen (B)
_
Greiffähigkeit
_
_
<$>currrotate{IfSS Universität Karlsruhe}<$>
_
Fahrradergometer (AA)
_
_
_
Reaktionstest Software (RS)
_
_
MLS-Stifte einstecken (KZ)
_
_
MLS-Linien nachfahren (KP)
_
_
Einbeinstand (KP/Haltung)
_
_
seitliches Hin- und Herspringen (KZ/KA)
_
_
Rumpfbeugen (B)
Balancieren rückwärts (KP)
Balancieren rückwärts (KP)
Balancieren rückwärts (KP)
Standweitsprung (SK)
Standweitsprung (SK)
Standweitsprung (SK)
Messplatte (SK)
Messplatte (SK)
Messplatte (SK)
_
Liegestütz (KA)
Liegestütz (KA)
Beschreibung der einzelnen Testitems
Im Folgenden werden die aufgeführten Testitems näher beschrieben. Angemerkt sei, dass
vor Testdurchführung eine standardisierte Aufwärmung erfolgt, welche im Testmanual
detailliert beschrieben ist.
Testitem 1: Einbeinstand
Testaufgabe
Die Versuchsperson soll versuchen, eine Minute lang mit einem Fuß auf einer 3 cm breiten
Balancierschiene zu stehen. Sie stellt sich mit einem beliebigen Bein auf die Schiene.
Das Spielbein wird frei in der Luft gehalten und darf die Schiene nicht berühren.
Die Arme dürfen zum Ausbalancieren verwendet werden. Berührt der freie Fuß den Boden,
soll der Einbeinstand sofort wieder eingenommen werden. Die Uhr läuft bei diesem kurzen
Bodenkontakt weiter. Wird jedoch komplett von der Schiene abgestiegen, dann wird die
Stoppuhr so lange angehalten, bis die Testperson wieder dieselbe Ausgangsstellung
eingenommen hat. Am besten ist der Versuch, wenn das Spielbein während einer Minute
den Boden überhaupt nicht berührt. Eine Demonstration durch den Testleiter erfolgt
vor Testbeginn. Die Testpersonen dürfen anschließend kurz probieren, auf welchem Fuß
sie sicherer stehen. Wichtig für die Testdurchführung ist das Tragen von Sportschuhen.
Messwertaufnahme und mögliche Fehlerquellen
Es werden die Bodenkontakte mit dem Spielbein während einer Minute gezählt. Bei mehr
als 30 Kontakten wird abgebrochen. Der Standfuß darf während des Tests nicht gewechselt
werden, sonst ist der Versuch ungültig. Bei längerem Bodenkontakt mit dem Spielbein
oder bei einem kompletten Abstieg wird die Zeit angehalten. Hat die Versuchsperson
den Einbeinstand wieder eingenommen, lässt der Versuchsleiter die Zeit weiterlaufen.
Wurde nach 30 Bodenkontakten abgebrochen, erfolgt keine Testwiederholung.
Testaufbau und Testmaterialien
Eine T-Schiene wird rutschfest auf dem Boden befestigt. Des Weiteren wird eine Stoppuhr
benötigt.
Testitem 2: Balancieren rückwärts
Testaufgabe
Die Aufgabe besteht darin, in jeweils zwei gültigen Versuchen rückwärts über die einzelnen
Balken in unterschiedlicher Breite (6; 4,5; 3 cm) zu balancieren. Der Testleiter demonstriert
die Aufgabe, indem er über den 6 cm breiten Balken vorwärts bis zu dem Brettchen (bzw.
bis zum Ende) balanciert, dort einen Augenblick mit geschlossenen Füßen verweilt und
dann rückwärts über diesen Balken zurückbalanciert.
Für jede Balkenbreite ist ein Übungsdurchgang vorgeschrieben, in dem das Kind entsprechend
der Demonstration des Testleiters je einmal vorwärts und rückwärts über den Balken
balanciert. Bei der Vorübung sollte das Kind bis zum Ende des Balkens rückwärts balancieren.
Bei Heruntertreten an gleicher Stelle wird mit dem Balancieren fortgefahren.
