Aktuelle Urol 2003; 34(7): 445-450
DOI: 10.1055/s-2003-814729
Qualitätsmanagement

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Abschlag auf alle Krankenhausrechnungen - Krankenhäuser zur schnellen Reaktion aufgefordert - ärztliches Know-how ausschlaggebend

Helmut Hildebrandt1 , Hildegard Hesselmann1 , Wolfgang Nagel1
  • 1Hamburg
Weitere Informationen
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Helmut Hildebrandt
Hildegard Hesselmann
Wolfgang Nagel

Hamburg

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
04. Dezember 2003 (online)

 
Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Das Gesetz zur GKV-Modernisierungsreform sieht vor, dass Krankenhäusern und Kassenärztlichen Vereinigungen bei allen Rechnungen ab dem 1. Januar 2004 bis zu 1 % der Rechnungssummen seitens der Krankenkassen einbehalten und nicht überwiesen werden. Diese 1 % sind seitens der Krankenkassen stattdessen für Versorgungsverträge nach dem § 140a Integrierte Versorgung (IV) zu nutzen (bzw. Anfang 2007 wieder zurückzuzahlen, soweit diese nicht bis dahin für IV-Verträge genutzt wurden.) Die Politik will mit diesem energischen Signal die beschleunigte Umsetzung der angestrebten IV durchsetzen.

Nach Rücksprache mit Krankenkassen ist zurzeit davon auszugehen, dass die Kassen sich dieser Möglichkeit in vollem Umfang bedienen werden, so dass Kliniken und Kassenärztliche Vereinigungen von einem 1 %igen Erlösausfall ausgehen sollten. Frage: Welche Handlungsmöglichkeiten bestehen?

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1. Einschlägige Veränderungen im Gesetz

Integrierte Versorgung (IV) wird erheblich vereinfacht und mit einer Reihe von finanziellen Anreizen ausgestattet, die sowohl die Krankenkassen als auch die jetzigen Leistungsanbieter zur beschleunigten Vereinbarung von Verträgen zu IV anreizen. Zusätzlich wird der Kreis der möglichen Vertragspartner auch auf Träger medizinischer Versorgungszentren sowie klassische Kapitalgesellschaften (Managementgesellschaften) erweitert, so dass in nächster Zeit auch mit dem Aufkommen neuer Anbieter zu rechnen ist.

  • Einführung des zeitbegrenzten 1 %-Abschlags auf die Krankenhaus- und Kassenärztlichen Vergütungen - als Anreiz zur beschleunigten Entwicklung von IV-Systemen

  • Ermöglichung von Ausschreibungen zur pharmazeutischen Versorgung in IV-Verträgen mit Variation von Struktur und Qualität und damit den Kosten und Distributionsbedingungen der Arzneimittel

  • Aufhebung der Notwendigkeit zu komplizierten Budgetbereinigungen und Rahmenvereinbarungen sowie konkreter Wegfall der bisherigen Rahmenvereinbarungen / keine Bereinigung des Budgets mehr für Krankenhäuser notwendig, d.h. für Krankenhäuser wird die Verhandlung einfacher

  • Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nicht mehr mögliche Vertragspartner, da die Politik ihnen Interessenkonflikte unterstellt, wenn sie gleichzeitig als Körperschaft öffentlichen Rechts zur neutralen Beratung und Vertretung aller Kassenärzte berufen sind und im Rahmen der IV Interessen von speziellen Gruppen von Ärzten gegenüber anderen vertreten sollten

  • Ermöglichung von Managementgesellschaften als Vertragspartner für Krankenkassen im Rahmen der IV

  • Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Verträge der IV, die bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossen werden, aufgehoben. Dies bedeutet, dass die Krankenkassen auch evtl. notwendige infrastrukturelle Investitionen aus den eingesparten 1 % finanzieren können

  • Die Leistungserbringung innerhalb der IV ist zukünftig nicht mehr an den Zulassungs-, Ermächtigungs- oder sonstigen Berechtigungsstatus der beteiligten Leistungserbringer gebunden. D.h. Krankenhausärzte können innerhalb des dann vorhandenen Vergütungsdaches auch ohne Zulassung ambulant und Niedergelassene auch stationär arbeiten

