Die Spitzenorganisationen der Selbstverwaltung, die im Aktionsforum Telematik im Gesundheitswesen
zusammenarbeiten, haben Mitte 2003 einen so genannten „Planungsauftrag” rund um das
elektronische Rezept und die elektronische Patientenakte an die Industrie vergeben.
Seit September 2003 arbeitet ein Industriekonsortium - teilweise die gleichen Firmen
- im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherheit an der Spezifikation
einer Telematikarchitektur als Basis für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte.
Das genannte Konsortium wird auch das Projektmanagement für die bundesweite Einführung
einer Telematikinfrastruktur unterstützen.
Von den genannten aktuellen Vorhaben wird die Einführung von Heilberufsausweisen („Health
Professional Cards”) im Klinikalltag die größte Rolle spielen, da mit deren Hilfe
bei vielen heute bereits im Prinzip digital abbildbaren administrativen und medizinisch-pflegerischen
Prozessen rechtssicher auf papierbasierte Verfahren verzichtet werden kann. Dadurch
können die sonst nur im Prinzip möglichen Qualitäts- und Effizienzgewinne auch tatsächlich
in der Praxis realisiert werden.
Auch außerhalb des Sozialgesetzbuchs V wurden begleitende rechtliche Regelungen angepasst:
etwa in der Strafprozessordnung die Ausdehnung des Beschlagnahmeverbots von ärztlichen
Unterlagen auf die elektronische Gesundheitskarte. Damit sind die ersten Stationen
des Fahrplans hin zu einem elektronisch vernetzten Gesundheitswesen in der Gesetzgebung
verankert.
Arbeitsstrukturen zur Gesundheitstelematik
Arbeitsstrukturen zur Gesundheitstelematik
In Deutschland begannen die Vorarbeiten und Konsensprozesse zur Telematik im Gesundheitswesen,
die zu den derzeitigen Projekten auf Bundesebene geführt haben, im Herbst 1996 mit
der Einrichtung einer Arbeitsgruppe „Gesundheit” innerhalb der themenübergreifenden
Initiative „Info 2000”. Im Jahr 1998 wurden mit dem Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe
[5] und der Roland-Berger-Studie [6] zur Telematik im Gesundheitswesen zwei wesentliche Meilensteine vorgelegt, deren
Kernaussagen und -forderungen bis heute weiterhin Gültigkeit haben. Schon damals wurde
unter anderem die Bildung einer breiten Konsensplattform („Aktionsforum Telematik
im Gesundheitswesen”) gefordert.
Ein Jahr später wurde eine solche Plattform, die sich aus den Organisationen der Selbstverwaltung
des Gesundheitswesens zusammensetzt, bei der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft
und -gestaltung (GVG) angesiedelt. Eine noch breitere Plattform - wie in der Empfehlung
von 1998 vorgesehen - wurde Mitte 2002 mit der Einrichtung einer Steuerungsgruppe
zur Telematik auf Bundesebene geschaffen. Derzeit erfüllt die Zusammenarbeit des Bundesministeriums
für Gesundheit und Soziale Sicherheit (BMGS), der Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG)
Telematik im Gesundheitswesen, des Aktionsforum Telematik im Gesundheitswesen (ATG)
und der Spitzenverbände der Industrie (BITKOM, VHitG, ZVEI, VDAP u.a.) am ehesten
die 1998 gestellte Forderung nach einer umfassenden Koalition für die Schaffung der
technischen und organisatorischen Plattform für Gesundheitstelematik-Anwendungen.
Die Arbeit des ATG wurde ab dem Jahr 2000 in Teams organisiert, in denen Vertreter
der Organisationen der Selbstverwaltung - teilweise gemeinsam mit externen Experten
- „Managementpapiere” für die eigene Führungsebene, die Gesundheitspolitik und die
interessierte Fachöffentlichkeit erarbeiten. Die bisherigen Themen umfassen [1]:
-
elektronisches Rezept
-
elektronischer Arztbrief
-
Sicherheitsinfrastruktur
-
europäische und internationale Perspektiven von Telematik im Gesundheitswesen
-
Anonymisierung und Pseudonymisierung
-
Patienteninformationssysteme
-
elektronische Patientenakte.
