Im Forschungsmodul „Früh- und Differenzialdiagnostik” des Kompetenznetzes Demenzen
werden neben Bildgebungsverfahren und neurochemischen Methoden auch neuropsychologische
Verfahren eingesetzt. Die Erfassung von Verhaltensdaten ist zur Diagnose einer Demenz
entscheidend: Nach der ICD-10 [2] wird eine Demenz diagnostiziert, wenn eine Abnahme des Gedächtnisses und des Denkvermögens
nachgewiesen wurde, und wenn Aktivitäten des täglichen Lebens deutlich beeinträchtigt
sind. Auch laut DSM-IV [15] ist der Nachweis kognitiver Leistungseinschränkungen für die Diagnosestellung einer
Demenz erforderlich. Im speziellen Fall der Alzheimer Demenz (AD) sind die NINCDS-ADRDA-Kriterien
[8] am weitesten verbreitet und anerkannt, und auch sie empfehlen zur Diagnose einer
AD eine klinische Untersuchung und die Bestätigung kognitiver Defizite durch eine
neuropsychologische Testung.
Neuropsychologische Diagnostik und Screening-Verfahren
Neuropsychologische Diagnostik und Screening-Verfahren
Neuropsychologische Testverfahren unterscheiden sich grundsätzlich von Screening-Verfahren
wie dem Mini-Mental-Status-Test (MMST; 3).
Screening-Verfahren
Screening-Verfahren haben das Ziel, mit einem geringen zeitlichen Aufwand von nicht
mehr als fünf bis zehn Minuten grobe Hinweise auf das Vorliegen irgendeiner hirnorganischen
Schädigung oder einer Demenz zu geben, also eine recht umfassende Gruppe von Erkrankungen
anzuzeigen, oder ungefähr den Schweregrad der Erkrankung einzuschätzen. Oft beinhalten
Screening-Verfahren allgemeine Fragen zur zeitlichen Orientierung (aktuelles Jahr,
Monat, Wochentag), örtlichen Orientierung (Aufenthaltsort, Klinik, Stockwerk), eine
kurze Lernaufgabe, die Ausführung einer Handlungsanweisung oder Ähnliches. Die einzelnen
Ergebnisse werden zu einem Gesamt-Score addiert. Anhand des MMST wird i.a. vom Vorliegen
einer „leichten Demenz” ausgegangen, wenn das Ergebnis 24 oder weniger der 30 möglichen
Punkte beträgt.
Solch ein Vorgehen ist sinnvoll, um in kurzer Zeit eine grobe Quantifizierung des
allgemeinen Leistungsniveaus zu erhalten. Im frühen oder sehr frühen Stadium einer
Demenz ist mittels Screening-Verfahren jedoch keine hohe Sensitivität und Spezifität
der Aussage zu erreichen. Im Zeitraum von gut einem Jahr konnten unter zirka 40 Patienten,
die von einer Gedächtnissprechstunde zur ausführlichen neuropsychologischen Untersuchung
überwiesen worden waren, 12 Patienten identifiziert werden, die zwar im MMST einen
Wert zwischen 27 bis 30 Punkten erzielt hatten, bei denen aber neuropsychologische
Verfahren, Bildgebung und meist auch Liquordiagnostik übereinstimmend auf eine beginnende
Demenz hinwiesen [18]. Ein unauffälliges Ergebnis im Screening schließt also eine beginnende Demenz nicht
sicher aus, und bei klinischen Merkmalen wie fremdanamnestisch bestätigten Leistungseinbußen,
die über einen längeren Zeitraum anhalten oder fortschreiten, ist eine weiterführende
Abklärung trotz unauffälliger Screening-Werte ratsam.
