Pneumologie 2003; 57(1): 19-21
DOI: 10.1055/s-2003-36636
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Katheterembolisation in die Arteria pulmonalis

Interventionelle Therapie einer seltenen Form der LungenembolieCatheter Embolisation Into the Pulmonary ArteryInterventional Therapy of a Rare Form of Pulmonary EmbolismS.  Steiner1 , A.  Schwalen1 , M.  P.  Heintzen1 , B.  E.  Strauer1
  • 1Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, Direktor: Prof. Dr. med. B. E. Strauer
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Dr. med. S. Steiner

Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie · Universitätsklinikum Düsseldorf

Moorenstr. 5

40225 Düsseldorf

Publication History

Eingereicht: 8. Juli 2002

Angenommen: 11. Oktober 2002

Publication Date:
15 January 2003 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Fremdkörperembolisation stellt eine sehr seltene, in den meisten Fällen iatrogen bedingte Ursache der Lungenembolie dar. Wir berichten über eine 67-jährige Patientin, der ein Port-System zur adjuvanten Chemotherapie eines metastasierten Kolonkarzinoms in die rechte Vena subclavia implantiert wurde. Im Rahmen der Tumornachsorge zeigte sich eine asymptomatische Ruptur des Port-Systems mit pulmonalarterieller Embolisation des distalen Anteils. Die Entfernung des 8 cm messenden Katheterfragmentes erfolgte komplikationslos über einen perkutanen femoralen Zugang mittels Goose-Neck-Schlinge®. Das beschriebene interventionelle Vorgehen ist für den Patienten wenig belastend und aufgrund der geringen Interventionszeit nicht mit einem längeren stationären Aufenthalt verbunden. Somit gilt das Verfahren sowohl aus medizinischen als auch aus ökonomischen Überlegungen als Methode der Wahl.

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Abstract

Embolisation of a foreign body is a rare cause of pulmonary embolism. We report on a 67 year old female suffering from colorectal cancer. To perform adjuvant chemotherapy a port system was inserted into the right subclavian vein. Routine chest radiography revealed a rupture of the venous port-system, which was embolised into the right pulmonary artery without clinical symptoms. The foreign body was removed without complications using a nitinol goose neck snare® via a transfemoral approach and retrieved percutaneously. The reported procedure is safe, decreases operation and hospitalisation time and should therefore be performed in preference to surgical management whenever possible.

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Einleitung

Venenkatheter und Port-Systeme finden in nahezu allen Gebieten der Inneren Medizin, der Anästhesiologie und der Intensivmedizin Anwendung. Dabei sind Komplikationen wie beispielsweise Dislokation oder Thrombosierung unter sachgerechter Benutzung extrem selten. In einzelnen Fällen wurde jedoch über eine Dislokation der Katheter oder - wie im vorliegenden Fall - über eine Embolie des gesamten Katheters oder einzelner Katheter-Fragmente berichtet [3].

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Falldarstellung

Eine 67-jährige Patientin wurde bei Z. n. Sigmakarzinom (pT3, pN1, M0) adjuvant mittels Chemotherapie behandelt. Zur Vereinfachung der Medikamentenapplikation erfolgte die Anlage eines venösen Port-Systems in die rechte V. subclavia, über den zuletzt im Frühjahr 2001 problemlos Medikamente verabreicht wurden. Aufgrund der sehr schlechten peripheren Venensituation wurde das Port-System nach Beendigung der Chemotherapie zunächst belassen. Die beschwerdefreie Patientin stellte sich jetzt in einem auswärtigen Krankenhaus zur Tumornachsorge vor. Insbesondere wurden weder Dyspnoe noch Hustenreiz bzw. Hämoptysen beklagt. Die Patientin fühlte sich subjektiv gut belastbar. Abrupte Bewegungen im Bereich der oberen Extremitäten oder thorakale Schmerzereignisse waren der Patientin nicht erinnerlich. Palpitationen oder Synkopen als Hinweis auf Herzrhythmusstörungen wurden von der Patientin nicht angegeben.

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Klinischer Befund

Bei Aufnahme befand sich die 67-jährige Patientin in gutem Allgemein- und Ernährungszustand. Unauffällige Schleimhaut, keine Zyanose. Die Auskultation der Lunge ergab keinen pathologischen Befund, die Herzaktion war regelmäßig und ohne Nachweis pathologischer Herzgeräusche. Keine Einflussstauung, keine klinischen Zeichen der Rechtherzbelastung bei normal großer Leber, keine Ödeme.

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Laboruntersuchungen

Laborchemisch zeigte sich eine Hyperlipoproteinämie (Gesamtcholesterin 268 mg/dl) bei ansonsten unauffälligen klinisch-chemischen Befunden. Es ergab sich kein Hinweis auf einen Gerinnungsdefekt oder einen Verbrauch von Gerinnungsfaktoren. Das Plasma-Fibrinogen war leicht erhöht (379 mg/dl).