Der Autor dieses Beitrags hat als externer Experte gemeinsam mit dem Team „Europäische
und internationale Perspektiven von Telematik im Gesundheitswesen” das gleichnamige
Managementpapier [3] verfasst, das die Situation in Deutschland mit der im europäischen und außereuropäischen
Ausland vergleicht. Für eine international vergleichbare Situationsbeschreibung war
es sehr wichtig, die verwendeten Begriffe sorgfältig zu definieren und die Anwendungsfelder
genau einzugrenzen [Tab. 1]. Dabei wurde erkannt, dass neben Anwendungen der Telemedizin wie etwa Telekonsultation,
Teleradiologie und Telepathologie noch mehr der umfassendere Bereich „Gesundheitstelematik”
große Potenziale für die Gesundheit des Einzelnen und auch für das Management und
die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems insgesamt bietet.
Noch stärker differenzierend unterscheidet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in
einem 1998 von der Generalversammlung angenommenen Grundsatzpapier „Health Telematics
Policy” [7] vier Teilbereiche der Gesundheitstelematik:
Neben der nahe liegenden Verwendung von telemedizinischen Verfahren zur Erfüllung
der eigenen Aufgaben etwa im Bereich der Seuchenbekämpfung (z.B. SARS) sieht die WHO
die Gesundheitstelematik auch als Teil der medizinischen Basisversorgung für wenig
entwickelte Gesundheitssysteme: Vor dem Hintergrund des raschen technologischen Fortschritts
bei gleichzeitig sinkenden Technologiekosten scheint sie ein geeignetes Werkzeug zu
sein, das dazu beitragen kann, Nachteile unterentwickelter Länder hinsichtlich der
Gesundheitsversorgung zumindest teilweise auszugleichen.
Ausgewählte Anwendungen
Ausgewählte Anwendungen
Aufgrund der Dichte der medizinischen Infrastruktur und der medizinischen Versorgung
besteht in Deutschland ein spezifisches Anforderungsprofil an Gesundheitstelematikdienste,
das sich von dem der international als vorbildlich für den Bereich Telemedizin angesehenen
Staaten wie Norwegen, USA, Kanada und Australien deutlich unterscheidet. Nur sehr
punktuell wird eine umfassende medizinische Behandlung aus der Ferne benötigt. Typischer
sind Zweitmeinungsverfahren und die bessere Informationsübermittlung bei kooperativen
Versorgungsformen, Versorgungsketten und in Notfallsituationen. Die oben genannten
Länder bieten damit vor allem im Hinblick auf die technische Realisierung auf das
deutsche Gesundheitswesen übertragbare Ansätze.
Notfallversorgung und Versorgung mobiler Patienten
Die Versorgung von Notfallpatienten umfasst unter anderem die Datenkommunikation zwischen
Rettungsdienst, Krankenhaus und Telekonsilen zur Beratung des vor Ort tätigen Arztes.
Analog werden auch zunehmend Dienste zur Versorgung mobiler (reisender) Patienten
etabliert.
Telekonsultation
Die Telekonsultation ist allgemein die beratende Mitwirkung eines entfernten Arztes
oder anderer Gesundheitsberufe. Die vielfach für Telekonsultationen eingesetzten Videokonferenzsysteme
ermöglichen zwar diese Telepräsenz, sie lösen allerdings nicht die vielfältigen Probleme
von Medienbrüchen in der Medizin. Medienbrüche sind nur durch einen begleitenden Dokumentenaustausch
zu überwinden.
Teleradiologie und Telepathologie
Teleradiologie und Telepathologie umfassen jeweils die Übermittlung von Daten bildgebender
Verfahren und deren Fernbefundung. Hierbei konnte sich die Teleradiologie bei der
konsiliarischen Bewertung, der Befundung im radiologischen Hintergrunddienst sowie
in Notfällen bereits umfassend bewähren. Dies hat zu entsprechenden Anpassungen der
Röntgenverordnung und zur Schaffung spezieller Richtlinien geführt.
Konsiliarische Befundungen erfolgen auch in der Telepathologie. Umstritten ist noch,
ob die Tätigkeit eines Pathologen vor Ort bei der Schnellschnittdiagnostik notwendig
ist. In vielen Projekten überwacht der Pathologe die Entnahme des histologisch zu
untersuchenden Materials per Videokamera. Unumstritten sind Anwendungen in der pathologischen
Aus- und Weiterbildung sowie für wissenschaftliche Zwecke.
