Einleitung
Das Bronchialkarzinom bei Patienten mit fixiertem terminalen Lungenemphysem stellt
ein besonderes therapeutisches Problem dar: Einerseits sind die Grenzen der funktionellen
Operabilität von Bronchialkarzinomen im Allgemeinen bei einer Einschränkung der forcierten
exspiratorischen Einsekundenkapazität (FEV1) auf unter 40 % des Sollwertes erreicht [1], andererseits zeigen die Resultate der Lungenvolumenreduktion (LVRO) aus den letzten
10 bis 12 Jahren günstige Aussichten auf eine Verbesserung der Lungenfunktion in einer
respiratorischen Situation, die bisher Inoperabilität bedeutete [2]. Die entscheidende Frage ist, ob und gegebenenfalls unter welchen Kautelen die Kombination
aus LVRO und zusätzlicher Tumorresektion sinnvoll ist. Wir teilen hierzu peri- und
mittelfristige postoperative Ergebnisse der Lungenvolumenreduktion und simultanen
Resektion eines (NSCLC-)Bronchialkarzinomes mit.
Patientenkollektiv und Methodik
Zwischen April 1997 und Januar 1999 wurden 6 Patienten im Alter zwischen 54 und 68
Jahren (mittleres Alter: 61 Jahre; 6 Männer, keine Frau) operiert, bei denen eine
terminale chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COLD) seit mehr als 5 Jahren und
simultan ein (NSCLC-)Bronchialkarzinom vorlag. Ein Lungenrundherd war seit 2 bis 11
Monaten bekannt (mittlere Verzögerungszeit vor Operation: 5,4 Monate). Klinische Symptome
waren als persistierender Husten und Hämoptysen bei 3 Patienten zu beobachten, dreimal
fiel ein suspekter Rundherd bei radiologischen Routinekontrollen der COLD auf. Bei
5 Patienten wurde das Karzinom präoperativ histologisch bzw. zytologisch nach bronchoskopischer
Diagnostik gesichert, bei 1 Patienten ergab sich die Diagnose als Zufallsbefund bei
der histopathologischen Untersuchung der Resektate (Tab. [1]).
Tab. 1 Patienten mit terminalem Lungenemphysem und simultanem (NSCLC-)Bronchialkarzinom
Patient |
Alter/Geschlecht |
COLD bekannt seit (Jahre) |
NSCLC bekannt seit (Monate) |
Lokalisation Tumor |
Lokalisation Bullae |
1. L.J.
|
55/m |
O2-Konzentrator > 5 |
Zufallsbefund präoperativ |
UL |
UL/OL |
2. F.R.
|
64/m |
O2-Konzentrator > 10 |
2 |
OL |
OL |
3. G.R.
|
68/m |
> 5 |
11 |
OL |
UL/OL |
4. S.I.
|
54/m |
> 5 |
6 |
OL |
OL |
5. J.S.
|
58/m |
> 5 |
6 |
OL |
OL |
6. E.M.
|
67/m |
Respiratortherapie |
Zufallsbefund intraoperativ |
OL |
OL/ML |
2 Patienten benötigten unter häuslichen Bedingungen kontinuierlich einen Sauerstoffkonzentrator;
bei 1 Patienten mit langjähriger Heimrespiratorunterstützung war aufgrund einer akuten
Exazerbation der COLD mit schwersten bullösen Veränderungen und pneumonischen Komplikationen
eine Respiratortherapie erforderlich (CMV-Ventilation, O2-Beimischung initial 100 %, unmittelbar präoperativ CPAP-Ventilation, O2-Beimischung 40 %). Alle Patienten waren medikamentös maximal antiobstruktiv therapiert.
