Aufgrund unterschiedlicher Pathomechanismen, unterschiedlicher klinischer Manifestationen und Histologie lassen sich verschiedene Formen entzündlicher Muskelerkrankungen voneinander differenzieren. Diese werden im Folgenden dargestellt.
Polymyositis und Dermatomyositis
Polymyositis und Dermatomyositis
Die Polymyositis ist eine chronisch progredient oder schubförmig verlaufende entzündliche Erkrankung der Skelettmuskulatur. Bei der Dermatomyositis, der ein grundsätzlich anderer Immunmechanismus zugrundeliegt, kommt es zusätzlich zu einer Beteiligung der Haut bzw. der Hautanhangsgebilde. Histologisch finden sich bei der Polymyositis vorwiegend endomysiale entzündliche Infiltrate mit diffuser Schädigung des Parenchyms. Demgegenüber ist die Dermatomyositis durch überwiegend perifaszikuläre und perivaskuläre entzündliche Veränderungen gekennzeichnet. Dies führt zu dem charakteristischen Bild einer perifaszikulären Atrophie (Abb. 1). Besonders bei älteren Patienten mit einer Dermatomyositis muss an ein paraneoplastisches Syndrom gedacht werden.
Klinik
Leitsymptome sind symmetrische, progrediente, meist proximal betonte Paresen bei erhaltener Sensibilität und auslösbaren Muskeleigenreflexen. Muskelschmerzen finden sich bei der eher akut verlaufenden Dermatomyositis häufiger als bei der Polymyositis [Tab. 1]. Ein Viertel bis die Hälfte der Patienten mit Polymyositis leiden an Arthralgien. Sowohl bei der Polymyositis als auch bei der Dermatomyositis kann gelegentlich ein Raynaud-Phänomen bestehen. Zusätzlich können bei der Dermatomyositis charakteristische Hauteffloreszenzen auftreten. Im Akutstadium wird häufig ein schmetterlingsförmiges Erythem im Bereich der Wangen, des Nasenrückens, der Augenlider und des vorderen Halsdreieckes beobachtet [Abb. 2]. Weitere typische Hautveränderungen sind erythematöse und squamöse Papeln über den Fingergelenken (Gottron-Zeichen) sowie schmerzhafte Erytheme und Teleangiektasien im Bereich der Nagelbetten (Keinig-Zeichen). Bei fortgeschrittener Erkrankung treten häufig subkutane Kalzifikationen sowie Hyper- oder Depigmentierungen auf. Das Auftreten von malignen Tumoren im Zusammenhang mit der Dermatomyositis ist signifikant erhöht (8-30 %), während ein solcher Zusammenhang mit der Polymyositis nicht sicher ist. Die Muskelsymptome treten häufig vor den eigentlichen Tumorsymptomen auf; nur in einem Drittel der Fälle entwickeln sie sich bei bereits bekannten Tumoren (meist Karzinome der Lungen, Brust, Ovarien, des Magen oder Kolons [12]). Eine Mitbeteiligung anderer Organe ist am häufigsten bei der Dermatomyositis, seltener bei der Polymyositis [Tab. 2]. Eine kardiale Beteiligung kann sich in Form von Rhythmusstörungen, Perikarditiden, dilatativer Kardiomyopathie oder Herzinsuffizienz äußern. In ca. 10 % der Fälle kommt es bei Myositiden zu einer interstitiellen Lungenbeteiligung, wobei die Häufigkeit mit der Erkrankungsdauer zunimmt. Häufig werden bei diesen Patienten Jo1-Antikörper nachgewiesen. Weitere pulmonale Manifestationen sind restriktive Einschränkung der Atmung durch Beeinträchtigung der Atemmuskulatur sowie Aspirationspneumonie bei Beteiligung der Schluckmuskulatur.
Die diagnostischen Kriterien sind in [Tabelle 3] zusammengefasst.
Therapie
Das Mittel der ersten Wahl für die Behandlung der Polymyositis und Dermatomyositis ist Kortison. Bei schweren akuten Manifestationen wird eine hochdosierte intravenöse Therapie für mindestens vier Wochen durchgeführt. Die Dosis wird nach Ansprechen der Behandlung allmählich bis auf eine Erhaltungsdosis reduziert. Der Erfolg der Behandlung wird an der objektiven Zunahme der Muskelkraft gemessen, alleinige CK-Veränderungen sprechen nicht für eine erfolgreiche Therapie. Bei Patienten mit schweren progredienten Verläufen sollten Kortikosteroide mit Azathioprin kombiniert werden, da mittelfristig hierdurch Kortison eingespart werden kann. Wegen der Rezidivgefahr sollte die Behandlung nach Erreichen eines klinisch stabilen Zustandes mindestens ein Jahr fortgeführt werden. Die Ergebnisse bisheriger Studien [2]
[3]
[8]
[10] lassen den Schluss zu, dass der Einsatz intravenös applizierter Immunglobuline (IVIG) bei therapierefraktären Formen der Polymyositis und vor allem bei der Dermatomyositis gerechtfertigt ist. Um deren endgültigen Stellenwert festzusetzen, müssen die Ergebnisse randomisierter, prospektiver Studien abgewartet werden, die IVIG und Immunsuppressiva in der Therapie der aktiven steroidrefraktären Polymyositis vergleichen.