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Apparative Diagnostik

Elektrokardiographisch wurde ein Indifferenztyp bei Sinusrhythmus dokumentiert, wobei keine Zeichen der Rechtsherzbelastung nachweisbar waren. In der Röntgen-Thoraxaufnahme zeigt sich ein rupturiertes Portsystem mit Embolisation des distalen Anteils in die rechte Pulmonalarterie bei gleichzeitiger Dislokation des proximalen Anteils in das Subkutangewebe (Abb. [1]). Weiterhin ergab sich ein hochgradiger Verdacht auf eine etwa 1,5 cm messende pulmonale Metastase in Projektion auf den Mittellappen.

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Abb. 1 Röntgen-Thoraxaufnahme. In die Vena subclavia implantiertes Port-System. Ruptur mit Dislokation des distalen Fragments in die rechte Pulmonalarterie (Pfeil). Der proximale Katheteranteil ist subkutan disloziert.

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Verlauf

Die Patientin wurde zur interventionellen Entfernung des embolisierten Katheterfragmentes in unserer Klinik vorgestellt. Über einen transvenösen femoralen Zugang (7-French-Schleuse) wurde zunächst ein Pulmonalarterienkatheter (Cordis®) unter Zuhilfenahme eines Drahtsystems (0,035“ Medtronic®) in den rechten Pulmonalarterien-Hauptstamm platziert. Über den Katheter konnte ein Goose-Neck-System (Fa. Microvena®) eingebracht werden, mit dem das flottierende proximale Ende des embolisierten Katheterfragmentes gefasst wurde. Unter vorsichtiger Retraktion wurde das 8 cm lange Katheterstück durch das rechte Herz über die V. cava inferior zurückgezogen. Aufgrund des Durchmessers des Fragmentes war eine Entfernung durch die liegende Schleuse nicht möglich, so dass das Fragment inklusive Goose-Neck-Katheter und Schleuse perkutan retrahiert wurde. Das interventionelle Vorgehen ist in Abb. [2a, b] und Abb. [3] dokumentiert.

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Abb. 2 a - c Interventionelle Entfernung des embolisierten Katheterfragmentes mittels Goose-Neck-System: (a) Lage des Katheterfragmentes in der rechten A. pulmonalis (Ausschnittsvergrößerung). Nach Platzierung der Schlinge zunächst Fassen des proximalen Katheterendes (b). Vorsichtiges Zurückziehen des Fremdkörpers durch den Pulmonalarterienstamm und das rechte Herz (c).

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Abb. 3 Der Fremdkörper wurde mitsamt der Schleuse entfernt.

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Diskussion

Die Fremdkörperembolisation stellt eine seltene, meist nach diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen auftretende und somit iatrogen bedingte Ursache der Lungenembolie dar. In der vorgestellten Kasuistik konnte das Katheterfragment in einem kurzen, minimal belastenden Eingriff mittels Goose-Neck-Katheter® komplikationslos perkutan entfernt werden.

Im vorliegenden Fall wurde die Katheterembolisation als Zufallsbefund im Rahmen der Tumornachsorge diagnostiziert, so dass sich die Frage stellt, inwieweit eine Entfernung in solchen Fällen indiziert ist. Unabhängig von der Lokalisation beschreiben Fisher und Ferreyrol [2] in 71 % der aufgrund einer Embolisation von Fremdkörpern nachbeobachteten Patienten schwere Komplikationen mit einer Letalität von 38 %. Als Komplikationen wurden dabei kardiale Arrhythmien, die Lungenembolie und Gefäß- bzw. Myokardperforationen angegeben. Ferner können intravaskuläre Fremdkörper Ausgangspunkt einer Sepsis sein und durch mechanische Alteration im Bereich der Herzklappen die Entstehung einer Endokarditis begünstigen [1]. Andererseits wurde über Patienten berichtet, die über mehrere Jahre keinerlei Komplikationen einer Katheterembolie im Bereich der Vena cava superior und des rechten Herzens erlitten [6]. Da der klinische Verlauf im Einzelfall jedoch nicht vorhersehbar ist, erscheint es vernünftig, intravaskuläre Fremdkörper baldmöglichst zu entfernen. Neben dem medizinischen Nutzen stellt die Bergung der Fremdkörper darüber hinaus im Falle von Fabrikationsfehlern meist die Grundlage für Haftungsansprüche gegenüber dem Hersteller der Kathetersysteme dar.

Die interventionelle perkutane Entfernung von Fremdkörpern ist sowohl aus dem venösen als auch aus dem arteriellen System möglich [3] [4] [5]. Infolge der Zunahme therapeutisch-interventioneller Verfahren (PTA, Stent-Implantationen) ist trotz der prozentual geringen Komplikationsrate mit einer steigenden Fallzahl von Dislokationen zu rechnen. Neben der Embolisation von Katheterfragmenten wären aus pneumologischer Sicht Stent-Dislokationen nach interventioneller Therapie der tumorbedingten oberen Einflussstauung denkbar.

