Weltweit leiden etwa 15 Millionen Patienten an einer chronischen Herzinsuffizienz. Pro Jahr treten derzeit etwa 1-4/1000 Neuerkrankungen auf, wobei sich die Inzidenz nach dem 45. Lebensjahr mit jedem Lebensjahrzehnt etwa verdoppelt. Die durchschnittliche Fünf-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit nach der Diagnosestellung liegt bei 40-50 % - etwa die Hälfte der Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz sterben innerhalb eines Jahres. Die Entwicklung neuer Pharmaka und die Ergebnisse großer, kontrollierter Studien haben dazu geführt, dass sich die Therapie der Herzinsuffizienz in den letzten Jahren gewandelt hat.
Als Therapie der ersten Wahl gilt die Inhibition der Bildung von Angiotensin II durch ACE-Hemmer (ACE = „angiotensin converting enzyme”) [11]
[12]
[13], sowohl nach Myokardinfarkt [7] als auch zur Reduktion der linksventrikulären Hypertrophie bei der arteriellen Hypertonie [4]. ACE-Hemmer schützen vor kardiovaskulären und renalen Komplikationen des Diabetes mellitus und reduzieren ischämische Ereignisse bei Hochrisikopatienten.
Bildung von Angiotensin II
Bildung von Angiotensin II
Früher wurde angenommen, dass Angiotensin II ausschließlich aus Angiotensin I durch ACE gebildet wird. Mittlerweile sind mehrere zusätzliche Bildungswege von Angiotensin II beschrieben worden: Am bekanntesten ist die Chymase, die ähnlich dem ACE Angiotensin II aus Angiotensin I bildet [Abb. 1]. Allerdings ist bei keinem dieser alternativen Wege bislang die Bedeutung für den Menschen geklärt.
Bekannt ist, dass sich die ACE-Plasmaaktivität nach über mehrmonatiger ACE-Hemmung wieder fast vollständig normalisiert und dass die Angiotensin-II-Plasmaspiegel unter chronischer ACE-Hemmung nicht wesentlich erniedrigt sind. Doch es ist noch nicht eindeutig belegt, dass dafür die Kompensation durch die anderen Angiotensin-II-bildenden Mechanismen verantwortlich ist. Im Vergleich zu ACE-Hemmern blockieren AT1-Antagonisten die Wirkung des Angiotensin II auf Rezeptorebene unabhängig von dessen Bildung durch ACE oder Chymase.
Der Angiotensin-II-Typ-1- Rezeptor (AT1)
Der Angiotensin-II-Typ-1- Rezeptor (AT1)
Alle bekannten akuten und chronischen Wirkungen des Angiotensin-Systems werden durch den AT1-Rezeptor vermittelt [Abb. 1]. Eine selektive Blockade dieses Rezeptors konnte in zahlreichen experimentellen Ansätzen alle bekannten biologischen Effekte des Angiotensin II reduzieren oder verhindern. Dennoch ist die Bedeutung des AT2-Rezeptors noch nicht geklärt, da durch die chronische Blockade des AT1-Rezeptors und über die durch das fehlende negative Feedback gestiegenen Angiotensin-II-Plasmaspiegel der AT2-Rezeptor vermehrt stimuliert wird [5]. Eventuell könnten proapoptotische Effekte (also die Induktion des programmierten Zelltodes) oder andere AT2-Effekte zu der Wirkung der AT1-Antagonisten beitragen.
Jedoch sind die Angiotensin-II-Rezeptoren - sowohl im Vergleich zwischen verschiedenen untersuchten Tierspezies als auch zwischen gesundem und insuffizientem Herzen - unterschiedlich verteilt [14]. Experimentell gewonnene Erkenntnisse können daher nicht einfach übertragen werden. Die Interaktion zwischen den AT1-Antagonisten und dem AT2-Rezeptor bleibt folglich noch unklar.
Rolle des Bradykinins
Rolle des Bradykinins
ACE-Hemmer blockieren nicht nur die Bildung von Angiotensin II aus Angiotensin I, sondern inhibieren auch die Degradierung des Bradykinins. Demnach erhöhen sich auch die Bradykininspiegel. Diesem Effekt wird ebenfalls ein Teil der positiven Eigenschaften der ACE-Hemmer zugeschrieben. Bradykinin führt vermutlich zu einer koronaren Vasodilatation und zu einer Verbesserung der endothelialen Dysfunktion. Andererseits kann es die Freisetzung von Katecholaminen verstärken.