Pro Balken wird als Vorübung 1 × vorwärts und 1 × rückwärts, anschließend zur Leistungsmessung
2 × rückwärts balanciert. Insgesamt werden damit sechs gültige Versuche gewertet.
Die Übung wird mit Sportschuhen durchgeführt.
Messwertaufnahme und mögliche Fehlerquellen
Gezählt wird die Anzahl des Fußaufsetzens beim Rückwärtsgehen über den Balken. Das
erste Fußaufsetzen wird noch nicht gewertet. Erst wenn der zweite Fuß das Brettchen
verlässt und den Balken berührt, zählt der Testleiter laut die Punkte (Schritte).
Gewertet wird die Anzahl der Schritte, bis ein Fuß den Boden berührt oder 8 Punkte
erreicht sind. Sollte die Strecke mit weniger als 8 Schritten bewältigt werden, so
sind 8 Punkte anzurechnen. Die Punkte der beiden Versuche pro Balken werden aufsummiert.
Anschließend werden alle Punkte der 3 Balken zusammenaddiert. Pro Versuch und Balken
können max. 8 Punkte erzielt werden. Das ergibt einen max. Gesamtwert von 2 × 3 ×
8 = 48 Punkten.
Testaufbau und Testmaterialien
Benötigt werden rutschfeste Balancierbalken und ein Brettchen als Standfläche, von
der aus balanciert wird. Die Balken sind 3 cm, 4,5 cm und 6 cm breit, 3 m lang und
jeweils insgesamt 5 cm hoch. Das Brettchen weist folgende Maße auf: 40 cm Länge ×
40 cm Breite × 5 cm Höhe.
Testitem 3: Liniennachfahren (motorische Leistungsserie nach Schoppe)
Testaufgabe
Eine ausgefräste Linie ist mit dem Griffel möglichst präzise und ohne Berühren der
Seitenwände oder der Bodenplatte zu durchfahren. Es kommt darauf an, möglichst wenige
Fehler zu machen, die benötigte Zeit spielt keine Rolle. Die Aufgabe wird mit der
„bevorzugten” Hand durchgeführt. Die Testperson hat mit der gewählten Hand einen Probeversuch.
Die Messdaten werden auch hier erfasst. Anschließend hat jede Versuchsperson einen
Testdurchgang. Die Linie wird immer von der Treppe zur Schnecke nachgefahren. Entsprechend
muss die MLS-Testplatte bei Wechsel der bevorzugten Hand gedreht werden. Zu beachten
ist, dass die arbeitende Hand nicht auf der Testplatte aufgestützt wird.
Messwertaufnahme und mögliche Fehlerquellen
Die benötigte Zeit, die Anzahl der Fehlerkontakte sowie die aufsummierte Fehlerdauer
werden automatisch über das Computerprogramm erfasst.
Testaufbau und Testmaterialien
Die Testgeräte (MLS-Hardware und -Software) stehen auf einem Tisch und die Versuchsperson
sitzt während der Testdurchführung auf einem Stuhl.
Testitem 4: Stifte einstecken (motorische Leistungsserie nach Schoppe)
Testaufgabe
Von einem Stifthalter sollen 25 Stifte so schnell wie möglich in die vorgesehenen
Lochungen (am Rand der Arbeitsplatte) gesteckt werden. Die Abstände zwischen den Lochungen
betragen 5 mm. Die Aufgabe wird mit der „bevorzugten” Hand durchgeführt. Vorher hat
die Testperson einen Probeversuch. Die Messdaten werden auch hier erfasst. Anschließend
hat jede Versuchsperson einen Testdurchgang.
Messwertaufnahme und mögliche Fehlerquellen
Die benötigte Zeit wird durch die Software erfasst.
Testaufbau und Testmaterialien
Die Testgeräte (MLS-Hardware und -Software) stehen auf dem Tisch und die Testperson
sitzt auf einem Stuhl. Für die Altersgruppe 1 und 2 wird die Stiftebox mit 20 cm Abstand
vom Rand der MLS-Testplatte aufgestellt, für die Altersgruppe 3 sind 30 cm Abstand
einzuhalten.