Bei 2 Patienten lag hierunter eine respiratorische Global-, bei 4 Patienten eine Partialinsuffizienz
vor. 2 Patienten wiesen aufgrund einer ausgeprägten Tachypnoe einen verminderten CO2-Partialdruck auf (Tab. [2]). Der präoperative FEV1-Wert lag zwischen 26 und 37 % (Medianwert: 32 %). Die maximale exspiratorische Flussgeschwindigkeit
(peak expiratoric flow, PEF) war auf Werte zwischen 18 und 45 % reduziert. Die totale
Lungenkapazität (TLC) war auf 107 bis 146 % gesteigert. Das Residualvolumen (RV) lag
zwischen 193 und 280 % (Medianwert: 241 %). Aufgrund der Respiratortherapie waren
spirometrische und bodyplethysmographische Untersuchungen bei 1 Patienten nicht möglich.
Tab. 2 Vergleich der Ergebnisse der arteriellen Blutgasanalyse der Patienten mit simultaner
Resektion eines NSCLC und Volumenreduktion prä- und postoperativ sowie nach 6 Monaten
im Follow-up
Patient |
pO2
|
pCO2
|
Status |
|
präoperativ |
postoperativ |
Follow-up |
präoperativ |
postoperativ |
Follow-up |
1. L.J.
|
61,1 |
74,5 |
72,8 |
45,7 |
33,5 |
34,1 |
↑ |
2. F.R.
|
68,6 |
68,5 |
Ex.let. |
42,6 |
41,7 |
Ex.let. |
- |
3. G.R.
|
67,0 |
63,0 |
61,2 |
30,8 |
31,1 |
36,3 |
↓ |
4. S.I.
|
64,5 |
67,5 |
72,0 |
48,2 |
44,4 |
40,8 |
↑ |
5. J.S.
|
74,0 |
74,5 |
61,3 |
33,9 |
30,7 |
35,4 |
↓ |
6. E.M.
|
Resp. |
75,0 |
72,0 |
40,5 |
40,5 |
41,8 |
→ |
Ergebnisse
Bei 4 Patienten wurden neben der LVRO eine Lobektomie, bei 2 Patienten mehrfache einseitige
extraanatomische Parenchymresektionen durchgeführt. Der Tumor lag in jedem Fall in
dem bullös veränderten Lungenlappen. Über den Standardzugang der anterolateralen Thorakotomie
wurden bei 1 Patienten extraanatomische Keilresektionen aus dem Bereich des Lungenober-
und Mittellappens, bei 4 Patienten eine Oberlappenresektion und bei 1 Patienten eine
Unterlappenresektion durchgeführt. Der perioperative Verlauf war bei 5 Patienten komplikationslos.
Aufgrund teils akut entzündlicher, teils alt-spezifischer Veränderungen stellte sich
die Dissektion der Pulmonalarterie im Lappenspalt bei 1 Patienten mit Oberlappenektomie
als kompliziert dar. Die Arterie war in ihrem gesamten Verlauf in einen entzündlichen
Konglomerattumor eingemauert; die Mittellappenarterien mussten rekonstruiert werden.
Hier kam es postoperativ zu einer Gangrän, die eine sekundäre Mittellappenresektion
erforderlich machte.
Die Ergebnisse der Blutgasanalyse 16 bis 70 Tage postoperativ demonstrierten einen
Anstieg des Sauerstoffpartialdruckes bei 3 Patienten; bei 2 Patienten war keine Änderung
im Vergleich zur präoperativen Bestimmung und bei 1 Patienten eine Verschlechterung
zu verzeichnen. Der Kohlendioxidpartialdruck sank bei 4 Patienten; bei 2 Patienten
lag keine Veränderung im Vergleich zum Vorbefund vor (Tab. [2]).
Spirometrisch wurde 16 bis 70 Tage postoperativ bei 4 Patienten eine Reduktion der
Vitalkapazität um 19 bis 31 % registriert (Medianwert 27,5 %); bei 1 Patienten wurden
identische Werte bestimmt, bei einem weiteren Patienten lagen aufgrund der vorausgegangenen
Respiratortherapie keine Vergleichswerte vor. Der FEV1-Wert änderte sich im Vergleich zum Vorbefund bei 3 Patienten mit einer Reduktion
um 0,01 - 0,02 l nicht signifikant. Bei 2 Patienten wurde eine Reduktion des Wertes
um 9 bzw. 11 % gemessen (Tab. [3]). Bodyplethysmographisch wurde eine Reduktion des Residualvolumens um durchschnittlich
23 % registriert. Die totale Lungenkapazität (TLC) sank um 21 bis 36 % der Ausgangswerte
(Medianwert 25 %; Tab. [4]).