  • Die Vertragspartner in IV-Verträgen können auch vereinbaren, dass die Versicherten ohne Zuzahlung nur bestimmte Leistungserbringer in Anspruch nehmen dürfen. D.h. man könnte ein integriertes Versorgungsmodell entwickeln, das eine begrenzte Zahl von Leistungserbringern vorsieht

  • Der Gesetzgeber ermöglicht Krankenhäusern die Etablierung so genannter „Medizinischer Versorgungszentren” (§ 95 Abs.1) zur fachübergreifenden ambulanten Versorgung, in denen Ärzte angestellt oder freiberuflich tätig sein können. Die Versorgungszentren können Praxissitze kaufen bzw. sich für freie Praxissitze bewerben. Sie erhalten eine institutionelle Zulassung für Ärzte, die ansonsten aber die erforderlichen Qualifikationen nachzuweisen haben. Die Zentren rechnen für diese Ärzte mit der KV nach den jeweiligen Vergütungsregelungen ab. Angestellte Klinikärzte mit entsprechenden Qualifikationen können ebenfalls für solche Zentren arbeiten (und ein Krankenhaus kann für sie die Zulassung erwerben), Präsenzpflichten für die ambulante Vertragstätigkeit sind nicht vorgesehen, d.h. auch eine 10-stündige Öffnung einer spezialisierten Ambulanz wäre möglich

  • Krankenhäuser werden vom Gesetzgeber geöffnet für spezialisierte ambulante Leistungen nach § 116 b Abs. 2-4 mit einem vom Gesetzgeber bereits vorgegebenen Katalog. Dieser Katalog wurde in der MBZ bereits an anderer Stelle beschrieben, deshalb verzichten wir hier auf eine detaillierte Darstellung. IV und Nutzung des §116 lassen sich gegenseitig aber hervorragend kombinieren

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2. Exkurs: Was versteht der Gesetzgeber unter integrierter Versorgung

In der Begründung des Gesetzentwurfs stellt der Gesetzgeber fest: ”Die Neufassung verzichtet auf die beschreibende Darstellung der IV. Sie ist fokussiert auf den „Kern” der IV: Krankenkassen und Leistungserbringer schließen autonom Verträge über die Versorgung der Versicherten außerhalb des Sicherstellungsauftrags nach § 75 Abs. 1. Die Versorgung wird auf einzelvertraglicher Grundlage und nicht im Rahmen eines kollektivvertraglich vereinbarten Normensystems durchgeführt.”

Weise beschränkt sich der Gesetzgeber auch in der Formulierung der Rahmenbedingungen und behauptet: „Auch erhalten damit die am Aufbau IV Beteiligten die Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume, die für die Ausgestaltung der die Integration konstituierenden Verträge und für innovatives unternehmerisches Handeln notwendig sind. Der Wettbewerb um eine sachangemessene und kluge Integration der verschiedenen Leistungsbereiche setzt voraus, den Akteuren vor Ort Freiheit zur Gestaltung in Eigenverantwortung einzuräumen. ”

An anderer Stelle der Begründung (zu Punkt d in § 140c) lässt der Gesetzgeber ein wenig mehr davon erkennen, was er unter IV versteht: „Sinn einer integrierten Versorgung ist vor allem, die bisherige Abschottung der einzelnen Leistungsbereiche zu überwinden, Substitutionsmöglichkeiten über verschiedene Leistungssektoren hinweg zu nutzen und Schnittstellenprobleme so besser in den Griff zu bekommen. Die medizinische Orientierung des Leistungsgeschehens hat Priorität. Anstrengungen zur Qualitätssicherung und zur optimierten, die Leistungssektoren übergreifende Arbeitsteilung unter Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsgesichtspunkten sollen gefördert und nicht durch bestehende Zulassungsschranken behindert werden. ”

