Suchttherapie 2003; 4(3): 115-124
DOI: 10.1055/s-2003-42230
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Motivational Interviewing: Eine Übersicht

Motivational Interviewing: An OverviewJ. Körkel1 , C. Veltrup2
  • 1Ev. Fachhochschule Nürnberg, Fachbereich Sozialwesen
  • 2Therapieverbund Ostsee, Lübeck
Further Information

Prof. Dr. Joachim Körkel

Ev. Fachhochschule Nürnberg, Fachbereich Sozialwesen

Bärenschanzstr. 4

90429 Nürnberg

Email: joachim.koerkel@evfh-nuernberg.de

Publication History

Publication Date:
22 September 2003 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Motivational Interviewing (MI) ist ein sowohl klientenzentrierter als auch direktiver Ansatz der Gesprächsführung zur Erhöhung der Eigenmotivation von Menschen, ein problematisches Verhalten (z. B. Suchtmittelabusus) zu ändern. Dieser Ansatz ist von William R. Miller (Albuquerque, USA) und Steven Rollnick (Wales) entwickelt worden und mittlerweile international vor allem in der Suchtbehandlung weit verbreitet. MI geht davon aus, dass Menschen in der Regel nicht unmotiviert, sondern ambivalent sind („Soll ich etwas ändern oder nicht?”). Dementsprechend vollzieht sich die Motivationsarbeit entlang der Exploration und Reduzierung von Ambivalenzen des Klienten. Neben einem spezifischen „Geist” (Grundannahmen) sind es vier Prinzipien (Empathie, Entwicklung von Diskrepanzen, geschmeidiger Umgang mit Widerstand, Förderung von Veränderungszuversicht) und sieben Methoden (bzw. Gruppen von Methoden, wie z. B. offene Fragen stellen, aktiv zuhören, Klientenäußerungen würdigen und zusammenfassen), welche MI charakterisieren. Der Ablauf von MI umfasst zwei Phasen. In der ersten Phase steht der Aufbau von Änderungsbereitschaft im Vordergrund. Phase 2 widmet sich der Erarbeitung und Vereinbarung persönlich verbindlicher Ziele und Wege zur Veränderung, die in einen konkreten Änderungsplan münden. Empirische Studien belegen die Wirksamkeit von MI zur Einleitung von Verhaltensänderungen. Ausbildungen in MI versprechen eine deutliche Kompetenzsteigerung im Umgang mit Sucht- und anderen Problemen.

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Abstract

Motivational Interviewing (MI) is a client-centered, directive method for enhancing intrinsic motivation to change problem behavior (e.g substance abuse) by exploring and resolving ambivalence. This therapeutic approach has been developed by William R. Miller (Albuquerque, USA) and Steven Rollnick (Wales). Meanwhile it is used all over the world, especially in the treatment of addictive behaviors. The premise of MI is that people are not unmotivated but ambivalent to change their problem behavior (“Should I change it or not?”). So treatment centers on exploring and resolving ambivalence of clients. Besides a specific “spirit”, four principles (express empathy, develop discrepancy, roll with resistance, support self-efficacy), and seven groups of methods (like asking open questions, reflective listening, affirmation and summing up important arguments of clients) characterize the approach of MI. MI is applied in two phases. Phase 1 involves building motivation for change. Phase 2 (“commitment to change”) centers around goal setting and ways to achieve the goal, ending in a clear plan for change. Empirical studies confirm the efficacy of MI to change problem behavior. Trainings in MI for professionals seem promising for increasing expertise in handling addiction and other problems.

Über Jahrzehnte hinweg galten bzw. gelten noch heute in der Suchtarbeit das Leugnen oder Bagatellisieren eigener Suchtprobleme und fehlende Veränderungsmotivation quasi als Persönlichkeitsmerkmale Suchtmittelabhängiger. Bereits die verwendete Begrifflichkeit (z. B. „fehlender Leidensdruck”, „fehlende Mitwirkungsbereitschaft” [compliance]) verweist auf diese Sichtweise.

Die daran anknüpfende Motivierungsdevise lautet nicht selten: Konfrontieren, „Druck machen” oder Überzeugungs- und Überredungskünste walten lassen. Es folgen daraus Kraft zehrende und frustrierende Interaktionssequenzen im Stile der „Konfrontations-Leugnungs-Falle”, bei der der Therapeut immer mehr Argumente für eine Veränderung vorbringt und der Klient sich immer geschickter gegen eine Veränderung sträubt („Reaktanz”; vgl. Tab. [1]).

Tab. 1 Beispiel einer Gesprächssequenz im Sinne der „Konfrontations-Leugnungs-Falle” (mod. nach [1, S. 57])
Therapeut:Sie haben offenbar ein schweres Alkoholproblem.
Klient:Was meinen Sie damit?
Therapeut:Sie hatten einen ‚Filmriss‘, verlieren leicht die Kontrolle über den Alkohol und bekommen Entzugserscheinungen, wenn sie nichts trinken.
Klient:Aber viele Leute, die ich kenne, trinken auch nicht weniger als ich.
Therapeut:Das mag ja sein. Aber wir sprechen im Moment nicht über die anderen, sondern über Sie.
Klient:Ich denke nicht, dass alles so schlimm ist, wie Sie es darstellen.
Therapeut:Nicht so schlimm?! Es ist purer Zufall, dass Sie noch niemanden zu Tode gefahren haben.
Klient:Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich ein sehr sicherer Fahrer bin. Ich habe mit dem Autofahren keine Probleme.
Therapeut:Und wie steht es mit Ihrer Familie? Ihre Frau hat mir doch gesagt, dass Sie viel zu viel trinken und damit aufhören sollten!
Klient:Ach, meine Frau stammt aus einer Familie, in der überhaupt kein Alkohol auf den Tisch kommt. Die denken doch, dass jeder, der drei Bier getrunken hat, schon ein Alkoholiker ist.

Ähnliche Effekte zieht der Versuch, den Klienten auf eine Diagnose (z. B. „Alkoholiker”) „festzunageln”, nach sich („Etikettierungs-Falle”).

Eine völlig andere Sichtweise von Motivation und Motivationsförderung wird in dem von William R. Miller (Albuquerque, USA) und Steven Rollnick (Wales) entwickelten Konzept des „Motivational Interviewing” (MI; meist als „Motivierende Gesprächsführung” übersetzt) vertreten [1] [2].

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Rahmenmodell des MI

Abb. [1] gibt eine Übersicht über die Bestandteile, die in den MI-Ansatz einfließen.

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Abb. 1 Komponenten des Motivational Interviewing-Ansatzes.

Der Abbildung ist zu entnehmen, dass mit MI zwei grundlegende Ziele verfolgt werden. Zur Erreichung dieser Ziele kommen sieben Methoden (bzw. Methodengruppen), die auf vier fundamentalen Prinzipien der Intervention beruhen und von einem bestimmten „Geist beseelt” sind, zum Einsatz.

Diese Bestandteile des MI-Ansatzes werden im Folgenden genauer ausgeführt.

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Definition und Ziele von MI

Miller und Rollnick definieren MI als „a client-centered, directive method for enhancing intrinsic motivation to change by exploring and resolving ambivalence” [1, S. 25; 3]. Das heißt: Durch MI sollen zielgerichtet („directive”) die positiven und negativen Seiten des Suchtmittelkonsums hinsichtlich einer potenziellen Konsumveränderung erkundet werden, und zwar so, wie sie sich für den Klienten subjektiv darstellen („client-centered”). Es wird davon ausgegangen, dass durch die respektvolle, nicht wertende Erkundung auch der sinnhaften Seiten des derzeitigen Konsumverhaltens eine Öffnung für die Nachteile des bisherigen Konsums erfolgt: Der Klient wird bereit, selbst über die in ihm bereits „schlummernden” Beweggründe für eine Veränderung zu sprechen („intrinsic motivation”), und er wird zunehmend offener für eine Konsumveränderung, wenn er erlebt, dass sein Konsum mit wichtigen Zielen oder Werten in seinem Leben nicht vereinbar ist. MI bedeutet in diesem Sinne die Freisetzung von im Klienten bereits angelegten Veränderungsimpulsen (Eigenmotivation) und nicht die Anwendung einer Trickkiste von Motivationsgags à la Höller & Co.