Einschlusskörpermyositis
Einschlusskörpermyositis
Die Einschlusskörpermyositis („inclusion-body myositis”) ist eine entzündliche Muskelerkrankung, die in der Regel nach dem 50. Lebensjahr auftritt und Männer häufiger als Frauen betrifft. Neben sporadischen Fällen gibt es auch eine familiäre Form, die sich histopathologisch von der sporadischen unterscheidet [1]
[12].
Klinik
Die Einschlusskörpermyositis zeichnet sich durch eine langsam progrediente, asymmetrische, beinbetonte Muskelschwäche bei deutlicher Mitbeteiligung distaler Muskeln aus. Muskelatrophien, insbesondere einzelner Muskeln, entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung.
Diagnostik
Die Kreatinkinase ist allenfalls leicht erhöht. Elektrophysiologisch findet man neben myopathischen auch neurogene Veränderungen. Histologisch ist die Einschlusskörpermyositis durch endomysiale Infiltrate mit vor allem CD8-positiven Zellen charakterisiert. Pathognomonisch für die Erkrankung sind die in der HE-Färbung sichtbaren Vakuolen mit eosinophilen zytoplasmatischen Einschlüssen (sog. „rimmed vacuoles”, [Abb. 3]), die elektronenmikroskopisch als filamentäre Einschlüsse sichtbar werden. Zusätzlich können Zeichen einer neurogenen Muskelatrophie nachweisbar sein.
Therapie
Therapeutisch scheint die Einschlusskörpermyositis durch konventionelle Immunsupressiva nicht beeinflussbar zu sein [4]
[5]
[6]
[9]. Obwohl nur eine geringe Wirksamkeit der IVIG in der Therapie der Einschlusskörpermyositis in den bisherigen doppelblind geführten, plazebokontrollierten Crossover-Studien [7]
[11] gezeigt wurde, ist im Einzelfall ein Behandlungsversuch gerechtfertigt.
Myopathische und Myositische Syndrome bei anderen Kollagenosen
Myopathische und Myositische Syndrome bei anderen Kollagenosen
Syndrome, bei denen die Dermatomyositis oder Polymyositis mit einer anderen Kollagenose assoziiert ist [Tab. 4], werden als Overlap-Syndrom bezeichnet. Während für diese Diagnose die Kriterien für beide Erkrankungen erfüllt sein müssen, gibt es eine Reihe entzündlich-rheumatischer Erkrankungen mit lediglich begleitend auftretender Myositis. Im Vordergrund stehen meist andere Organmanifestationen.
Myopathien bei Infektionskrankheiten
Myopathien bei Infektionskrankheiten
Bei zahlreichen Infektionskrankheiten kann eine Beteiligung der Skelettmuskulatur beobachtet werden. Meist handelt es sich um Myalgien, die insbesondere bei Virusinfekten als unspezifische Allgemeinreaktionen auftreten. Infektionen mit Influenza-Viren und Coxsackie-B-Viren führen häufig zu Myalgien (in 60-80 % der Fälle) und Myositiden bis hin zu Myoglobulinämie. Bei Coxsackie-B- und Echoviren sind gelegentlich die Interkostalmuskeln betroffen. Dies äußert sich als Pleurodynie (Bornholmsche Erkrankung). Bakterielle Infektionen können zu Pyomyositiden führen. Typische parasitäre Erkrankungen mit Muskelbeteiligung sind die Zystizerkose, die zu multiplen Verkalkungen im Muskel führt und häufig klinisch stumm bleibt, sowie die Trichinellose, die eine Absiedlung von Larven in die Muskulatur mit Myalgien und allgemeinen Entzündungszeichen wie Fieber hervorruft.
Bei der HIV-Infektion kann klinisch in jedem Stadium eine Muskelbeteiligung auftreten. Allerdings bestehen häufig diagnostische Schwierigkeiten, da sowohl die Infektion selbst als auch das Medikament Zidovudin eine Myopathie mit vorwiegend schmerzhaften Paresen verursachen können. Bei der HIV-Myopathie handelt es sich histologisch überwiegend um entzündliche Veränderungen. Das HIV-Antigen ist jedoch im Muskel nicht nachweisbar. Dem gegenüber stehen bei der Zidovudin-induzierten Myopathie histologisch mitochondriale Veränderungen wie „ragged-red-Fasern” im Vordergrund. Während bei der HIV-Myopathie antiviral therapiert wird, besteht bei der Zidovudin-induzierten Myopathie die therapeutische Konsequenz im Absetzen des Medikamentes zumal es für diese Substanz im Rahmen der modernen antiralen Tripeltherapie Alternativen gibt.