Testitem 5: Reaktionstest
Testaufgabe
Die Versuchsperson soll versuchen, möglichst schnell, auf zehn Farbwechsel einer Ampel
zu reagieren. Die auf einem Monitor zu sehende Ampel zeigt in der Ausgangssituation
ein rotes Männchen. Beim Wechsel auf das grüne Männchen muss so schnell wie möglich
der vorgesehene Druckknopf gedrückt werden.
Messwertaufnahme und mögliche Fehlerquellen
Über ein Computerprogramm wird die Reaktionszeit gemessen. Die Versuchsperson hat
acht Versuche. Der beste und der schlechteste Versuch werden nicht gewertet. Als Messwert
wird der Durchschnitt aus den verbleibenden sechs Messungen erfasst.
Testaufbau und Testmaterialien
Benötigt wird ein Laptop mit installiertem Programm des Reaktionstests. Dieser Test
wurde an der Universität Karlsruhe entwickelt. Verbunden mit dem Laptop ist ein Druckknopf,
der neben dem Laptop auf dem Tisch steht. Die Versuchsperson sitzt während der Testdurchführung
auf einem Stuhl.
Testitem 6: Rumpfbeugen
Testaufgabe
Die Versuchsperson steht ohne Schuhe auf einer Langbank oder einem extra angefertigten
Holzkasten. Sie beugt den Oberkörper nach vorne ab und die Hände werden parallel,
entlang einer Zentimeterskala, möglichst weit nach unten geführt. Die Beine sind gestreckt.
Diese Extremstellung ist zwei Sekunden lang zu halten. Der Skalenwert wird an dem
tiefsten Punkt, den die Fingerspitzen berühren, abgelesen. Die Versuchsperson hat
zwei Versuche.
Messwertaufnahme und mögliche Fehlerquellen
Der Testleiter notiert den erreichten Skalenwert der Testperson. Zu achten ist auf
eine langsame Übungsausführung und die gestreckten Beine der Testperson (Kniegelenk
beobachten, evtl. festhalten). Ein ruckartiges Bewegen der Versuchsperson verfälscht
das Ergebnis. Von den beiden Versuchen wird der bessere Versuch gewertet. Wird der
Test bei älteren Kindern durchgeführt, wie zum Beispiel in der Altersgruppe 3, so
ist zu beachten, dass die Beine aufgrund des zweiten Gestaltwandels im Verhältnis
zum Rumpf länger sein können und die Versuchsperson deshalb, trotz normaler Dehnfähigkeit
und Beweglichkeit der Muskulatur, das Nullniveau nicht erreichen kann.
Testaufbau und Testmaterialien
An der Sitzfläche einer Langbank oder einem vorgefertigten Holzkasten ist eine Zentimeterskala
senkrecht befestigt, die auch Werte unterhalb des Nullpunktes zeigt. Der Nullpunkt
ist die Oberkante der Langbank. Unterhalb der Kante ist die Skala positiv, oberhalb
ist sie negativ. Die Versuchsperson steht ohne Schuhe auf der Langbank. Die Füße berühren
die Skala, die Beine sind parallel geschlossen und gestreckt. Benötigt wird eine Langbank,
eine Zentimeterskala, Reißnägel oder ein Klebeband.
Testitem 7: Standweitsprung
Testaufgabe
Die Versuchsperson soll mit beidbeinigem Absprung möglichst weit springen. Sie steht
im parallelen Stand und mit gebeugten Beinen an einer Absprunglinie. Schwungholen
mit den Armen ist erlaubt. Der Absprung erfolgt beidbeinig und die Landung auf beiden
Füßen. Dabei soll die Testperson zum Stand kommen. Es darf nicht mit der Hand nach
hinten gegriffen werden. Zwei Versuche werden durchgeführt. Dabei ist das Tragen von
Sportschuhen notwendig.
Messwertaufnahme und mögliche Fehlerquellen
Gemessen wird die Entfernung von der Absprunglinie bis zur Ferse des hinteren Fußes.