Neuropsychologische Verfahren
Neuropsychologische Verfahren haben im Gegensatz zu den Screening-Verfahren das Ziel,
einzelne kognitive Funktionen mit höherer Genauigkeit zu quantifizieren. Sie lassen
sich entsprechend als Sprachverständnistests, Aufmerksamkeitstests, Lerntests, verbale
oder visuelle Kurzzeitgedächtnisaufgaben, Arbeitsgedächtnis- oder Konzeptbildungsaufgaben
usw. bezeichnen. Eine allgemeingültige Taxonomie der verschiedenen kognitiven Domänen
gibt es nicht, oft werden beispielsweise verschiedene Aufmerksamkeitsfunktionen noch
weiter unterschieden. Die Beeinträchtigung einer einzelnen Teilleistung kann beim
Einsatz von Screening-Verfahren leicht unterschätzt werden, weil dort meist recht
unspezifische Anforderungen gestellt werden, und weil zudem Gesamt-Scores gebildet
werden. Gerade bei der Früh- und Differenzialdiagnostik demenzieller Syndrome ist
aber die Beurteilung von Teilleistungen wichtig, denn die verschiedenen Syndrome äußern
sich anfangs in vergleichsweise selektiven Defiziten, nicht uniform in einem globalen
kognitiven Abbau. Die in einer neuropsychologischen Testung erhobenen Werteprofile
sind zwar keinesfalls so spezifisch, dass ein Muster von Stärken und Schwächen für
sich genommen wegweisend für eine bestimmte demenzielle Erkrankung sein könnte. Es
gibt anatomische Überlappungen der Pathologien, und die nosologische Einteilung der
Syndrome selbst ist vielfach mit Hinsicht auf z.B. genetische Varianten unklar. Aber
eine konsistent auffällige Leistungsschwäche kann als Anstoß zur Durchführung weiterer
diagnostischer Maßnahmen dienen, und in der klinischen Zusammenschau mit der instrumentellen
Diagnostik kann der neuropsychologische Befund Hinweise geben, welche Arten der Hirnschädigung
mehr oder weniger nahe liegend sind.
Klinisches Einsatzgebiet der neuropsychologischen Diagnostik
Klinisches Einsatzgebiet der neuropsychologischen Diagnostik
Im klinischen Alltag der Demenzdiagnostik spielt die neuropsychologische Untersuchung
vor allem eine Rolle bei vier Fragestellungen:
-
bei der Unterscheidung einer fraglich beginnenden Demenz von einem im Rahmen des Alterungsprozesses
normalerweise zu erwartenden Leistungsabbau
-
bei der Unterscheidung einer fraglich beginnenden Demenz von einer kognitiven Beeinträchtigung
infolge einer depressiven Episode oder anderen psychiatrischen Erkrankung
-
bei der Unterscheidung bestimmter beginnender, primär progredienter hirnorganischer
Erkrankungen untereinander
-
bei der Verlaufsbeurteilung einer leichtgradigen Demenzerkrankung.
Normaler Alterungsprozess
Im Rahmen des normalen Alterungsprozesses sind Einbußen der geistigen Verarbeitungsgeschwindigkeit
zu erwarten, und die weniger rasche und effiziente Informationsverarbeitung zieht
unter anderem auch ein erschwertes Erlernen neuer Informationen nach sich [4]
[14]. Um derartigen Leistungsabnahmen Rechnung zu tragen, stellen die standardisierten
neuropsychologischen Testverfahren Normen für verschiedene Altersgruppen zur Verfügung.
Alzheimer Demenz
Die Folgen einer beginnenden Alzheimer Demenz (AD) gehen über den normalen Alterungsprozess
in mehrfacher Hinsicht hinaus. Zum einen besteht bei der AD eine auffallende Schwäche
des Erlernens neuer Informationen, i.e. ein so genanntes Konsolidierungsdefizit, bei
initial kaum beeinträchtigter Aufmerksamkeit und psychomotorischer Geschwindigkeit.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Patienten mit einer sehr milden AD nach einem mehrminütigen
Intervall zwar kaum zuvor gehörte, kurze Geschichten reproduzieren können, aber durchaus
in der Lage sind, unmittelbar nach der Darbietung fünfstellige Ziffernfolgen in umgekehrter
Reihenfolge wiederzugeben. Die erstgenannte Aufgabe ist eine typische Lernaufgabe,
die letztgenannte Aufgabe eine typische Konzentrations- und Arbeitsgedächtnisaufgabe.
Zu den Lernstörungen kommen bei der AD Störungen der visuell-räumlichen Verarbeitung
(vgl. [Abb. 1]), des Rechnens und der Auffassung komplexer neuer Zusammenhänge hinzu. Neuroanatomisch
geht die Erkrankung im Frühstadium mit einer Funktionseinschränkung mesio-temporaler
sowie neokortikaler temporaler und inferior parietaler Strukturen einher [1]. Wegen ihrer klinischen und morphologischen Auffälligkeiten wird die AD als „kortikale
Demenz” bezeichnet [6].
