Die Exazerbation einer Psoriasis vulgaris trifft oft zusammen mit inneren Erkrankungen wie z. B. Streptokokkeninfekten, Alkoholabusus oder auch Störungen der Kalziumhomöostase. Oft eilen die Hauterscheinungen dabei internen Symptomen voraus, können aber wichtige Indizien zur Diagnosestellung liefern.
Wir berichten über einen Patienten mit Exazerbation einer langjährigen Psoriasis vulgaris, Laryngospasmen und Wesensveränderungen im Sinne einer Depression. Als zugrundeliegende Erkrankung ließ sich ein primärer Hypoparathyreoidismus feststellen. Eine spezifische Therapie der endokrinologischen Erkrankung führte zur prompten Rückbildung sowohl der Hautveränderungen als auch der psychiatrischen Symptomatik.
Fallbeschreibung
Fallbeschreibung
Anamnese und Vorbefunde
Seit etwa 25 Jahren leidet der Patient an einer Psoriasis vulgaris. Seit Anfang März 2001 kam es zu einer deutlichen Verschlechterung des Befundes. Zudem traten Parästhesien und Stridor auf. Bei Aufnahme fiel laborchemisch eine deutliche Hypokalziämie auf (1,05 mmol). Der Patient litt zudem an psychischen Alterationen und Wesensveränderung, sowie einem starken Krankheitsgefühl. Der Patient wurde notfallmäßig stationär aufgenommen. Er gab zudem an, sich seit etwa 2 Wochen aufgrund einer akuten Depression in einer ambulanten Psychotherapie zu befinden, im Rahmen derer er das Medikament Opipramol (Insidon®) verordnet bekommen habe. Bei Aufregung käme es zudem zu intermittierender Atemnot, Sprachstörungen und Schwindel. Die gesamte Symptomatik hätte sich kontinuierlich verstärkt.
Klinischer Befund
55-jähriger Patient in reduziertem Allgemein- und adipösem Ernährungszustand (170 cm, 90 kg). Bei der klinischen Untersuchung fielen ein positives Trousseau-Zeichen sowie ein intermittierender Stridor auf. An Ellenbogen und Knien sieht man scharf begrenzte, erythematöse, etwa 20 cm im Durchmesser messende, infiltrierte, mit Krusten und Pusteln bedeckte Plaques. An der Kopfhaut zeigen sich zudem mit dicken Krusten belegte, schuppende und infiltrierte Hautveränderungen (Abb. [1 ]). Zudem bestehen am gesamten Integument disseminierte Pusteln (Abb. [2 ]). An beiden Händen und Füßen finden sich zudem feinlamelläre, silbrig schuppende, punktförmig erythematöse Hautläsionen, sowie an den Finger- und Zehenendgliedern bzw. periungual Pusteln und eine massive Onychodystrophie, vereinbar mit dem Bild einer Acrodermatitis continua suppurativa (Hallopeau) (Abb. [3 ]).
Abb. 1 Psoriasisherde im Nacken.
Abb. 2 Erythro-squamöse Läsionen und Pusteln am Stamm.
Abb. 3 Pustulöse Herde an den Fingern.
Diagnostik
Diagnostik
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BKS): 40/70 mm n. W.
Blutbild und Differenzialblutbild: Neutrophilie mit 79,4 %, Lymphopenie mit 12,7 % ( Gesamtleukozyten 11,8 × 109 /l).
Klinisch-chemische Laborparameter:
Erniedrigt: Kalzium 1,05 mmol/l
Erhöht:Phosphat 7,7 mg/dl sowie CRP 2,6 mg/dl. Creatinkinase initial erhöht mit 875 U/l, im weiteren Verlauf Abfall bis in den Normbereich (Norm < 80U/l) CK-MB nicht nachweisbar.
Hormone:
Erniedrigt: Parathormon mit 3,4 pg/ml (Norm 15 - 65 pg/ml), im weiteren Verlauf nicht mehr nachweisbar, 25-OH-Vitamin D3 mit 9 ng/ml (Norm 20 - 100 ng/ml).
Im Oberbauchsonogramm Verdacht auf Verkalkungen an der Rindenmarkgrenze der linken Niere. In einem endokrinologischen Konsil wird ein primärer Hypoparathyreoidismus bestätigt.