Okuläre Myositis
Okuläre Myositis
Die okuläre Myositis ist eine seltene fokale Form einer entzündlichen Muskelerkrankung unbekannter Ätiologie, die ausschließlich die äußeren Augenmuskeln betrifft. Sie kann isoliert oder im Rahmen anderer Erkrankungen, z.B. eines systemischen Lupus erythematodes oder eines Morbus Crohn, auftreten sowie die Erstmanifestation bei HIV-Infektion darstellen. Nach der klinischen Symptomatologie sind eine exo- phthalmische und eine oligosymptomatische Form zu unterscheiden. Die seltener vorkommende exo- phthalmische Form zeigt einen Exophthalmus mit Augenmuskelparesen, Ptose, Lidödem, Chemosis, konjunktivaler Injektion, Tränenträufeln und subjektiv Bulbusschmerzen. Der entzündliche Prozess kann auf den Sehnerven (Papillitis) und andere Gewebe übergreifen.
Die oligosymptomatische Form ist durch Augenmuskelparesen, die häufiger beidseitig als einseitig auftreten und von Lichtscheu, Tränenträufeln und einer konjunktivalen Injektion begleitet sein können, charakterisiert. Ein schubförmiger Verlauf ist typisch. Sehr hilfreich für die Diagnose ist das CT oder MRT mit Nachweis der verdickten Augenmuskeln [Abb. 4]. Häufige Fehldiagnosen sind Myasthenie, Neuropathie der Augenmuskelnerven und Multiple Sklerose sowie endokrine Orbitopathie und insbesondere die euthyreote Form. Differenzialdiagnostisch kommen weiterhin mitochondriale Myopathien, eine Tumorinfiltration der äußeren Augenmuskeln, eine Sinus-cavernosus- Fistel, AV-Angiome oder eine paraselläre Raumforderung in Betracht.
Die Therapie besteht in der Applikation von Kortikoiden. Bei therapierefraktären Formen wird IVIG bzw. Methotrexat oder Cyclosporin in niedriger Dosierung empfohlen.
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3 Neben Muskelfasern mit „rimmed vacuoles” sind teilatrophische bzw.- atrophische, sowohl polygonal als auch angulär konfigurierte Fasern zu erkennen.
Abb. 4
Tab. 1 Charakteristika immunogener Myositiden
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Polymyositis
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Dermatomyositis
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Einschlusskörpermyositis
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Erkrankungsalter
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Erwachsenenalter
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Kindheit und Erwachsenenalter
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Erwachsenenalter
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Entwicklung der Beschwerden
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subakut
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häufig akut
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langsam
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Myalgien
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manchmal
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oft
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möglich
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Hauteffloreszenzen
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fehlend
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vorhanden
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fehlend
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Verteilung der Paresen
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proximal
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proximal
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proximal und distal
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Tab. 2 Extramuskuläre Manifestationen bei Dermatomyositis/Polymyositis
Kardiale Beteiligung
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geringgradige EKG-Veränderungen bis hin zu einer ausgeprägten dilatativen Kardiomyopathie
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Pulmonale Beteiligung
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bilaterale Zwechfellschwäche Schwäche der Atemmuskulatur, pulmonale Hypertonie, interstitielle Lungenerkrankung
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Gastrointestinale Beteiligung
| Dysphagie
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Arthritis
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Nierenversagen
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Tab. 3 Diagnostische Kriterien der Polymyositis bzw. Dermatomyositis
Klinik
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proximal betonte Muskelschwäche mit oder ohne Myalgien, typisches Erythem der Dermatomyositis
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Labor
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Erhöhung der muskulären Serumenzyme (CK, LDH, GOT, GPT, Aldolase) und des Myoglobins, BSG-Beschleunigung nur bei ca. 50 % der Patienten
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EMG
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myopathische Veränderungen und Fibrillationen, positive scharfe Wellen, gesteigerte Einstichaktivität sowie spontane bizarre hochfrequente Potenzialabläufe
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Muskelbiopsie
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entzündliche Veränderungen mit Degenerationen und Regenerationen (perivaskuläres und perifaszikuläres Infiltrat sowie perifaszikuläre Atrophie bei DM; endomysiales Infiltrat bei PM)
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Tab. 4 Myopathische und myositische Syndrome bei anderen Kollagenosen
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