Einleitung
Gutartige Tumoren der Lunge und der Bronchien spielen im Vergleich zu bösartigen zahlenmäßig nur eine untergeordnete Rolle. Die differenzialdiagnostische Abklärung gegenüber bösartigen Geschwülsten und entzündlichen Veränderungen kann aber häufig mit Schwierigkeiten verbunden sein. Röntgenologisch ist eine Differenzierung selten möglich und auch die bronchoskopische Abklärung verursacht häufig große Probleme. Meist ist eine endgültige histogenetische Einordnung des Prozesses erst am Operationsresektat möglich.
Benigne fibröse Histiozytome machen darin keine Ausnahme. Der relativ häufige Weichteiltumor [1 ] ist in der Lunge eine Rarität [2 ]
[3 ]. Üblicherweise stellen sich diese Tumoren als kompakte solitäre Herde dar. Wir berichten über den Fall eines jungen Mannes, bei dem sich ein benignes fibröses Histiozytom als einschmelzender Lungenrundherd zeigte. Es ist dies unseres Wissens die erste Beschreibung eines benignen fibrösen Histiozytoms mit dem Bild einer Kaverne.
Kasuistik
Anamnestisch traten bei einem 20-jährigen obdachlosen Raucher 2 Monate vor der stationären Aufnahme Hämoptysen auf. Der Patient klagte über zunehmende Belastungsdyspnoe und Husten mit schleimigem Auswurf. Wegen exzessivem Alkoholabusus habe er fast jede Woche erbrechen müssen. Zudem bestand ein mehrjähriger Drogenabusus mit Ecstasy und Haschisch. Wesentliche Vorerkrankungen lagen nicht vor.
Die körperliche Untersuchung und die Routinelaborparameter waren unauffällig.
Radiologisch konnte auf der Aufnahme des Thorax (Abb. [1 ]) ein ca. 2 cm großer Herd mit lufthaltigem, dickwandigem Hohlraum im linken Untergeschoss nachgewiesen werden, der sich computertomographisch (Abb. [2 ]) als isolierter weichteildichter einschmelzender Tumor in S8 darstellte. Ansonsten war das CT unauffällig. Eine erste Bronchoskopie erbrachte keinen richtungweisenden Befund, mikroskopisch kein Nachweis von Tuberkulosebakterien. Aufgrund der Anamnese und des Röntgenbefundes wurde an einen durch Aspiration hervorgerufenen Lungenabszess gedacht und eine antibiotische Therapie eingeleitet. Eine Kontrolluntersuchung zeigte radiologisch weder nach 2 noch nach 5 Wochen Therapie eine Befundänderung. Daher erfolgte eine Rebronchoskopie mit transbronchialer Biopsie.
Abb. 1 Röntgen-Thorax a.-p. mit einschmelzenden Herd im linken Untergeschoss (siehe Pfeil)
Abb. 2 CT-Thorax mit Darstellung einer Kaverne in S8 links.
Die mikroskopische Untersuchung der Probebiopsie zeigte spindelige Zellproliferate mit Zell- und Kernpolymorphien. Immunhistologische Zusatzuntersuchungen ergaben eine deutliche Expression der Zellen für Vimentin, so dass die Verdachtsdiagnose eines malignen mesenchymalen Tumors gestellt wurde. Aufgrund dieses Befundes wurde eine Thorakotomie mit linksseitiger Unterlappenresektion und Lymphadenektomie durchgeführt.
Makroskopisch konnte im Unterlappenresektat ein 1,9 cm großer, mittelfester, gelbbrauner Knoten mit zentraler Erweichung belegt werden. Das Lungengewebe wies infarktartige Einblutungen auf.
Mikroskopisch war der Tumor aus polygonalen bis plump-spindelförmigen Zellen mit spärlich bindegewebigen Stromaanteilen aufgebaut, eingelagert waren abschnittsweise Schaumzellnester, vereinzelt mehrkernige Riesenzellen (Abb. [3 ]). Teilweise war ein storiformes Wachstumsmuster, neben Knäuel- und Wirbelbildungen erkennbar. Die Begrenzung des Tumors zum umgebenden Lungengewebe war relativ scharf. In der Eisenfärbung zeigten sich reichlich Siderinablagerungen. Nur ganz vereinzelt konnten Mitosefiguren nachgewiesen werden.
Abb. 3 Mikrofotogramm eines Histiozytoms mit wirbelförmig angeordneten dicht stehenden fibroblastären und histiozytären Zellformen. Kein Nachweis atypischer Mitosen. Elastica van Gieson Färbung, Vergrößerungsfaktor 480fach.
Immunhistologisch zeigten die Tumorzellen eine positive Vimentin-Expression. Die Untersuchung mit Antikörpern gegen epitheliale, neurogene, melanozytäre oder muskuläre Zellkomponenten verliefen negativ. Die Proliferationsaktivität der Tumorzelle, ermittelt mit MiB1 Antikörper, lag bei 8 - 10 % (Abb. [4 ]). Mit dem Antikörper CD 34 stellte sich ein auffallend dichtes Gefäßnetz dar (Abb. [5 ]), so dass differenzialdiagnostisch zunächst an ein Hämangioperizytom gedacht wurde.