Therapie und Verlauf
Therapie und Verlauf
Bestehende Parästhesien sowie Stridor und Tetanie lenkten den Verdacht auf eine Hypokalziämie. Wesensveränderung, Stridor und psychische Alteration hatten vorstationär bereits zur Aufnahme einer ambulanten Psychotherapie geführt. Es bestätigte sich der Verdacht eines primären Hypoparathreoidismus. Die Psoriasis wurde initial systemisch mit Acitretin 50 mg (Neotigason®) 1 - 0 - 0, systemischen Steroiden in absteigender Dosierung und topischer Therapie mit externen Steroiden in absteigender Potenz, Calcipotriol, Keratolytika sowie Hand- und Fuß-Bade-PUVA behandelt. Am behaarten Kopf kamen zudem topische Steroide und Keratolytika zur Anwendung, sowie Ölbäder und Unguentum leniens zur Hautpflege. Eine konsiliarische Behandlung des Patienten erfolgte durch die endokrinologische Abteilung: Substitution mit Kalzium-Brause-Tbl. 3×1 g täglich, Calcitriol (Rocaltrol® 0,5 µg) 1 - 0-0 sowie Aluminiumhydroxid-Gel (Anti-phosphat® 600 mg) 1 - 1 - 1. Unter oben genannter Therapie kam es zu einem sukzessiven Anstieg des Serumkalziums und deutlicher Besserung des Hautbefundes. Die psychische Symptomatik, Atemnot, Stridor sowie Parästhesien verschwanden gänzlich. Nach Entlassung wurde die PUVA-Therapie ambulant fortgeführt. Eine weitere Psychotherapie war nicht mehr notwendig.
Diskussion
Diskussion
Primärer Hypoparathyreoidismus ist eine sehr seltene endokrinologische Erkrankung mit anfangs oft vielfältiger, unspezifischer Symptomatik (Tab. [1 ]), die unbehandelt zu ernsten Komplikationen (tetanische Anfälle, Katarakt, Wesensveränderung), führen kann [1 ]. Bei einem gut behandelten Hypoparathyreoidismus ist die Sterblichkeit nicht erhöht. Hypoparathyreoidismus mit konsekutiver Hypokalziämie, sowie anderer Störungen der Kalziumhomöostase stellen einen Provokationsfaktor für die Psoriasis vulgaris dar. Hypokalziämien unterschiedlicher Genese sind als Trigger-Faktoren einer Psoriasis pustulosa mehrfach beschrieben worden [5 ]
[6 ]
[8 ]. Ein Anheben des Serumkalziums mittels Kalziumsubstitution und Vitamin-D3 -Analoga führt in der Regel zu einer raschen und prompten Besserung des Hautbefundes [2 ]
[3 ]
[6 ]
[7 ]. Andererseits kann durch die, bei der Psoriasis pustulosa häufig auftretenden Hypoalbuminämie, eine sekundäre Hypokalziämie resultieren [9 ]. Eine Elektrolytbestimmung ist daher bei allen Fällen obligatorisch. Nach einem Hypoparathyreoidismus sollte man gezielt fahnden, wenn die Hauteffloreszenzen nach Kalziumsubstitution schnell abheilen.
Tab. 1 Klinische Zeichen einer Hypokalziämie
Pfötchenstellung der Hände
Chvostek- und Trousseau-Zeichen positiv
Parästhesien im Mundbereich sowie Finger- und Zehenspitzen
Waden- und Fußbeschwerden wie „Durchblutungsstörungen”
abdominelle Spasmen, Bauchschmerzen, Obstipation
ängstliche Grundhaltung, depressive Verstimmungen
Obwohl eine gesteigerte Chemotaxis der polymorphkernigen Leukozyten bei der Psoriasis pustulosa beschrieben wurde [4 ], bleibt der Hauptstimulus für die Migration von polymorphkernigen Leukozyten in die Epidermis unbekannt. Hypokalziämie stellt hier, genauso wie z. B. Infektionen, Cholestase oder verschiedene Medikamente, einen bedeutenden Ko-Faktor dar.