Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) sind die häufigsten mesenchymalen Tumoren des Gastrointestinaltrakts. Ihre Inzidenz kann nur geschätzt werden, da die Immunhistochemie als Diagnosekriterium erst seit etwa drei Jahren in der Diagnostik routinemäßig eingesetzt wird und eine Abgrenzung zu Leiomyosarkomen möglich macht. Kindblom von der Universität in Göteborg hat eine definierte Population in Südwestschweden retrospektiv auf das Vorkommen von gastrointestinalen Stromatumoren untersucht und stellte fest, dass diese Tumorentität häufiger vorkommt als bisher angenommen: Er geht von einer jährlichen Inzidenz von 16/1000000 Einwohner aus (persönliche Mitteilung). Legt man diese Zahl zugrunde, erkranken in Deutschland pro Jahr 1200 Patienten neu an einem gastrointestinalen Stromatumor.
Typischerweise kommen gastrointestinale Stromatumoren bei Patienten vor, die älter als 40 Jahre sind. Bei Kindern unter zehn Jahren wurde ein solcher Tumor bisher nicht gesehen, und unter 3000 Patienten mit gastrointestinalen Stromatumoren wurden lediglich fünf Fälle in der Altersgruppe zwischen dem zehnten und 20. Lebensjahr beschrieben.
Histologie
Histologie
Die Ursprungszelle gastrointestinaler Stromatumoren ist die Schrittmacherzelle des Gastrointestinaltrakts, die Cajal-Zelle. Histologisch zeigt sich am häufigsten ein spindelzelliges [Abb. 1] Muster (70 %), in 20 % liegt ein epitheloider Typ vor. Es gibt aber auch gemischte Formen, die Anteile beider Zelltypen enthalten. Weniger als 5 % aller gastrointestinalen Stromatumoren weisen ein myxoides Stroma auf oder haben ein paragangliom- oder karzinoidähnliches Wachstumsmuster. In epitheloiden Tumoren ist die Mitoserate geringer als in spindelzelligen Tumoren. Ob dies allerdings eine prognostische Relevanz hat, ist bisher ungeklärt.
Immunphänotyp
Immunphänotyp
Die Expression von CD 117 zeigt sich in einer starken zytoplasmatischen Positivität von mehr als 90 % der Zellen. Da bei manchen gastrointestinalen Stromatumoren aber nur 10 % der Zellen KIT positiv sind, hängt die Diagnose bei diesen Patienten von der Erfahrung des Pathologen ab. Eine Trocknung des Präparats mittels Mikrowellen kann zu einer falsch positiven Immunhistochemie führen.
Neben der pathognomonischen Positivität für KIT (CD 117) kann immunhistochemisch bei etwa 70 % der gastrointestinalen Stromatumoren eine CD34-Positivität nachgewiesen werden. Eine Expression von SMA („smooth muscle actin”) und S-100 ist unspezifisch und hat differenzialdiagnostisch keinen Wert. Eine Expression von Desmin spricht eher gegen das Vorliegen eines GIST - obwohl 1 % aller gastrointestinalen Stromatumoren auch Desmin exprimieren.
KIT-Mutation
KIT-Mutation
1998 beschrieb Hirota zum ersten Mal, dass gastrointestinale Stromatumoren eine Exon-11-Mutation im c-kit-Protoonkogen aufweisen, die KIT codiert [8]. Damit hängt der normale, über den Stammzellfaktor vermittelte Wachstumsstimulus nicht mehr von einem extrazellulären Signal ab. GIST-Zellen können so unkontrolliert proliferieren. Mutationen im Exon 9 oder im Exon 13 können ebenfalls in den Zellen gastrointestinaler Tumoren vorliegen - möglich ist auch die Wildtyp-Variante -, was einen Einfluss auf das Ansprechen auf die Therapie mit Imatinib hat [11].
