Suchttherapie 2004; 5(1): 41-48
DOI: 10.1055/s-2004-812957
Abstracts
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Infektionserkrankungen bei intravenös Drogengebrauchenden: Hepatitis C - eine interdisziplinäre Herausforderung

Hamburg, 10./11. Oktober 2003Infection Diseases in Injecting Drug Users: Hepatitis C - an Interdisciplinary ChallengeJens Reimer1 , Markus Backmund2
  • 1Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung, Universität Hamburg
  • 2Krankenhaus München-Schwabing
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Publication Date:
21 September 2005 (online)

Table of Contents

Innerhalb der letzten 15 Jahre wurde aus der vagen Non-A-non-B-Hepatitis eine genauer charakterisierbare Erkrankung, die in den meisten Fällen der Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) ent­sprach. Die Infektion mit dem HC-Virus stellt eine Hauptursache für die Entwicklung einer chronischen Hepatitis sowie der Leberfib­rose, die in einer nicht unerheblichen Anzahl der Fälle in eine Leber­zirrhose oder in selteneren Fällen in ein Leberkarzinom übergehen kann, dar. Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich durch die Einführung einer Kombinationstherapie mit pegylierten Interferonen und Ribavirin deutlich verbessert, wobei die Frequenz einer dauerhaften Virusunterdrückung zwischen 45 und 90 % in Abhängigkeit vom viralen Genotyp liegt. Während die Prävalenz der HCV-Infektion in den westlichen Industrieländern zwischen 1 und 3 % liegt, erreicht diese Quote bei ­intravenös Drogengebrauchenden bis zu 95 %. Die Behandlung der HCV-Infektion beschränkt sich allerdings oftmals auf nicht Drogengebrauchende unter den Annahmen einer schlechten Adhärenz, hohen Re-Infektionsraten und komplizierten Nebenwirkungen bei Drogengebrauchenden. Bei Ausschluss bestimmter - ins­besondere marginalisierter - Patientengruppen von medizinisch ­indizierten Therapien stellt sich jedoch die Frage nach Diskriminierung. Umfangreiche Literatur zeigt, dass die Adhärenz Drogengebrauchender in einem spezialisierten Setting genauso hoch sein kann wie bei nicht Drogengebrauchenden. Ebenso zeigen erste Studien zur Behand­lung der HCV-Infektion bei Drogengebrauchenden - ebenfalls ein spezialisiertes Setting vor­ausgesetzt - eine gleich hohe Erfolgsrate wie bei nicht Drogengebrauchenden. Die Leitlinien zur Behand­lung der HCV-Infektion bei Drogengebrauchenden in den EU-Ländern sind uneinheitlich und der Zugang zur Behandlung ist für diese Personengruppe erschwert. Um diese Beschränkungen abzubauen, haben das Kompetenznetz Hepatitis, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ), die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) und das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg nationale und internationale Experten im Bereich der HCV-Behandlung zu dem Workshop „Infektionserkrankungen bei intravenös Drogengebrauchenden: Hepatitis C - eine interdisziplinäre Herausforderung” am 10./11. Oktober 2003 nach Hamburg einge­laden. Ziele des Workshops waren, das Ausmaß des Problems in ­epidemiologischen und ökonomischen Dimensionen zu diskutieren, den Einfluss der Infektion auf ­zerebrale und hepatische Funktionen ­insgesamt zu erfassen und Behandlungsansätze unter spezieller ­Berücksichtigung Drogengebrauchender zu erarbeiten. Da Behand­lungsleit­linien eine herausragende Rolle für Akzeptanz und Umsetzung von Behandlungsformen spielen, wurde dieses Forum auch zur Diskussion von möglichen Formulierungen von Leitlinien zur HCV-Behand­lung genutzt.

Die folgenden Seiten enthalten die Abstracts der auf dem Workshop gehaltenen Vorträge. Einzelne Präsentationen können auch unter www.zis-hamburg.de abgerufen werden. Im Namen des Kompetenznetzes Hepatitis, der Deutschen Gesellschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter, der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin sowie des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg danken wir Brian Edlin (New York), Daniel Forton (London), Ali Judd (London), Tilmann Gerlach (München), Jörg Gölz (Berlin), Doris Radun (Berlin), Siegbert Rossol (Rüsselsheim), Hans-Ulrich Wittchen (Dresden), Martina Sterneck (Hamburg), Heiner Wedemeyer (Hannover), Martin Schäfer (Berlin) und Reinhard Zachoval (München) für ihre wertvolle Unterstützung.

Dieser Workshop wurde durch einen unrestricted educational grant der Firma Hoffmann-La Roche AG unterstützt.

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Günstige Settings für die Behandlung der chronischen Hepatitis C bei Opioidabhängigen - Konsequenzen aus der Münchner Studie

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Backmund M
München Schwabing

In den Empfehlungen der National Institutes of Health [5] und der EASL [3] sind Drogengebrauch und Alkoholmissbrauch als Kontraindikationen einer Interferonbehandlung aufgeführt worden. Als Gründe wurden die geringe Compliance der Drogenabhängigen, das große Reinfektionsrisiko und die hohe psychiatrische Komorbiditätsrate, insbesondere Depressionen und Suizidalität, genannt. Eine Interferonbehandlung darf erst nach 12 Monaten Drogenfreiheit eingeleitet werden. Wahrscheinlich haben die Hepatologen gedacht, dass bei Drogenabhängigen nach 12-monatiger Drogenfreiheit keine Rückfallgefahr mehr besteht, dass sie dann compliant sind, eine gute Compliance haben, das Reinfektionsrisiko dann gering ist und sie nicht mehr depressiv sind oder werden. Die Suchtmediziner kritisierten an den Empfehlungen, dass diese Überlegungen nicht untersucht worden sind. Zudem wurde nicht berücksichtigt, dass sich ­Entzugssymptome und Nebenwirkungen der Interferonbehandlung sehr ähneln (Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Kopfschmerzen, Schlaf­losigkeit).