Telemonitoring, Telecare und Telehomecare
Das zentrale Element der telematikgestützten Betreuung und Überwachung von pflegebedürftigen
Personen im häuslichem Umfeld ist das Telemonitoring, also die Fernüberwachung von
gefährdeten Patienten in der häuslichen Umgebung. So sind nicht nur frühere Krankenhausentlassungen
möglich, es bestehen zudem Verbesserungspotenziale bei der Begleitung von rezidivgefährdeten
Patienten etwa nach einem Schlaganfall.
Elektronisches Rezept
Die Übermittlung von Arzneiverordnungen und Verordnungsdaten ist eine vordringliche
Aufgabe der elektronischen Kommunikation im Gesundheitswesen. In Dänemark ist beispielsweise
die elektronische Übermittlung von Arzneiverordnungen vom Arzt zur Apotheke schon
länger üblich. Dort ist jedoch keine rechtswirksame Arztunterschrift notwendig. Somit
könnte Deutschland mit einer zeitnahen und flächendeckenden Umsetzung vorliegender
Lösungsansätze zum elektronischen Rezept eine international konkurrenzfähige Gesundheitstelematik-Anwendung
etablieren und gleichzeitig eine europäische Lösung fördern.
Elektronischer Arztbrief
Einweisungen, Überweisungen, Entlassungsberichte und Befundberichte bilden den größten
Teil der Übermittlung von Informationen zwischen Leistungserbringern ab und sind damit
auch der wichtigste Teil des elektronischen Datenaustauschs im Gesundheitswesen. Derzeit
ist die noch fehlende Verfügbarkeit einer gemeinsam nutzbaren Sicherheitsinfrastruktur
für Krankenhausinformationssysteme und Arztpraxissysteme der entscheidende Engpass.
Im ambulanten Bereich haben sich mit VCS und PaDok/D2D zwei konkurrierende Systeme
etabliert, die bislang untereinander noch nicht kommunizieren können. Einzelne Lösungen,
die beide Systeme erreichen können, werden jetzt gerade verfügbar. Grundsätzlich sollte
bedacht werden, dass unter der Perspektive einer einrichtungsübergreifenden elektronischen
Patientenakte Arztbriefe Kopiervorgängen zwischen Instanzen dieser Patientenakte entsprechen.
Letztlich sind daher Datenzugriffe auf eine logisch zusammenhängende, elektronische
Patientenakte besser geeignet, um Informationen konsistent und aktuell zu halten.
Aktuelle Perspektiven
Aktuelle Perspektiven
Die Anforderungen an die gesundheitliche und soziale Versorgung nehmen zu. Steigende
Zahlen chronisch kranker und hochbetagter Patienten bedingen einen zunehmenden Versorgungs-
und Betreuungsbedarf. Die Vernetzung der Leistungserbringer in effizienten Organisationsstrukturen
kann dazu beitragen, Lösungsansätze für die anstehenden Aufgaben zu generieren. Insbesondere
komplexe und langfristige Behandlungen - wie beispielsweise eine alternierende stationäre
und ambulante Betreuung von Tumorpatienten - sollten zur optimalen Versorgung und
Betreuung der Patienten konsequent im Sinne durchgängiger und aufeinander abgestimmter
Versorgungsabläufe koordiniert werden.
Zeitgemäße Versorgungsstrukturen sind durch einrichtungsübergreifende Kooperationen
charakterisiert. In vielen Fällen arbeiten Krankenhäuser mit eigenen ambulanten Diensten
und Rehabilitationseinrichtungen zusammen und schaffen so neue Angebote für die gesundheitliche
und soziale Versorgung. Entsprechende Organisationsformen stellen teilweise völlig
neue Anforderungen an die Kooperation und vor allem die Kommunikation der beteiligten
Institutionen.
Die einrichtungsübergreifende Vernetzung von Informationssystemen baut auf der einrichtungsinternen
Integration von Informations- und Kommunikationssystemen auf. Der interne Datenaustausch
reduziert die derzeit existierenden Medienbrüche und erleichtert somit Ärzten, Pflegepersonal
und anderen Mitarbeitern des Krankenhauses die tägliche Arbeit: So entfällt bei den
administrativen Tätigkeiten das manuelle Übertragen bereits erfasster Daten, in der
klinischen Behandlung stehen die notwendigen Informationen zeitnah und umfassend zur
Verfügung. Patienten müssen somit administrative Informationen nicht immer wieder
aufs Neue benennen, vor allem aber ist es wesentlich einfacher, wenn für Diagnose
und Therapie die jeweils aktuellen Vorbefunde vollständig zur Verfügung stehen.