Die Entfernung endovaskulärer Fremdkörper aus dem rechten Herzen oder der Pulmonlisstrombahn erforderte traditionell ein operatives Vorgehen, welches mit einem zusätzlichen Risiko (Narkose, Wundheilungsstörungen und -infektion) behaftet war und zudem einen mehrtägigen stationären Aufenthalt notwendig machte. Das hier beschriebene interventionelle Verfahren hingegen kann meist innerhalb weniger Minuten in Lokalanästhesie durchgeführt werden, so dass ein längerer Klinikaufenthalt nicht notwendig ist. Dabei sind prinzipiell Herzrhythmusstörungen und Verletzungen der Herzklappen während der Passage des rechten Herzens denkbar, allerdings finden sich diesbezüglich in der Literatur bei der vergleichsweise geringen berichteten Fallzahl keine validen Angaben. Aufgrund eigener Erfahrungen mit der Entfernung verschiedener Fremdkörper (Stent- und Katheterdislokationen) kann von einem minimalen Risiko ausgegangen werden. An apparativen Voraussetzungen ist eine Röntgen-Durchleuchtungsanlage (nach Möglichkeit in 2 Ebenen) sowie eine Grundausstattung an Führungsdrähten und Kathetern notwendig. Da das Vorgehen, welches eine geschulte Vorstellungskraft der anatomischen Verhältnisse und ausreichende Erfahrung in der Angiographie vorausetzt, prinzipiell auch mit einer Einebenen-Durchleuchtungsanlage möglich ist, ist das Verfahren in den meisten Kliniken durchführbar.

Zusammenfassend ist das interventionelle Vorgehen sowohl aus medizinischen als auch aus ökonomischen Überlegungen als Verfahren der ersten Wahl bei Fremdkörperembolisationen im Gefäßsystem anzusehen.

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Literatur

  • 1 Fegali M, Rousseau H, Soula P. et al . Intravascular foreign bodies retrieval techniques.  CVI online. 1998;  40-43
  • 2 Fisher R, Ferreyro R. Evaluation of current technique for nonsurgical removal of intra-vascular iatrogenic foreign bodies.  Am J Roentgenol. 1978;  130 541-548
  • 3 Gabelmann A, Kramer S, Gorich J. Percutaneous retrieval of lost or misplaced intravascular objects.  AJR. 2001;  176 1509-1513
  • 4 Herrmann K, Waggershauser T, Heinemann V. et al . Interventional radiological procedures in impaired function of surgically implanted catheter-port-systems.  Cardiovasc Intervent Radiol. 2001;  24 31-36
  • 5 Neuerburg J, Günther R, Chalabi K. et al . Percutaneous retrieval of a central venous catheter sutured to the wall of the right atrium.  Cardiovascular Interventional Radiology. 1999;  22 79-81
  • 6 Rosi P, Arata F, Salvatori F. et al . Prosthetic graph infection: diagnostic and therapeutic role of interventional radiology.  J Vasc Interv Radiol. 1997;  8 271-277

Dr. med. S. Steiner

Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie · Universitätsklinikum Düsseldorf

Moorenstr. 5

40225 Düsseldorf

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Literatur

  • 1 Fegali M, Rousseau H, Soula P. et al . Intravascular foreign bodies retrieval techniques.  CVI online. 1998;  40-43
  • 2 Fisher R, Ferreyro R. Evaluation of current technique for nonsurgical removal of intra-vascular iatrogenic foreign bodies.  Am J Roentgenol. 1978;  130 541-548
  • 3 Gabelmann A, Kramer S, Gorich J. Percutaneous retrieval of lost or misplaced intravascular objects.  AJR. 2001;  176 1509-1513
  • 4 Herrmann K, Waggershauser T, Heinemann V. et al . Interventional radiological procedures in impaired function of surgically implanted catheter-port-systems.  Cardiovasc Intervent Radiol. 2001;  24 31-36
  • 5 Neuerburg J, Günther R, Chalabi K. et al . Percutaneous retrieval of a central venous catheter sutured to the wall of the right atrium.  Cardiovascular Interventional Radiology. 1999;  22 79-81
  • 6 Rosi P, Arata F, Salvatori F. et al . Prosthetic graph infection: diagnostic and therapeutic role of interventional radiology.  J Vasc Interv Radiol. 1997;  8 271-277

Dr. med. S. Steiner

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Abb. 1 Röntgen-Thoraxaufnahme. In die Vena subclavia implantiertes Port-System. Ruptur mit Dislokation des distalen Fragments in die rechte Pulmonalarterie (Pfeil). Der proximale Katheteranteil ist subkutan disloziert.

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Abb. 2 a - c Interventionelle Entfernung des embolisierten Katheterfragmentes mittels Goose-Neck-System: (a) Lage des Katheterfragmentes in der rechten A. pulmonalis (Ausschnittsvergrößerung). Nach Platzierung der Schlinge zunächst Fassen des proximalen Katheterendes (b). Vorsichtiges Zurückziehen des Fremdkörpers durch den Pulmonalarterienstamm und das rechte Herz (c).

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Abb. 3 Der Fremdkörper wurde mitsamt der Schleuse entfernt.