Abb. 4 Immunhistochemische Darstellung des Antikörpers MiB1 mit Hilfe des Proliferationsantigens Ki67. Geringe Proliferationsaktivität mit positiver nukleärer Expression in hier ca. 3 % der Tumorzellen. Vergrößerungsfaktor 560fach, LSAB-Methode.
Abb. 5 Immunhistochemisch positive CD 34-Expression im Bereich kleiner Blutgefäße des stark vaskularisierten Stromabindegewebes des benignen fibrösen Histiozytoms. Vergrößerungsfaktor 560fach, LSAB-Methode.
Zusätzliche Retikulinfaserfärbungen verliefen negativ. Aufgrund des histologischen Wachstumsmusters und des immunhistochemischen Reaktionsausfalls wurde die Diagnose eines fibrohistiozytären Tumors gestellt. Bei fehlendem Nachweis von atypischen Mitosen und fehlender Gefäßinfiltration ergaben sich keine Hinweise für Malignität. Eine Zusatzbegutachtung im Konsultations- und Referenzzentrum für Weichgewebstumoren am Institut für Pathologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena bestätigte die Diagnose eines benignen fibrösen Histiozytoms (BFH) mit auffallend starkem Gefäßreichtum, hier teilweise hämangioperizytomähnlich.
Drei Monate nach der Operation war der Patient in einem sehr guten Allgemeinzustand, Hinweise für ein Tumorrezidiv ergaben sich zum damaligen Zeitpunkt nicht.
Diskussion
Vorkommen
Benigne fibröse Histiozytome sind relativ häufige Weichgewebstumoren. Bei einer großen Datenanalyse eines pathologischen Zentrums der US-Armee waren von annähernd 40 000 gutartigen Weichteiltumoren 13 % BFH [1 ]. Das Geschlechtsverhältnis war dabei fast ausgeglichen, das mittlere Alter betrug 33 (Range: 13 - 57) Jahre. In der Lunge sind BFH jedoch selten [2 ]
[3 ]. Die wirkliche Inzidenz ist unklar. Bezüglich der Alters- und Geschlechtsverteilung gibt es gegenüber der extrapulmonalen Manifestation keine Unterschiede. In der uns vorliegenden Literatur mit der Beschreibung von 25 Einzelfällen betrug das durchschnittliche Alter 34. Der jüngste in der Literatur beschriebene Patient war 3 [4 ], der älteste 71 Jahre alt [5 ]. Das Männer-Frauen-Verhältnis war 1,3 zu 1. Die Angaben decken sich mit anderen Fallsammlungen [2 ]
[3 ]. Eine bevorzugte Lokalisation innerhalb der Lunge gibt es nicht. Der Tumor wächst gelegentlich endobronchial bzw. endotracheal [6 ]
[7 ]
[8 ]. Auch wurde eine Infiltration von mediastinalen Strukturen oder Blutgefäßen beobachtet [2 ]. Ein multilokuläres Wachstum in beiden Lungen wird einmal beschrieben [3 ].
Ätiologie
Stout u. Mitarb. [9 ] subsumierten unter dem Oberbegriff BFH eine heterogene Gruppe gutartiger mesenchymaler Geschwülste der Haut und der Weichteile. Dazu zählen fibröses Xanthom, Dermatofibrom, sklerosierendes Hämangiom, juveniles Xanthogranulom, benigner Riesenzelltumor der Weichteile bzw. der Sehnenscheiden und villonoduläre Synovitis. Die gemeinsame Stammzelle soll nach Meinung der Autoren der Gewebshistiozyt sein. Dessen Pluripotenz soll die Vielzahl dieser eng verwandten Veränderungen erklären. Der Histiozyt kann als Makrophage, Gewebsmonozyt oder als Fibroblast in Erscheinung treten. Das BFH der Lunge wurde und wird mit einer Vielzahl an Namen belegt, was daraufhin deutet, wie schwierig es ist, die Veränderungen richtig einzuordnen. Die Bezeichnungen sind dabei zum Teil rein deskriptiv oder versuchen die Meinung der Autoren über die vermutete Ätiologie der Tumore wiederzugeben: kapilläres Angioreticulom, vaskuläres Endotheliom, sklerosierendes Hämangiom, Xanthofibrom, Histiozytom, Plasmazelltumor, Plasmazellgranulom vom fibrohistiozytären Typ, Mastzellgranulom, xanthomatöser Pseudotumor und „postinflammatory pseudotumor” [3 ]
[10 ]. Letztlich ist die Ätiologie jedoch noch nicht ganz geklärt, wenngleich die Mehrzahl der Autoren glaubt, dass es sich bei den BFH um reaktive postentzündliche Veränderungen handelt [11 ]
[12 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ]
[21 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ], und nur wenige der Meinung sind, dass sie echte Geschwülste darstellen [2 ]
[20 ]
[8 ].