Während sich in Ärztenetzen meist nur Leistungserbringer einer (Versorgungs-)Stufe
organisieren, umfasst die Integrierte Versorgung gemäß §140 a-h SGB V die Vernetzung
von Leistungsanbietern verschiedener Versorgungsstufen: z.B. Gesundheitsförderung,
Prävention, Kuration, Rehabilitation und Pflege. In einem so organisierten Versorgungssystem
sollte die Leistungserbringung entlang der gesamten Versorgungskette folgerichtig
aus einem gemeinsamen Budget für eingeschriebene Versicherte finanziert werden. In
Anbetracht der bisher sektoral budgetierten Finanzierung haben sich solche ambulant-stationär
übergreifenden Integrationsmodelle allerdings kaum durchsetzen können.
Die Zusammenarbeit in vernetzten Praxen gemäß Strukturverträgen nach §73a SGB V hat
den stationären Bereich in der Regel ausgegrenzt. Innovative Konzepte aus dem stationären
Bereich blieben überwiegend auf einzelne, sehr spezifische gesundheitliche Versorgungsfelder
(„Disease Management”) und ausgewählte Patienten („Case Management”) beschränkt, obwohl
die Integrationsversorgung gemäß §§140 a-h SGB V eigentlich nicht nur als Experimentierfeld,
sondern als alternative Ausprägung der „Regelversorgung” angelegt wurde. Der Ausbau
von Krankenhäusern zu regionalen Gesundheitszentren oder die Einbindung von Kliniken
unter dem organisatorischen Dach von Praxisnetzwerken sind in der Realität allerdings
die Ausnahmen. Eine informationstechnische Vernetzung kann dabei eine einrichtungsübergreifende
Zusammenarbeit vorbereiten und unterstützen.
Einrichtungsübergreifende Behandlungsdokumentationen
§73 (1b) und §140 b(3) SGB V (Tab. 2) fordern eine einrichtungsübergreifende Dokumentation
individueller Krankheitsverläufe und damit die behandlungsbezogene Zusammenführung
von Patientendaten. Derartige „virtuelle elektronische Patientenakten” können als
Vorstufe oder Element für ambulant-stationär übergreifende Versorgungsverbünde den
Fluss medizinischer wie administrativer Informationen zwischen den verschiedenen Einrichtungen
gewährleisten. Sie sind somit ein wichtiges Verbindungselement zur Gewährleistung
einer kontinuierlichen Patientenbetreuung („continuity of care”).
Die einrichtungsübergreifende Behandlungsdokumentation wird damit zum Kernelement
der Gesundheitstelematik-Unterstützung integrierter, sektorübergreifender Versorgungsformen.
Es entsteht eine ambulant-stationär übergreifende medizinische Langzeitdokumentation,
deren einzelne Elemente sich sowohl in Arztpraxen wie auch in Krankenhäusern oder
anderen Versorgungseinrichtungen befinden. Die durchgehende, versorgungsbegleitende
Längsschnittdokumentation bietet die Basis für ein optimal abgestimmtes diagnostisches
und therapeutisches Vorgehen. Ein Beispiel ist die ambulant-stationär kombinierte
onkologische Patientenbetreuung, wie sie in Nordrhein-Westfalen das Projekt http://www.
Mamma@akte.nrw realisiert.
Datenschutz
Zur Wahrung des Datenschutzes bei einem einrichtungsübergreifenden Informationsaustausch
werden Gesamtkonzepte benötigt, die den Zugriff auf die jeweils benötigte Information
unter Wahrung der Rechte aller Beteiligten sicherstellen. Eine netzweite medizinisch-administrative
Dokumentation kann die Informationen aus den verschiedenen Institutionen, in denen
der Patient behandelt wurde, nur behandlungsbezogen und bei Vorliegen einer einzelfallbezogenen
Zustimmung des Patienten in eine einheitliche Darstellungsform integrieren. Speicherung
und Austausch von Informationen dürfen auch nicht den Rechten der beteiligten Berufsgruppen
entgegenlaufen. Bei einer verteilten Datenhaltung müssen die Zugriffsrechte eine Vielzahl
von Faktoren des Persönlichkeits- und Datenschutzes aller Beteilgten berücksichtigen.