Gleich zu Beginn des § 140 a Abs.1 macht eine kleine Veränderung im Wortlaut aber deutlich, dass beide bisher in Deutschland diskutierten und umgesetzte Varianten von IV unter dem § 140 subsumiert werden. Dort sieht der Gesetzgeber vor, dass die Krankenkassen Verträge über „eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung" der Versicherten oder „eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung" abschließen können, und beschreibt damit die beiden entwickelten Varianten:

1. Indikationenbezogene interdisziplinär-fachübergreifende IV etwa in der Form von Komplexpauschalen oder zeitbegrenzten Budgetübernahmen für bestimmte Operationen, wie Hüftendoprothesen, Prostataentfernungen etc. - hier als die „Light-Variante” bezeichnet. (Beispiele sind etwa Verträge der AOK in Essen, Wiesbaden u.a., Verträge zwischen LBK-Hamburg und DAK, LBK-Hamburg und TK sowie zwischen Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein und einem Belegkrankenhaus in Lübeck.)

In Erweiterung hierzu sind auch zeitbegrenzte Komplexpauschalen denkbar, etwa für die Aufnahme eines Patienten in eine Klinik und die darauf aufbauende indikationsbezogene Verantwortungsübernahme auch für eine Zeit nach dem Klinikaufenthalt mit Verhaltenstrainings und Einhaltung bestimmter Blutwerte oder Wirksamkeitsspiegeln bis hin zur garantierten Wiederaufnahme in die Klinik bei entsprechender Nichteinhaltung. So arbeiten wir zurzeit beispielsweise an einem entsprechenden Modell für die Urologie und die Psychiatrie, weitere Indikationen sind denkbar.

2. Vollumfängliche Verantwortungsübernahme für alle Versicherte einer Krankenkasse einer definierten Region mit einem verschiedene Leistungssektoren übergreifend wirkenden Gesamtbudget - hier als die „Full Size-Variante" bezeichnet. (Beispiele sind etwa die Prosper-Modelle der Bundesknappschaft, die Planung der Integrierten Versorgungsgemeinschaft Elbe-Jeetzel, der Vertrag zur Einrichtung von Integrierten medizinischen Diensten von 4 Behinderteneinrichtungen in Niedersachsen gemeinsam mit vier Kassenverbänden.)

Diese Variante ist ökonomisch und medizinisch besonders viel versprechend, erlaubt sie doch den maximalen Einsatz von allen zur Verfügung stehenden Hebeln zur Versorgungsoptimierung und über alle Bereiche (Arzneimittel, Transporte, stationär, ambulant, Reha, Häusliche Krankenpflege, Krankengeld etc), erfordert aber auch ein entsprechend verantwortungsbewusstes Steuerungssystem über alle Indikationen hinweg.

Beide Varianten sind zu prüfen und können einzeln pur oder auch in unterschiedlichen Mischformen angewandt werden. Zu beachten ist dabei, dass die zweite Variante voraussichtlich langfristig für die Krankenkassen die attraktivere Variante ist (Näheres unter der Homepage der Verfasser: www.gesundheitsconsult.de/Aktuel.htm).

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3. Erste Reaktionen der Krankenkassen

Seitens der Krankenkassen werden die Neuregelungen mit Interesse verfolgt und als ein positives Zeichen des Gesetzgebers gesehen, die IV wirklich mit Schubkraft zu versehen. Die Integrationsexperten der Bundesverbände von AOK wie auch VdAK und BKK heben dabei vor allem die Reduzierung der Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen hervor, die sie in den letzten Jahren eher als Verhinderer denn als Förderer erfahren haben. Insgesamt scheinen sich die Krankenkassen zurzeit darauf verständigt zu haben, grundsätzlich die 1 % von den Krankenhausrechnungen in vollem Umfang einbehalten und intensiv und kurzfristig Verträge abschließen zu wollen.