Diagnostik
In 72 % der Fälle imponieren die BFH röntgenologisch als scharf begrenzte, solitäre, solide Rundherde, in 17 % als schlecht zu definierende Läsion und in 11 % als poststenotische Pneumonie oder Atelektase bei intrabronchialem Wachstum [21 ]. Eine radiologisch nachweisbare Kavitation wie in unserem Fall ist unseres Wissens noch nicht beschrieben worden. Die Größe variiert von 1 - 13 cm [8 ]. Kalzifikationen finden sich üblicherweise nicht [3 ]. Der Röntgenbefund ist im Allgemeinen wenig spezifisch, auffallend ist lediglich die meist über einen langen Zeitraum bestehende Größenkonstanz. In der Computertomographie fehlen meist die auf einen malignen Prozess hindeutenden Kriterien, wie Spiculae, Corona radiata, Pleurafinger, einseitige exzentrische Einkerbung etc. Die mediastinalen Lymphknoten sind beim BFH gewöhnlich nicht vergrößert.
Da eine sichere Abgrenzung gegenüber Neoplasien radiologisch nicht möglich ist, sollte eine weitergehende Dignitätsklärung angestrebt werden. Die morphologische Diagnostik des BFH wird zusätzlich durch einen offensichtlichen Polymorphismus der Zellen innerhalb der Läsion erschwert [2 ]
[22 ]
[23 ], so dass aus einer kleinen Probe zumeist keine sichere Aussage über die Dignität der Veränderungen gemacht werden kann. In dem hier beschriebenen Fall sind wir zunächst von einem malignen Tumor (z. B. Kaposi-Sarkom oder malignes Schwannom) ausgegangen. Da der fehlende Nachweis von atypischen Zellen ein Karzinom nicht ausschließt, wird in der Regel eine operative Befundabklärung angestrebt werden müssen. Auch die in der Literatur beschriebenen Fälle wurden meist operativ diagnostiziert.
Histologie
Das mikroskopische Bild des BFH ist durch ein reichlich vaskularisiertes Stroma mit dichtstehenden faserbildenden Fibroblasten, großkernigen histiozytären Zellen und vereinzelt mehrkernige Riesenzellen charakterisiert. Die Zellen ordnen sich wagenradartig (storiform) und wirbelförmig an. Da verschiedene heterogene Zellelemente am Aufbau der Tumore beteiligt sind, ist das Erscheinungsbild sehr heteromorph und auch innerhalb eines Tumors von Areal zu Areal unterschiedlich. Regelhafte Mitosen können vorkommen, atypische Kernteilungsfiguren werden hingegen vermisst.
Die Ursache für die in diesem Fall aufgetretene Kavitation kann in der Proliferation der fibrohystiozytären Zellen liegen, die zu einer Obliteration von kleineren und mittelgroßen Blutgefäßen führen kann. Dadurch kann es zu infarktähnlichen Erscheinungsbildern kommen, die durch sekundäre entzündliche Veränderungen einschmelzen können. Radiologisch imponiert dies dann als Kaverne.
Immunhistochemisch zeigt das BFH eine starke Reaktivität mit Vimentin während die Keratinreaktion negativ verläuft. Der CD 34 Marker ist in den meisten Fällen positiv und CD 31 negativ [22 ].
Bei ausreichender Gewebemenge sollte es problemlos möglich sein, eine Abgrenzung gegenüber dem malignen fibrösen Histiozytom, das sich durch eine hohe Zahl an Kernatypien, atypische Mitosen und einer Pleomorphie der Riesenzellen auszeichnet, vorzunehmen [3 ]. Gal u. Mitarb. [2 ] beschreiben einen so genannten Borderline-Typ, der eigentlich die Kriterien eines BFH erfüllt, aber zwei oder mehr histopathologische Eigenschaften eines malignen fibrösen Histiozytoms besitzt und somit eine Mittelstellung einnimmt. Es wird dadurch die Frage aufgeworfen, ob es einen kontinuierlichen Übergang vom benignen zum malignen fibrösen Histiozytoms gibt.
Therapie und Prognose
Die meisten BFH bleiben in ihrer Größe konstant oder werden sogar spontan kleiner [15 ]. Circa 10 % sollen langsam oder mitunter auch rasch größenprogredient sein [21 ]. Eine entzündliche Infiltration der umgebenden Strukturen, insbesondere des Mediastinums wurde vielfach beschrieben [17 ]
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[31 ]. Eine Invasion der angrenzenden Gefäße scheint ebenfalls keine Seltenheit zu sein [2 ]
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[17 ]. In einem Fall wurde von einer Metastasierung [29 ] und in einem weiteren Fall von einem multilokulären Wachstum berichtet [3 ]. Die Therapie der Wahl ist die chirurgische Entfernung des Tumorgewebes. Zum einem, lässt nur eine repräsentative Gewebeprobe die sichere Differenzierung gegenüber der malignen Verlaufsform zu, zum anderen erscheint auch aufgrund des verdrängenden, komprimierenden und gelegentlich infiltrierenden Wachstumsverhaltens des BFH eine Operation ratsam. Der Herd sollte mit ausreichendem Abstand im Gesunden reseziert werden, da es andernfalls zu einem Tumorrezidiv kommen kann [21 ]
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