Tab. 3 Vergleich spirometrischer Ergebnisse der Patienten mit simultaner Resektion eines
NSCLC und Volumenreduktion prä- und postoperativ sowie nach 6 Monaten im Follow-up
Patient |
IVC |
FEV1
|
Status |
|
präoperativ |
postoperativ |
Follow-up |
präoperativ |
postoperativ |
Follow-up |
1. L.J.
|
3,36 (78 %) |
2,30 (53 %) |
2,53 (61 %) |
0,94 (28 %) |
0,85 (26 %) |
0,86 (21 %) |
↓ |
2. F.R.
|
3,57 (78 %) |
2,55 (56 %) |
2,41 (53 %) |
1,26 (37 %) |
1,11 (32 %) |
1,40 (58 %) |
↓ |
3. G.R.
|
3,53 (82 %) |
2,84 (66 %) |
Ex.let. |
1,13 (35 %) |
1,12 (36 %) |
Ex.let. |
↓ |
4. S.I.
|
1,87 (47 %) |
1,28 (30 %) |
1,96 (46 %) |
0,86 (26 %) |
0,84 (25 %) |
0,87 (26 %) |
→ |
5. J.S.
|
2,21 (57 %) |
2,21 (57 %) |
2,17 (56 %) |
1,03 (35 %) |
1,03 (35 %) |
0,68 (24 %) |
↓ |
6. E.M.
|
Resp. |
0,88 (23 %) |
2,21 (58 %) |
Resp. |
0,94 (33 %) |
0,77 (27 %) |
→ |
Tab. 4 Vergleich bodyplethysmographischer Ergebnisse der Patienten mit simultaner Resektion
eines NSCLC und Volumenreduktion prä- und postoperativ sowie nach 6 Monaten im Follow-up
Patient |
TLC |
RV |
Status |
|
präoperativ |
postoperativ |
Follow-up |
präoperativ |
postoperativ |
Follow-up |
1. L.J.
|
9,61 (144 %) |
7,31 (110 %) |
6,79 (103 %) |
6,25 (280 %) |
5,01 (225 %) |
4,25 (188 %) |
↑ |
2. F.R.
|
9,4 (127 %) |
7,38 (100 %) |
5,08 (69 %) |
5,83 (229 %) |
4,83 (189 %) |
2,67 (104 %) |
↑ |
3. G.R.
|
10,42 (146 %) |
8,26 (118 %) |
Ex.let. |
6,9 (266 %) |
5,42 (211 %) |
Ex.let. |
↓ |
4. S.I.
|
7,16 (107 %) |
4,5 (67 %) |
4,82 (72 %) |
5,29 (239 %) |
3,22 (146 %) |
2,86 (128 %) |
↑ |
5. J.S.
|
7,53 (120 %) |
5,71 (91 %) |
6,59 (108 %) |
4,34 (193 %) |
3,50 (155 %) |
4,51 (198 %) |
↓ |
6. E.M.
|
Resp. |
6,44 (99 %) |
8,28 (127 % |
Resp. |
4,41 (178 %) |
6,07 (244 %) |
↓ |
Histopathologisch handelte es sich viermal um ein Adeno- und zweimal um ein Plattenepithelkarzinom.
Klassifiziert wurden zweimal ein Stadium IA, zweimal ein Stadium IB und je einmal
ein Stadium IIB und IIIA. Bei jedem Patienten konnte eine R0-Resektion erreicht werden.