Frontotemporale Demenzen
Die frontotemporalen Demenzen sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen; am häufigsten
treten die „klassische” frontale Variante der frontotemporalen Demenz (fv-FTD) und
ihre temporale Variante der frontotemporalen Demenz (tv-FTD) auf. Während früher der
Begriff der Pick'schen Erkrankung geläufig war, ist heute bekannt, dass nur in einem
Teil aller Fälle Pick-Zellen oder Pick-Körperchen vorliegen. Die fv-FTD betrifft vor
allem orbitobasal, medial und dorsolateral frontale Strukturen und zeigt initial das
klinische Bild von Persönlichkeits- und Antriebsänderungen sowie Störungen des Sozialverhaltens;
die üblichen neuropsychologischen Testbefunde sind zu diesem Zeitpunkt oft noch unauffällig.
Die tv-FTD, mit Funktionseinbußen lateral temporaler Strukturen, kann aus neuropsychologischer
Sicht hingegen recht gut an Störungen des Benennens [Abb. 2] und am Verlust des Wortsinnverständnisses festgemacht werden. Sowohl bei der fv-FTD
als auch bei der tv-FTD ist die visuell-räumliche Verarbeitung im Allgemeinen lange
Zeit ungestört.
Lewy-Körper-Demenz
Die Lewy-Körper-Demenz (LBD) ist vor allem durch Fluktuationen der kognitiven Leistungsfähigkeit,
wohlgeformte und detailreiche visuelle Halluzinationen, sowie spontane motorische
Parkinson-Symptome charakterisiert. Häufig treten wiederholte unerklärte Stürze, Synkopen
oder Bewusstseinseinschränkungen auf. In der neuropsychologischen Testung fallen am
ehesten Aufmerksamkeitsdefizite und Schwächen der visuell-räumlichen Verarbeitung
auf [7].
Subkortikale demenzielle Syndrome
Subkortikale demenzielle Syndrome wie die Demenz bei Morbus Parkinson, die Progressive
Supranukleäre Blickparese, das Shy-Drager-Syndrom oder die Striatonigrale Degeneration
weisen typische neurologische Auffälligkeiten auf, die Aufschluss über die Differenzialdiagnose
geben, wie Tremor, Rigidität, Myoklonien, Gangstörungen usw. Vaskuläre Demenzen wie
bei Morbus Binswanger oder beim Status lacunaris zeigen ihre läsionellen Veränderungen
deutlich in der Kernspinaufnahme. Aus neuropsychologischer Sicht sind die subkortikalen
Demenzen untereinander kaum unterscheidbar. Führend sind jeweils eine psychomotorische
Verlangsamung und Einschränkungen bei anstrengungsvollen und nicht-automatisierten
Leistungen, bei relativ erhaltener Lernfähigkeit [6]. Typische Defizite treten auf bei einfachen Speed-Aufgaben wie dem Trail Making
Test A (vgl. [Abb. 3]), bei konzentrationsintensiven Arbeitsgedächtnisaufgaben wie dem Nachsprechen längerer
Ziffernfolgen oder der Wiedergabe von Zahlenreihen in umgekehrter Reihenfolge, oder
bei Aufgaben zum logisch-analytischen Schließen. Die Lernfähigkeit ist vergleichsweise
erhalten. Schlechte Ergebnisse in Lernaufgaben sind bei diesen Syndromen - anders
als bei der AD - eher auf Mängel im zielgerichteten Abrufprozess zurückzuführen als
auf genuine Konsolidierungsdefizite, und das anstrengungsärmere Wiedererkennen von
Wortlisten oder Ähnlichem fällt den Patienten deutlich leichter als der selbstinitiierte,
freie Abruf des Gelernten.
Depressionen
Depressionen und andere psychiatrische Erkrankungen können die Sensitivität eines
Patienten für (vermeintliche) kognitive Schwächen verstärken und ein überhöhtes Beklagen
eigener Defizite bewirken. Aber auch von außen können Depressionen als beginnende
Demenz fehlgedeutet werden, da Konzentrationsstörungen, Entscheidungsschwierigkeiten,
Müdigkeit, Interessenverlust und sozialer Rückzug in beiden Fällen geläufig sind.
Im klinischen Interview kann das Vorliegen einer Depression am besten abgeklärt werden.
