Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(19): 1071
DOI: 10.1055/s-2003-39105
Pro & Contra
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neue Chinolone für die Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie - Contra

New quinolones for the treatment of community-acquired pneumonia - contraM. Egger1
  • 1Einheit für Infektiologie (Chefarzt: Prof. Dr. med. Martin Täuber)
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eingereicht: 4.12.2003

akzeptiert: 30.1.2003

Publication Date:
08 May 2003 (online)

Neue Chinolone sind ideale Medikamente für die Pneumoniebehandlung: Sie sind wirksam, sicher, verträglich und kosteneffektiv. Bei ihrer Beurteilung muss aber auch das Potenzial zur Resistenzentwicklung mit berücksichtigt werden. Chinolonresistenzen entstehen überwiegend durch Modifikation von bakterieller Topoisomerase IV und DNS-Gyrase, infolge zufällig auftretender Punktmutationen in den jeweiligen Genen. Entscheidend für Persistenz und Vermehrung der Mutanten ist der Selektionsdruck von Chinolonen. Bei Pneumokokken selektieren vor allem ältere Chinolone wegen ihrer marginalen grampositiven Aktivität erste Mutationen, während die Selektion weiterer Mutationen auch unter dem Druck neuerer, aktiverer Chinolone stattfinden kann. Dies führt in mehreren Schritten zum Wirkungsverlust aller Vertreter der Klasse.

20 Jahre Chinoloneinsatz haben auch Erreger von Atemwegsinfektionen dieser Antibiotikaklasse ausgesetzt. Damit enthält die Pneumokokkenpopulation bereits Erst-Schritt-Mutanten - eine ideale Ausgangslage für weitere Resistenzentwicklungen. Tatsächlich wächst die Evidenz, dass Chinolonresistenzen bei Pneumokokken verbreitet und am Zunehmen sind [4] und dass sie auch die neuen Chinolone zu erfassen beginnen [3]. Mehrere Arbeiten belegen das Versagen von Chinolonen in der Behandlung von Pneumokokken-Pneumonien wegen vorbestehender oder neu auftretender Resistenzen [2]. Während die Behandlung gramnegativer Infektionen zu Resistenzen bei den Pneumokokken geführt hat, kann sich dieser Vorgang auch umgekehrt abspielen: Der Einsatz von Chinolonen in der Pneumoniebehandlung wird zu einer erheblichen Steigerung des Verbrauchs führen, da eine Verschreibung für akute Bronchitiden und virale obere Luftwegsinfekte kaum zu verhindern sein wird. Dabei werden nicht nur Erreger exponiert, sondern auch kolonisierende Keime. Die neuen Chinolone erreichen an Haut- und Schleimhautoberflächen nur subinhibitorische Konzentrationen, was eine Zunahme der Chinolonresistenzen bei Staphylokokken und gramnegativen Stäbchen begünstigt. Dies gefährdet die orale Behandlung von Infektionen mit gramnegativen Problemkeimen und von Fremdkörperinfektionen mit Staphylokokken. Daher soll in der Erstlinientherapie von Pneumonien auf Chinolone möglichst verzichtet werden. Ist dieser Anspruch aber überhaupt haltbar?

Tatsächlich weisen 10-40 % der Pneumokokkenisolate Resistenzen gegen Penicillin, Makrolide und Tetrazykline auf, weshalb in manchen Richtlinien zur Pneumoniebehandlung ein Ausweichen auf Chinolone empfohlen wird. Diese Strategie ist aber

kurzsichtig, weil Chinolonresistenzen bei Pneumokokken rasch am Zunehmen sind, unlogisch, weil Chinolonresistenzen bei gegen Penicillin und Makrolide resistenten Pneumokokken wesentlich häufiger sind als bei empfindlichen Pneumokokken 3, unnötig, weil Pneumonien durch vermindert penicillinempfindliche Pneumokokken erfolgreich mit Betalactam-Antibiotika behandelt werden können:

Etliche Studien haben einen vergleichbaren Therapieerfolg mit Betalactam-Antibiotika bei Pneumonien durch penicillinempfindliche und -resistente Pneumokokken gezeigt, was pharmakologisch plausibel ist: Mit ausgewählten Betalactam-Antibiotika können Wirkstoffspiegel erreicht werden, die für die meisten resistenten Pneumokokken während mindestens 50 % des Dosierungsintervalls oberhalb der minimalen Hemmkonzentration liegen und damit das pharmakodynamische Kriterium für eine erfolgreiche Betalactam-Therapie erfüllen [1].

Angemessen dosierte Betalactam-Antibiotika sind also nach wie vor für die allermeisten Pneumonien wirksam. Sie bleiben deshalb erste Wahl für die empirische Behandlung. In ausgewählten Fällen (schwere Pneumonien, Verdacht auf atypische Erreger) sollten sie mit einem Makrolid oder einem Tetrazyklin kombiniert werden. Chinolone müssen in der Pneumoniebehandlung Reserveantibiotika bleiben.

Autorenerklärung: Der Autor erklärt, dass er keine finanziellen Verbindungen zu einer Firma hat, deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder zu einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

Literatur

  • 1 Craig D A. Pharmakokinetic/pharmacodynamic parameters: Rationale for antibacterial dosing of mice and men.  Clin Infect Dis. 1998;  26 1-12
  • 2 Davidson R, Cavalcanti R, Brunton J L. et al . Resistance to levofloxacin and failure of treatment of pneumococcal pneumonia.  N Engl J Med. 2002;  346 747-750
  • 3 Ho P L, Yung R WH, Tsang D NC. et al . Increasing resistance of Streptococcus pneumoniae to fluoroquinolones: results of a Hong Kong multicentre study in 2000.  J Antimicrob Chemother. 2001;  48 659-665
  • 4 Invasive Pneumokokken-Infektionen in der Schweiz 1998 - 1999: Empfindlichkeit auf Antibiotika und Abdeckung durch 7- und 9-valente Konjugat-Impfstoffe. Bulletin des Bundesamtes für Gesundheitswesen www.bag.admin.ch/dienste/publika/d/index.htm 2002 31: 544-552.

Dr. med. Martin Egger

Ambulatorium für Infektionskrankheiten, PKT2 B

Inselspital

CH-3010 Bern

Email: martin.egger@insel.ch