Das erste Ziel von MI besteht somit darin, mit dem Klienten seine Ambivalenzen im Hinblick auf den Suchtmittelkonsum zu erkunden („Soll ich etwas ändern oder nicht?”) und auf diesem Weg die Bereitschaft zu einer änderung zu stärken (Phase 1 des MI). MI eignet sich dementsprechend in idealer Weise für Klienten, die sich gemäß dem „Stadien-der-Veränderung-Modell” im Prozess des Nachdenkens über eine Verhaltensänderung („contemplation”) befinden (vgl. [4]; Beitrag Hoyer, in diesem Heft).

Ist der Klient zu einer Veränderung bereit, stellt sich in Phase 2 die Aufgabe, Veränderungsziele, den Veränderungsweg sowie einen konkreten Veränderungsplan zu erarbeiten („decision” im Sinne des „Stadien-der-Veränderung-Modells”). Erfahrungsgemäß ist Phase 1 der schwierigere und zeitaufwändigere Teil der Wegstrecke.

Die Umsetzung der geplanten Veränderungen (z. B. im Rahmen einer ambulanten oder stationären Behandlung; „action” im „Stadien-der-Veränderung-Modell”) ist nicht mehr Gegenstand von MI.

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„Geist” des MI

MI ist ganz wesentlich durch einen der Humanistischen Psychologie nahe stehenden „Geist” („spirit”) bzw. eine innere Haltung (Menschenbildannahmen, Ethik), mit der man Menschen gegenübertritt („a way of being with people” [1, S. 34]), geprägt: Respekt und Achtung für den Klienten sowie das Bestreben, die Autonomie des Klienten zu wahren, sind fundamental. MI ist somit keinesfalls auf die technisch geschickte Abwicklung eines Gesprächs zu reduzieren („It is not a bag of tricks for getting people to do what they don’t want to do” [1, S. 35]).

Auch wenn der „Geist” des MI bisher in keine explizite, kohärente Systematik gebracht worden ist, lassen sich die folgenden wesentlichen Komponenten eines solchen „MI-Geistes” aus vorliegenden Veröffentlichungen und Trainerseminaren extrahieren.

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Ambivalenzmodell

Dem MI liegt die (Menschenbild-)Annahme zugrunde, dass Menschen mit Suchtproblemen nicht unmotiviert, sondern ambivalent sind (zwiespältig: „einerseits möchte ich etwas ändern, andererseits aber auch nicht”) und bei ihnen „zwei Seelen in einer Brust schlagen”. Das Wippe-Modell (Abb. [2]) verdeutlicht diesen Gedanken: Es gibt aus Sicht des Konsumenten jeweils gute Gründe für und gegen eine Änderung.

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Abb. 2 Wippe-Modell: Abwägen zwischen Nutzen und Kosten einer Veränderung bzw. Nichtveränderung (modifiziert aus [1, S. 15]). Der linken Seite („pro Veränderung”) soll durch MI mehr Gewicht verliehen werden.

Einerseits hat die abhängige Person einiges davon, ihren Suchtmittelkonsum zu ändern (z. B. Erhalt des Arbeitsplatzes, Wiedererlangung des Führerscheins, Verbesserung der Beziehung zur Partnerin usw.). Andererseits setzt sie bei einer Veränderung einiges aufs Spiel: Ängste, Depressionen und andere Affekte können bedrohlicher werden, suizidale Tendenzen zunehmen, es kann der Verlust des „nassen Freundeskreises” drohen usw. Aus Sicht des MI ist überhöhter bzw. abhängiger Substanzkonsum somit nicht auf eine biologische Erkrankung, Willensschwäche oder Uneinsichtigkeit zu reduzieren, sondern er ist psychodynamisch zu verstehen als Ausdruck einer begründeten inneren Zwiespältigkeit. Diese Ambivalenz ist aus Sicht des MI ein normaler Teil menschlichen Erlebens und Verhaltens und kein Ausdruck von Pathologie: „Passing through ambivalence is a natural phase in the process of change” [1, S. 14].

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Veränderungspotenzial des Klienten

Mit der Annahme der Ambivalenz geht die Sichtweise einher, dass jede abhängige Person ein Veränderungspotenzial besitzt („natural change processes that are already inherent in the individual” [1, S. 41]): Sie selbst trägt in Form der Pro-Veränderungsseite bereits die Gründe für eine Veränderung in sich. Sie kann also selbst zum Fürsprecher der eigenen Veränderung werden (intrinsische Motivation), wenn in ihr die Argumente für eine Veränderung an Gewicht gewinnen - nur dann erscheint im Übrigen eine stabile Verhaltensänderung überhaupt realistisch: „We believe that unless a current ‘problem’ behavior is in conflict with something that the person values more highly, there is no basis for motivational interviewing to work” [1, S. 167].

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Achtung vor dem Klienten

Die zuvor explizierte Sichtweise, dass der Klient sich durchaus sinnhaft verhält und sich im Moment - gefangen in seiner inneren Ambivalenz - nicht einfach anders zu verhalten vermag, erfordert aus Sicht des MI Achtung für den Klienten und Respekt vor seinem Gewordensein.

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Autonomie des Klienten

Beim Einsatz von MI ist eine Haltung eigener Bescheidenheit gefragt. Das eigene Expertentum (z. B. hinsichtlich des Fachwissens über Sucht) endet bei ethischen Fragen („Soll-Fragen”): Im Hinblick auf die Fragen, ob er sich letztlich verändern soll, welche Ziele angestrebt werden sollen und welcher Weg zur Veränderung eingeschlagen werden soll, wird das Selbstbestimmungsrecht (Autonomie) des Klienten respektiert: „Motivational interviewing honors and respects the individuals’ autonomy to choose” [1, S. 41].

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Widerstand als interaktionelles Phänomen

Widerstand gegen das Eingeständnis eigener Suchtprobleme bzw. die Bereitschaft der Veränderung wird im MI nicht als Ausdruck eines Persönlichkeitsmerkmals des Klienten, sondern als Folge von Übergriffigkeiten bzw. Autonomieverletzungen durch den Therapeuten angesehen: Wenn er Klienten eigene Sichtweisen aufzudrängen versucht und sie nicht „dort abholt, wo sie stehen”, stabilisieren sich hartnäckiges Leugnen oder Herunterspielen von Suchtproblemen. Widerstand ist somit Ausdruck einer Dissonanz in der Beziehung: „It requires at least two people to not cooperate” [1, S. 45]. Offenheit für die Sichtweisen, Ziele und Handlungspräferenzen der Klienten minimieren dagegen Widerstand. Hilfreich für MI ist es somit, den eigenen „Rechthaber-Reflex” („righting reflex”) zu bändigen. „The true art of a counselor is tested in the recognition and handling of resistance” [1, S. 110].

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Partnerschaftliche Beziehung

Im MI wird eine gleichberechtigte, von einer positiven interpersonellen Atmosphäre geprägte Beziehung zwischen Therapeut und Klient angestrebt, die den Klienten dazu einlädt, Vor- und Nachteile seines Suchtmittelkonsums zu erkunden und eine Veränderung zu wagen. In diesem Sinne ist auch der Begriff „MI” zu verstehen: „It is an inter-view, a looking together at something” [1, S. 25]. Der Therapeut versteht sich in diesem Dialog weniger als Experte (oder gar Richter), denn vielmehr als „Hebamme”, um intrinsische Veränderungsmotivation freizusetzen: „[MI] is a collaborative, not a prescriptive, approach” [1, S. 41].

Aus ethischer Perspektive wird die Anwendung von MI problematisch, wenn der Therapeut den Klienten zu ganz bestimmten Entscheidungen „bringen” möchte (z. B. sich für eine Therapie in der zur Beratungsstelle gehörigen Fachklinik zu entscheiden), weil sein Arbeitsplatz oder Einkommen von diesen Klientenentscheidungen abhängt. Der Einsatz von MI wird noch unethischer, wenn das Ergebnis der Entscheidung gegen die Interessen des Klienten verstößt und der Therapeut die Macht besitzt, seine eigenen Interessen durchzusetzen (z. B. indem er ein für den Klienten bedeutsames Gutachten anzufertigen hat).