Chromosomale Veränderungen
Chromosomale Veränderungen
Gastrointestinale Stromatumoren zeigen weniger komplexe Veränderungen ihres Karyotyps als andere Weichteilsarkome mit vergleichbarem histologischen Grading. Typisch für sie ist, dass nicht alle Zellen eines Tumors chromosomale Veränderungen aufweisen. Zudem können diese Variationen lediglich an einer kleinen Zellpopulation nachgewiesen werden. Häufig zu finden ist ein Verlust des Chromosoms 14 (Monosomie 14), ein Verlust des Chromosoms 22 (Monosomie 22) und die Deletion 1p. Inwieweit diese chromosomalen Veränderungen Rückschlüsse auf die Prognose erlauben, ist noch nicht geklärt. Unerforscht ist bisher auch der Zusammenhang der KIT-Mutation und einer zytogenetischen Aberration [7].
Risikoeinteilung
Risikoeinteilung
Kriterien, die eine prognostische Aussage erlauben, sind umstritten. Konsens ist aber, dass die Größe des Tumors und die Mitoserate prädiktiv für den Verlauf der Erkrankung sind [4]. Zurzeit müssen alle gastrointestinalen Stromatumoren als maligne angesehen werden, da auch Läsionen von weniger als 1 cm, die zum Beispiel bei endoskopischen Routineuntersuchungen entdeckt werden, metastasieren können. In der klinischen Praxis ist daher eine Einteilung von einem sehr niedrigen Risiko bis zu einem hohen Risiko sinnvoll [Tab. 1].
Lokalisation und Klinik
Lokalisation und Klinik
Gastrointestinale Tumoren können vom Rachen bis zum Rektum vorkommen. Die häufigste Lokalisation ist der Magen (50 %), gefolgt von Dünndarm (30 %) und Kolon (10 %). Extraluminale (Omentum, Mesenterium) extraabdominelle GIST-Manifestationen sind dagegen eher selten (unter 5 %). Kleine Tumoren werden meist zufällig bei endoskopischen Routineuntersuchungen gefunden, denn etwa ein Drittel aller Patienten mit gastrointestinalen Stromatumoren sind asymptomatisch. Da die malignen Läsionen aber in der Regel schnell an Größe zunehmen, werden sie bei den meisten Patienten symptomatisch. Diese klagen dann über ein abdominelles Druck- oder Völlegefühl. Bei großen Tumoren fällt eine Anämie auf. Gastrointestinale Blutungen sind in etwa 20 % der Fälle das erste Symptom und können lebensbedrohlich sein.
Diagnostik
Diagnostik
Über eine Sonographie des Abdomens können Tumoren ab einem Durchmesser von 1 cm detektiert werden. Die Computertomografie des Abdomens kann durch die typische Heterogenität der gastrointestinalen Stromatumoren mit zahlreichen nekrotischen Arealen die Verdachtsdiagnose nahe legen [2]. Unumgänglich zur Diagnostik eines GIST ist aber die Gewinnung histologischer Proben.
Da jedoch gastrointestinale Stromatumoren sehr stark vaskularisiert sind, kann eine Biopsie (Histostanze) ein Blutungsrisiko für den Patienten bedingen. Aber nicht nur dieses potenzielle Blutungsrisiko sondern auch die Lage des Tumors sollte bei der Wahl einer Strategie zur Histologiegewinnung berücksichtig werden. So ist eine elektive Laparatomie einer Stanzbiopsie dann vorzuziehen, wenn eine Gefährdung des Patienten dadurch vermieden werden kann. Ohne den immunhistochemischen Nachweis von CD 117 bei Stromatumoren kann die Diagnose „GIST” nicht gestellt werden.
Ein Staging mithilfe einer computertomografischen Aufnahme von Thorax oder Abdomen ist erforderlich, um eine Fernmetastasierung auszuschließen. Besteht Unsicherheit über eine mögliche Multilokalität, kann eine Positronen-Emissions-Tomografie (PET) hilfreich sein. Dieses Verfahren ist auch ein valides Instrument, um im Verlauf der Behandlung ein Ansprechen zu kontrollieren [12].