In der Follow-up-Beobachtung beurteilten 5 Patienten ihr Allgemeinbefinden 6 Monate
postoperativ als deutlich gebessert, einer dieser Patienten führte gelegentlich Maurerarbeiten
aus. Der Karnofsky-Index lag bei diesen Patienten zwischen 70 und 90 %. Die Blutgasanalyse
zeigte bei 2 Patienten eine Verschlechterung des Gasaustausches, bei 3 Patienten eine
Verbesserung des Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdruckes; bei 2 Patienten lag bei
präoperativer Globalinsuffizienz jetzt eine Partialinsuffizienz vor (Tab. [2]). Bei der Analyse der Lungenfunktion ergab sich bei 2 Patienten im Vergleich zur
präoperativen Untersuchung eine Reduktion des FEV1-Wertes (Tab. [3]). Bodyplethysmographisch nahm das Residualvolumen bei 2 Patienten im weiteren Verlauf
deutlich wieder zu. Die TLC reduzierte sich bei 4 Patienten, stieg jedoch im Follow-up
wiederum bei 3 Patienten an (Tab. [4]).
1 Patient ist aktuell 56 Monate nach Resektion tumorrezidivfrei, 5 Patienten sind
verstorben (Tab. [5]). Die 2-Jahres-Überlebensrate lag bei 66 % und die 3-Jahres-Überlebensrate bei 34
%. Während die Patienten in den Stadien I und II 21 bis 56 Monate (Medianwert 39 Monate)
lebten, betrug die Überlebenszeit des Patienten im Stadium IIIa lediglich 10 Monate.
Nach 7 Monaten waren hier bereits multiple ossäre Metastasen nachweisbar; eine adjuvante
Chemotherapie mit Cisplatin und Ifosfamid über 3 Zyklen konnte die Tumorprogredienz
nicht beeinflussen.
Tab. 5 Langzeitresultate nach Lungenvolumenreduktion und simultaner Resektion eines Bronchialkarzinoms
Patient |
Follow-up |
|
Beschwerden (6 Mo. postop.) |
Karnofsky-Index |
pTNM/Stadium |
Überlebenszeit (Monate) |
Lokalrezidiv |
Metastasen |
nach (Monate) |
Therapie Lokalrezidiv/Metastasen |
1. L.J.
|
Dyspnoe gebessert |
80 - 90 % |
T2N0M0 1b |
aktuell 56 |
nein |
nein |
- |
- |
2. F.R.
|
Dyspnoe gebessert |
70 % |
T2N2M0 3a |
10 |
nein |
OSS multipel |
7 |
3 Zyklen Cisplatin/Ifosmaid |
3. G.R.
|
Gewichtsabnahme, Belastungsdyspnoe |
60 % |
T2N0M0 1b |
21 |
hilär ipsilateral |
nein |
20 |
symptomatisch |
4. S.I.
|
rasche Erschöpfung, Dyspnoe gebessert |
70 - 80 % |
T1N0M0 1a |
32 |
nein |
PUL singulär |
14 |
symptomatisch |
5. J.S.
|
Dyspnoe gebessert |
80 % |
T2N1M0 2b |
54 |
LUL kontralateral |
nein |
26 |
endoluminale Brachytherapie |
6. E.M.
|
Dyspnoe gebessert |
70 - 80 % |
T1N0M0 1a |
32 |
nein |
BRAIN, PUL |
29 |
symptomatisch |
Todesursache war in jedem Fall eine Tumorprogredienz 7 - 29 Monate postoperativ (Medianwert
19,2 Monate), die bei 1 Patienten als Lokalrezidiv ipsilateral hilär, bei einem weiteren
Patienten kontralateral im Bereich des Lungenunterlappens und bei 3 Patienten als
pulmonale, zerebrale und ossäre Metastasierung auftrat. Der Zeitraum zwischen Diagnose
der Tumorprogredienz und des Todeseintritts lag zwischen 1 - 28 Monaten (Medianwert
10,6 Monate). Mit Ausnahme des Patienten mit kontralateralem Tumorrezidiv wurden die
Patienten lediglich symptomatisch behandelt; auf eine Chemo- oder Strahlentherapie
wurde hier verzichtet.