Wichtiges Grundlagenwissen der Suchtmedizin ist, dass ehemals Drogenabhängige immer dann sehr stark rückfallgefährdet sind, wenn sie sich körperlich schlecht fühlen oder in einer psychischen Stresssituation sind. In unserer Studie konnten wir zeigen, dass diejenigen Patienten, die während der Entzugsbehandlung mit einer HCV-Therapie begonnen haben, die Entzugsbehandlung häufiger beendeten als diejenigen, die keine HCV-Therapie begonnen haben (66 % gegenüber 44 % [2]). Bei 36 % konnte die HCV-Therapie erfolgreich beendet werden (sustained virologic responses = SVR). Damit konnten vergleichbar viele Drogenabhängige erfolgreich behandelt werden wie in der Normalbevölkerung. 80 % der Patienten hatten nach der Entzugsbehandlung während der Interferonbehandlung einen Drogenrückfall. 30 % davon wurden in eine Substitutionsbehandlung aufgenommen, 50 % konsumierten weiter Drogen. Die Unterschiede zwischen den Gruppen - Substitutionsbehandlung oder anhaltender Drogenkonsum - erreichten in Bezug auf einen SVR statistisch keine Signifikanz. Gute Ergebnisse wurden in allen Gruppen erzielt [1]. Somit konnte gezeigt werden, dass eine Hepatitis C bei Drogenabhängigen erfolgreich behandelt werden kann, unabhängig davon, ob sie weiter Drogen konsumieren oder nicht. Signifikant mit einem Therapieerfolg assoziiert war das Einhalten der wöchentlichen Termine. Dieses Ergebnis unterstreicht die Wichtigkeit einer guten Arzt-Patienten-Beziehung, die auch standhält, wenn die Patienten drogenrückfällig geworden sind. Neuere Studien scheinen die Ergebnisse unserer Studie zu bestätigen: Zwei Studien konnten zeigen, dass die Substitutionsbehandlung eine sehr gute Gelegenheit ist, eine Hepatitis C erfolgreich zu behandeln [8, 9]. Eine Studie berichtete, dass ein Beginn der HCV-Therapie kurz nach Beendigung der Entzugsbehandlung günstig sei [7].

Glücklicherweise wurden die neuen Empfehlungen der NIH hinsicht­lich der Behandlung Drogenabhängiger 2002 grundlegend geändert [4, 6]. Jetzt sollen auch Drogenabhängige mit Hepatitis C behandelt werden. Wir müssen die beiden bisher gefundenen besten Zeitpunkte für den Beginn einer HCV-Therapie bei Drogenabhängigen - während der Entzugsbehandlung und während der Substitutionsbehandlung - in weiteren Studien überprüfen. Wichtig ist es auch, in Studien ehemals Drogenabhängige, die nach 12 Monaten Drogenfreiheit wegen einer Hepatitis C behandelt werden, zu untersuchen.

Literatur:

1 Backmund M, Meyer, K, von Zielonka M, Eichenlaub D. Treatment of Hepatitis C Infection in Injection Drug Users. Hepatology 2001; 34: 188 - 193

2 Backmund M. Interferontherapie während der Entzugsbehandlung. Suchttherapie 2002; 3 (Suppl.): S67-S71

3 EASL. International Consensus Conference on Hepatitis C: Consensus Statement. J Hepatol 1999; 30: 956 - 961

4 Edlin B. Prevention and treatment of hepatitis C in injection drug users. Hepatology 2002; 36 (suppl): S210-S219

5 National Institutes of Health. Consensus Development Conference Panel Statement: Management of Hepatitis C. Hepatology 1997; 26 (suppl): 71S - 77S

6 National Institutes of Health. Consensus Development Conference Panel Statement: Management of Hepatitis C. Hepatology 2002; 36 (suppl): 3S - 20S

7 Neri S, Bruno CM, Abate G, Ierna D, Mauceri B, Cilio D, Bordonan F, Pulvirenti D, Italiano C, Caruso L. Controlled clinical trial to assess the response of recent heroin abusers with chronic hepatitis C virus. Clin Ther 2002; 24: 1627 - 1635

8 Schaefer M, Schmidt F, Folwaczny C, Lorenz R, Martin G, Schindlbeck N, Heldwein W, Soyka M, Grunze H, Koenig A, Loeschke K. Adherence and mental side effects during hepatitis C treatment with interferon alfa and ribavirin in psychiatric risk groups. Hepatology 2003; 37 (2): 443 - 451

9 Sylvestre DL. Treating hepatitis C in methadone maintenance patients: an interim analysis. Drug Alcohol Depend 2002; 67: 117 - 123

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The Consensus Conference Process: Hepatitis C Treatment in Injection Drug Users in the U.S.

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Edlin Weill BR
New York

In 1997, the U.S. National Institutes of Health (NIH) convened a Consensus Development Conference to write guidelines for the use of newly developed interferon therapies for hepatitis C virus (HCV) infection. Although injection drug users are the largest group of infected persons, the Consensus Panel recommended that they not receive the new treatments until they stopped using illicit drugs for six months. Treatment experts were concerned about patient adherence, psychological side effects, and the possibility of reinfection. An evaluation of this restriction, however, concluded that it was not supported by available clinical data, ethical guidelines, or medical or public health practice in other similar situations. The 1997 guidelines fell short in other respects as well. They did not discuss adherence or mental health in the treatment of hepatitis C, and the recommendations for prevention did not include expanding substance abuse treatment or syringe access for drug users. AIDS scientists and service providers have had two decades of experience learning about the social, cultural, and behavioral aspects of diseases affecting disenfranchised and marginalized populations. Hepatitis C treatment experts can learn important lessons from this experience. In 2002, NIH reconvened the Consensus Conference to update its guidelines because of advances in medical regimens for hepatitis C. The 2002 Consensus Panel included several AIDS scientists, and a researcher with experience in AIDS and substance abuse was asked to address the conference. The new Consensus Statement took a substantially more comprehensive approach than the previous one, raising important social and behavioral issues and challenging the medical, scientific, and public health communities to address the critical needs of injection drug users and other underserved and disenfranchised populations. The new guidelines not only rescind the proscription against treating drug users, recommending instead a case-by-case approach, but now also comment specifically on a variety of critical issues, including the importance of attention to mental health issues in the treatment of hepatitis C, the importance of attention to patients’ adherence to medication, patient participation in decision making, addressing hepatitis C in correctional facilities, and, notably, hepatitis C prevention in drug users. The onus is now on scientists, providers, policymakers, insurers, and government funders to implement the Panel’s recommendations. Efforts are to be made to make treatment available to drug users, but few data exist on how to do so. Research on effective strategies for treating drug users for hepatitis C is needed.