Ein generell wichtiger Anhaltspunkt in der neuropsychologischen Testung, der für eine
organische Ursache von Leistungseinbußen spricht, ist das konsistente Auftreten gleichartiger
Defizite in verschiedenen Testverfahren, sodass sich ein durchgängiger „Faktor” bestimmter
Leistungsschwächen ergibt. Beim Vorliegen einer Depression zeigen sich dagegen eher
unsystematisch verteilte Schwächen in den verschiedenen Aufgaben. Ggf. sollte eine
erneute Beurteilung der Leistungsfähigkeit nach längerer antidepressiver Therapie
vorgenommen werden. Zu beachten ist immer, dass insbesonders im höheren Alter erstmals
auftretende Depressionen auch Symptom einer beginnenden Demenz sein können.
Planung der medikamentösen Therapie
Die neuropsychologische Diagnostik trägt zur Früh- und Differenzialdiagnose des demenziellen
Syndroms bei. Die Differenzialdiagnose ist wichtig für die Planung der medikamentösen
Therapie, denn verschiedene Behandlungsansätze sind je nach Syndrom unterschiedlich
sinnvoll und Erfolg versprechend. So besteht bei den FTDen - im Gegensatz zur AD -
kein kortikales cholinerges Defizit, und die bei der AD wirksamen Acetylcholinesterasehemmer
konnten keinen Behandlungserfolg erweisen [16]. Patienten mit einer LBD würden auf eine Medikation mit Neuroleptika mit schweren
akinetischen Krisen reagieren, und auch bei den FTDen gibt es Hinweise für eine verminderte
Neuroleptikaverträglichkeit [11].
Aufklärung von Patienten/ Angehörigen
Abgesehen davon, dient die Beurteilung von Teilleistungen und das Wissen um die Art
des demenziellen Syndroms auch der Aufklärung der Angehörigen und der Patienten. Wie
oben erklärt, führen nicht alle Demenzen gleichsam und rasch zu einer Persönlichkeitsveränderung
und einem umfassenden Verfall aller Fähigkeiten. Bei der AD ist in den ersten Jahren
zwar das Erlernen neuer Informationen und die Auffassung komplexer Zusammenhänge erschwert,
aber selten das Sprachverständnis oder das Sprechen, die Einsicht in die persönliche
Situation oder das Ausüben vertrauter körperlicher Betätigungen. Das differenzierte
Wissen um Stärken und Schwächen verhindert sowohl Überforderung als auch ungerechtfertigte
Geringschätzung des Patienten.
Studienziele im Bereich Neuropsychologie des Moduls „Früh- und Differenzialdiagnostik”
Studienziele im Bereich Neuropsychologie des Moduls „Früh- und Differenzialdiagnostik”
Dass Störungen des Neu-Lernens ein besonders ausgeprägtes und häufiges Frühzeichen
einer beginnenden Demenz sind, wurde ohne nähere Betrachtung der Ätiologie bereits
mehrfach gezeigt - und verwundert angesichts des hohen Anteils der Alzheimer Demenz
in der Gruppe der Demenzen auch nicht. Derartig globale Studienziele wie die Suche
nach „dem optimalen Lerntest” für „die Frühdiagnose” sind nicht sinnvoll; in der Praxis
sollten bei Verdacht auf das Vorliegen eines Konsolidierungsdefizits im Zweifelsfall
lieber zweierlei Verfahren unabhängig voneinander eingesetzt werden.
Die Studienplanung im Kompetenznetz Demenzen legt stattdessen Wert auf die möglichst
gute klinische Unterscheidung demenzieller Syndrome nach anerkannten, spezifischen
diagnostischen Kriterien sowie auf die breite Erfassung verschiedenartiger Fähigkeiten.
Neben neuropsychologischen Tests der kognitiven Fähigkeiten wurden besonders mit Hinblick
auf die FTDen auch Fragebögen integriert, die per Angehörigeninterview das Vorliegen
von Merkmalen wie Apathie, Depression, Aggression, Vernachlässigung der persönlichen
Hygiene und Hyperoralität erheben.
Beschreibung des Defizitspektrums
Zum einen soll dieses Vorgehen die möglichst differenzierte Beschreibung des Defizitspektrums
ermöglichen, das den demenziellen Erkrankungen zu eigen sein kann.