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4. Was macht die integrierte Versorgung für die Politik so interessant? Gewinn durch Minimalisierung statt durch Maximalisierung

Der entscheidende Unterschied zwischen einer IV als Regelversorgung und der bisherigen sektoral aufgeteilten Versorgung ist die Veränderung der Anreizwirkungen der Ökonomie. In einer IV mit einem dynamisierten Gesamtbudget für eine definierte Zahl von Versicherten - also der „Full-Size-Variante" nach der vorne vorgestellten Definition - hat der Verantwortliche für die Leistungserbringung = der Träger der IV ein nicht nur medizinisches und medizinethisches, sondern zusätzlich auch ein ökonomisches Interesse an der Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung seiner Versicherten. Er übernimmt in gewissem Sinne die Verantwortungsebene einer Krankenkasse und erhält dazu gleichzeitig erheblich erweiterte Steuerungsmöglichkeiten auf der lokalen Ebene für die jeweils lokal optimal erbrachte Gesundheitsversorgung - und der Patient bzw. Versicherte kann wählen, ob er sich diesem Modell anschließen will oder nicht.

Mit einem solchen Modell wird das Geschäftsmodell im Gesundheitswesen umgekehrt. Während sich bisher die Leistungserbringer neben ethischen Überlegungen des medizinischen Handelns auch kaufmännische orientiert auf eine Maximierung von Leistungen und Umsätzen hin ausrichten mussten - wenn auch in Teilen begrenzt durch den Rahmen der vereinbarten Budgets, so wird der Träger eines Integrierten Versorgungssystems seine medizinische und kaufmännische Klugheit darauf ausrichten, durch Schnittstellenorganisation, ein Reengineering des Versorgungsprozesses, durch geeignete Patientenbeteiligung und Gesundheitsförderung/Prävention den Versicherten zu möglichst geringer Inanspruchnahme des (kostenintensiven) medizinischen Versorgungssystems zu bewegen.

Angesichts der nach oben prinzipiell offenen Kosten des Medizinsystems, aber begrenzten Ressourcen im solidarisch finanzierten Teil der GKV, hat die Politik im Sinne der Gesellschaft gar keine andere Chance, als diese radikale Umorientierung der ökonomischen Anreize mit Druck in das deutsche System hinein zu implantieren.

Internationale Beispiele und vielfältige Berichte aus der deutschen Fachliteratur weisen auf, dass in der „Full Size-Variante” und der optimalen Kombination von Verantwortungsübernahme und Reorganisations-Freiheitsräumen in einem Prozentsatz von bis zu 20 % Reserven der jetzigen sektoral begrenzten Gesundheitsversorgung gehoben werden können. Auch bei einer Gegenrechnung von Investitionsbedarfen und Aufwendungen für die Steuerungsleistungen und das System-Know-how ist weiterhin mittelfristig auch bei konservativer Rechnung und einer Marktdurchdringung von etwa 50 % mit einer mindestens mit 3 %, eher mit 5 % auf die Gesamtkosten der Gesundheitsversorgung anzusetzenden Einsparungsmöglichkeit zu rechnen, d.h. ca. 5-7 Milliarden Euro, bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung in etwa gleicher prozentualer Größenordnung. Die Erfahrungen der Bundesknappschaft mit ihrem Prosper-Pilotversuch einer IV gelangen sogar zu noch höheren Einsparerfolgen.

Sogar bei Abzug ansehnlicher Unternehmensgewinne der Vertragspartner sind hier noch erhebliche Reserven für die GKV bzw. zumindest für eine Verschiebung von Kostensteigerungen durch Medizin- und Demografie-Effekte zu finden, mit 3-5 Milliarden Euro ist dabei zu rechnen.

Nicht ganz in dieser Dimension, aber dennoch recht interessant für die Krankenkassen sind auch die Ergebnisse von zeitbegrenzten Budgetübernahmen für bestimmte Hochkostensegmente der Versorgung. Hierbei ist von MS- und HIV-Erkrankungen über Demenz und urologische wie rheumatische und Erkrankun- gen im HKH wie im neurologischen Bereich an ein breites Spektrum zu denken.

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5. Wie können Krankenhausärzte reagieren?