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Hepatitis C and the Central Nervous System

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Forton DM
London

A number of studies have reported an association between chronic hepatitis C (HCV) infection and significant impairments in health-related quality of life, which are independent of the severity of liver disease. There are numerous reports documenting the prevalence of symptoms such as fatigue and depression in chronic HCV infection, which may in part account for the reductions in quality of life. Although there are a large number of potential explanations for these symptoms, including depression and anxiety associated with the diagnosis of HCV infection or substance abuse, there has been recent interest in the possibility of a biological effect of HCV infection on cerebral function. There is emerging evidence of mild, but significant neurocognitive impairment in HCV infection, which cannot be attributed to substance abuse, coexistent depression or hepatic encephalopathy. In vivo magnetic resonance spectroscopy and neurophysiological studies have suggested that a biological mechanism may underlie these cognitive findings. The recent detection of HCV genetic sequences in post-mortem brain tissue raises the intriguing possibility that HCV infection of the central nervous system may be related to the reported neuropsychological symptoms and cognitive impairment.

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Epidemiology of Hepatitis C Virus in Injecting Drug Users in the European Union with special Focus on England and Wales

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Judd A, Hickman M, Hope V
London

Injection drug use is one of the major routes of transmission of the hepatitis C virus (HCV), and accounts for the majority of new cases in developed countries [1]. Cohort and cross sectional studies of HCV among injecting drug users (IDUs) almost consistently report high levels of prevalence and incidence. In a recent literature review, Roy et al identified 98 published cross sectional studies and 5 published cohort studies of HCV among IDUs conducted within the European Union [2]. For the cross sectional studies prevalence was around 30 to 95 %, with the majority of IDUs being recruited from drug agencies, other treatment settings, and prisons. Incidence rates ranged from 6 to 39 cases per 100 person years, although all the cohort studies had small sample sizes, prohibiting risk factor analysis. Roy and colleagues concluded that the representativeness of these studies to the wider population of IDUs was poor, and few studies used communitiy methods where drug users both in and out treatment were recruited. Studies were also generally conducted at a local level, and difficulties would be encountered if the data were extrapolated to form national estimates.

In England and Wales, HIV prevalence has been stable and low throughout the 1990 s, and was attributed to the swift introduction of harm reduction measures such as syringe exchange, and injecting risk behaviour change among IDUs [3 - 6]. Surveys of IDUs recruited from the community settings and drug agencies in England in the late 1990 s suggested that prevalence of HCV was relatively low in comparison to other countries, at around 40 % overall, and 15 % among recent initiates to injecting [7]. It was therefore thought that syringe exchange may be having a beneficial effect on HCV as well as HIV transmission. However, although the UK distributed 27 million syringes from syringe exchange in 1997 [8], this may equate to only one new syringe every two days for each injector [9]. In addition, preliminary findings from a cohort study of recent initiates of HCV ist high around 40 cases per 100 person years, and many therefore have recently increased [10]. These findings suggest that the public health response to HCV in England and Wales needs invigorating.

Literatur:

1 Alter MJ. Prevention of spread of hepatitis C. Hepatology 2002; 36: S93 - 98

2 Roy K, Hay G, Andragetti R, Taylor A, Goldberg D, Wiessing L. Monitoring hepatitis C virus infection among injecting drug users in the European Union: a review of the literature. Epidemiology and Infection 2002; 129: 577 - 585

3 Stimson GV, Hunter GM, Donoghoe MC, Rhodes T, Parry JV, Palmers CP. HIV-1 prevalence in community-wide samples of injecting drug users in London, 1990 - 1993, AIDS 1996; 10: 657 - 666

4 Stimson GV. Has the United Kingdom averted an epidemic of HIV-1 infection among drug injectors? (Editorial). Addiction 1996; 91: 1085 - 1088, discussion 1089 - 1099

5 Judd A, Stimson GV, Hickman M et al. Prevalence of HIV infection in a multi-site sample of injecting drug users not in contact with treatment services in England. AIDS 2000; 14: 2423 - 2415

6 Unlinked Anonymous Surveys Steering Group. Prevalence of HIV and hepatitis infections in the United Kingdom 2001. London: Department of Health, 2002

7 Hope VD, Judd A, Hickman M et al. Prevalence of hepatitis C among injection drug users in England and Wales: is harm reduction working? American Journal of Public Health 2001; 91: 38 - 42

8 Parsons J, Hickman M, Turnbull P et al. Over a decade of syringe exchange: results from 1997 survey. Addiction 2002; 97: 845 - 850

9 Hickman M, Higgins V, Hope VD et al. Injecting drug use in Brighton, Liverpool and London: best estimates of prevalence and coverage of public health indicators. Journal of Epidemiology and Community Health (in press)

10 Judd A, Hickman M, Jones S, Parry JV. Prevalence and incidence of hepatitis C and HIV among injecting drug users in London - evidence for increasing transmission. 14th International Conference on the Reduction of Drug Related Harm. Chiang Mai (Thailand), 2003

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Akute Hepatitis C

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Gerlach T
München

Das Hepatitis-C-Virus (HCV) wurde 1989 als Hauptursache der so genannten Non-A-non-B-Hepatitis oder auch Posttransfusionshepatitis identifiziert.

Obwohl seitdem das konsequente Screening aller Blutprodukte die transfusionsassoziierte Infektion zuverlässig verhindert, sind immer noch ca. 20 % aller Fälle mit akuter Hepatitis durch eine HCV-Infektion verursacht. In den USA sind das ca. 30 000 neue Fälle pro Jahr.