Diskussion
Sowohl die operative Therapie von (NSCLC-)Bronchialkarzinomen als auch die LVRO bei
terminalem Lungenemphysem stellen für sich eine chirurgische Entität dar, für die
seit Jahren bekannte Kriterien zur Indikation und Kontraindikation, zur operativen
Technik und zum peri- und intraoperativen anästhesiologischen und intensivmedizinischen
Management definiert sind [3]. Für die simultane Operation beider Krankheitsbilder existieren hingegen bis heute
nur wenige Erfahrungen [4]
[5].
Die bisher geltenden Prinzipien der funktionellen Operabilität werden in dieser Situation
ignoriert. Das therapeutische Dilemma besteht darin, dass einerseits die respiratorischen
Reserven im Falle eines terminalen Lungenemphysems und damit der Umfang der Parenchymresektion
deutlich limitiert sind [6], andererseits eine Keil- oder Segmentresektion zur Exstirpation eines Bronchialkarzinomes
mit einer signifikant höheren Rate von Lokalrezidiven und einer deutlichen Verminderung
der Überlebenszeit im Vergleich zur Lobektomie oder Pneumonektomie einhergeht [7]. Die entscheidende chirurgische Frage ist daher, wann in dieser kritischen kardiopulmonalen
Ausgangssituation die Gradwanderung zwischen den Bemühungen auf der einen Seite, die
Prognose des Tumorleidens durch adäquate Resektion zu verbessern, und Provokation
einer respiratorischen Insuffizienz durch eine funktionell nicht verträgliche Parenchymreduktion
auf der anderen Seite sinnvoll ist und wann die bisher geltenden Prinzipien der funktionellen
Inoperabilität außer Kraft gesetzt werden sollen.
Allen Untersuchungen zu dieser Frage gemeinsam ist die geringe Patientenzahl; vor
dem Hintergrund des hohen Risikoprofiles gibt es nur wenige Publikationen über Resektionen
von Bronchialkarzinomen entsprechend onkologischer Radikalitätskriterien in Kombination
mit einer LVRO. Die Mehrzahl der Autoren berichtet über simultane Bullae-Resektionen
und Malignom-Exstirpationen [8], ohne die allgemein anerkannte formale Definition für ein terminales Lungenemphysem
zu beachten (Dyspnoe im Stadium III oder IV der modifizierten „Medical Research Council
Classification” (MRCC, Task Group [9]), FEV1 < 35 %, TLC > 130 %, FRC > 170 % des Sollwertes). Daher sind die chirurgischen Ergebnisse
nicht vergleichbar. Aus der Begriffsverwirrung zwischen Bullae- und Lungenvolumenresektion
resultiert eine optimistische Beurteilung der chirurgischen Möglichkeiten, die unserer
Meinung nach nicht angebracht ist.
Das Risiko der gravierenden Einschränkung der Lebensqualität durch eine Ruhedyspnoe
im Stad. III-IV oder sogar einer permanenten Respiratortherapie, wenn ein postoperatives
Weaning funktionell nicht toleriert wird, scheint nur schwer kalkulierbar. Die von
Nugent u. Mitarb. 1999 gemessenen geringen Auswirkungen einer limitierten Parenchymresektion
auf die Lungenfunktion und die körperliche Belastbarkeit [10] sind auf diese Situation nicht übertragbar, da sie sich auf den Vergleich verschiedener
Resektionsverfahren bei der nicht emphysematös veränderten Lunge beziehen. Zudem ist
das angegebene zeitliche Intervall der postoperativen Nachkontrolle mit 3 bis 6 Monaten
zu hoch, um die kritische Phase der respiratorischen schweren Komplikationen zu erfassen,
die primär perioperativ zu beobachten sind. Die ersten Ergebnisse der Lungenvolumenreduktion
und simultanen Resektion eines Bronchialkarzinomes deuten auf eine geringe Hospitalletalität
und Morbidität. McKenna sah bei 3 Patienten mit simultaner LVRO und Lobektomie [4], DeMeester bei 5 Patienten [5] und unsere Klinik bei 4 Patienten keine schweren Komplikationen.