Zum anderen soll eine optimale Grundlage für die Korrelation von Verhaltensdaten mit
den instrumentellen Daten geschaffen werden. So gelten bspw. die Liquorbefunde bei
den FTDen bislang noch als sehr variabel und widersprüchlich [12], während die AD mit typischen Liquor-Befundkonstellationen assoziiert ist, deren
Veränderung auch im zeitlichen Verlauf gut mit Veränderungen des psychometrisch erfassten
Schweregrades korrespondierten [5].
Korrelation mit biologischen Markern
Möglicherweise kann in solchen Fällen wie bei den FTDen der Einsatz von Verfahren,
die gezielter die bei diesen Erkrankungen vorhandenen Defizite erfassen, das Ausmaß
der gebundenen Varianz und somit auch die Korrelation mit den biologischen Markern
erhöhen. Dass die Betrachtung von Pathomechanismen auf molekularer und Transmitterebene
anstelle einer rein strukturbezogenen und morphometrischen Betrachtungsweise Sinn
macht, kann am Beispiel der AD erläutert werden: Das anatomische Korrelat der frühen
Gedächtnisstörung bei der AD ist eine Funktionseinschränkung vor allem mesio-temporaler
Strukturen. Als Pathomechanismus diskutiert man aber nicht nur den Zelltod hippokampaler
Neurone, der mit einer Atrophie des lokalen Gewebes einhergeht, sondern auch eine
„funktionelle Deafferenzierung” des Hippokampus i.S. einer Verminderung der Effizienz
hippokampaler Funktionen durch verringerte Reizaufrechterhaltung bei kortikalem, cholinergen
Defizit.
Mild Cognitive Impairment
Bei der Frage der Frühdiagnose einer Demenz spielt das Konzept des Mild Cognitive
Impairment (MCI) eine wichtige Rolle. Bislang ist nicht eindeutig, was darunter zu
verstehen ist. Eine der Arbeitsgruppen forderte ursprünglich aus testpsychologischer
Sicht notwendig und hinreichend nur eine objektivierbare Gedächtnisbeeinträchtigung
[10]. Solch eine initial besonders auffällige Gedächtnisstörung wurde in Längsschnittuntersuchungen
zwar bei der AD nachgewiesen, aber die verbreitete Annahme, dass dies generell das
erste Frühzeichen (irgend)einer beginnenden Demenz sei, beruht auf einem rein statistischen
Effekt. Die AD ist mit etwa 60-70 % unter allen demenziellen Syndromen die häufigste
Demenzform. Wenn in einer neuropsychologischen Längsschnittstudie ohne Differenzierung
der Syndrome der beste Prädiktor für das Vorliegen einer „Demenz” (vs. Gesundheit)
zum letzten Messzeitpunkt gesucht wurde, fiel aufgrund der hohen Auftretenswahrscheinlichkeit
der AD natürlich das Gedächtnisdefizit auf.
Zum Teil werden heute unter Anerkennung heterogener Frühzeichen verschiedener dementieller
Syndrome diverse Ausprägungen eines MCI in Betracht gezogen [9]. Dies wird der Sache prinzipiell gerecht. Generell im Zusammenhang mit dem Konzept
der MCI, und insbesondere sobald in der Praxis der behandelnde Arzt im Einzelfall
bereits aufgrund weniger defizitärer Testwerte vermehrt dazu neigen würde, eine Progression
der Störung zu einer Demenz zu vermuten, müssen aber auch ethische Implikationen diskutiert
werden. Zwar besteht bei der Früherkennung einer Demenz die Chance, durch den Einsatz
von Antidementiva Erfolge zu erzielen, Verhaltensmodifikationen einzuüben, sowie soziale
und rechtliche Regelungen zu treffen. Viele Patienten mit einer MCI entwickeln jedoch
keine Demenz. Die psychosozialen Implikationen der Diagnose einer möglicherweise beginnenden
Demenz sind enorm, und der Erfolg einer medikamentösen Therapie im Stadium der MCI
ist noch nicht belegt (vgl. die Studien im Modul E2). Das Vorgehen muss im Einzelfall
genau abgewägt werden. Die Studien im Kompetenznetz Demenzen haben das Ziel, die Kriterien
eines MCI möglichst gut zu definieren und die damit verbundenen Empfehlungen und Überlegungen
in allgemeine Leitlinien einfließen zu lassen.
Abb. 1 Neuropsychologische Testbeispiele
Abb. 2
Abb. 3