Daten„besitz” und die Erlaubnis zum Datenzugriff sind hierbei getrennt zu betrachten,
was insbesondere auch in Krankenhäusern einen Umdenkungsprozess notwendig macht [Abb. 2].
Intelligente Informationssysteme
Intelligente Informationssysteme
Gesundheitstelematikanwen-dungen schaffen für die tägliche Arbeit von Ärzten eine
wesentlich verbesserte Informationsbasis. So stehen die für die Diagnose und Behandlung
eines Patienten jeweils notwendigen Informationen aktuell und vollständig zur Verfügung.
Gleichzeitig wird auch die ärztliche Aus-, Fort- und Weiterbildung wesentlich verbessert.
Insbesondere entstehen aus der Etablierung EDV-gestützter klinischer Arbeitsplätze
auch neue Möglichkeiten für intelligente Experteninformationssysteme: Sinnvoll ist
es, wenn die für Diagnose und Behandlung des aktuellen Patienten notwendigen Leitlinien
oder sonstige evidenzbasierte Informationen passend zum jeweiligen Behandlungskontext
direkt innerhalb der elektronischen Patientenakte angesehen werden können. Eine krankenhausinterne
Vernetzung kann zum Beispiel auch Daten aus laufenden Qualitätssicherungsmaßnahmen
erschließen. Telematisch vernetzte Gesundheitsarbeitsplätze versprechen damit vielfältige
Potenziale zur Stärkung der professionellen Kompetenz in der Gesundheitsversorgung.
Zudem bietet die systematische Dokumentation von individuellen Gesundheitsversorgungsdaten
unter Einhaltung von Minimalstandards der medizinischen, pflegerischen und sonstigen
Dokumentation und bei Einsatz geeigneter Pseudonymisierungs- und Anonymisierungsverfahren
viel versprechende Möglichkeiten für eine verbesserte Gesundheitsberichterstattung.
Unter den genannten Voraussetzungen ist es - im Gegensatz zu vielen anderen Erhebungsmodalitäten
- möglich, aussagefähige und valide Daten direkt aus dem Versorgungsgeschehen zu erhalten
und auszuwerten. Die damit möglichen Auswertungen der klinischen Epidemiologie sind
Grundlage für evidenzbasierte Leitlinien sowie deren Anwendung und Evaluation.
Der elektronische Arztausweis ist in diesem „Gesundheitsarbeitsplatz” der Zukunft
eine zentrale Infrastrukturkomponente, die den Zugriff auf geschützte medizinische
Intra- und Extranets möglich macht.
Gesundheitsportale
Gesundheitsportale
Gesundheitsportale erfüllen zahlreiche Aufgaben der Gesundheitskommunikation. Sie
unterstützen nicht zuletzt präventive Ansätze in der Gesundheitsversorgung, wobei
neben der Primärprävention und Aufklärung über Krankheiten und Krankheitsrisiken auch
der Sekundär- und Tertiärprävention eine hohe Bedeutung zukommt. Generell trägt die
zunehmende Verfügbarkeit von Informationen über Fragen der Gesundheit und Krankheit
dazu bei, die aktive Mitwirkung von Patienten an der Behandlung und den partnerschaftlichen
Umgang zwischen Arzt und Patienten zu fördern.
Auch im Internet sind heute immer mehr seriöse Informationen rund um das Thema Gesundheit
zu finden. Vielfach sind die Seiten durch spezielle Qualitätssiegel oder Logos wie
das der Schweizer Health on the Net Foundation (HON) oder das Logo des aktionsforums
gesundheitsinformationsystem (afgis) gekennzeichnet oder in vertrauenswürdige Portalseiten
wie http:// www.healthfinder.gov, http://www. patienten-information.de oder http:
//www.gesundheit.nrw.de eingebettet. Dies ist nicht unwichtig, denn die Verbraucher
nutzen Gesundheitsinformationen aus dem Internet immer häufiger - vorwiegend zur Vor-
und Nachbereitung von Arztbesuchen (3, 4).