Die Messwertaufnahme erfolgt in Zentimetern. Die bessere Weite aus den beiden Versuchen
wird gewertet. Mögliche Fehlerquellen können sein: ein einbeiniger Absprung, ein Nach-hinten-Fallen
oder Nach-hinten-Greifen bei der Landung sowie eine Ortsveränderung der Ferse des
hinteren Beines weg von der Landestelle des Fußes.
Testaufbau und Testmaterialien
Der Test wird auf dem Boden durchgeführt, ohne zusätzliche Unterlage. Benötigt werden
ein Maßband und ein Tesakreppband.
Testitem 8: Liegestütz
Testaufgabe
Die Versuchsperson soll innerhalb von 40 Sekunden so viele Liegestützen wie möglich
durchführen. Zu Testbeginn liegt sie dabei in Bauchlage auf einer Turnmatte und hat
die Hände auf dem Gesäß. Auf ein Startzeichen hin löst die Testperson die Hände hinter
dem Rücken, setzt sie neben den Schultern auf und drückt sich vom Boden ab, bis die
Arme gestreckt sind und der Körper vom Boden gelöst ist. Anschließend wird eine Hand
vom Boden abgelöst und berührt die andere Hand. Während dieses Vorgangs haben nur
Hände und Füße Bodenkontakt. Der Rumpf und die Beine sind gestreckt. Eine Hohlkreuzhaltung
ist möglichst zu vermeiden. Danach werden die Arme gebeugt, bis der Körper wieder
in Bauchlage und die Ausgangsposition eingenommen ist. Bevor ein neuer Liegestütz
durchgeführt wird, berührt die Versuchsperson hinter dem Rücken die Hände. Demonstration
durch den Testleiter; 1 Probeversuch. Die Testperson trägt Sportschuhe.
Messwertaufnahme und mögliche Fehlerquellen
Der Testleiter zählt die in 40 Sekunden korrekt durchgeführten Liegestützen, d. h.
es wird jedes Mal gezählt, wenn sich die Hände auf dem Rücken berührt haben.
Testaufbau und Testmaterialien
Benötigt werden eine Turnmatte und eine Stoppuhr.
Testitem 9: Kraftmessplatte
Testaufgabe
Die Versuchsperson trägt Sportschuhe und steht ruhig auf der Messplatte. Die Hände
werden hinter dem Rücken gefasst. Aus der Ruheposition heraus holt die Versuchsperson
Schwung und springt maximal senkrecht nach oben ab. Der Test wird nach einer kurzen
Pause (1 min) noch einmal wiederholt.
Messwertaufnahme und mögliche Fehlerquellen
Der konzentrische Kraft-Zeit-Verlauf wird mittels PC mit AD-Wandler erfasst und am
PC ausgewertet. Als Messgrößen gehen der konzentrische Maximalkraftwert, das Maximum
des Kraftanstiegs (Explosivkraft) sowie der Quotient aus Maximalkraft und die Zeit
zum Erreichen der Maximalkraft (Schnellkraftindex) in das Testprotokoll ein. Es wird
der Bestwert aus beiden Versuchen gewertet. Der Test wird mit Sportschuhen durchgeführt.
Testaufbau und Testmaterialien
Der Test wird mithilfe einer am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität
Karlsruhe entwickelten Messvorrichtung durchgeführt. Zur Kraftmessung werden eine
Einkomponenten-Messplatte mit vier Dehnmessstreifen-Sensoren verwendet, ein PC mit
AD-Wandler-Messkarte und ein entsprechendes Auswertungsprogramm.
Testitem 10: seitliches Hin- und Herspringen
Testaufgabe
Die Aufgabe besteht darin, mit beiden Beinen gleichzeitig so schnell wie möglich,
innerhalb von 15 Sekunden, seitlich über die Mittelleiste einer Teppichmatte hin-
und herzuspringen. Vor Testbeginn werden fünf Probesprünge gestattet. Für die Testdurchführung
werden Sportschuhe benötigt.
