Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(51/52): 2691-2694
DOI: 10.1055/s-2003-812551
Weihnachtsausgabe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Von Gänsen, Karpfen, Lebkuchen und Stollen

Geschichte, Medizin und Magie rund um den WeihnachtsschmausOf geese, carp, spice biscuits, stollenHistory, medicine and magic around the Christmas feastW. U. Eckart
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Publication Date:
17 December 2003 (online)

Das Weihnachtsfest ist ein Fest der Besinnung. Es erinnert uns alljährlich an die Geburt Christi in Bethlehem und an die Bedeutung des Erlösers nicht nur für die Christenheit. In seinen weltlichen Aspekten ist das Weihnachtsfest allerdings auch ein kulinarischer Höhepunkt des Festkalenders [1], der nicht ganz grundlos in die kälteste und dunkelste Zeit des Jahres, in die Zeit der Rauchnächte [2] zwischen Heiligabend und Dreikönig, fällt. Das Fest wurde bereits in alter Zeit als Brücke und Lichtblick aufgefasst, und man verband mit ihm nicht nur die Freude über Christi Geburt, sondern auch die Hoffnung auf nahes Licht, wiederkehrende Wärme und den sicheren Frühling. Kaum noch bewusst ist die apotropäische (wunderheilkundliche) Bedeutung der meisten Weihnachtsspeisen als Wunder- und Heilmittel, die sich bereits auf antike Äußerungen über die Heilkraft ihrer Einzelbestandteile bei Celsus, Plinius oder Dioskurides [3] etwa zurückführen lässt und in das Heildenken des Mittelalters und der frühen Neuzeit übernommen wurde. Ein wesentlicher Bestandteil des Festes - nicht nur für Kinder - sind die Süßspeisen: Weihnachtsstollen (als Abbild und Symbol des gewickelten Christkindes), Lebkuchen (von lateinisch „libum” - flacher Fladen), Spekulatius (von lateinisch „speculum” - Abbild; meist Tierbilder, die auf der Grundlage der byzantinischen Tiersymbolik auf Christus hindeuten), Marzipan (von lateinisch „marci-panis” - Markusbrot, weil der Mandelbrei in der venetianischen Ebene unter dem Patronat des hl. Markus beheimatet ist. Im Folgenden soll auf diese Bedeutung bei den bekanntesten und in Mitteleuropa am weitesten verbreiteten Weihnachtsspeisen, der Weihnachtsgans, dem Weihnachtskarpfen, Lebkuchen und Christstollen eingegangen werden. Es wird dabei deutlich, dass es bei diesen kulinarischen Leckerbissen nicht nur um den reinen Sinnengenuss ging, sondern dass immer auch Heilvorstellungen und symbolische Bedeutungen mit ihm verbunden wurden, auch wenn diese Bedeutung heute bei den meisten von uns nicht mehr präsentes Wissen darstellen. (Abb. [1], Abb. [2]).

Abb. 1 „Die Jungfrau mit dem Kinde” (spanisch, um 1200, Altarbild St. Maria de Aviá). Bildarchiv Institut für Geschichte der Medizin, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

Abb. 2 „Das Nachtmahl der Überraschungen” (Miniatur um 1400, aus einem Boccaccio MS, Österr. Nationalbibliothek). Bildarchiv Institut für Geschichte der Medizin, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

Literatur

  • 1 Die schönsten Bräuche zur Weihnacht,. München: Ludwig ausgew. und zusammengest. von Cornelia Osterbrauck, 2., überarb. Aufl 2001
  • 2 Schwarz G. Die Vorweihnachtszeit und „die heiligen zwölf Nächte” : Brauchtum und Volksglauben,. Bayreuth: Regierung von Oberfranken 1985
  • 3 Eckart W U. Geschichte der Medizin,. Berlin, Heidelberg [u. a.]: Springer 2000: 41-84
  • 4 Gans,. Berlin, New York: de Gruyter in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens [im Folgenden zit. als HdDA], Bd. 3 1987: 290-295
  • 5 Gänsefett, . Berlin, New York: de Gruyter in: HdDA, Bd. 3 1987: 296-297
  • 6 Rothschuh K E. Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart,. Stuttgart: Hippokrates 1978: 106-157
  • 7 Schachtafelen der Gesuntheyt,. Strassburg 1533: XXXI
  • 8 Karpfen, . Berlin, New York: de Gruyter in: HdDA, Bd. 4 1987: 1008-1011
  • 9 Gessner C. Fischbuch,. 164a
  • 10 Magnus A. De animalibus I. 24, § 26. 
  • 11 Schwenckfeld. Catalogus 2, S. 429, zit. nach Art. „Karpfen”,. Berlin, New York: de Gruyter in: HdDA, Bd. 4 1987: 1010
  • 12 Lebkuchen,. Berlin, New York: de Gruyter in: HdDA, Bd. 5 1987: 986-995, bes. 988 - 990.
  • 13 Stollen,. Berlin, New York: de Gruyter in: HdDA, Bd. 8 1987: 488-492

Prof. Dr. Wolfgang U. Eckart

Institut für Geschichte der Medizin, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 327

69120 Heidelberg