Angesichts der Umsatz- und Ertragsbedeutung des 1 %igen Abzugs müssen Krankenhäuser und Ärztegruppen kurzfristig reagieren und sich auf den Abschluss eines Vertrags zur IV vorbereiten. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Krankenkassen mit allen Interessenten IV-Verträge vereinbaren werden. Es werden zwar alle Leistungsanbieter die 1 %- Abgabe entrichten müssen, aber nur wenige werden im Rahmen der IV davon profitieren. Die Zügigkeit der Vorbereitung wird hier zum Erfolgsfaktor im Wettbewerb der Interessenten untereinander. Eine mögliche Vorgehensweise könnte folgendermaßen aussehen:

  1. Für Krankenhäuser bzw. Ärztegruppen: Berechnung der Umsatzeinbuße bei 1 % Rechnungsabzug auf alle Leistungen.

  2. Entscheidung über die Vorgehensweise - zu treffen in Abhängigkeit von den vorhandenen freien Managementressourcen und Kompetenzen, von den Investmentmöglichkeiten sowie von der Höhe der Umsatzeinbuße nach einer ersten Stärken-Schwächen-Analyse zur IV für ihre Situation. Ziel: Noch in 2003

    • Entwicklung einer eigenen Strategie für einen Vertrag zur IV im Bereich der „Light-Variante” - soweit klar definierte Behandlungsstränge zu Produktverträgen genutzt werden können, die den 1 % -Abzug wieder zurückführen

    • Entwicklung einer eigenen Strategie für einen Vertrag zur IV nach dem „Full-Size-Modell” - soweit eine Erweiterung des Geschäftsmodells auch aus anderen Gründen interessant erscheint - immerhin geht es bei Full-Size-Verträgen um Größenordnungen von durchschnittlich um die 1700-2000 Euro pro Versicherten, d.h. mit einem verantworteten Umsatzvolumen von 20 Mio. Euro wäre zu rechnen. Neben der inhaltlichen Entscheidung für eine der beiden Varianten (die parallele Verfolgung beider Strategien ist ebenfalls möglich) ist eine Entscheidung erforderlich, ob die konkrete Ausarbeitung und Aushandlung

    • intern mit eigenen Managementressourcen erfolgen soll

    • in Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern: als externe Berater oder als externe Beteiligungspartner, die ihrerseits Know-how und Investment gegen eine Beteiligung an einer gemeinsamen IV-Trägergesellschaft zur Verfügung stellen.

  3. Ausarbeitung einer Konzeption für den Einstieg in Verhandlungsgespräche. Ziel: möglichst früh in 2004.

  4. Führung der Verhandlungen, Berechnung von Wirtschaftlichkeit und Sekundäreffekten, Investitionsplanung, Risikokalkulationen, Berechnung von Vergütungssummen und Veränderungsindizes etc., vorbereitende Entwicklungen von integrierten Behandlungsmustern, Qualitätsvereinbarungen - je nach Vertragsmodell ist mit mind. 2-5 Monaten zu rechnen.

  5. Frühest zu erwartender Start des Vertrags zur IV ist das 3. Quartal 2004.

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6. Was könnte beispielhaft in der Urologie im Rahmen der IV umgesetzt werden?

In der Urologie liegen inzwischen erste Erfahrungen mit Einzelverträgen vor, die nach den Vorgaben der alten Gesetzeslage zur integrierten Versorgung geschlossen wurden und in gewissem Sinne als Komplexpauschalen fungieren (= „Light-Variante” in unserer Typologie). U.a. liegen solche Einzelverträge für die transurethrale Resektion von Blasentumoren im AK Barmbek, einem Krankenhaus des LBK Hamburg, vor und wurden u.a. mit DAK und TK abgeschlossen (vgl. Veröffentlichungen u.a. in Klinik-Management-Aktuell 7/2003, S. 16).