Heutzutage stellt der intravenöse Drogenkonsum (IVD) in den west­lichen Ländern den Hauptrisikofaktor für eine Neuinfektion dar. Dennoch bleibt der Infektionsmodus in ca. 40 % der Fälle unklar. Weltweit leiden mindestens 170 Millionen Menschen unter einer chronischen HCV-Infektion und eine hohe Dunkelziffer fördert weitere Infek­tionen.

Die Diagnose einer akuten Hepatitis C kann im Gegensatz zur akuten Hepatitis B nicht durch eine bestimmte Antikörperkonstellation gesichert werden.

Deshalb gilt die Serokonversion von anti-HCV negativ hin zu anti-HCV positiv als sicherstes Kriterium einer frischen Infektion. Daneben können nach Ausschluss anderer Infektions- und Lebererkrankungen klinische (akuter Beginn hepatitischer Beschwerden ggf. auch Ikterus) und biochemische Kriterien (10fach erhöhte Transaminasen und Nachweis der HCV RNA) zur Diagnose einer akuten HCV-Infektion herangezogen werden. Nach unserer Erfahrung finden sich im Serum von Patienten mit akuter Hepatitis C in der Western-Blot-Analyse häufig Reaktionen gegen nur ein HCV-Antigen (meist NS3 oder Core). Im Verlauf der Infektion nehmen die Reaktionen an Breite zu und es finden sich schließlich Antikörper gegen alle Antigene des Virus. Goldstandard der Diagnose bleibt jedoch die Serokonversion.

Bisher haben sich die meisten Studien zur akuten Hepatitis-C-Infektion mit Posttransfusionshepatitiden befasst, die in 50 - 80 % einen asymptomatischen Verlauf hatten. Der Verlauf bei der Untergruppe von Patienten mit symptomatischer Erkrankung - also mit Ikterus und typischen Hepatitisbeschwerden - scheint aber wesentlich günstiger zu sein und führt in bis zu 50 % der Fälle zu einer spontanen Viruselimination. Ein akutes Leberversagen wird im Rahmen der akuten HCV-Infektion höchst selten beobachtet. Obwohl ca. 85 % der infizierten Personen eine chronische Infektion entwickeln (mit der daraus resultierenden Gefahr einer Zirrhose und eines hepatozellulären Karzinoms), wird die Diagnose der akuten Hepatitis C nur sehr selten in der Anfangsphase der Erkrankung gestellt. Während die überwiegende Anzahl der Patienten mit akuter HCV-Infektion durch das Vorliegen von typischen Symptomen einer Hepatitis identifiziert wird, verteilt sich der Rest auf Zufallsdiagnosen und auf Nadelstichverletzungen, die in den Nachsorgeuntersuchungen mit erhöhten Transaminasen auffallen.

Eine antivirale Therapie der akuten Hepatitis C mit Interferon α und ggf. Ribavirin wurde in einigen Studien untersucht. Die meisten Studien befassten sich allerdings noch mit transfusionsassoziierten Hepatitiden und verwendeten teilweise andere Interferone, so dass die Ergebnisse nicht mit heutigen Standards vergleichbar sind. Generell finden sich bei der Interferontherapie der akuten Hepatitis C im Vergleich zur chronischen Hepatitis C sehr gute Ausheilungsraten. In einer neueren Studie von Jaeckel et al. wurde durch die sofortige Einleitung der Interferontherapie bei allen Patienten mit akuter Infektion in 95 % eine Ausheilung erreicht. Mit der Soforttherapie aller Patienten werden allerdings auch jene Patienten behandelt, die das Virus auch ohne Therapie spontan eliminiert hätten. In unserer Studie zur akuten Hepatitis C (Gastroenterology 2003; 125 [1]: 80 - 88) verzögerten wir den Therapiebeginn um 12 Wochen, um nur die Patienten zu behandeln, die auch dann noch HCV-RNA-positiv waren. Mit diesem Konzept wurde ebenfalls eine Ausheilung in über 90 % erzielt, jedoch mussten nur ca. 50 % der symptomatischen Patienten behandelt werden.

Um die Überlegenheit eines der beiden Therapiekonzepte (Soforttherapie aller Patienten mit akuter Hepatitis C vs. Therapie nur der Patienten mit HCV-RNA-Nachweis länger als 12 Wochen nach Beginn einer symptomatischen akuten Hepatitis C) zu belegen, wird eine deutschlandweite randomisierte und kontrollierte Studie (Einschluss von Patienten mit akuter symptomatischer Hepatitis C ab April 2004) durchgeführt.

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Hepatitis C - eine interdiziplinäre Herausforderung

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Gölz J
Berlin

Voraussetzungen für klinische Studien bei ambulant behandelten Drogenabhängigen: Nahezu alle ambulant behandelten Drogenabhängigen befinden sich heute in der Behandlung von Allgemeinärzten und hausärztlichen Internisten. Alle diese Ärzte sind suchtmedizinisch qualifiziert. Im Gegensatz dazu sind nur wenige vertraut mit der Diagnostik und Therapie der typischen chronischen Infektions­krankheiten der Drogenabhängigen (HIV, HCV, HBV). Insofern ist die überwiegende Zahl der behandelnden Ärzte nicht gewohnt, klinische Studien auf einem anspruchsvollen Niveau durchzuführen. Die Voraussetzungen für klinische Studien sind also nur in spezialisierten Ambulanzen von Universitätskliniken und vereinzelt bei niedergelassenen Ärzten gegeben. Das bedeutet, dass die Zahl der qualifizierten Zentren für die Forschung auf diesem Gebiet sehr beschränkt ist.

Es bedarf einer sehr stabilen Arzt-Patient-Beziehung, um klinische Studien mit Substanzen wie Interferonen durchzuführen, da während der Therapie unangenehme psychische Nebenwirkungen aufgefangen werden müssen.