Messwertaufnahme und mögliche Fehlerquellen
Notiert wird die Anzahl der ausgeführten Sprünge von zwei gültigen Versuchen (hin
zählt als 1, her als 2 usw.) von je 15 Sekunden Dauer.
Testaufbau und Testmaterialien
Benötigt werden eine rutschfeste Teppichmatte (60 cm × 100 cm × 1,8 cm) mit einer
Schaumstoffleiste in der Mitte (60 cm lang × 4 cm breit × 2 cm hoch) und eine Stoppuhr.
Testitem 11: Fahrradergometer
Testaufgabe
Nachdem das Fahrradergometer auf die Größe des Probanden eingestellt wurde, beginnt
der Test bei einer errechneten Eingangsbelastung von 0,5 Watt/kg Körpergewicht. Jede
Belastungsstufe wird zwei Minuten gehalten. Dann erfolgt eine Belastungssteigerung
um 0,5 Watt/kg Körpergewicht. Abgebrochen wird der Test bei einer erreichten Belastungsherzfrequenz
von 190 bei den Kindern bis 10 Jahren, ab dem 11. Lebensjahr ab 180 Schlägen/Minute
über eine Mindestdauer von 15 Sekunden oder bei Erreichen der subjektiven Belastungsgrenze.
Der Test wird mit Sportschuhen durchgeführt.
Messwertaufnahme und mögliche Fehlerquellen
Die Messwertaufnahme erfolgt über ein Computerprogramm.
Testmaterialien
Benötigt werden ein höhenverstellbares Fahrradergometer und die dazugehörige Software.
Erfassung von körperlich-sportlicher Aktivität, Sportverhalten von Kindern und Jugendlichen
Angesichts des zunehmenden Bewegungsmangels von Kindern und Jugendlichen spielen bei
der Betrachtung von körperlich-sportlicher Aktivität im Kindes- und Jugendalter zwei
Perspektiven eine Rolle. Zum einen geht es um die Analyse der Verbreitung des Risikofaktors
„Bewegungsmangel” im Kindes- und Jugendalter. Zum anderen stellt sich die Frage nach
dem Bewegungs- und Sportverhalten als gesundheitliche Ressource einer gesunden Entwicklung
im Kindes- und Jugendalter. In die Betrachtung des Bewegungsverhaltens im Modul Motorik
werden daher sowohl zentrale Bereiche körperlicher Aktivität und Inaktivität im Alltag
(z.B. Fußwege, Bewegungszeiten) als auch die spezifische sportliche Aktivität einbezogen.
Bei der Analyse der sportlichen Aktivität gelten aus einer gesundheitswissenschaftlichen
Perspektive die Häufigkeit, Intensität, Dauer und die Art des Sporttreibens als zentrale
Kriterien [Sallis, Owen 1999 ]. Es ist ferner vor dem Hintergrund eines biopsychosozialen Gesundheitsverständnisses
davon auszugehen, dass für die Wirkung (Nutzen) von körperlich-sportlicher Aktivität
nicht nur die motorischen Prozesse, sondern auch das subjektive Befinden bei der Aktivität
sowie der Kontext (z.B. allein oder in der Gruppe), in dem die Aktivität stattfindet,
wichtig sind. Daher werden auch weitere qualitative Aspekte, wie z.B. die Organisationsform
des Sporttreibens, mit in die Betrachtung einbezogen.
Im Einzelnen werden folgende Bereiche erfasst:
körperliche Aktivität im Alltag (sitzen, gehen, stehen; Weg zur Schule etc.)
körperliche Aktivität in der Freizeit (draußen spielen etc.)
sportliche Aktivität (Häufigkeit, Intensität, Dauer und Art)
Organisationsform des Sporttreibens (im Verein/privat; alleine/mit Freunden etc.)
Von den prinzipiellen Möglichkeiten zur Erfassung der körperlichen Aktivität [vgl. Woll et al. 1998 ] scheiden die Zugangswege über mechanische bzw. elektronische Vorrichtungen, wie
z.B. Schrittzähler oder am Körper angebrachte Beschleunigungsaufnehmer, und über die
Fremdbeobachtung der Aktivitäten für die geplante epidemiologische Untersuchung aufgrund
eines hohen finanziellen und zeitlichen Aufwands aus. Es bleibt der Zugangsweg über
Selbstaussagen, einmal in Form von Aktivitätsprotokollen bzw. Tagebüchern und einmal
in Form der schriftlichen oder mündlichen Befragung.