Die vorherigen Ausführungen zum „Geist” des MI legen nahe, dass Therapeuten vor einer Umsetzung des MI-Ansatzes in einen Prozess der Selbstklärung treten und sich eigener Werte, Überzeugungen und Absichten gewahr werden sollten.

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Prinzipien des MI

Die vier Prinzipien des MI stellen das Vermittlungsstück zwischen dem Geist und den zum Einsatz kommenden Methoden des MI dar. Diese Prinzipien geben die Leitlinien für den Dialog mit dem Klienten ab („principles [that] underlie the specific methods” [1, S. 42]). Sie lauten: Höre dem Klienten respektvoll zu und versuche, sein Verhalten aus dessen Perspektive zu verstehen (Empathie); entwickle Diskrepanzen zwischen dem jetzigen Verhalten des Klienten und seinen persönlichen Werten bzw. Zielen; vermeide alles, was beim Klienten Widerstand hervorrufen könnte, und baue Widerstand ab, wenn er auftauchen sollte; stärke die Zuversicht des Klienten, sein Verhalten ändern zu können.

Versetze Dich in den Klienten, um seinen Standpunkt verstehen zu können („express empathy”; Prinzip 1)

Die von Carls Rogers als zentrales Merkmal hilfreicher Gespräche herausgearbeitete Bereitschaft und Fähigkeit zur Empathie stellt für das MI eine zentrale Grundlage dar. Gemeint ist damit das Bestreben, dem Klienten respektvoll zuzuhören, um sein Erleben und Verhalten aus seiner Innensicht zu verstehen und ihn so zu akzeptieren, wie er ist. „Verstehen” und „akzeptieren” müssen dabei keineswegs „zustimmen” bedeuten. Man kann den Klienten in seinem So-Sein annehmen, aber durchaus anderer Meinung sein oder andere Werte haben als er.

MI macht sich mit dieser Grundhaltung der Empathie die Erfahrung zunutze, dass Menschen das Risiko der Veränderung leichter eingehen, wenn man sie annimmt, wie sie sind (Theorie der paradoxen Veränderung).

Entwickle Diskrepanzen („develop discrepancies”; Prinzip 2)

Im Prozess des MI soll der Person ihre eigene Zwiespältigkeit dem Suchtmittelgebrauch gegenüber erlebbar gemacht werden. Das heißt, dass sie stärker damit in Kontakt gebracht werden soll, wie ihre Sucht mit wichtigen persönlichen Zielen und Werten (z. B. Erhalt des Arbeitsplatzes oder Fürsorge für die Familie) in Konflikt steht [5]. Mit anderen Worten: Die Wichtigkeit einer Veränderung soll an innerer Kraft gewinnen. Dies gelingt am besten, wenn der Klient und nicht der Therapeut die Gründe vorbringt, die für eine Änderung sprechen, bzw. im Jargon des MI: wenn veränderungsorientierte Formulierungen („change talk”) aus dem Mund des Klienten kommen. „Change talk” kann in vier Varianten auftreten:

  • Der Klient spricht über die Nachteile seines derzeitigen Suchtverhaltens, z. B.: „Es bekümmert mich, dass mein Kind von meinen Drogenkonsum etwas mitbekommt.”

  • Der Klient spricht über die Vorteile einer Verhaltensänderung, z. B.: „Meine Kinder würden mich wieder besuchen kommen.”

  • Der Klient drückt Optimismus hinsichtlich einer Veränderungsmöglichkeit aus, z. B.: „Ich glaube, ich kann es ohne Drogen schaffen”.

  • Der Klient formuliert eine Änderungsabsicht, z. B.: „Es ist an der Zeit, etwas zu tun!”

„Gehe mit dem Widerstand, anstatt dich gegen ihn zu stellen” („roll with resistance”; Prinzip 3)

Miller und Rollnick [1, S. 48] unterscheiden vier Kategorien von Widerstandsverhalten bei Klienten:

  • „Arguing”: Der Klient stellt die Kompetenz des Therapeuten in Abrede (z. B. „Was wissen Sie denn schon über Alkoholiker? Haben Sie selbst einmal gesoffen?”).

  • „Interrupting”: Der Klient schneidet dem Therapeuten das Wort ab.

  • „Negating”: Der Klient leugnet („Ich habe mit dem Alkohol kein Problem”) oder bagatellisiert eigene Probleme, lehnt Vorschläge oder Hilfsangebote destruktiv ab und/oder zeigt eine durchgängig negativistische Haltung.

  • „Ignoring”: Der Klient „klinkt” sich aus dem Dialog aus, indem er unaufmerksam ist, nicht antwortet oder dem Gespräch eine neue Richtung verleiht (z. B. „Wir haben jetzt genug über Alkohol gesprochen. Was gibt es noch?”).

Derartiger Widerstand wird begünstigt, wenn man einen Menschen gegen seinen Willen zu etwas bewegen möchte (z. B. zum Eingestehen eigener Suchtprobleme, zu einem abstinenten Leben, zu einer stationären Therapie usw.) und es dann letztlich um Gewinnen oder Verlieren geht („Wer hat Recht?”). Aus MI-Sicht gilt deshalb: „Persistent resistance is not a client problem, but a counselor skill issue” [1, S. 99]. Ein geschulter MI-Therapeut nimmt Anzeichen von Klientenwiderstand zum Anlass, das eigene Vorgehen zu überdenken und sein Gesprächsverhalten zu ändern. Dies wird umso leichter fallen, je mehr er Klientenwiderstand wertschätzen und als normales, verstehbares Verhalten auffassen kann.

Im Bilde gesprochen: Gutes MI kommt einem schwerelosen, dahingleitenden Tanz in einem Ballsaal gleich. Die beiden Partner bewegen sich gemeinsam in guter Abstimmung zueinander im gleichen Rhythmus („dancing”). Das Gegenteil davon ist Catchen, das auf einem permanenten, Kraft zehrenden Gegeneinander beruht („wrestling”).

Stärke die Veränderungszuversicht des Klienten („support self-efficacy”; Prinzip 4)

Die Zuversicht, der Optimismus bzw. der Glaube eines Menschen, sein (Sucht-)Verhalten ändern zu können, ist ein guter Prädiktor dafür, ob er sein Verhalten tatsächlich ändern wird. Dementsprechend wird im MI Wert darauf gelegt, diese Zuversicht („Selbstwirksamkeitserwartung”) beim Klienten zu nähren - zum Beispiel durch Bezug auf frühere erfolgreiche Verhaltensänderungen des Klienten oder Erfolge von anderen. Äußerungen von Klienten, die Änderungszuversicht zum Ausdruck bringen, werden als „confidence talk” bezeichnet. „Confidence talk” stellt eine Variante von „change talk” dar [1, S. 113 ff].

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Methoden des MI

Die zuvor erläuterten Prinzipien werden über sieben Methoden (bzw. Gruppen von Methoden) in beobachtbares Handeln umgesetzt: offene Fragen stellen; dem Klienten „aktiv zuhören”; Verhalten oder Äußerungen des Klienten würdigen; Methoden, um veränderungsorientierte Aussagen des Klienten zu fördern; Methoden, um Widerstand zu schwächen; Methoden, um die Änderungszuversicht zu stärken; zentrale Klientenausführungen zusammenfassen. Diese Methoden stehen in mehr oder weniger enger Beziehung zu den vier MI-Prinzipien (vgl. Abb. [1]). Auf die einzelnen Methoden wird im Folgenden eingegangen.

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Offene Fragen („open questions”)

Offene Fragen sind Fragen, die nicht durch „ja” oder „nein” bzw. wenige Worte zu beantworten sind, sondern den Klienten zu einer ausführlicheren Darlegung seiner Sichtweise einladen. Beispiele: „Wie denken Sie selbst über Ihren Alkoholkonsum?” „Wie haben Sie bisher schwierige Phasen in Ihrem Leben gemeistert?” Im MI wird durch offene Fragen ein Thema eröffnet, um es dann durch „aktives Zuhören” (s. u.) und andere Methoden zu vertiefen.