Weitere denkbare Indikationen, an denen die Verfasser zurzeit konzeptionell arbeiten sind die Urolithiasis sowie die benigne Prostatahyperplasie. Zu letzterer hier einige erste Ansätze:

Die benigne Prostatahyperplasie ist eine geeignete Indikation, die im Rahmen einer indikationsbezogenen, Sektoren übergreifenden Komplexpauschale bedient werden kann. Zwischen Krankenhaus und niedergelassenen Kollegen werden diagnostische und therapeutische Schritte mit Zuordnung zum jeweiligen Leistungserbringer (stationär/ambulant) und unter Berücksichtigung der medizinischen Evidenz anhand einer gemeinsam erarbeiteten Leitlinie festgelegt. Diese werden mit der/den Krankenkassen verhandelt und preislich fixiert. Die Leitlinien beschreiben

  • die prästationäre Leistungserbringung

  • das Ziel, die Operation spätestens z.B. 2 Tage nach der Aufnahme durchzuführen

  • alle erforderliche Untersuchungen

  • die Verweildauer (z.B. 6 Tage)

  • die unblutige Entlassung als Voraussetzung der Entlassung

  • die Organisation der ambulanten Nachsorge (inkl. Entfernung des Katheters)

  • die Nachuntersuchung

  • die Wiederaufnahme wegen der selben Erkrankung innerhalb eines definierten Zeitraumes

  • und nicht zuletzt Art und Inhalt der Information des Patienten.

Die Preise werden pauschaliert und können entsprechend der Fallzahlen bei Überschreitung entsprechender vereinbarter Mengen rabattiert werden. Bei allen Modellen ist jeweils zu berücksichtigen, dass nur Win-win-Lösungen für die interessierten Leistungsanbieter und die Krankenkassen zu einem Vertragsabschluss führen werden. Je länger der Zeitraum definiert ist, für die bei Wiederaufnahme wegen derselben Erkrankung (oder sogar noch darüber hinaus für alle urologischen Erkrankungen) die Kostenübernahme durch den Vertragspartner festgelegt ist, umso mehr verändert sich der Charakter von der Light- zur Full-Size-Variante.

Übrigens: Auch in einer echten Full-Size-Variante hat die Urologie natürlich ein interessantes Know-how über mögliche kostensparende und qualitätsverbessernde Behandlungsformen einzubringen.

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7. Checkliste für Ärzte mit Ideen zur integrierten Versorgung

Vorbemerkung: Diese Checkliste richtet sich primär an Krankenhausärzte. Niedergelassene mögen diese Fragen analog auf ihre Situation übertragen bzw. sich gern an die unten angegebenen Verfasser wenden.

  • Sind wir eher in der allgemeinen Grund- und Regelversorgung tätig oder in der hochspezialisierten Versorgung?

  • Haben wir Mitarbeiter in unserer Klinik, die sich in jüngerer Zeit mit Krankenhausmanagementfragen, Vernetzungsfragen, Sozialepidemiologie und Gesundheitssystemanalyse sowie Medical Controlling, Managed Care und entsprechender IT intensiver beschäftigt haben?

  • Liegen bei uns im Haus Erfahrungen vor mit einer Zusammenarbeit mit Niedergelassenen? Ist das für uns noch ein quasi jungfräuliches Gebiet?

  • Genießen wir ein hohes fachliches Ansehen und eine gute Reputation - oder beschränken sich diese auf einzelne Bereiche?

  • Wie gut sind unsere internen Kooperationserfahrungen - sowohl innerhalb der ärztlichen Disziplinen unseres Hauses, wie aber auch zwischen Pflege, Verwaltung, Ärzteschaft, Apotheke und Geschäftsführung?

Angenommen, grundsätzlich sind die Ausgangsbedingungen ausreichend, um sich genauere Überlegungen zu Art und Ausprägung eines Vertrags zur IV zu machen. Noch einmal zur Erinnerung: Budgetübernahme lebt ökonomisch gesehen aus dem Delta zwischen den Kosten der normalen Versorgung und denen einer klüger gesteuerten optimierten Versorgung. Komplexpauschalen leben ökonomisch aus der möglichen Fallzahlsteigerung - allerdings werden die Krankenkassen anklopfen bez. einer Preisdegression bei Mengensteigerung. Beide Versionen sind nebeneinander für unterschiedliche Krankenkassen möglich.

