Aktuelle Urol 2003; 34(5): 288-290
DOI: 10.1055/s-2003-45448
Referiert und kommentiert

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Invasives Blasenkarzinom - Radikalität der Operation beeinflusst Prognose

Ralph Hausmann
  • Frankfurt
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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

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Publication Date:
11 September 2003 (online)

 
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Zusammenfassung

Nach einer Zystektomie mit bilateraler Lymphadenektomie haben Patienten mit invasivem Blasenkarzinom eine gute Prognose. Bisher gibt es jedoch keine Standards für die Radikalität der Operation, der Lymphknoten-Dissektion im Becken und der pathologischen Bewertung des Gewebes.

In einer Studie korrelierte Harry W. Herr, Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, New York/USA, die operativen und pathologischen Variablen von Patienten nach einer radikalen Zystektomie wegen eines lokal fortgeschrittenen Blasenkarzinoms in den klinischen Stadien T2-4 N0 M0. Dazu wurden die Daten von 637 Patienten ausgewertet, die vom Autor zystektomiert und bilateral lymphadenektomiert und anschließend mindestens 5 Jahre nachbeobachtet wurden (Urology 2003; 61: 105-108).

Die Operation umfasste eine weite Ausräumung des perivesikalen Gewebes um die Blase und Prostata bei Männern und um die Urethra und Vagina bei Frauen. Die standardisierte Lymphadenektomie umfasste die iliakalen, hypogastrischen und obturatorischen Lymphknoten.

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Signifikante Unterschiede in der Überlebenszeit

489 Patienten (77 %) waren Lymphknoten-negativ (keine befallenen Lymphknoten), 148 (23 %) positiv. Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug 59 % (n = 373), 41 % verstarben an dem Tumor. Die lokale Rezidivrate lag bei 9 % (n = 57); 8 % in der Knoten-negativen und 12 % in der positiven Gruppe.

Bei den Patienten mit negativen Lymphknoten bestanden statistisch signifikante Unterschiede in der Überlebenszeit in Korrelation zur Anzahl der Lymphknoten, die untersucht wurden. Eine höhere Überlebenszeit war dann gegeben, wenn 11 oder mehr Lymphknoten entfernt wurden im Vergleich zu 10 oder weniger. In der Knoten-positiven Gruppe war die Überlebensrate höher, wenn 13 oder mehr Lymphknoten untersucht wurden.

Eine signifikante Korrelation bestand zwischen einem lokalen Tumorrezidiv und positiven chirurgischen Rändern. Durch die Entfernung möglichst vieler Lymphknoten verringerte sich die Rezidivrate.

Den Ergebnissen der Studie zufolge haben eine komplette chirurgische Resektion und die pathologische Bewertung der Weichteilränder und des Lymphknotenstatus einen wesentlichen Einfluss auf das Operationsergebnis und die Überlebenszeit. Herr plädiert für eine aggressive Resektion weit um die Blase herum, dadurch kann eine genaue pathologische Stadieneinteilung erfolgen.

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Resezierte Lymphknotenpakete separat an Pathologen verschicken

Laut Herr sollten die resezierten Lymphknotenpakete separat an den Pathologen geschickt werden, weil dann mehr Knoten entdeckt werden. Der Pathologe sollte 11 bis 13 Lymphknoten finden und untersuchen, um einen genauen Lymphknotenstatus zu erhalten. So können Patienten identifiziert werden, die ein hohes Rezidivrisiko haben und deshalb von einer Chemotherapie profitieren. Andererseits werden diejenigen Fälle genauer erkannt, die durch die Operation tumorfrei sind und keine Chemotherapie mehr benötigen.

Die Radikalität der Operation und die Untersuchung möglichst vieler Lymphknoten beeinflusst das Langzeitergebnis von Patienten mit invasivem Blasenkarzinom. Dadurch wird es auch möglich, geeignete Kandidaten für eine adjuvante Chemotherapie zu identifizieren.

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Kommentar zur Studie

Die Forderung nach der routinemäßigen pelvinen Lymphadenektomie als essenzieller Bestandteil der radikalen Zystektomie rückt in greifbare Nähe.

Im Gegensatz zur Radikaloperation des Rektums und des Zervixkarzinoms fehlen für die Zystektomie Empfehlungen und Richtlinien, geschweige denn liegen Standards vor. Die vorliegende retrospektive Studie eines einzelnen Operateurs, der über 16 Jahre in der Hälfte aller Fälle weniger als 10 Lymphknoten an unterschiedliche Pathologen übersandte, zeigt das Ausmaß des Dilemmas selbst an einer Institution wie dem Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, New York. Dennoch spricht das Ergebnis in Übereinstimmung mit den ebenfalls retrospektiven Daten von D. Skinner und J. Leißner für die unmittelbar der Diagnose folgenden radikalen Zystoprostatektomie mit erweiterter Lymphadenektomie.

Eine erste prospektive, randomisierte, multizentrische Studie (J. Leißner et al. 2003, in press) könnte zu verbindlichen Operations-Empfehlungen für eine standardisierte Lymphadenektomie führen. Die Forderung nach der routinemäßigen pelvinen Lymphadenektomie als essenziellen Bestandteil der radikalen Zystektomie - im Jahre 1950 von Boeminghaus erhoben - rückt in greifbare Nähe.

Prof. Rudolf Hohenfellner, Mainz

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Abb. 1 Ausschnitt eines Lymphknotens. Eine komplette chirurgische Resektion und die pathologische Bewertung der Weichteilränder und des Lymphknotenstatus beeinflussen erheblich die Prognose der Patienten mit einem invasiven Blasenkarzinom nach einer radikalen Zystektomie. 1 Kapsel, 2 Randsinus, 3 Marksinus, 4 Rinde (Bild: Taschenatlas der Zytologie, Thieme 1999).

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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

 
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Abb. 1 Ausschnitt eines Lymphknotens. Eine komplette chirurgische Resektion und die pathologische Bewertung der Weichteilränder und des Lymphknotenstatus beeinflussen erheblich die Prognose der Patienten mit einem invasiven Blasenkarzinom nach einer radikalen Zystektomie. 1 Kapsel, 2 Randsinus, 3 Marksinus, 4 Rinde (Bild: Taschenatlas der Zytologie, Thieme 1999).