Offene Fragen dienen dazu, dass der Klient sich mit seiner eigenen Sichtweise auseinandersetzt und dabei auch eigene Ambivalenzen hinsichtlich des Suchtmittelkonsums erkundet.

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„Aktives Zuhören” („reflective listening”)

„Aktives Zuhören” ist die methodische Umsetzung einer empathischen, klientenzentrierten Grundhaltung (Prinzip 1 des MI). „Aktives Zuhören” bedeutet, dass man in der Lage ist, bei Äußerungen des Klienten „ganz Ohr zu sein” und ihm das Verstandene möglichst in vertiefter Form zurückzumelden - was gerade auch die emotionalen Zwischentöne des Ausgedrückten impliziert („dem Anderen aus dem Herzen sprechen” [6]). Ein Beispiel: Klient: „Ich kann die meisten Menschen unter den Tisch trinken”. Therapeut: „Sie sind stolz darauf, wie viel Sie vertragen.”

Man folgt beim „aktiven Zuhören” der Gedanken- und Erlebniswelt des Gesprächspartners und verzichtet darauf, eigene Fragen, Themen, Ratschläge, Bewertungen oder Meinungen - sprich „eigenen Senf” - hinzuzufügen.

Gleichwohl schließt MI nicht aus, zu gegebener Zeit auch eigene Anregungen in konstruktiver Form in das Gespräch einzuspeisen, sofern der Klient dies wünscht und dem ausdrücklich zustimmt. Erfahrungen, Sichtweisen und Empfehlungen des Therapeuten können - wenn nicht mit generellem Gültigkeitsanspruch versehen - durchaus ein Gewinn für den Dialog sein.

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Würdigung („affirmation”)

Die Würdigung bzw. Wertschätzung von Verhaltensweisen oder Äußerungen des Klienten bringt nicht nur die positive Grundhaltung des Therapeuten gegenüber dem Klienten zum Ausdruck, sondern sie ist eine herausragende Kraft zur Stärkung des therapeutischen Bündnisses und Ermutigung des Klienten, das Risiko einer Änderung einzugehen. Beispiele: „Es muss schwer für Sie gewesen sein, überhaupt hierher zu kommen.” „Mich beeindruckt, wie sehr Ihnen Ihre Familie am Herzen liegt.” „Ich habe großen Respekt davor, wie ernsthaft Sie sich mit der Veränderung Ihres Kokainkonsums beschäftigen.”

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Methoden zur Förderung von „change talk”

Die in Tab. [2] zusammengestellten acht Methoden dienen der Förderung änderungsbezogener Äußerungen von Klienten. Es handelt sich dabei um Methoden zur Umsetzung des zweiten MI-Prinzips „Entwickle Diskrepanzen”.

Tab. 2 Acht Methoden zur Förderung veränderungsbezogener Äußerungen („change talk”; mit Beispielen; nach [1])
- Offene Fragen („asking evocative questions”)
„In welcher Weise machen Sie oder andere sich Gedanken wegen Ihres Kokainkonsums?” (→ Nachteile des Status quo)
„Wie würde Ihr Leben in 5 Jahren aussehen, wenn Sie sich wegen Ihres Heroinkonsums keine Sorgen mehr machen müssten?” (→ Vorteile einer Änderung)
„Wann in Ihrem Leben haben Sie schon einmal größere Veränderungen vorgenommen? Wie haben Sie das gemacht?” (→ Optimismus)
„In welcher Weise möchten Sie Ihren Konsum ändern?” (→ Änderungsintention)
- Wichtigkeitsrating („using the importance ruler”)
„Auf einer Skala von 0 (gar nicht wichtig) bis 10 (sehr wichtig): Wie wichtig ist Ihnen eine Veränderung Ihres Zigarettenkonsums? Was müsste passieren, damit Sie sich für den [höheren] Wert ... entscheiden?”
- 4-Felder-Entscheidungsmatrix („exploring the decisional balance”)
Das Für und Wider einer Veränderung und das Für und Wider einer Beibehaltung des Status quo werden exploriert und in vier Felder eingetragen.
- Veränderungsmotive genau erkunden („elaborating”)
„Wie stellen Sie sich so einen Tag ohne Alkohol genau vor? ... Wie läuft er ab? ... Was machen Sie anders als vorher? ...”
- Extrementwicklungen erfragen („querying extremes”)
„Was sind Ihre schlimmsten Befürchtungen, was passieren könnte, wenn Sie so weitermachen wie bisher?”
- Rückschau halten („looking back”)
„Wenn Sie einmal zurückdenken an die Zeit, als der Cannabiskonsum noch keine Probleme verursacht hatte: Was war da anders?”
- Zukunft nach Konsumreduktion imaginieren („looking forward”)
„Wenn Sie sich entscheiden würden, an Ihrem Heroinkonsum etwas zu ändern: Was würden Sie sich davon versprechen?”
- Lebensziele explorieren und Dissonanzen zum Suchtmittelkonsum eruieren („exploring goals and values”)
„Was ist Ihnen in Ihrem Leben am wichtigsten? ... Wenn ich Sie richtig verstehe, ist Ihnen Ihre Partnerschaft sehr wichtig. Gleichzeitig haben Sie geschildert, dass Ihr Alkoholkonsum zu ständigen Auseinandersetzungen in der Partnerschaft führt. Ich stelle mir vor, dass Sie das in die Zwickmühle bringt.”

Die acht Methoden zur Förderung von „change talk” sind unterschiedliche Varianten offener Fragen. Dazu gehören z. B. Fragen nach Nachteilen des gegenwärtigen Verhaltens (z. B.: „In welcher Weise machen Sie oder andere sich Gedanken um Ihren Kokainkonsum?”) und Vorstellungen einer Zukunft ohne Suchtmittelabusus („Wenn Sie sich entscheiden würden, an Ihrem Heroinkonsum etwas zu ändern: Was würden Sie sich davon versprechen?”).

Miller und Rollnick [1, S. 78 ff.] betrachten die Fertigkeit, änderungsbezogene Äußerungen („change talk”) beim Klienten zu evozieren, als „one of the key motivational interviewing skills” [1, S. 78].

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Methoden zum Umgang mit Widerstand

Methoden zum Umgang mit Widerstand stellen die Umsetzung des dritten MI-Prinzips („Gehe mit dem Widerstand”) in konkretes Handeln dar. Tab. [3] fasst acht Varianten des geschmeidigen, nicht konfrontativen Umgangs mit Klientenwiderstand zusammen [1, S. 100 ff].