Folgende Merkmale qualifizieren eine Institution für klinische Studien im Bereich der Hepatitis C im ambulanten Rahmen:

Bereitschaft des gesamten Teams zur Arbeit mit Drogenkonsumenten und Supervision der therapeutisch zerstörerischen Gegenübertragungen, suchtmedizinische Erfahrung, Schaffung eines Umfelds, das den Bedürfnissen der Drogenkonsumenten entgegenkommt, ohne gleichzeitig Grenzverletzungen zu provozieren, Möglichkeit zur Methadonsubstitution, klinische Erfahrung bei der Diagnostik und Therapie der Hepatitis B, der Hepatitis C und der HIV-Infektion bei Doppelinfizierten, Erfahrung im klinischen Management der psychiatrischen und hämatologischen Nebenwirkungen während der Therapie mit pegylierten Interferonen und Ribavirin, Erfahrungen mit den Standards von „good clinical practice” bei Medikamentenstudien, Kenntnis der virologischen und immunologischen Laborparameter und Erfahrung bei der Datenerfassung und Terminkontrolle durch eine Studien­schwester.

Unter diesen Voraussetzungen sind klinische Studien auch mit ­Drogenabhängigen gut durchführbar und die Abbruchraten liegen nicht über denen anderer Patientenkollektive mit chronischer HCV-Infektion.

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Hepatitis C - Inzidenz und Transmission

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Radun D
Berlin

Eine Hepatitis-C-Infektion wird meist parenteral erworben. Informationen zur Hepatitis-C-Inzidenz in Deutschland basieren auf Informationen aus den Meldedaten nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG), Blutspenderdaten und Studien zu Risikofaktoren. Die aus den Fallmeldungen nach IfSG resultierende Inzidenz für Hepatitis C in Deutschland betrug im Jahr 2001 10,5 Fälle pro 100 000 Einwohner (= 8 635 Fallmeldungen) und im Jahr 2002 8,0 Fälle pro 100 000 Einwohner (= 6 600 Fallmeldungen) [1].

In den Jahren 2001 und 2002 befanden sich unter den übermittelten Hepatitis-C-Fällen 1,8-mal mehr Männer als Frauen. Die höchste altersspezifische Inzidenz bei Männern fand sich in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen. Die Meldedaten für Hepatitis C können nur als Näherungswert für die tatsächliche Hepatitis-C-Inzidenz herangezogen werden, denn einerseits werden akute Infektionen häufig aufgrund geringfügiger Symptome nicht diagnostiziert, andererseits befinden sich unter den übermittelten Hepatitis-C-Fällen zahlreiche neu diagnostizierte, chronische Infektionen.

Die HCV-Serokonversionsrate für Blutspenden von Mehrfachspendern betrug im Jahr 2001 in Deutschland 1,63 pro 100 000 Spenden [2].

Es wurde mehrfach gezeigt, dass Hepatitis C unter injizierenden Drogengebrauchern in Ländern der EU mit Prävalenzen von 30 - 98 % hyperendemisch ist [3]. In Studien zur Hepatitis-C-Inzidenz bei injizierenden Drogengebrauchern wurden Serokonversionsraten zwischen 10 und 30 pro 100 Personenjahre [4 - 6], in der Gruppe von unter 20-Jährigen sogar von 75,6 pro 100 Personenjahre (95 %-Konfidenz­intervall: 34,5 - 116,8) bestimmt [7].

Für knapp 30 % der nach IfSG übermittelten Fälle von Hepatitis C wurden Angaben zum möglichen Infektionsweg mitgeteilt. Unter diesen wurde intravenöser Drogengebrauch mit bis zu 57 % am häufigsten genannt.

Eine Studie zu Risikofaktoren der Hepatitis C unter US-amerikanischen Blutspendern ermittelte intravenösen Drogengebrauch als Variable mit dem höchsten Risiko (Odds Ratio 49,6) [8]. Innerhalb der Gruppe injizierender Drogengebraucher waren die Dauer des Drogengebrauchs, Tausch von Nadeln und anderem Zubehör, Inhaftierung und Alter unter 20 Jahren Risikofaktoren für Hepatitis C [6, 7, 9, 10].

Die vorliegenden Daten verdeutlichen, dass Hepatitis-C-Infektionen unter injizierenden Drogengebrauchern ein erhebliches Public-Health-Problem darstellen. Eine strategische Herangehensweise an die Surveillance der Hepatitis C in dieser Personengruppe wird benötigt, um Trends zeitnah zu erfassen und gezielte Maßnahmen zur Verhütung neuer Infektionen durchführen zu können.

Literatur:

1 Robert Koch-Institut. Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2002. Berlin, 2003

2 Offergeld R, Stark K, Hamouda O. Infektionen bei Blutspendern. Bundesges.blatt Ges.forsch Ges.schutz 2003; 46: 775 - 779

3 Roy K, Andragetti R, Taylor A et al. Monitoring hepatitis C virus infection among injecting drug users in the European Union: A review of the literature. Epidemiol Infect 2002; 129: 577 - 585

4 Crofts N, Aitken CK. Incidence of bloodborne virus infection and risk behaviours in a cohort of injecting drug users in Victoria, 1990 - 1995. Med J Aust 1997; 167 (1): 17 - 20

5 Mansson AS, Moestrup T, Nordenfelt E et al. Continued transmission of hepatitis B and C viruses, but no transmission of human immunodeficiency virus among intravenous drug users participating in a syringe/needle exchange program. Scand J Infect Dis 2000; 32 (3): 253 - 258

6 Stark K, Bienzle U, Vonk R et al. History of syringe sharing in prison and risk of hepatitis B virus, hepatitis C virus, and human immunodeficiency virus infection among injecting drug users in Berlin. Int J Epidemiol 1997; 26 (6): 1359 - 1366

7 van Beek I, Dwyer R, Dore GJ et al. Infection with HIV and hepatitis C virus among injecting drug users in a prevention setting: a retrospective cohort study. BMJ 1998; 317 (7156): 433 - 437

8 Murphy EL, Bryzman SM, Glynn SA et al. Risk factors for hepatitis C virus infection in United States blood donors. NHLBI Retrovirus Epidemiology Donor Study (REDS). Hepatology 2000; 31 (3): 756 - 762

9 Backmund M, Meyer K, Wächtler M et al. Hepatitis C virus infection in injection drug users in Bavaria: risk factors for seropositivity. Eur J Epidemiol 2003; 18: 563 - 568