Obwohl AT1-Antagonisten keinen Effekt auf den Bradykininabbau haben, hat der selektive Bradykininantagonist HOE 140 im Tierversuch die Wirkung eines AT1-Antagonisten reduziert [5]. Es ist anzunehmen, dass eine indirekte Stimulation des Bradykininsystems über die verstärkte Aktivierung des AT2-Rezeptors existiert.
Der trockene Reizhusten und mögliche weitere Nebenwirkungen von ACE-Hemmern werden vermutlich durch die Inhibition des Bradykininabbaus verursacht. AT1-Antagonisten verursachen Reizhusten nicht häufiger als Plazebo.
Klinische Bedeutung der ACE-Hemmung
Klinische Bedeutung der ACE-Hemmung
Als richtungsweisend gelten die Ergebnisse der folgenden beiden plazebokontrollierten Studien. Die CONSENSUS[1]-Studie [11] untersuchte Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz und schlechter linksventrikulärer Herzinsuffizienz [Abb. 2], in die SOLVD[2]-Studie [12]
[13] waren Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion aufgenommen worden.
In beiden Studien reduzierte der ACE-Hemmer Enalapril die Mortalität im Vergleich zu Plazebo. Die protektive Wirkung war bereits nach kurzer Zeit zu sehen und hielt über die gesamte Studiendauer an. Der Hauptanteil an der Mortalitätssenkung liegt in der Prävention ischämischer Ereignisse und der Reduktion einer Progression der Herzinsuffizienz. Der günstige symptomatische und prognostische Effekt von ACE-Hemmern konnte durch verschiedene Substanzen in zahlreichen Studien zur systolischen Herzinsuffizienz bewiesen werden.
Klinische Bedeutung der AT1-Antagonisten ELITE
Klinische Bedeutung der AT1-Antagonisten ELITE
ELITE[3] war der erste Vergleich zwischen ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten bei der Therapie der Herzinsuffizienz. An der Studie nahmen insgesamt 722 Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz und hochgradig eingeschränkter linksventrikulärer Funktion teil. Diese erhielten randomisiert entweder 50 mg Losartan oder 150 mg Captopril. Primärer Endpunkt war die Nierenfunktion, die durch beide Therapieformen gleichermaßen beeinflusst wurde. Allerdings konnte die Behandlung mit Losartan die Mortalität im Vergleich zu Captopril signifikant senken. Ursache war vor allem die Reduktion des plötzlichen Herztodes unter Losartan [9].
ELITE-II
ELITE-II
Die Ergebnisse von ELITE unterstützen also die Theorie der Überlegenheit der AT1-Antagonisten bei deutlich besserer Verträglichkeit. Da jedoch die Mortalität als Endpunkt ursprünglich nicht geplant war und zudem die Zahl der Ereignisse zu niedrig war, wurde eine erheblich größere Studie - ELITE-II - durchgeführt. Zugrunde lag die Hypothese, dass Losartan dem Captopril überlegen ist. Eingeschlossen wurden 3152 Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA II-IV) und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion (EF < 35 %). Sie wurden im Mittel über 18 Monate beobachtet.
Anders als in ELITE konnte diesmal aber bezüglich der Mortalität keine Überlegenheit der Losartan-Therapie gezeigt werden. Jedoch war der AT1-Antagonist in beiden Studien besser verträglich als Captopril, die Zahl der Patienten, die aufgrund der Nebenwirkungen die Therapie abbrachen, war deutlich geringer (0,5 versus 3,2 %) [8]. Obwohl kein Unterschied im Überleben zwischen der Behandlung mit dem ACE-Hemmer und Losartan gesehen wurde [Abb. 3], beweisen diese Daten - aus strenger statistischer Sicht - noch nicht eine vergleichbare Effektivität beider Therapieoptionen, da die Studie nicht auf diese Aussage ausgelegt war.