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A. Grund- und Regelversorgung: Modell einer Budgetverantwortungsübernahme für die lokale Bevölkerung

  • Wie groß ist unser Einzugsbereich und gibt es in unserem Einzugsbereich eine Krankenkasse mit mindestens 10000 (besser 20000) Versicherte? Erst wenn diese Mindestzahlen erreicht werden, lohnt sich in der Regel ein Engagement - je geringer die Versichertenzahlen sind, um so stärker machen sich Zufälligkeiten bei Hochkosten unangenehm bemerkbar (diese sind zwar im Prinzip durch Stopp-Loss-Vereinbarungen zu begrenzen, besser ist allerdings eine interne Begrenzung durch eine ausreichend hohe Zahl).

  • Wie setzt sich die Bevölkerung zusammen, werden die Versorgungskosten eher unter oder über dem Durchschnitt in Deutschland liegen? Wie mobil ist die Bevölkerung? Diese Fragen gehen schon ein wenig in die Kalkulation des Höhe des Gesamtbudgets, sie berühren aber gleichzeitig auch noch die Frage der Machbarkeit, da ja immer mit bedacht werden muss, wie die Versicherten, die Niedergelassenen, die Krankenkassen und auch die Klinikmitarbeiter reagieren werden. Eine hohe Mobilität der umliegenden Bevölkerung ist übrigens eher hinderlich für den möglichen Ertrag aus einer IV, da in einem solchen Fall die eingesetzten Investments von Aufklärung, Patiententrainings im Management der Krankheiten und Complianceförderung Gefahr laufen, wegen Wegzugs aus dem Einzugsbereich, verloren zu gehen.

  • Weshalb sollen die Versicherten uns besonders vertrauen, dass wir mit einer IV tatsächlich ihre Versorgung verbessern wollen? Vertrauen ist tatsächlich ein besonderes Gut im Gesundheitswesen, und gerade einige amerikanische Managed-Care-Organisationen haben gezeigt, wie schnell und (wahrscheinlich auch unwiderbringlich) man das zugunsten eines kurzfristigen Profits verspielen kann. Konfessionelle - in den USA besonders katholische - Träger - haben deshalb besondere Vorteile bez. der Akzeptanz von integrierten Versorgungslösungen bewiesen. Aber auch andere Träger mit entsprechender Historie von gemeinnützigem Engagement, der Unterstützung von Obdachlosen, von Bürgerkriegsopfern, von Familienzentren und einem langen Engagement in der Gesundheitsförderung und Prävention können hier Vorteile nutzen.

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B: Hochspezialisierte Versorgung - Option: Komplexpauschalen oder indikations- spezifische Budgetübernahmen

  • In welchen Indikationsbereichen haben wir die größten Unterschiede zwischen den DRG-Kosten einer stationären und einer evtl. preisgünstigeren ambulanten Erbringung von Leistungen (wenn man frei wäre von komplizierten Zulassungsregeln und selber notfalls auch ambulante Angebote neu aufbauen könnte)? Sind unsere Fallzahlen bzw. die Gesamtfallzahlen in dieser Indikation (und das mögliche Delta) in einer Größenordnung, dass sich ein Engagement von uns lohnen könnte? Provisorische Berechnung des möglichen Deltas aus den Kosten der heutigen Art der Versorgung und den Kosten einer medizinisch und ökonomisch optimierten Versorgung.

  • Müssen wir Sorgen haben, dass sich in Verbindung mit einem Vertragsschluss herausstellt, dass heute eine Unterversorgung herrscht und dass wir mit Zusatzanforderungen von Seiten der Versicherten konfrontiert werden?

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Abb. 1 In Krankenhäusern können zukünftig spezialisierte ambulante Leistungen erbracht werden (Bild: Archiv).

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Abb. 2 Die Zusammenarbeit mit Niedergelassenen ist für Krankenhausärzte unter Umständen ausbaufähig (Bild: Archiv).

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Helmut Hildebrandt
Hildegard Hesselmann
Wolfgang Nagel

Hamburg

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Helmut Hildebrandt
Hildegard Hesselmann
Wolfgang Nagel

Hamburg

 
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Abb. 1 In Krankenhäusern können zukünftig spezialisierte ambulante Leistungen erbracht werden (Bild: Archiv).

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Abb. 2 Die Zusammenarbeit mit Niedergelassenen ist für Krankenhausärzte unter Umständen ausbaufähig (Bild: Archiv).