Aufgrund von Praktikabilitätsüberlegungen wird die Form der schriftlichen Befragung
gewählt. Bei der Sichtung der vorliegenden Befragungsinstrumente zur Erfassung der
körperlich-sportlichen Aktivität wurde eine Reihe von Defiziten evident. Insbesondere
im deutschsprachigen Bereich ist bei den bisher eingesetzten Fragebogen zur Erfassung
der körperlich-sportlichen Aktivität festzustellen, dass verschiedenste Instrumente,
deren Testgütekriterien z.T. nur unzureichend geprüft sind, für die Erfassung der
Leistungsaspekte von körperlich-sportlicher Aktivität eingesetzt werden.
Im Rahmen von Voruntersuchungen werden daher aufbauend auf anderen eigenen Studien
geeignete Messmethoden, die die zuvor dargestellten Kriterien berücksichtigen, entwickelt
und evaluiert. In der Zielgruppe der 4- bis 9-jährigen Kinder ist prinzipiell keine
direkte Erfassung über eine Befragung möglich. Für diesen Altersbereich wird als Methode
der Wahl ein Elternfragebogen konzipiert. Im Altersbereich der 10- bis 17-Jährigen
erfolgt die Erfassung direkt über eine schriftliche Befragung.
Vorstudien
Im November und Dezember 2002 werden ausgewählte motorische Testverfahren und Fragebogen
zur körperlich-sportlichen Aktivität im Rahmen von Vorstudien hinsichtlich folgender
Kriterien überprüft:
Sicherung von Objektivität und Reliabilität
Durchführbarkeit
Aussagekraft
Sicherung von Validität
Für die Überprüfung der Kriterien 1-3 werden in Karlsruhe ca. 30 Kinder und Jugendliche
pro Altersgruppe zweimal mit den ausgewählten Testverfahren und Fragebogen untersucht.
Die Stichprobe setzt sich zusammen aus Schülern einer Grundschule (3. Klasse) und
eines Gymnasiums (7. Klasse) sowie aus Kindern eines Kindergartens der Stadt Karlsruhe.
Zwischen dem ersten und zweiten Testtermin liegen zwei Wochen. Verantwortlich für
die Testdurchführung sind ein Testleiter und ein extra geschultes Testteam bestehend
aus drei weiteren Testhelfern.
Zur Überprüfung der Objektivität der motorischen Testverfahren werden zum ersten Messzeitpunkt
zwei Tester jedes Kind bewerten und deren Ergebnisse werden im Anschluss statistisch
verglichen. Beim zweiten Testtermin werden die motorischen Daten an jeder Station
von einem der beiden Tester des Testzeitpunktes 1 erhoben. Anhand des Vergleiches
der individuellen Ergebnisse im Abstand von zwei Wochen wird statistisch die Reliabilität
der einzelnen Testitems bestimmt. Zur Berechnung der Reliabilität der eingesetzten
Fragebogen zur körperlich-sportlichen Aktivität werden diese ebenfalls zu beiden Testterminen
eingesetzt.
Zusätzlich werden im Rahmen der Vorstudien nochmals der zeitliche Aufwand für jede
Teststation sowie der gesamte Testablauf überprüft.
Zur Überprüfung der inhaltlichen Validität (Kriterium 4) wird die Liste der ausgewählten
Testitems zusammen mit dem Testmanual an Experten verschickt. Diese sollen die Testitems
auf einer Skala von 1-5 hinsichtlich ihrer Aussagekraft und Durchführbarkeit bewerten.
Die statistische Auswertung dieser Studie gibt Aufschluss über die inhaltlich-logische
Validität der ausgewählten Testbatterie.
Weitere Studien zur Sicherung der Kriteriums- und der Konstruktvalidität werden im
Frühjahr 2003 durchgeführt.