10 Stark K, Müller R, Bienzle U et al. Frontloading: a risk factor for HIV and hepatitis C virus infection among injecting drug users in Berlin. AIDS 1996; 10 (3): 311 - 317

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Behandlung der Hepatitis C bei intravenös Drogenabhängigen unter Methadonsubstitution (PERMIT-Studie)

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Reimer J
Hamburg

In den industrialisierten Ländern stellt intravenöser Drogengebrauch den wichtigsten Risikofaktor für die Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) dar, Prävalenzraten liegen in dieser Hochrisikogruppe zwischen 40 und 90 %. Die chronische HCV-Infektion hat sowohl für den Infizierten als auch für das Gesundheitssystem erhebliche Auswirkungen. Eine chronische Infektion mit dem HC-Virus kann bei 20 - 30 % der Infizierten innerhalb von 2 - 3 Dekaden zur Leberzirrhose führen, welche die Gefahr des Leberversagens und/oder der Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms birgt. Die Behandlung der chronischen HCV-Infektion hat sich durch die Einführung der Kombinationstherapie mit pegylierten Interferonen und Ribavirin deutlich verbessert. Mittlerweile kann im Durchschnitt bei mehr als jedem zweiten behandelten Patienten eine Virusunterdrückung (sustained viral response, SVR) ­erreicht werden, in Abhängigkeit vom viralen Genotyp liegen die Erfolgsraten zwischen 40 und 85 %. Der Zugang zur Therapie für ­Drogengebrauchende ist jedoch eingeschränkt und die aktuellen Behandlungsleitlinien diskutieren die HCV-Behandlung Drogengebrauchender kontrovers. Die Leitlinien der Europäischen Gesellschaft zum Studium der Lebererkrankungen [3] empfehlen, Drogenabhängige nicht zu behandeln, während Konsensuskonferenzen aus Frankreich oder den USA Drogengebrauch per se nicht als Ausschlusskriterium für eine antivirale HCV-Therapie beschreiben (http://www.anaes.fr, http://consensu.nih.gov/cons/116/116cdc_intro.htm). Seit kurzem liegen einzelne Studien, welche die Durchführbarkeit einer antiviralen HCV-Therapie bei drogengebrauchenden Personen zeigen, vor. So ist eine erfolgreiche Therapie nach einer Entgiftung bei opiatabhängigen Patienten in einem spezialisierten stationären/ambulanten Setting möglich, wenn das medizinische Personal sowohl in der Suchttherapie als auch in der Gastroenterologie/Hepatologie ausgebildet ist. Ein Drogenrückfall ist - im Gegensatz zu mangelnder Termintreue - kein Prädiktor für die SVR-Rate [1]. Auch Patienten mit psychiatrischer Komorbidität können sicher und effektiv in Zusammenarbeit von Psychiatern und Hepatologen behandelt werden [5]. Darüber hinaus kann auch die Behandlung unter Methadonsubstitution trotz (moderaten) Alkoholkonsums und/oder Cannabiskonsums erfolgreich sein [6]. Die Re-Infektionsraten bei intravenös Drogengebrauchenden müssen nicht höher sein als in nicht drogenabhängigen Kollektiven [2]. Trotz dieser positiven Erfahrungen in der Behandlung der chronischen Hepatitis C bei drogenabhängigen Personen ist der Zugang zur Therapie für diesen Personenkreis deutlich erschwert. Diese Disparität fordert eine ge­nauere Evaluation der Gründe für die Vorenthaltung eines therapeutischen Angebots, die Erstellung eines passgenauen Angebots und dessen Implementierung. Als Teilschritt in diesem Prozess wurde die PERMIT-Studie (Psychoeducation Reaches HCV-infected Methadone substituted Patients in Antiviral Treatment) initiiert. Die Studie wird in Substitutionseinrichtungen in Deutschland durchgeführt, die Behandlung richtet sich an Patienten in stabiler Substitution. Zusätzlich zur antiviralen Therapie mit pegyliertem Interferon α 2 a und Ribavirin wird jeder zweite Patient an einem psychoedukativen Programm teilnehmen. Bei der Psychoedukation handelt es sich um einen systematischen, kognitiv-behavioralen psychotherapeutischen Behandlungsansatz, der sich an den individuellen Erfahrungen und dem Wissen der Teilnehmer orientiert und ­Wissen über die Krankheit vermittelt. Psychoedukation stellt eine Gruppentherapie dar, die einer homogenen Klientengruppe mit spezifischen Problemen in einem auf diese Probleme zugeschnittenen Programm Möglichkeiten zur Problemlösung bereitstellt. Der Prozess und die Therapieziele werden in Zusammenarbeit mit den Teilnehmern entwickelt. Psychoedukation war bei abhängigen Personen erfolgreich in der Reduktion von illegalem Drogengebrauch und von Rückfällen (u. a. [4]). Innerhalb der PERMIT-Studie wird die Psychoedukation in geschlossenen Gruppen mit 8 - 12 Patienten von speziell ausgebildetem Personal unter Anwendung von Medienunterstützung durchgeführt. Die Zielparameter von PERMIT umfassen Durchführbarkeit, Effektivität, psychisches Befinden und den suchtmedizinischen Verlauf. Im Kontext der HCV-Behandlung bei Drogenabhängigen wird davon ausgegangen, dass PERMIT zur Evaluation adäquater Behandlungsbedingungen beiträgt und den Behandlungszugang erleichtert.