RESOLVD
RESOLVD
Die Wirkung von Enalapril und Candesartan bei symptomatischer Herzinsuffizienz NYHA II-IV verglich die RESOLVD[4]-Studie. Sie untersuchte Surrogatmarker der kardialen Funktion. Diese Studie litt unter einem sehr komplexen Design und kleinen Patientenzahlen, was Ausgangspunkt für verschiedene Interpretationen der Studienergebnisse war. Obwohl sie nicht dazu geeignet ist, Aussagen über die Morbidität und Mortalität zu treffen, war die Zahl der Krankenhauseinweisungen und die Sterblichkeit in der Candesartan-Gruppe (14,6 %) und unter der Kombinationstherapie (15,1 %) im Vergleich zu Enalapril (3,2 %) deutlich erhöht. Dies führte zu einem vorzeitigen Abbruch der Studie [6]. Andererseits hatte die Kombinationstherapie die besten Ergebnisse in Bezug auf humorale Aktivierung und die linksventrikulären Volumina.
Val-HeFT
Val-HeFT
Ein wichtiger Aspekt ist die Kombination von AT1-Antagonist und ACE-Hemmer, die aufgrund der komplementären Wirkmechanismen sinnvoll erscheint. Die Val-HeFT[5] Studie untersuchte, ob die zusätzliche Gabe des AT1-Antagonisten Valsartan zur Standardtherapie einen zusätzlichen Vorteil in der Therapie von Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz NYHA II-IV und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion (EF < 40 %) ermöglicht. 5010 Patienten, von denen 93 % mit einem ACE-Hemmer behandelt worden waren, erhielten bis zu 320 mg Valsartan (oder Plazebo) und wurden im Mittel über einen Zeitraum von fast zwei Jahren beobachtet.
Ein Überlebensvorteil der Kombinationstherapie konnte nicht gezeigt werden. Bezüglich des kombinierten Endpunkts „Mortalität und kardiovaskuläre Morbidität” allerdings war unter der Kombinationstherapie eine 13,3 %ige Reduktion zu beobachten [Abb. 4]. Um 27 % - also noch deutlicher - wurde die Rehospitalisierungsrate aufgrund einer Herzinsuffizienz gesenkt. Sekundäre Endpunkte wie Ejektionsfraktion, NYHA-Klassifikation und Lebensqualität zeigten einen signifikanten Vorteil der Kombinationstherapie.
Interessant ist die Analyse der Subgruppen: In der kleinen Gruppe der Patienten, die den ACE-Hemmer nicht vertrugen - also die Patienten (7 %), die nur Valsartan erhielten -, wurde der kombinierte Endpunkt um 45 % reduziert. Demgegenüber zeigen Analysen der Patienten, welche ACE-Hemmer, AT1-Antagonist und Betablocker erhielten, eine erhöhte Sterblichkeit sowie ein vermehrtes Auftreten des kombinierten Endpunktes (+15 %, p < 0,05) [2].
OPTIMAAL
OPTIMAAL
Die OPTIMAAL[6]-Studie untersuchte 5447 Patienten, die im Rahmen eines Myokardinfarktes symptomatisch herzinsuffizient waren. Sie verglich die Effekte von Losartan und Captopril bezüglich der Gesamtsterblichkeit. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in den beiden Therapiearmen hinsichtlich des primären Endpunkts. Zu sehen war allerdings ein Trend zu Ungunsten von Losartan. Daher kann bei dieser Population nicht primär zur Gabe eines AT1-Antagonisten geraten werden. Bestätigt hatte sich die deutlich bessere Verträglichkeit des Losartans [3].
CHARM
CHARM
Gerade abgeschlossen sollte jetzt die CHARM[7]-Studie (n = 6500) sein. CHARM ist in drei Arme geteilt: Zum einen erhalten Patienten mit systolischer symptomatischer Herzinsuffizienz Candesartan zusätzlich zum ACE-Hemmer, im zweiten Arm werden Patienten mit ACE-Hemmer-Intoleranz mit AT1-Antagonisten analysiert, im dritten Studienarm sind Patienten mit erhaltener systolischer Funktion und symptomatischer Herzinsuffizienz. Alle drei Arme werden zusammen hinsichtlich des kombinierten Endpunkts „kardiovaskuläre Mortalität und Rehospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz” untersucht. Mit der Vorstellung der Ergebnisse ist voraussichtlich im dritten Quartal 2003 zu rechnen [10].
