Pneumologie 2003; 57(9): 501-502
DOI: 10.1055/s-2003-42218
Brennpunkt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ist die Differenzierung von Asthma und COPD in der täglichen Praxis sinnvoll?

Is it Meaningful to Differentiate Between Asthma and COPD in Daily Practice?T.  HausenNach einem Vortrag auf dem 35. Bad Reichenhaller Kolloquium, 20. - 26. 6. 2003. In ähnlicher Weise publiziert in Atemwegs- und Lungenkrankheiten.
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Dr. med. Th. Hausen

Grafenstr. 52

45239 Essen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
17. September 2003 (online)

Inhaltsübersicht

    Die erste von der Atemwegsliga publizierte Therapieempfehlung von 1984 bestand aus einer einzigen Empfehlung zur Behandlung chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen. Eine Differenzierung zwischen Asthma und COPD erfolgte in dieser Empfehlung nicht. Neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie beim Asthma haben dann eine Differenzierung nötig gemacht, die 1988 zu neuen Empfehlungen, dieses Mal getrennt für Asthma und COPD geführt haben. Zahlreiche Studien zur Therapie der COPD haben für die „Asthmamedikamente” jetzt auch Effekte für die COPD nachweisen können, die zur Erweiterung der Zulassung dieser Substanzen geführt haben. Eine oberflächliche Beschäftigung mit der Materie kann zu der Überzeugung führen, eine Differenzierung sei jetzt nicht mehr nötig und weckt die Erwartung auf eine neue, wieder gemeinsame Therapieempfehlung für Asthma und COPD.

    Die Forderung „Vor der Therapie steht die Diagnose” (Virchow) gilt auch heute noch, sie hat vielleicht sogar noch an Bedeutung gewonnen.

    Gibt es Gründe, die für eine Differenzierung sprechen? Wo sind diese zu suchen? Für die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen Asthma und COPD sprechen Pathophysiologie, Therapiewege und -erfolge, aber auch Akzeptanz und Compliance und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit der Therapie. Bei Asthma und COPD handelt es sich um entzündliche Atemwegserkrankungen, aber mit unterschiedlicher Pathogenese. Wir sind uns einig, dass diese Entzündung behandelt werden muss. Kann diese Behandlung auf identische Weise erfolgen oder muss differenziert werden?

    Im Gegensatz zum Asthma, bei dem die medikamentöse Therapie die entscheidende Maßnahme zur Stabilisierung darstellt, ist die medikamentöse Therapie bei der COPD eine von mehreren Maßnahme. Das Ausschalten möglicher Noxen, vor allem das Beenden des inhalativen Rauchens steht an aller erster Stelle aller therapeutischen Bemühungen. Keine andere Maßnahme hat sich bisher als erfolgreicher erwiesen, dem Krankheitsprozess die Intensität der Progression zu nehmen. Der Erhalt und die Steigerung der körperlichen Belastbarkeit sind weitere Ziele medizinischer Bemühungen. Die Rehabilitation in einer Rehabilitations-Klinik oder in einer entsprechenden Einrichtung vor Ort sowie eine fortgesetzte körperliche Aktivität am Heimatort ist einer der Grundpfeiler der Behandlung der COPD. Die regelmäßige Impfung gegen Influenza und wahrscheinlich auch gegen Pneumokokken ist in der Lage die Häufigkeit von Infektionen der Atemwege und damit auch Exazerbationen zu reduzieren. Erste Hinweise auf eine Verbesserung der Prognose durch eine medikamentöse Therapie der COPD unterstreichen, dass ein therapeutischer Nihilismus nicht gerechtfertigt ist. Nachgewiesene Effekte sind eine deutliche Reduktion von Exazerbationen, eine gesteigerte Belastbarkeit und eine sinkende Mortalität.

    In den 80er-Jahren galt unsere Bestrebung der Stabilisierung des Krankheitsbildes, wobei die Therapiekosten Beachtung fanden. Etwas überspitzt formuliert, stellt die Stabilisierung heute immer noch ein Ziel dar, massiv gefordert wird aber die Beachtung der spärlicher gewordenen Ressourcen.