Investitionen und Sparpotenziale
Investitionen und Sparpotenziale
Generell liegen die Investitionen im IT-Bereich im Gesundheitswesen deutlich unter
denen anderer „Branchen”. Dabei haben sich gerade Investitionen in Vernetzungstechnologien
mangels breiter Akzeptanz der Verfahren und vor allem mangels allgemein etablierter
Standards nicht gerechnet. Diese Rahmenbedingungen sollen sich durch die beschriebenen
Projekte massiv ändern, sodass Investitionen in Krankenhausinformationssysteme und
vergleichbare Technik in einem wesentlich verlässlicheren Umfeld stattfinden. Mit
den so genannten „diagnosis related groups” (DRGs) und den Disease-Management-Programmen
(DMPs) entsteht ergänzend ein finanzielles Umfeld, in dem sich umfassende medizinische
wie auch administrative Dokumentation zu einem „Business Case” entwickeln.
Die angeschafften Systeme sollten dabei die aktuellen Standards - wie etwa DICOM oder
HL7 - selbstverständlich erfüllen, wenn sie auch in einem vernetzten Umfeld verwendbar
sein sollen. Ob eine Systemeinführung sich kurz- oder mittelfristig als finanziell
sinnvoll erweist, hängt allerdings zudem von einer systematischen Vorbereitung der
organisatorischen Abläufe im Sinne elektronisch abbildbarer Geschäftsprozesse ab.
Die oben genannten Sparpotenziale der Gesundheitstelematik beziehen sich wie auch
viele andere Schätzungen jeweils auf das Gesundheitssystem insgesamt. Hier kann relativ
verlässlich davon ausgegangen werden, dass sich durch die Einführung des elektronischen
Rezepts in Verbindung mit einer Arzneimitteldokumentation und der elektronischen Gesundheitskarte
kurzfristig 500 Millionen Euro einsparen lassen. Für die einzelne Institution sind
derartige Modellrechnungen nicht immer aussagekräftig. In jedem Fall sind kleine Inselprojekte
oder halbherzige Teillösungen möglichst zu vermeiden, da sich die Optimierungspotenziale
am besten mit einer konsistenten, einrichtungsübergreifenden digitalen Dokumentation
mobilisieren lassen.
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Tab. 1 Definition Gesundheitstelematik
|
Gesundheitstelematik (international „health telematics”) bezeichnet Anwendungen der
Telekommunikation und Informatik im Gesundheitswesen. International gebräuchlich ist
der Begriff eHealth, der den Nutzen von Informations- und Kommunikations-Technologien
für eine patientenorientierte gesundheitliche Versorgung umfassend beschreibt. Enger
gefasst ist der Begriff Telemedizin, der den Einsatz von Telematikanwendungen (z.B.
Telediagnostik, Telekonsultation, Teleradiologie) zur Überwindung einer räumlichen
Trennung von Patient und Arzt oder zwischen mehreren Ärzten bezeichnet. nach [3]
|
Tab. 2 Gesetzliche Grundlage
|
GKV-Modernisierungsgesetz (GMG)
Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Entwurf vom 08.09.2003
als Bundestagsdrucksache 15/1525 online abrufbar unter http://dip.bundestag.de/btd/15/015/1501525.pdf
§73 (1b) SGB V
Ein Hausarzt darf mit schriftlicher Einwilligung des Versicherten, die widerrufen
werden kann, bei Leistungserbringern, die einen seiner Patienten behandeln, die den
Versicherten betreffenden Behandlungsdaten und Befunde zum Zwecke der Dokumentation
und der weiteren Behandlung erheben. Die einen Versicherten behandelnden Leistungserbringer
sind verpflichtet, den Versicherten nach dem von ihm gewählten Hausarzt zu fragen
und diesem mit schriftlicher Einwilligung des Versicherten, die widerrufen werden
kann, die in Satz 1 genannten Daten zum Zwecke der bei diesem durchzuführenden Dokumentation
und der weiteren Behandlung zu übermitteln; die behandelnden Leistungserbringer sind
berechtigt, mit schriftlicher Einwilligung des Versicherten, die widerrufen werden
kann, die für die Behandlung erforderlichen Behandlungsdaten und Befunde bei dem Hausarzt
und anderen Leistungserbringern zu erheben und für die Zwecke der von ihnen zu erbringenden
Leistungen zu verarbeiten und zu nutzen. [...].