Tab. 3 Acht Methoden des „geschmeidigen” Umgangs mit Widerstand (mit Beispielen; nach [1])
- einfaches Widerspiegeln („simple reflection”)
Klient: „Ich trinke überhaupt nicht zuviel - da können Sie mir sagen, was Sie wollen!” Therapeut: „Für Sie besteht kein Zweifel daran, dass es mit dem Alkohol nicht zuviel geworden ist. Und Sie möchten nicht, dass ich Ihnen da etwas anderes unterstelle.”
- überzogenes Widerspiegeln („amplified reflection”)
Klient: „Ich habe meinen Alkoholkonsum im Griff. Ich stehe noch aufrecht, wenn die anderen schon unter dem Tisch liegen.” Therapeut: „Sie müssen sich um nichts Sorgen machen. Alkohol kann Ihnen überhaupt nichts anhaben.”
- Widerspiegeln der Ambivalenz („double-sided reflection”)
Klient: „Ich weiß: Sie wollen, dass ich überhaupt keinen Alkohol mehr trinke. Aber das werde ich nicht tun!” Therapeut: „Sie merken, dass es mit dem Alkohol zuviel geworden ist - aber ganz aufhören kommt für Sie nicht infrage.”
- Verschiebung des Fokus („shifting focus”)
Klient: „Ich weiß: Sie wollen, dass ich überhaupt keinen Alkohol mehr trinke. Aber das werde ich nicht tun!” Therapeut: „Ich weiß nicht, zu welchem Ergebnis wir kommen. Verbeißen Sie sich bitte nicht an diesem Punkt. Ich würde mit Ihnen gerne erst einmal über ... sprechen.”
- Umdeuten („reframing”)
Klient: „Meine Frau nörgelt laufend wegen des Trinkens an mir herum.” Therapeut: „Das ärgert Sie. Und gleichzeitig klingt es so, als würde sie sich auch Sorgen um Sie machen - es scheint ihr nicht gleichgültig zu sein, was aus Ihnen wird.”
- Zustimmung mit einer Wendung („agreeing with a twist”)
Klient: „Hier geht es ständig nur um das Thema Alkohol. Mir gehen aber meine Sorgen wegen meiner Frau und den Kindern nicht aus dem Kopf.” Therapeut: „Stimmt: Wir haben die ganze Zeit nur über Ihren Alkoholkonsum gesprochen. Es geht aber letztlich um die ganze Familie - und die sollte im Mittelpunkt stehen.”
- Herausstellen der persönlichen Wahlfreiheit („emphasizing personal choice and control”)
Klient: „Ich weiß: Sie wollen, dass ich überhaupt keinen Alkohol mehr trinke. Aber das werde ich nicht tun!” Therapeut: „Niemand kann Ihren Alkoholkonsum für Sie verändern. Es ist allein Ihre Entscheidung.” Oder: „Sie sind ein freier Mensch und es hängt letztlich von Ihnen ab, wie es weitergeht.”
- mit der Position des Klienten konform gehen („coming alongside”)
Therapeut: „Sie haben einiges über Ihren Alkoholkonsum erzählt, und da gibt es ja eine Reihe sehr positiver Dinge. Ich frage mich, ob es mir an Ihrer Stelle wirklich wert wäre, daran etwas zu ändern.” Oder: „Wir haben über die Vor- und Nachteile des Trinkens gesprochen und die Vorteile überwiegen offensichtlich. Sie sind glücklich mit Ihrem Trinken und wollen im Grunde nichts verändern.”

Die ersten drei Methoden stellen Varianten des aktiven Zuhörens dar und sind relativ einfach umsetzbar. Sie signalisieren dem Klienten, dass der Therapeut sein „Stop!” gehört hat und ernst nimmt (z. B. Therapeut: „Sie möchten nicht, dass ich Ihnen da etwas anderes unterstelle”) - was meist bereits ausreicht, um die Luft aus den Segeln des Widerstands zu nehmen. Die Varianten 4 bis 8 erfordern höhere Anwendungserfahrung und wollen mit Bedacht gewählt sein.

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Methoden zur Förderung von „confidence talk”

Die Methoden zur Förderung der Änderungszuversicht dienen der Umsetzung des vierten MI-Prinzips („Stärke die Änderungszuversicht des Klienten”). Miller und Rollnick [1] unterscheiden acht Methoden zur Stärkung der Änderungszuversicht (vgl. Tab. [4]).

Tab. 4 Acht Methoden zur Förderung der Änderungszuversicht („confidence talk”; mit Beispielen; nach [1])
- evokative Fragen („evocative questions”)
„Was stimmt Sie optimistisch, dies schaffen zu können?”
- Zuversichtsrating („confidence ruler”)
„Auf einer Skala von 0 (gar nicht zuversichtlich) bis 10 (sehr zuversichtlich): Wie zuversichtlich sind Sie im Hinblick auf ...? ... Wie kommt es, dass Sie sich bei Wert ... und zum Beispiel nicht bei Wert 0 eingeordnet haben?”
- Rückblick auf vergangene Erfolge („reviewing past successes”)
„Wann in der Vergangenheit haben Sie sich schon einmal zu einer Veränderung entschlossen und diese umgesetzt? ... Wie haben Sie das gemacht? ... Was gab es für Hindernisse und wie haben Sie diese über-wunden?”
- Ansprechen persönlicher Stärken und Unterstützungsmöglichkeiten („personal strenghts and supports”)
„Welche Stärken haben Sie, die Ihnen helfen könnten, diese Veränderung vorzunehmen? ... Wer könnte Sie dabei unterstützen?”
- Brainstorming
„Wenn Sie einmal alle Ideen - so abwegig sie auf den ersten Blick auch erscheinen mögen - aussprechen, was Ihnen eine Veränderung erleichtern würde: Was fällt Ihnen da ein?”
- Weitergabe von Informationen und Empfehlungen („giving information and advice”)
Therapeut entfaltet ein „Menü” möglicher Wege zur Veränderung: „Einige Personen haben folgenden Weg eingeschlagen ... Andere haben ... .”
- Umdeuten („reframing”)
Klient: „Ich habe es mehrmals versucht und bin immer wieder gescheitert.” Therapeut: „Diese Versuche haben nicht den vollen Erfolg gebracht. Für was waren diese Versuche gut - welchen Nutzen können Sie daraus ziehen?”
- Thematisieren hypothetischer Änderungen („hypothetical change”)
„Nehmen Sie einmal an, Sie würden Ihr Ziel erreichen und schauten nun darauf zurück: Was hat den Ausschlag gegeben, dass Sie es geschafft haben? Wie haben Sie das hingekriegt?”

So kann beispielsweise in der Phantasie ausgemalt werden, welche Kompetenzen für eine Verhaltensänderung genutzt werden könnten (z. B. „Nehmen Sie einmal an, Sie würden Ihr Ziel erreichen und schauten nun darauf zurück: Was hat den Ausschlag gegeben, dass Sie es geschafft haben? Wie haben Sie das hingekriegt?”).

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Zusammenfassungen

Periodische Zusammenfassungen von Klientenäußerungen dienen dazu, dass der Klient immer wieder seine Argumente pro und kontra Veränderung hört und auf diese Weise die innere Auseinandersetzung mit der eigenen Ambivalenz „am Köcheln gehalten wird”. Zusammenfassungen können nach einzelnen Gesprächsabschnitten (z. B. nach dem sukzessiven Zusammentragen verschiedener Argumente pro Veränderung), am Sitzungsende und zu Beginn einer neuen Sitzung (um den roten Faden wieder aufzunehmen, etwa zu Beginn von Phase 2 des MI) erfolgen. Ein Beispiel findet sich weiter unten im Abschnitt Einen konkreten Änderungsplan festlegen.

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Einen Änderungsplan erarbeiten und vereinbaren (Phase 2 des MI)

In der ersten Phase des MI ging es darum, die Motivation für eine Veränderung des Suchtverhaltens aufzubauen bzw. zu stärken. Äußert sich der Klient vornehmlich änderungsbereit („change talk”) und ist Vertrauen in die Möglichkeit einer Änderung erkennbar („confidence talk”), so geht es nun (in Phase 2) um die Erarbeitung und Vereinbarung eines persönlich verbindlichen Änderungsplans.

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Einleitung von Phase 2 des MI

Phase 2 des MI beginnt damit, dass man dem Klienten eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus Phase 1 gibt und dabei seine zentralen Überlegungen, was für eine Änderung spricht („change talk”) und was ihn zuversichtlich macht, eine Änderung vollziehen zu können („confidence talk”), einbezieht.

An die Rückversicherung hinsichtlich der Korrektheit der Zusammenfassung („Ich habe jetzt noch einmal zusammengefasst, was wir bisher besprochen haben. Habe ich das alles richtig verstanden?”) schließt sich eine so genannte „Schlüsselfrage” („key question”) an: „Sie möchten, dass es so nicht mehr weitergeht. Wie soll es aus Ihrer Sicht weitergehen?”

Im Anschluss an diese Schlüsselfrage geht es darum, das Ziel der Veränderung, den Weg zur Zielerreichung, einen konkreten Veränderungsplan und die „Einschwörung” auf diesen Plan zu erarbeiten.