    Der jahrelang angedrohte Kollektivregress war lediglich eine Drohgebärde der Politiker und wäre sicher niemals rechtskräftig geworden. Mit Einführung der individuellen Richtgrößen muss jeder niedergelassene Arzt einen Regress fürchten, wenn er seine individuellen Richtgrößen für die Medikamentenausgaben wesentlich überschreitet, ohne plausible Erklärungen liefern zu können.

    Im Bereich der KV-Nordrhein sind z. B. für 1999 2503 Verfahren eingeleitet worden, von denen 50 % niedergeschlagen und 650 ohne Maßnahmen beendet worden sind. In 350 Fällen sind Regresse ausgesprochen worden und in 150 Fällen sind die Verfahren noch schwebend. Im Falle eines Regresses ist mit einer Rückzahlungsforderung von mehreren 10 000 € zu rechnen. Einzelne Regresse in 6-stelliger Höhe sind bereits ausgesprochen worden (Ärztliche Praxis 2003). Die Feststellung einer Überschreitung erfolgt spät, in der Regel frühestens nach Ablauf eines Jahres, so dass wertvolle Zeit für Gegenmaßnahmen verstrichen ist und der Betroffene mit einem bis zwei weiteren Regressen für die Folgejahre zu rechnen hat. Sinkende Einkommen machen die Regressgefahr damit gleichzeitig zu einer Existenzbedrohung.

    Therapien mit den meisten Atemwegstherapeutika überschreiten in den üblichen Dosierungen die Richtgrößen sowohl für Mitglieder als auch Rentner (Abb. [1]). Für jeden Patienten, der mit seinen Therapiekosten die Richtgrößen überschreitet, werden mehrere kostengünstige Patienten zum Ausgleich - so genannte Ausdünner - benötigt. Zusätzlich sind die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen ein Schmelztiegel aus Respondern und Non-Respondern.

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    Abb. 1 Therapiekosten pro Quartal bei einer Therapie mit den bekannten Atemwegstherapeutika in den üblichen Dosierungen im Vergleich zu den Richtgrößen für die medikamentöse Behandlung für Mitglieder und Rentner bei einem Allgemeinarzt und Pneumologen (die Richtgrößen sind unterschiedlich in den verschiedenen KV-Bereichen).

    Unter diesen Voraussetzungen müssen wir uns die Frage stellen: Ist eine Differenzierung zwischen Asthma und COPD sinnvoll, überhaupt noch erforderlich oder vielleicht sogar wichtiger denn je? Ich bin der Auffassung, dass die Differenzierung zwischen Asthma und COPD nicht nur sinnvoll ist, sondern unter den genannten Umständen für Patient und Arzt von eminenter Bedeutung. Wir müssen dringend nach weitergehenden Differenzierungsmöglichkeiten fahnden, um möglichst genau voraussagen zu können, welcher Patient von welcher Therapieform profitiert, und bei wem unnötige Therapien unterbleiben und gleichzeitig Kosten eingespart werden können.

    Für die Asthmapatienten ist diese Unterscheidung heute schon relativ einfach zu bewerkstelligen. Hier reichen neben der Ermittlung des Schweregrades die Beantwortung der Frage, ob die Beschwerden ganzjährig, „nur” periodisch oder ganzjährig mit periodischer Intensivierung auftreten, um eine erfolgreiche Therapie mit eventuellem Wechsel der Intensität planen und beginnen zu können. Die Möglichkeit zum Step-down erlaubt dann wertvolle Ressourcen einzusparen.

    Schwierig wird dies aber für die Patienten mit COPD, weil bei diesen die Untergruppen noch nicht eindeutig definiert sind oder die Zugehörigkeit nicht so einfach zu erkennen ist. Es wird die schwierige Aufgabe der Wissenschaftler sein, weitere Unterscheidungsmerkmale vor allem für die COPD herauszuarbeiten und damit dem behandelnden Arzt wertvolle Hilfe für seine Therapieentscheidungen zu schenken.

    Dr. med. Th. Hausen

    Grafenstr. 52

    45239 Essen

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    Abb. 1 Therapiekosten pro Quartal bei einer Therapie mit den bekannten Atemwegstherapeutika in den üblichen Dosierungen im Vergleich zu den Richtgrößen für die medikamentöse Behandlung für Mitglieder und Rentner bei einem Allgemeinarzt und Pneumologen (die Richtgrößen sind unterschiedlich in den verschiedenen KV-Bereichen).