§140 b(3) SGB V
Insbesondere müssen die Vertragspartner die Gewähr dafür übernehmen, dass sie [...]
eine an dem Versorgungsbedarf der Versicherten orientierte Zusammenarbeit zwischen
allen an der Versorgung Beteiligten einschließlich der Koordination zwischen den verschiedenen
Versorgungsbereichen und einer ausreichenden Dokumentation, die allen an der integrierten
Versorgung Beteiligten im jeweils erforderlichen Umfang zugänglich sein muss, sicherstellen. |
Tab. 3 Realisierung in Deutschland
|
Aus der Entwicklung der Arbeitsstrukturen und den Hinweisen auf die Gesetzgebung wurde
bereits deutlich, dass eine flächendeckende Implementierung in Vorbereitung ist. Diese
hat inzwischen einen relativ hohen gesundheitspolitischen Stellenwert erreicht:
-
Nach wie vor ist ein Beschluss der 75. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) vom Juni
2002 wegweisend. Der elf Punkte umfassende Beschluss spricht alle wesentlichen Aspekte
und Anwendungsfelder der Telematik im Gesundheitswesen an und fordert eine systematische
Telematikstrategie mit einem Stufenplan zur Umsetzung.
-
Auf europäischer Ebene soll zunächst in allen Ländern der Europäischen Union als Ersatz
des Auslandskrankenscheins eine europäische Krankenversichertenkarte eingeführt werden.
Ab 2008 soll ein digitales Verfahren diese Karte ablösen, so der im Frühjahr 2003
vorgelegte Stufenplan. Auch die in Deutschland geplante elektronische Gesundheitskarte
wird unter anderem die Funktion eines europäischen Krankenversicherungsnachweises
übernehmen.
-
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in der Regierungserklärung vom 14.3. 2003 festgestellt,
dass „die Reserven, die in einer Modernisierung der Kommunikationstechnologien im
Gesundheitswesen liegen, nicht ansatzweise ausgeschöpft sind”. Der elektronische Patientenausweis
und die elektronische Krankenakte „sind nicht nur technologisch anspruchsvolle Projekte,
die wir bis zum Jahr 2006 voll funktionsfähig haben wollen”.
-
Als Ergebnis der konzeptionellen Arbeiten des ATG nahm der Verband der privaten Krankenversicherungen
im Auftrag von zahlreichen Organisationen der Selbstverwaltung im Dezember 2002 eine
Ausschreibung für einen Planungsauftrag vor, dessen Auftragnehmer eine Konzeption
für „die flächendeckende Implementierung eines elektronischen Rezepts (eRezept) und
eines elektronischen Arztbriefs (eArztbrief) einschließlich der Planung von Aufbau
und Betrieb der notwendigen organisatorisch-technischen Infrastruktur" sowie für eine
„Schnittstellenvorbereitung für eine elektronische Patientenakte" erarbeiten soll.
Dieser Auftrag wurde Mitte 2003 vergeben.
-
Das Bundesgesundheitsministerium hat im Frühjahr 2003 eine unmittelbar der Hausspitze
zugeordnete Projektgruppe für Telematik und die elektronische Gesundheitskarte eingerichtet.
Diese Projektgruppe hat im April eine europaweite Ausschreibung für Dienstleistungen
„zur Unterstützung des BMGS bei der Erarbeitung einer Strategie zur Einführung der
Gesundheitskarte als integrierender Bestandteil einer flächendeckenden Telematikinfrastruktur”
(bIT4health) veranlasst. Basis weiterer Anwendungen soll „[...] eine durchgängige
Rahmenarchitektur und Sicherheitsinfrastruktur unter besonderer Berücksichtigung der
elektronischen Gesundheitskarte sein.
-
Die vier Industrieverbände BITKOM, VDAP, VHITG und ZVEI haben am 2. Juni der Bundesgesundheitsministerin
eine Expertise zur „Einführung einer Telematikarchitektur im deutschen Gesundheitswesen”
(2) und begleitend ein „Berliner Memorandum” übergeben. Hier wird unter anderem auf
mögliche Effizienzgewinne und auf bislang ungenutzte Einsparungspotenziale von fünf
Milliarden Euro jährlich hingewiesen.
|