Grundsätzlich gilt: Mit allen oben genannten Methoden können die Ausbreitung des Tumors festgelegt und eine Operabilität geklärt werden.
Resektion und Strahlentherapie
Resektion und Strahlentherapie
Ist nach den Staginguntersuchungen eine komplette Entfernung möglich, sollten operable Tumoren auch chirurgisch entfernt werden. Da gastrointestinale Stromatumoren nicht über eine Kapsel verfügen, ist eine Enukleation kein adäquates Vorgehen. Die Tumore sollten immer mit einem Sicherheitsabstand reseziert werden, sind mehrere Organen befallen, ist eine „en-bloc”-Resektion anzustreben. Dies kann bei gastrointestinalen Tumoren, die vom Dünndarm ausgehen, eine Pankreatikoduodenektomie - oder bei Tumoren des Rektums eine abdominoperineale Rektumextirpation - bedeuten. Eine so genannte „debulking-Operation” ist nur sinnvoll, wenn große, zentral nekrotische abdominelle Tumoren den Patienten aufgrund des Blutungsrisikos gefährden.
Gelingt nur eine marginale Resektion (R1) und kann diese durch eine Relaparatomie nicht behoben werden, muss eine engmaschige Nachbeobachtung erfolgen. Nur so kann im Falle eines Lokalrezidivs frühzeitig eine erneute Resektion durchgeführt bzw. eine medikamentöse Therapie begonnen werden.
Inoperable oder R2-resezierte Tumoren sprechen auf eine Strahlentherapie unzureichend an. Daher ist diese bei gastrointestinalen Tumoren nicht etabliert.
Signaltransduktions-hemmung
Signaltransduktions-hemmung
In den Zellen des menschlichen Körpers werden permanent Signale verarbeitet, um eine normale Organfunktion zu gewährleisten. Die Zelle muss diese externen Signale erkennen und sie über intrazelluläre Signalwege umsetzen. Klassischerweise bindet ein Faktor (z.B. Stammzellfaktor) an einen speziellen Rezeptor an der Zelloberfläche und aktiviert damit einen spezifischen Rezeptor. Dieser Rezeptor wiederum aktiviert Proteine im Zytosol der Zelle - zum Beispiel über eine Übertragung von Phosphatgruppen (Phosphorylierung) durch Kinasen. Transkriptionsfaktoren leiten die Information an den Zellkern weiter, was zu einer Veränderung der Genexpression führt. Dies induziert schließlich auf Proteinebene den funktionellen Stimulus, der durch das initiale Signal auf der Zelloberfläche ausgelöst wurde [Abb. 2].
Bei GIST-Zellen liegt ein ligandenunabhängiger Wachstumsstimulus vor, die Tumorzellen proliferieren also ohne eine Bindung des Stammzellfaktors (KIT-Ligand) an die Zellrezeptoren (KIT-Rezeptor). Der Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib bindet kompetitiv an die ATP-Bindungsstelle der transmembranären Proteine, sodass die Tyrosinkinasen keine Phosphatgruppen mehr übertragen können. Auf diese Weise ist der Signaltransduktionsweg unterbrochen, die Tumorzellen erhalten keinen Wachstumsstimulus mehr (Abb. 3).
Imatinib bei GIST
Imatinib bei GIST
Nachdem ein Patient mit einem chemotherapieresistenten, metastasierten, rasch progredienten gastrointestinalen Stromatumor im Rahmen eines Heilversuchs auf die Behandlung mit Imatinib angesprochen hatte [9], wurden systematische klinische Studien in den USA und Europa durchgeführt [1]. In den USA wurde Imatinib im Februar 2001 zur Behandlung gastrointestinaler Stromatumoren mit 400 oder 600 mg pro Tag zugelassen, da in einer Phase-III-Studie an 147 Patienten kein signifikanter Unterschied der Ansprechraten zwischen beiden Dosierungen ersichtlich war [3]. Das Ansprechen betrug in dieser Patientengruppe mit nichtoperablem oder metastasiertem Tumor 53,7 % [5].