Literatur:

1 Backmund M, Meyer K, von Zielonka M, Eichenlaub D. Treatment of hepatitis C infection in injection drug users. Hepatology 2001; 34: 188 - 193

2 Dalgard O, Bjoro K, Hellum K, Myrvang B, Skaug K, Gutigard B, Bell H, Group ftC. Treatment of hepatitis C in injecting drug users: a 5-year follow-up. European Addiction Research 2002; 8: 45 - 49

3 EASL (European Association for the Study of the Liver). EASL International Consensus Conference on Hepatitis C. Paris, 26 - 28 February 1999. Consensus Statement. Journal of Hepatology 1999; 30: 956 - 961

4 McLellan AT, Arndt IO, Metzger DS, Woody GE, O’Brien CP. The effects of psychosocial services in the substance abuse treatment. Journal of the American Medical Society 1993; 269: 1953 - 1959

5 Schaefer M, Schmidt F, Folwaczny C, Lorenz R, Martin G, Schindlbeck N, Heldwein W, Soyka M, Grunze M, Koenig A, Loeschke K. Adherence and mental side effects during hepatitis C treatment with interferon alfa and ribavirin in psychiatric risk groups. Hepatology 2003; 37: 443 - 451

6 Sylvestre D. Treating hepatitis C in methadone maintenance patients: an interim analysis. Drug and Alcohol Dependence 2002; 67: 117 - 123

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Gesundheitsökonomische Bedeutung der HCV Infektion

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Rossol S
Rüsselsheim

Von der chronischen HCV Infektion sind weltweit mehr als 200 Mio. Menschen, in Europa mehr als 7 Mio. Personen und in Deutschland zwischen 500 000 und 800 000 Infizierte betroffen. Bei der Mehrzahl der Patienten verläuft die Erkrankung mit unterschiedlicher Intensität progressiv mit den möglichen Folgen der Leberzirrhose, des Leberversagens und der Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms. Die chronische HCV-Infektion ist in bis zu 40 % der Fälle mit Leberzirrhose ursächlich verantwortlich und ist in den westlichen Industrienationen die häufigste Indikation für eine Lebertransplantation. Zur Vermeidung dieser Endstadien der Erkrankung ist der frühe Einsatz effektiver antiviraler Konzepte entscheidend. Die Morbidität und Mortalität der HCV-Infektion nehmen in den nächsten Jahren zu und sind neben diagnostischen und therapeutischen Verfahren von enormer gesundheitsökonomischer Bedeutung.

Generell ist das deutsche Gesundheitssystem unter einem zunehmenden Druck hinsichtlich ökonomischer Parameter bei der Einschätzung von chronischen Erkrankungen und der Zulassung neuer Methoden und Medikamente. Hierbei sind direkte (z. B. ambulante Betreuung der Patienten, stationäre Aufenthalte, Diagnostik und Therapie) und indirekte Kosten (z. B. Arbeitsunfähigkeit) zu berücksichtigen.

Bisher sind in der Beurteilung der Hepatitis-C-Virusinfektion traditionelle Beurteilungskriterien wie Transaminasen, HCV-Replikation und histologische Veränderungen etabliert. Zukünftig sind ergänzende Kriterien auch aus der Gesundheitsökonomie zu berücksichtigen (Lebensqualität, Kosten-Nutzen-Definition, Lebensdauer der Patienten mit und ohne Therapie).

Zur Definierung solcher Kriterien sind Instrumente wie Lebensqualitätsfragebögen, Kosten-Nutzen-Verfahren ebenso notwendig wie adäquate Modellierungen (Markov-Modelle) und sorgfältige Ent­scheidungsanalysen. In diesen Verfahren werden dann Parameter wie qualitätsadjustierte Lebensjahre (QALY), totale Kosten, Kosteneffektivität, Lebensjahre mit/ohne Therapie und Kosten-Effektivitäts-Verhältnis (Kosten/QALY) definiert. Mit diesen Kriterien sind auch Vergleiche verschiedener Verfahren (z. B. Therapiestrategien) bei verschiedenen Erkrankungen möglich.

Die chronische Hepatitis-C-Virusinfektion resultiert in Lebenszeitkosten von ca. 25 000 € pro Patient mit starken Abweichungen in den verschiedenen Stadien der Erkrankung. Die Gesamtsumme des Ressourcenverbrauchs ist für Deutschland nicht eindeutig definiert (Schätzungen gehen von ca. 1 Milliarde € Gesamtkosten pro Jahr für die chronische Hepatitis-C-Virusinfektion aus), in den USA konkret mit ca. 5,5 Milliarden € pro Jahr berechnet. Dies ist vergleichbar mit chronischen Lungenerkrankungen und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises und entwickelt sich zunehmend dynamisch.

Die Therapie der Hepatitis-C-Virusinfektion mit Standard-PEG-Interferonen und Ribavirin kostet 7500 €/QALY und ist überaus kosteneffektiv. Dies bleibt auch bei Patienten mit negativen Therapievoraussetzungen (hohe Virusbelastung, HCV-Genotyp 1 und progressive Leberhistologie) bestehen. Die erfolgreiche Therapie resultiert in einer zusätzlichen Lebensdauer von 1 - 5,5 Jahren für die Patienten, die Lebensqualität wird signifikant verbessert. Diese Ergebnisse sind denen bei anderen akzeptierten medizinischen Verfahren vergleichbar bzw. überlegen.

Literatur:

1 NIH Concensus Conference. Management of HCV, 2002

2 Cheng et al. Hepatology 2001; 33: 231

3 Wong et al. Am J Med 2000; 108: 366

4 Wong et al. Ann Int Med 2000; 133: 675

5 Leigh et al. Arch Int Med 2001; 161: 2231

6 Stein et al. Gut 2002; 50: 253

7 Siebert et al. Gut 2003; 52: 425

8 Salomon et al. JAMA 2003; 290: 228

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Abb. 1 NAVT (ohne Therapie), IFN/R (IFN + Ribavirin), PEG/R-f (PEG-IFN + Ribavirin fixierte Dosis), PEG/R-w (PEG-IFN + Ribavirin KGW Adaptierung), (Gut 2003; 52 : 425)

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Management psychiatrischer Komorbidität während einer antiviralen Behandlung der chronischen Hepatitis C

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Schaefer M
Berlin

Weltweit sind ca. 170 Millionen Menschen, in Deutschland ca. 0,5 bis 1 Millionen Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert. ­Unbehandelt verläuft die HCV-Infektion in 80 bis 85 % der Fälle ­chronisch. Nach ca. 30 Jahren kann sich in 30 % der Fälle eine Leberzirrhose entwickeln, die eine Präkanzerose für das primäre Le­berzellkarzinom darstellt, welches mit einem jährlichen Risiko von 1 - 5 % entstehen kann. Während in der Allgemeinbevölkerung ca. 0,2 - 2 % chronisch HCV-infiziert sind liegt die Prävalenz bei intravenös Drogenabhängigen zwischen 50 und 90 %. Auch Patienten mit psychischen Erkrankungen haben ein deutlich erhöhtes Risiko, HCV-infiziert zu sein (Prävalenz von 8,5 - 19 %) [1].