Dosierung der AT1-Antagonisten
Dosierung der AT1-Antagonisten
In den ELITE-Studien wurde die Dosierung von Losartan verwendet (einmal 50 mg täglich), die in den zuvor publizierten Hypertoniestudien eine gute Blutdrucksenkung zeigte. Es ist zu bedenken, ob diese Dosierung zu einer vollständigen Blockade des AT1-Rezeptors über 24 Stunden ausreicht. Denn eine Untersuchung an gesunden Freiwilligen zeigt, dass die Blockade der Wirkung von exogen zugeführtem Angiotensin II nach sechs Stunden nachlässt und nach zwölf Stunden nicht mehr nachweisbar ist. Erst bei einer Dosierung von 150 mg war noch nach 24 Stunden eine Wirkung zu beobachten [1]. Dies lässt vermuten, dass die in den ELITE-Studien verwendete Dosierung von Losartan nicht hoch genug war. Wenn AT1-Antagonisten gegeben werden, sollte daher auf jeden Fall eine ausreichend hohe Dosierung angestrebt werden.
Interaktion mit Betablockern
Interaktion mit Betablockern
Analysen der Patienten, welche die Kombinationstherapie mit ACE-Hemmern, AT1-Antagonisten und Betablocker erhielten, dokumentieren eine erhöhte Sterblichkeit sowie ein vermehrtes Auftreten des kombinierten Endpunktes (Val-HeFT-Studie: +15 %, p < 0,05) [2]. Die ELITE-II-Studie belegt in einer Subgruppenanalyse (679 Patienten) einen ungünstigen Effekt der Beta-Blocker auf die Mortalität - wenn die Patienten zum Zeitpunkt des Einschlusses mit der Kombination Beta-Blocker und AT1-Antagonist behandelt worden waren [8].
Wurde im Verlauf der Studie die begleitende Therapie mit Beta-Blockern untersucht, war - ebenso wie in der Val-HeFT-Studie - kein negativer Effekt dieser Kombination mehr zu erkennen. Die Patienten in ELITE-II waren aber im Gegensatz zu den Patienten der Val-HeFT-Studie nicht nach Beta-Blockern randomisiert, sodass eine endgültige Beantwortung der Frage der Sicherheit der Kombinationstherapie derzeit noch nicht möglich ist. Insgesamt ergibt sich aus diesen Daten die gerechtfertigte Zurückhaltung der Therapiekombination ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten und Betablockern.
Bewertung der Studienergebnisse
Bewertung der Studienergebnisse
Theoretisch sollte durch AT1-Antagonisten eine zuverlässigere Blockade des Renin-Angiotensin-Systems - vor allem des Angiotensin II - zu einer Überlegenheit dieser Substanzgruppe im Vergleich zu den ACE-Hemmern führen. Bei der Therapie der Herzinsuffizienz sind nach der bisherigen Datenlage die AT1-Antagonisten den ACE-Hemmern nicht überlegen. Demnach sollte als Standardtherapie die Behandlung mit (hoch dosierten) ACE-Hemmern gelten. Ob AT1-Antagonisten und ACE-Hemmer gleichwertig sind, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig geklärt, kann aber aufgrund der ELITE-Ergebnisse und der Val-HeFT-Subgruppenanalyse vermutet werden. Bei einer ACE-Hemmer-Unverträglichkeit oder Non-Compliance kann also auf einen (ausreichend hoch dosierten) AT1-Antagonisten zurückgegriffen werden.
Die Kombination von ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten ist zur Behandlung der therapieresistenten symptomatischen Herzinsuffizienz indiziert, da sie zwar nicht die Überlebensdauer, aber die Zahl der Krankenhausaufenthalte und die Symptomatik günstig beeinflusst. Problematisch ist die Kombination bei Patienten, die zusätzlich Beta-Blocker (als bewiesene Standardtherapie der Herzinsuffizienz) erhalten. Eine Gabe von allen drei Substanzgruppen (ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten und Betablockern) sollte nur unter besonderer Vorsicht erfolgen, da die langfristige Wirkung und Sicherheit dieser Dreierkombination noch ungeklärt ist.
Weitere Studien zur Analyse der Kombinationstherapie und insbesondere zur Behandlung der diastolischen Herzinsuffizienz sind unterwegs (CHARM[8], I-PRESERVE[9], VALIANT[10]). Sie werden hoffentlich in den nächsten Jahren weitere Erkenntnisse für die Rolle der AT1-Antagonisten bei der Therapie der Herzinsuffizienz schaffen.
Abb 1.
Abb 2.
Abb 3.
Abb 4.