Laut den Ergebnissen der Dosisfindungsstudien werden bis zu 800 mg pro Tag der Substanz gut vertragen. Häufige Nebenwirkungen waren Ödeme, Übelkeit, Müdigkeit und Hautrötung [13]. Es zeigte sich ein Ansprechen (PR) bzw. eine Stabilisierung der Erkrankung („stable disease”, NC) bei 51 bzw. 31 % der behandelten Patienten [14].
Die EORTC („European Organisation for Research and Treatment of Cancer”) hat in Zusammenarbeit mit der italienischen „Sarcoma Group” und der australischen gastrointestinalen Tumorgruppe eine Phase-III-Studie an 946 Patienten mit GIST durchgeführt, welche die tägliche Einnahme von 400 versus 800 mg randomisiert verglich. Diese Studie wurde im Februar 2002 geschlossen, Daten über das progressionsfreie Überleben und Gesamtüberleben liegen noch nicht vor.
Medikamentöse Therapie
Medikamentöse Therapie
Vor der Imatinib-Ära wurden gastrointestinale Stromatumoren mit Chemotherapeutika behandelt, die standardmäßig bei der Behandlung von Weichteilsarkomen eingesetzt werden. Die Aktivität von Doxorubicin oder Ifosfamid betrug weniger als 5 %, das mittlere Überleben dieser Patienten bei systemischer Erkrankung betrug 53 Wochen.
Seit Mai 2002 ist Imatinib (Glivec®) in Deutschland zur Behandlung von nichtresektablen und/oder metastasierten GIST zugelassen. Die empfohlene Dosis beträgt 400 mg täglich. Eine adjuvante Therapie nach R0-Resektion kann zurzeit nicht empfohlen werden. Zwar ist das Rezidivrisiko bei R0-Resektion hoch, es gibt jedoch keine Daten, die eine Therapie mit Imatinib in dieser Situation nahe legen. Die EORTC wird in naher Zukunft eine Studie starten, um diese Frage zu klären.
Offene Fragen
Offene Fragen
Die optimale Dosis ist bisher nicht bekannt. Auch wenn die empfohlene Dosis 400 mg ist, sprechen manche Patienten erst bei einer täglichen Dosis von 600 mg oder mehr an. Ungeklärt ist zudem die Frage der neoadjuvanten und adjuvanten Therapie. Kontrovers diskutiert wird weiterhin der beste Operationszeitpunkt. Die Verhinderung einer Resistenzentwicklung und die Therapie nach Progress unter Imatinib sind ebenfalls noch offene Fragen. Diese und weitere ungelöste Probleme bei der Behandlung von Patienten mit gastrointestinalen Stromatumoren werden nur in kontrollierten klinischen Studien definitiv zu klären sein.
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Tab. 1 Risikokategorien bei gastro-intestinalen Stromatumoren
Risiko
|
Größe
|
Mitoserate
|
sehr niedrig
|
< 2 cm
|
< 5/50 HPF
|
niedrig
|
2-5 cm
|
< 5/50 HPF
|
mittel
|
< 5 cm
|
6-10/50 HPF
|
5-10 cm
|
< 50/50 HPF
|
hoch
|
5 cm
|
> 5/ 50 HPF
|
> 10 cm
|
jede Mitoserate
|
jede Größe
|
> 10/50 HPF
|
HPF = high power field nach [6]
|
Tab. 2 Lokalisation gastro-intestinaler Stromatumoren
Lokalisation
|
Inzidenz
|
Magen
|
50 %
|
Dünndarm
|
30 %
|
Kolon/Rektum
|
10 %
|
Ösophagus
|
< 5 %
|
extraintestinal
|
< 5 %
|
nach [10]
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