Die publizierten Ergebnisse der spirometrischen und bodyplethysmographischen Untersuchungen
in der Hospitalphase entsprechen nur zum Teil den eigenen Resultaten. Übereinstimmung
besteht in der Reduktion der statischen Lungenfunktionsparameter, die naturgemäß analog
des Ausmaßes der Volumenresektion sinken. Die Angaben betreffend der dynamischen Parameter
schwanken zwischen nicht signifikanter und hochsignifikanter Verbesserung [11]. Die eigenen Untersuchungen demonstrieren trotz Reduktion des RV und - als Hinweis
auf eine effektive Volumenresektion - der TLC die objektiv messbare Verschlechterung
der Lungenfunktion postoperativ: 4 von 6 Patienten zeigten eine signifikante Reduktion
der Vitalkapazität, bei 5 Patienten wurde ein identischer oder reduzierter FEV1- Wert in der Hospitalphase gemessen.
Die mittelfristigen Ergebnisse 3 bis 6 Monate postoperativ betreffend der Lungenfunktionsparameter
und der Spiroergometrie unterscheiden sich offensichtlich von den Resultaten nach
singulärer LVRO nicht wesentlich; überwiegend wird eine Steigerung der körperlichen
Belastbarkeit dokumentiert [12]. Die eigenen Ergebnisse zeigen im Vergleich zu den präoperativen Befunden zwar bei
3 Patienten eine Verbesserung des Gasaustausches 9 bis 30 Monate postoperativ; bei
2 Patienten verschlechterte sich jedoch eine vorbestehende Partialinsuffizienz stetig.
Im Vergleich zu den Analysewerten 16 bis 70 Tage postoperativ war im mittelfristigen
Follow-up lediglich bei 1 Patienten eine Verbesserung des Gasaustausches zu verzeichnen;
4 Patienten wiesen reduzierte Werte auf. Subjektiv klagte nur 1 Patient über eine
progrediente Atemnot bei Belastung. 4 Patienten berichteten über eine zunehmende körperliche
Belastbarkeit. Es bestand keine Korrelation zwischen Änderungen der Lungenfunktion
und der Verbesserung der Leistungsfähigkeit; diese Beobachtung entspricht spiroergometrischen
Untersuchungen nach singulärer LVRO [13].
Bei der Beurteilung des Langzeit-Follow-up steht neben der Beurteilung der Lebensqualität
die Frage im Vordergrund, ob primär das Tumorleiden oder ob das terminale Emphysem
die Prognose bestimmt. Diese Frage ist nach dem aktuellen Stand der Kenntnisse nicht
valide zu beantworten, zumal es offensichtlich pathologisch verifizierbare Unterschiede
im biologischen Wachstumsverhalten des Malignomes in der emphysematösen Lunge im Vergleich
zum regelrechten Lungenparenchym gibt [14]. Auffallend ist in der vorliegenden Untersuchung, dass die Todesursache bei allen
Patienten die Tumorprogredienz war, die bei 5 Patienten nach durchschnittlich 19,2
Monaten zu beobachten war. Das bedeutet, dass der Krankheitsverlauf im Wesentlichen
durch das Tumorgeschehen bestimmt wurde. Dieses Ergebnis entspricht den bislang publizierten
Follow-up-Beobachtungen [15]. Im Zusammenhang mit den bisher identifizierten negativen Prädiktionsfaktoren für
eine LVRO ([16]
[17]
[18]
[19]
[20]; FEV1 < 30 %, PCO2 > 48 mm Hg, präoperative Langzeitsauerstofftherapie länger als 6 Monate, 6-Minuten-Gehstrecke
< 80 m, lower-lobe-disease) muss individuell stringent entschieden werden, ob das
operative Vorgehen nicht eine „overtherapeutic activity” darstellt und der Patient
im Einzelfall von einem Zuwarten und ggf. von einer symptomatischen konservativen
Therapie profitiert. Die intraoperative Messung des pulmonalarteriellen Druckes zur
Bestimmung des optimalen Resektionsvolumens [21] mag ein weiterer Indikator bedeuten, hilft aber nicht bei der präoperativen Risikoabwägung.
