NOTARZT 2004; 20(3): 103-104
DOI: 10.1055/s-2003-814890
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bodybuilding

F.  Martens1
  • 1Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
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Publication Date:
17 May 2004 (online)

Der Fall

Der Notarzt wird unter dem Stichwort „heftiger Brustschmerz” in ein Sportstudio gerufen. In Gegenwart anderer Sportler sei der Patient dort an einem Kraftgerät besinnungslos geworden und habe kurz gezuckt. Vor dem Notarzt war der RTW bereits eingetroffen und hatte bei dem Patienten keine Vitalfunktionen festgestellt und daraufhin mit kardiopulmonaler Reanimation begonnen. Der halbautomatische Defibrillator hatte Defibrillation empfohlen. Diese sei bisher einmal durchgeführt worden. Nach drei weiteren Zyklen Herzdruckmassage und Beatmung sei der Patient rosig geworden und der Puls war wieder tastbar geworden. Beim Eintreffen des Notarztes besteht Spontanatmung, der Puls ist kräftig tastbar und beim Legen eines venösen Zugangs versucht der Patient den Arm wegzuziehen. Trotz der Bewusstlosigkeit wird zunächst auf eine Intubation verzichtet und vorerst nur Sauerstoff über eine Maske verabreicht. Die weitere körperliche Untersuchung zeigt einen 32-jährigen muskulösen Mann. Über der Lunge ist Vesikuläratmen zu auskultieren, pathologische Herzgeräusche liegen nicht vor, das Abdomen ist gut eindrückbar ohne Hinweise auf pathologisches Geschehen, lediglich die Leber ist gut handbreit unter dem rechten Rippenbogen tastbar. Der Blutdruck beträgt 180/110 mm Hg, die Herzfrequenz 116/min. Das Monitor-EKG zeigt eine Sinustachykardie; im nachfolgend angefertigten 12-Kanal-EKG zeigen sich in V2 - V5 deutliche, infarkttypische ST-Streckenhebungen. Nach Gabe von Azetylsalizylsäure und Heparin i. v. wird Kontakt mit dem Herzkatheterlabor aufgenommen und der Patient in notärztlicher Begleitung dorthin gebracht. Auf der Fahrt klart er zunehmend auf und kann beim Eintreffen im Krankenhaus bereits seinen Namen und seinen Geburtstag nennen.

Die Koronarangiographie ergibt keinen Koronarverschluss, allerdings eine hochgradige langstreckige Engstellung des RIVA, die sich erst nach Gabe von Nitroglyzerin intrakoronar zurückbildet und schließlich wieder einen vollständigen Blutfluss durch das Herzkranzgefäß ermöglicht.

Während des nachfolgenden Aufenthaltes auf der Intensivstation kann mithilfe der Ehefrau des Patienten die Anamnese komplettiert werden:

Seit über zehn Jahren betreibe ihr Mann Bodybuilding. Dazu habe er auch ständig Energiedrinks und Ernährungszusatzstoffe eingenommen. Seit einigen Monaten habe er zusätzlich ein spezielles pflanzliches Mittel per Internet aus Spanien besorgt und regelmäßig eingenommen. Seither habe sie ihn jedoch ständig angespannt und nachts häufig schlaflos erlebt.

Auf der mitgebrachten Packung des „Diätergänzungsmittels” sind als Inhaltsstoffe Ephedrin und Koffein angegeben.

Eine Literaturrecherche ergibt, dass diese beiden Substanzen, besonders in Kombination, wiederholt zu Koronarspasmen, in einer Reihe von Fällen sogar zum Tod geführt haben.

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité - Universitätsmedizin Berlin · Campus Virchow Klinikum · Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

Email: frank.martens@charite.de