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Ziele vereinbaren („setting goals”; Phase 2a des MI)

Das Credo dieser MI-Phase besteht darin, Veränderungsziele (wie Abstinenz oder kontrolliertes Trinken) im gleichberechtigten Dialog zusammen mit dem Klienten zu erarbeiten, statt ihm Ziele vorzusetzen. Letztlich sollte das Ziel verfolgt werden, das sich der Klient selbst setzt - alles andere würde zu einer ethisch bedenklichen und vom Ergebnis her zweifelhaften Zwangsbehandlung führen: „The fact is that you cannot impose your own goals on another person. … You can offer your best advice, but the client is always free to accept or disregard it. Further arguing and insisting would likely evoke defensiveness rather than agreement. ... It is far better, we believe, to maintain a strong working alliance with the client, and to start with the goals toward which he or she is most eager to make progress. If these goals are misguided, it will become apparent soon enough” [1 S. 134].

Die Abwägung zwischen verschiedenen Zielen kann durch eine gedankliche Vorwegnahme der Zielerreichung gefördert werden (z. B. „Was wäre gut, wenn Sie dieses Ziel [Abstinenz, kontrolliertes Trinken ...] erreichten? Was wäre weniger gut?” Oder: „Was würde es an Ihrem Leben ändern, wenn Sie den Alkoholkonsum völlig aufgäben?”). Selbsteinschätzungen der Zuversicht, das Ziel zu erreichen (s. o. „confidence ruler”), können dazu beitragen, den Blick auf mögliche Schwierigkeiten bei der Zielerreichung zu lenken.

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Verschiedene Wege der Zielerreichung in Betracht ziehen („considering change options”; Phase 2b des MI)

In Phase 2b geht es um die Frage, auf welchem Weg das zuvor festgelegte Ziel erreicht werden soll und kann. Hier ist die grobe Wegmarkierung gefragt: Meint der Klient, eine Konsumveränderung aus eigenen Kräften heraus oder mit Unterstützung von Angehörigen, Freunden oder einer Selbsthilfegruppe schaffen zu können? Hält er eine ambulante Beratung für sinnvoll? Bevorzugt er eine stationäre Therapie? Ist zusätzlich eine ambulante oder stationäre Entgiftung vonnöten? Und so weiter.

Auch bei diesen Fragen sollte die Suchtfachkraft nicht den vermeintlich richtigen Weg vorgeben („Das einzige, was für Sie jetzt sinnvoll ist, ist eine stationäre Langzeittherapie!”). Ihre Aufgabe ist es vielmehr, die Vorstellungen des Klienten über den ihm angemessen erscheinenden Weg zu erfragen und präzisieren zu helfen, bei Bedarf Sachinformationen über alternative Behandlungsmöglichkeiten und ihre Vor- und Nachteile zu vermitteln und eine Entscheidung zu ermöglichen, „hinter der der Klient steht”.

Eigene Meinungen oder Empfehlungen sollten in dieser wie in allen anderen Phasen mit Zurückhaltung und ohne Besserwisserei eingebracht werden. Zuallererst sollten stets die Vorschläge des Klienten eingeholt werden (z. B.: „Ich kann Ihnen gerne meine Gedanken dazu mitteilen. Ich möchte aber nicht den Eindruck erzeugen, dass Sie einen bestimmten Weg einschlagen müssten. Deshalb möchte ich Sie zunächst fragen, ob Sie selbst schon Ideen haben, wie Sie Ihr Ziel erreichen könnten.”). Sinnvoll ist es zudem, Optionen anzubieten und die eigenen Vorschläge zu relativieren, etwa wie folgt: „Einige Leute haben mit Erfolg Folgendes gemacht (nämlich: ...), andere haben den folgenden Weg eingeschlagen (nämlich: ...). Wichtig ist, dass Sie herausfinden, welcher Weg für Sie der richtige ist. Was meinen Sie, welches Vorgehen Ihnen am meisten gerecht wird?” Oder: „Es gibt keinen Weg, der für alle Menschen richtig ist. Ich kann Ihnen - wenn Sie möchten - sagen, was andere mit Erfolg gemacht haben, und Sie können prüfen, welcher Weg für Sie am besten passt.”

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Einen konkreten Änderungsplan festlegen („arriving at a plan”; Phase 2c des MI)

In Phase 2c werden mit dem Klienten die in Phase 2b erörterten Eckdaten konkretisiert und das genaue Vorgehen festgelegt, wie etwa: Wann sollen die gewünschten Gespräche in der Beratungsstelle beginnen und wie oft sollen sie stattfinden? Wer soll an der Beratung teilnehmen (Klient, Partnerin, weitere Personen)? Wie lange soll die Maßnahme insgesamt dauern? usw. Der Therapeut kann das Ergebnis z. B. so zusammenfassen:

„Ich möchte gerne einmal zusammenfassen, wo wir nun angelangt sind. Sie wollten wissen, welche Möglichkeiten es gibt, etwas am Trinken zu ändern, und wir haben über verschiedene Alternativen gesprochen. Sie denken, dass es vermutlich am besten wäre, gar nichts mehr zu trinken, aber Sie wollen erst einmal versuchen, mit weniger Alkohol auszukommen. Sie haben sich verschiedene Vorgehensweisen durch den Kopf gehen lassen und sich dafür entschieden, nach der stationären Entgiftung jede Woche zu einem Gespräch in die Beratungsstelle zu kommen. Sie meinen, dass es wohl gut wäre, Ihre Partnerin zu ein paar Gesprächen mitzubringen. Ganz sicher sind Sie sich bei Ihrem ganzen Plan noch nicht, aber Sie sind fest entschlossen, etwas zu tun, und das scheint zunächst einmal das gerade Besprochene zu sein. Habe ich das alles so richtig verstanden?”

Einen derartigen Plan kann man schriftlich festhalten (vgl. [1, S. 137]).

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Stärkung der Verbindlichkeit des Änderungsplans („eliciting commitment”; Phase 2d des MI)

Abschließend empfehlen Miller und Rollnick, sich die Zustimmung des Klienten zu dem Erarbeiteten einzuholen: „Ist es das,<!?breakb b16> was Sie tun möchten?”

Eventuell können auch gleich die ersten Schritte zur Planumsetzung eingeleitet werden (z. B. ein Aufnahmezeitpunkt für eine Entgiftungsbehandlung vereinbaren). Wichtig ist, dass sich der Klient bei alledem nicht gedrängt fühlt. Gegebenenfalls sollte man ihm Zeit einräumen, um noch einmal über das weitere Vorgehen nachzudenken.

Die innere Zustimmung zum Vorgehen kann dadurch gefestigt werden, dass der Klient mit anderen über sein Vorhaben spricht.

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Anwendung und Wirksamkeit von MI

Der Einsatz von MI im klinischen bzw. suchttherapeutischen Alltag kann in vier Varianten erfolgen:

  • MI als ausschließliche Behandlung („MI as primary treatment”)
    MI als eigenständige Behandlung bedeutet die „reine” Anwendung von MI.
    Beispiel: Ein vom Richter zu zehn Sitzungen Zwangsberatung „verdonnerter” Drogenkonsument erscheint in der Suchtberatungsstelle. Dort erfolgen Gespräche nach Geist, Prinzipien und Methoden des MI. Ziel ist es, den Klienten zu einem Überdenken seines Drogenkonsums und ggf. zu einer Verhaltensänderung zu motivieren.
    Wirksamkeit: Zur Wirksamkeit dieser „reinen” Form von MI liegen bislang keine empirisch abgesicherten Effektivitätsnachweise vor (vgl. [7]).