Die Perfusionsszintigraphie und thorakale Computertomographie (HR-CT) sind entscheidende
Untersuchungsverfahren zur Topodiagnostik der pathologischen Veränderungen und relativen
regionalen Verteilung der Perfusion [22]
[23]; sollte das Malignom außerhalb der nicht- oder minderperfundierten bullösen Areale
- d. h. im funktionell relevanten Parenchym - liegen, wären u. E. die Grenzen der
Operabilität erreicht.
Die mittel- und langfristigen Beobachtungen der LVRO deuten darauf hin, dass die funktionellen
Resultate der Bullaeresektion aus dem Bereich des Lungenunterlappens im Vergleich
zu den Resektionen aus dem Oberlappen deutlich schlechter sind [24]
[25]
[26]. Damit muss diskutiert werden, ob eine Tumorlokalisation im Lungenunterlappen nicht
von vorneherein kontraindiziert ist. Diese Frage kann aufgrund der eigenen Einzelfallbeobachtungen
nicht abschließend beantwortet werden; der einzige Patient, bei dem eine Unterlappenektomie
mit simultaner LVRO durchgeführt wurde, zeigte im Follow-up nicht nur die günstigste
Überlebenszeit, sondern auch eine anhaltende Verbesserung der respiratorischen Situation;
insofern bedeutet die Tumorlokalisation im Lungenunterlappen allein keine Kontraindikation
zur kombinierten Resektion.
Als in funktioneller und prognostischer Hinsicht sinnlos beurteilen wir aufgrund der
o. g. Erfahrungen die Resektion eines NSCLC im fortgeschrittenen Tumorstadium entsprechend
eines Stadium IIIA oder IIIB. Hilfreich sind auch die Selektionskriterien im Hinblick
auf das Ausmaß der Resektion: Weder uns bekannt in größerer Zahl publiziert, noch
im eigenen Patientenkollektiv durchgeführt sind Lungenresektionen, die über eine Lobektomie
hinausgehen; eine erweiterte Resektion würde in unseren Augen die Grenzen der Operabilität
überschreiten.
Therapeutische Alternativen mit kurativer Intention zur Resektion des Bronchialkarzinomes
existieren nicht. Infolge strahlentherapeutischer Maßnahmen ist mit einer nicht kalkulierbaren
zunehmenden Einschränkung der Lungenfunktion durch Strahlenfibrose und Pneumonitis
zu rechnen, so dass das Risiko der Induktion einer klinisch therapierefraktären respiratorischen
Insuffizienz besteht [27]. Auch die Chemotherapie kann lediglich als Palliation angesehen werden. Es muss
jedoch kritisch angemerkt werden, dass sich bei der LVRO und Malignomresektion operative
Verfahren sowohl mit palliativer als auch mit kurativer Intention kombinieren. Das
bedeutet, dass es sich in dieser Situation im Hinblick auf die Prognose des terminalen
Lungenemphysems letztendlich immer um eine palliative organerhaltende Maßnahme handelt.
Entsprechend der Vorgaben zur Empfängerauswahl kommt auch eine Lungentransplantation
nicht in Betracht [28].
Zusammenfassend ist die Lungenvolumenreduktion und simultane Resektion eines Bronchialkarzinomes
einem hoch selektionierten Patientenkollektiv vorbehalten. Die Indikation zur Resektion
muss immer individuell und im Hinblick auf Begleiterkrankungen eng gestellt werden,
wobei erweiterte präoperative Staginguntersuchungen mit Mediastinoskopie und PET zu
empfehlen sind; bei sorgfältiger Auswahl kann sich dann ein klinischer Benefit nicht
nur für die Prognose der Tumorerkrankung, sondern auch bezüglich der körperlichen
Belastbarkeit ergeben.