  • MI als übergeordneter Behandlungsstil, kombiniert mit anderen Behandlungselementen („MI as permeating style combined or integrated with other treatment components or entire treatments”)
    Zum zweiten kann MI als Kommunikationsstil während einer suchttherapeutischen, medizinischen, psychotherapeutischen oder sonstigen Behandlung, in der auch andere Behandlungselemente zum Einsatz kommen (z. B. Rückmeldung von Laborergebnissen; Einsatz von Informationsmaterial; Aufbau bzw. Modifikation kognitiv-behavioraler Kompetenzen), herangezogen werden. In diesem Fall wird von „Adaptiertem Motivational Interviewing” („Adapted Motivational Interviewing”, AMI) gesprochen [7].
    Beispiel: Ein Arzt gibt einem Patienten im Rahmen einer medizinischen Behandlung Feedback über seine Leberwerte, die auf überhöhten Alkoholkonsum hindeuten. Das Feedback wird im Stil von MI gegeben und auch die anschließende Erörterung möglicher Konsequenzen (Alkoholkonsum ändern oder nicht?) erfolgt im Geiste und nach den Methoden des MI.
    Eine Kombination aus Diagnostik, Feedback und MI liegt auch im Falle des „Drinker’s Check-up” vor, bei dem auf breiter Basis alkoholbezogene diagnostische Daten erhoben und dem Klienten im MI-Stil rückgemeldet bzw. besprochen werden [8]. Ähnliche Varianten der MI-Anwendung wurden für kurze Interventionen im Rahmen medizinischer Behandlungen („Brief Motivational Interviewing”, „Brief Negotiation” [9]) bzw. für den Einsatz bei Alkohol missbrauchenden Studierenden entwickelt („Brief Alcohol Screening and Intervention for College Students” [10]).
    Wirksamkeit: Vielfältige Untersuchungen vor allem im Alkoholbereich, aber auch bei Drogenabhängigen (vgl. Beitrag Kremer sowie Beitrag Vogt, Schmid und Schu in diesem Heft), zeigen, dass das mit anderen Behandlungselementen verknüpfte MI Behandlungsabbrüchen vorbeugt [11] und Suchtverhalten wirksamer reduziert als keine Behandlung bzw. mindestens genauso effektiv ist wie andere Behandlungen (vgl. [7]). Beispielsweise führte die vierstündige MI-Variante „Motivational Enhancement Therapy” [15], bei der neben dem „reinen MI” diagnostische Befunde erhoben und mit dem Klienten besprochen werden, zu genauso starken Trinkmengenreduktionen wie eine dreimal so lange kognitive Verhaltenstherapie oder ein typisches 12-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker [16].
    Unklar bleibt in diesen Studien, was der „reine Effekt” von MI in Abgrenzung zu den anderen Behandlungselementen (wie Rückmeldung diagnostischer Befunde) ist. Zudem bleibt offen, ob bei den unter der Bezeichnung „MI” durchgeführten Behandlungen auch wirklich MI lege artis zur Anwendung kam („treatment integrity”; vgl. [7]).

  • MI als vorangestelltes Behandlungselement („MI as prelude”)
    Bei dieser Variante erfolgt der erste Kontakt mit dem Klienten nach den Prinzipien und Methoden des MI. Anschließend erfolgt eine nicht MI-spezifische Standardbehandlung.
    Beispiel: Ein Patient wird während einer Krankenhausbehandlung mittels MI in motivierender, nicht konfrontativer Weise auf seinen Alkoholkonsum angesprochen. Ziel ist es, dass er nach Entlassung eine Suchtberatungsstelle aufsucht und sich dort weiter mit der Suchtthematik auseinandersetzt.
    Wirksamkeit: Wenn eine MI-Einheit einer anderen Behandlung vorangestellt wird, erhöht dies die Mitwirkungsintensität in der späteren Behandlung und senkt die Abbruchquote (bzw. erhöht die „Vermittlungsquote”, wie im zuvor genannten Krankenhausbeispiel; vgl. [7] [11] [17] [18]).

  • Rückgriff auf MI bei Bedarf („MI as fall-back option”)
    Bei der vierten Variante des MI-Einsatzes greift man während einer Behandlung auf MI-Methoden zurück, wenn motivationale Probleme bei Klienten sichtbar werden.
    Beispiel: Während einer Indikationsgruppe „Selbstsicherheit”, die im Rahmen einer stationären Entwöhnungstherapie angeboten wird, zeigt sich, dass der Klient sich nicht sicher ist, an seinem Umgang mit Drogen etwas ändern zu wollen. Das Thema „Will ich tatsächlich etwas an meinem Drogenkonsum ändern?” wird deshalb in einem MI-Dialog aufgegriffen.
    Wirksamkeit: Zu dieser Einsatzvariante des MI liegen bislang keine Wirksamkeitsstudien vor.

Der Forschungsstand spricht auch für die Wirksamkeit von MI bei nicht substanzbezogenen Problembereichen, wie etwa Bluthochdruck, Diabetes, psychiatrischen Doppeldiagnosen und Bulimie (vgl. [7]). Widersprüchliche Ergebnisse gibt es hinsichtlich des Nutzens von MI bei der Behandlung der Tabakabhängigkeit bzw. der Steigerung der körperlichen Fitness. Keine positive Wirkungen konnten bislang bei der Beeinflussung HIV-bezogener Risiken festgestellt werden (z. B. Spritzentausch [7]).

Die Anwendungsmöglichkeiten von MI reichen inzwischen weit in das gesamte Gesundheitssystem hinein (vgl. [9] [19] [20]). Viel versprechende Anwendungsgebiete liegen z. B. in der Beratung Suchtmittel konsumierender Frauen in gynäkologischen Praxen [21] und der Arbeit mit Straftätern [22]. Erst in Entwicklung befindet sich der systematische Einsatz von MI-Methoden in Gruppen [23].

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Training in MI

Wie aus den vorigen Abschnitten deutlich geworden sein sollte, gehen in den scheinbar einfachen Ansatz des MI eine Vielzahl Methoden, die flexibel unterschiedlichsten Klientencharakteristika und Gesprächssituationen angepasst werden müssen, den übergeordneten vier MI-Prinzipien entsprechen und im Geiste des MI durchgeführt werden sollten, ein. Die Umsetzung dieses Kompetenzbündels setzt u. a. voraus, dass MI-Anwender in einen Prozess der Selbstklärung eintreten und sich anwendungsfeldbezogen mit eigenen Wertmaßstäben und Normen, institutionellen Rahmenbedingungen, Handlungspräferenzen und alten Gewohnheiten auseinandersetzen.

Dieser Mix an Anforderungen an eine kunstfertige Anwendung von MI macht deutlich, dass es zum Erlernen von theoretischen Grundlagen des MI und der Aneignung von Umsetzungsexpertise zeitlich angemessener Schulungsmaßnahmen bedarf. Vorträge zu MI oder einmalige Halbtagesworkshops sind bestenfalls als „appetizer” zu verstehen, um einen ersten Überblick über diesen Ansatz zu gewinnen bzw. ein Gespür dafür zu entwickeln. Die in Deutschland inzwischen verbreiteten zwei- bis dreitägigen MI-Workshops für Kliniker mit Praxiserfahrung können hinsichtlich einiger MI-Methoden Grundkompetenzen vermitteln - nicht weniger, aber auch nicht mehr: MI „is not an approach that can be acquired merely by reading, listening to lectures, or watching demonstration videotapes - or, indeed, by attending a single workshop” [1, S. 186].

Erfahrungsgemäß sind Fortbildungen aus mindestens drei mehrtägigen Blöcken notwendig, um in Theorie und Praxis beide Phasen des MI zu erlernen, zwischen den Blöcken Gelegenheit zum Sammeln von Erfahrungen in der berufspraktischen Umsetzung des MI zu erhalten („clients are your teachers” [1, S. 181]) und durch Coaching bzw. Supervision diese Erfahrungen zu reflektieren und sich neue Kompetenzen anzueignen.

1993 starteten Miller und Rollnick damit, MI-Trainer auszubilden. Inzwischen gibt es jährliche internationale Treffen zur Weiterbildung und zum Erfahrungsaustausch von MI-Trainern („MINTies”), die in einem internationalen Netzwerk (MINT = Motivational Interviewing Network of Trainers) und mittels eines Newsletters (MINUET = Motivational Interviewing Newsletter: Updates, Education and Training) miteinander verbunden sind.

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Resümee und Ausblick

Die klinischen Erfahrungen aus inzwischen über 10-jähriger MI-Anwendung zeigen, dass Motivationsgespräche erheblich entspannter und erfolgreicher ablaufen können, wenn man sich die Sichtweise zu Eigen macht, dass sich Menschen mit Suchtmittelabusus in einer inneren Situation der Ambivalenz befinden und es neben Veränderungsimpulsen eine sinnhafte Tendenz zur Nichtveränderung gibt. Eigenmotivation zur Veränderung wird gefördert, wenn die Motive pro Veränderung gestärkt und gleichzeitig die Motive kontra Veränderung wertgeschätzt werden (Phase 1 des MI). Ist eine Hinwendung zur Veränderung erreicht, können im partnerschaftlichen Dialog die Veränderungsziele (Phase 2a), der Veränderungsweg (Phase 2b) und das konkrete Vorgehen (Phase 2c) erarbeitet und verbindlich gemacht (Phase 2d) werden.

Dieser Ansatz ermöglicht aber nicht nur, dass Suchtarbeit in einer angenehmen und konstruktiven Atmosphäre stattfinden kann, sondern er ist auch - wie die Forschung zeigt - wirksam (Senkung von Abbruchquoten, Reduktion des Suchtmittelkonsums) und bei entsprechender Schulung erlernbar.

Für die zukünftige Weiterentwicklung des MI bleibt zu wünschen, dass „Geist” und ethische Maximen des MI in eine stringentere, theoretisch begründete Systematik gebracht, MI-Prinzipien und MI-Methoden klarer aufeinander bezogen, die Wirksamkeit von „reinem” MI geprüft und der Nutzen von MI für weitere klinische Anwendungsfelder ausgelotet werden. Zu erhellen bleibt auch die Frage, welche seiner einzelnen Elemente die Wirksamkeit des MI-Ansatzes ausmachen.

Der interessierten Leserschaft seien abschließend die MI-Bücher von Miller und Rollnick [1] [2] zur theoretischen Vertiefung sowie der Besuch von Fortbildungen zur praktischen Aneignung dieses Ansatzes empfohlen. Weitere und jeweils aktuelle Informationen zum MI finden sich auf der internationalen MI-Webseite (www.motivationalinterview.org). Und schließlich sind auch die sieben englischsprachigen Videokassetten von Miller, Rollnick und Moyers [24] hilfreich, um Einblick in Geist und Methoden des MI zu gewinnen (weitere Angaben zu Videodemonstrationen auf der internationalen Webseite www.motivationalinterview. org).

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Literatur

  • 1 Miller W R, Rollnick S. Motivational Interviewing. Preparing people for change. Second edition New York; Guilford 2002
  • 2 Miller W R, Rollnick S. Motivational Interviewing. Preparing people to change addictive behavior New York; Guilford Press 1991 (Deutsch: Motivierende Gesprächsführung. Freiburg: Lambertus, 1999)
  • 3 Rollnick S, Miller W R. What is motivational interviewing?.  Behavioural and Cognitive Psychotherapy. 1995;  23 325-334
  • 4 DiClemente C C, Velasquez M M. Motivational Interviewing and the stages of change. Miller WR, Rollnick S Motivational Interviewing. Second edition New York; Guilford 2002: 201-216
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  • 6 Schulz von T hun F, Ruppel J, Stratmann R. Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte. Reinbek; Rowohlt 2000
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  • 11 Zweben A, Zuckoff A. Motivational Interviewing and treatment adherence. Miller WR, Rollnick S Motivational Interviewing. Second edition New York; Guilford 2002: 299-319
  • 12 Demmel R. Motivational Interviewing: Ein Literaturüberblick.  Sucht. 2001;  47 171-188
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  • 17 Bien T H, Miller W R, Tonigan J S. Brief interventions for alcohol problems: A review.  Addiction. 1993;  88 315-336
  • 18 Brown J M, Miller W R. Impact of Motivational Interviewing on participation and outcome in residential alcoholism treatment.  Psychology of Addictive Behaviors. 1993;  7 211-218
  • 19 Resnicow K, DiIorio C, Soet J E. et al .Motivational Interviewing in medical and public health settings. Miller WR, Rollnick S Motivational Interviewing. Second edition New York; Guilford 2002: 251-269
  • 20 Rollnick S, Heather N, Bell A. Negotiating behaviour change in medical settings: The development of brief Motivational Interviewing.  Journal of Mental Health. 1992;  1 25-27
  • 21 Handmaker N S, Miller W R, Manicke M. Findings of a pilot study of Motivational Interviewing with pregnant drinkers.  Journal of Studies on Alcohol. 1999;  60 285-287
  • 22 Ginsburg J ID, Mann R E, Rotgers F. et al .Motivational Interviewing with criminal justice populations. Miller WR, Rollnick S Motivational Interviewing. Second edition New York; Guilford 2002: 333-346
  • 23 Walters S T, Ogle R, Martin J E. Perils and possibilities of group-based Motivational Interviewing. Miller WR, Rollnick S Motivational Interviewing. Second edition New York; Guilford 2002: 377-390
  • 24 Miller W R, Rollnick S, Moyers T B. Motivational Interviewing. Professional training videotape series.  The University of New Mexico, Albuquerque. 1998; 

Prof. Dr. Joachim Körkel

Ev. Fachhochschule Nürnberg, Fachbereich Sozialwesen

Bärenschanzstr. 4

90429 Nürnberg

Email: joachim.koerkel@evfh-nuernberg.de

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Literatur

  • 1 Miller W R, Rollnick S. Motivational Interviewing. Preparing people for change. Second edition New York; Guilford 2002
  • 2 Miller W R, Rollnick S. Motivational Interviewing. Preparing people to change addictive behavior New York; Guilford Press 1991 (Deutsch: Motivierende Gesprächsführung. Freiburg: Lambertus, 1999)
  • 3 Rollnick S, Miller W R. What is motivational interviewing?.  Behavioural and Cognitive Psychotherapy. 1995;  23 325-334
  • 4 DiClemente C C, Velasquez M M. Motivational Interviewing and the stages of change. Miller WR, Rollnick S Motivational Interviewing. Second edition New York; Guilford 2002: 201-216
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  • 6 Schulz von T hun F, Ruppel J, Stratmann R. Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte. Reinbek; Rowohlt 2000
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  • 10 Dimeff L A, Baer J S, Kivlahan D R. et al .Brief alcohol screening and intervention for college students (BASICS): A harm-reduction approach. New York; Guilford Press 1999
  • 11 Zweben A, Zuckoff A. Motivational Interviewing and treatment adherence. Miller WR, Rollnick S Motivational Interviewing. Second edition New York; Guilford 2002: 299-319
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  • 19 Resnicow K, DiIorio C, Soet J E. et al .Motivational Interviewing in medical and public health settings. Miller WR, Rollnick S Motivational Interviewing. Second edition New York; Guilford 2002: 251-269
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  • 21 Handmaker N S, Miller W R, Manicke M. Findings of a pilot study of Motivational Interviewing with pregnant drinkers.  Journal of Studies on Alcohol. 1999;  60 285-287
  • 22 Ginsburg J ID, Mann R E, Rotgers F. et al .Motivational Interviewing with criminal justice populations. Miller WR, Rollnick S Motivational Interviewing. Second edition New York; Guilford 2002: 333-346
  • 23 Walters S T, Ogle R, Martin J E. Perils and possibilities of group-based Motivational Interviewing. Miller WR, Rollnick S Motivational Interviewing. Second edition New York; Guilford 2002: 377-390
  • 24 Miller W R, Rollnick S, Moyers T B. Motivational Interviewing. Professional training videotape series.  The University of New Mexico, Albuquerque. 1998; 

Prof. Dr. Joachim Körkel

Ev. Fachhochschule Nürnberg, Fachbereich Sozialwesen

Bärenschanzstr. 4

90429 Nürnberg

Email: joachim.koerkel@evfh-nuernberg.de

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Abb. 1 Komponenten des Motivational Interviewing-Ansatzes.

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Abb. 2 Wippe-Modell: Abwägen zwischen Nutzen und Kosten einer Veränderung bzw. Nichtveränderung (modifiziert aus [1, S. 15]). Der linken Seite („pro Veränderung”) soll durch MI mehr Gewicht verliehen werden.