Das Zytokin Interferon-α (IFN-α) stellt immer noch das einzige wirksame Medikament zur Behandlung der chronischen Hepatitis C (cHC) dar. Aufgrund der Annahme, dass die Immuntherapie mittels IFN-α vorbestehende psychiatrische Erkrankungen, insbesondere Depressionen, verschlimmern kann und bei Drogenabhängigen Rückfälle in den Drogenkonsum begünstigt, wurde die Therapie mit IFN-α bei diesen Patientengruppen als zumindest relativ kontraindiziert angesehen. Als Konsequenz werden derzeit schätzungsweise nur 50 % der Patienten, die eine HCV-Therapie bräuchten, auch eine Behandlung angeboten. In den letzten Jahren wurden nun die Folgen der weit gehenden Nichtbehandlung HCV-infizierter Drogenabhängiger kritisch diskutiert. Die neuen amerikanischen Therapierichtlinien (NIH 2002) empfehlen sogar eine Prüfung und Entscheidung im Einzelfall und befürworten, dass prinzipiell jedem HCV-infizierten Patienten eine Behandlung zusteht. Pariante und seine Arbeitsgruppe konnten erstmals durch kontrollierte Daten belegen, dass Patienten mit Depressionen und Angsterkrankungen kein erhöhtes Risiko haben, unter der Therapie mit IFN-α eine schwere Depression zu entwickeln oder die Therapie frühzeitig abzubrechen [2]. In einer eigenen Studie konnten wir kürzlich zeigen, dass Patienten mit psychischen Erkrankungen ebenso wie Patienten unter einer Methadonsubstitution im Vergleich zu HCV-infizierten, aber psychisch gesunden Kontrollen sich nicht bezüglich der Haltequote und dem langfristigen Ansprechen auf eine Kombinationstherapie mit IFN-α und Ribavirin unterschieden. Zusätzlich war es möglich, durch die Gabe von Antidepressiva die Depressionsrate in allen Gruppen gering zu halten [3]. Weiterhin konnten Musselmann u. Koll. zeigen, dass durch eine antidepressive Vorbehandlung mittels Paroxetin, einem selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI), bei Patienten, die aufgrund eines malignen Melanoms mit Standard-IFN-α behandelt wurden, erfolgreich die Inzidenz von Depressionen unter der Therapie signifikant reduziert werden konnte [4].

Zusammenfassend ergibt die Analyse der bisherigen Studienlage, dass in einem interdisziplinären Team auch HCV-infizierte Patienten mit psychischen Erkrankungen und/oder Drogenabhängigkeit sicher und erfolgreich mit Interferon-α behandelt werden können. Psychiatrische Kontraindikationen bezüglich einer IFN-α-Behandlung sollten kritisch diskutiert werden. Die derzeitige Datenlage unterstützt jedoch nicht die Haltung, Patienten mit psychischen Erkrankungen und/oder Drogenabhängigkeit von der Behandlung der chronischen Hepatitis C mit IFN-α auszuschließen.

Literatur:

1 Dinwiddie SH, Shicker L, Newman T. Prevalence of hepatitis C among psychiatric patients in the public sector. Am J Psychiatry 2003; 160: 172 - 174

2 Pariante CM, Landau S, Carpiniello B. Interferon alfa-induced adverse effects in patients with a psychiatric diagnosis. N Engl J Med 2002; 347: 148 - 149

3 Schaefer M, Schmidt F, Folwaczny C, Lorenz R, Martin G, Schindlbeck N, Heldwein W, Soyka M, Grunze H, Koenig A, Loeschke K. Adherence and mental side effects during hepatitis C treatment with interferon alfa and ribavirin in psychiatric risk groups. Hepatology 2003; 37: 443 - 451

4 Musselman DL, Lawson DH, Gumnick JF, Manatunga AK, Penna S, Goodkin RS, Greiner K, Nemeroff CB, Miller AH. Paroxetine for the prevention of depression induced by high-dose interferon alfa. N Engl J Med 2001; 344: 961 - 966

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Conditions for Clinical Multicenter-Studies for the Treatment of Chronic Hepatitis C

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Wedemeyer H
Hannover

Antiviral therapy of chronic viral hepatitis has significantly improved in recent years. In contrast to many other viral infection therapies became available that not only suppress viral replication but can lead to sustained viral eradication. However, current antiviral therapies for chronic hepatitis C virus infection are based on treatment with interferon alpha which is associated with significant side-effects and costs. Thus for the clinician it is very important to identify patients prior to treatment or early during therapy who will not respond to therapy. Those patients may be considered for alternative treatment strategies to prevent progression of liver disease. In addition, still more than half of the patients infected with HCV- genotype 1 still do not achieve a sustained virological response requiring a search for alternative and improved treatment options.

The recent success in antiviral therapy of chronic hepatitis C has only been possible because several multi-center studies including 1000 - 1500 patients in each trial had been performed. From these studies we have learned several important issues that should be considered for the design of future trials in viral hepatitis. First of all, patients have to be informed very well about possible interferon related side-effects. Only well informed and motivated patients should be included into the study. Second, careful selection of patients is mandatory. This includes screening for contraindications for interferon alpha as well as careful evaluation of patients history and testing for autoantibodies. Meanwhile many patients have received antiviral therapy in previous trials and may not be considered for studies in treatment-naïve patients. We usually have to screen more than 50 patients to find 10 individuals being eligible to be included in a study. Third, the institution has to ensure that continuity of medical ­personnel during the course of treatment should be provided. The factors “study nurse” and “treating physician” are more important for response to therapy than the question whether to use drug A or drug B. A good relation between the physician and the patient is an absolute prerequisite to keep the patients in therapy if interferon alpha is prescribed. Doctors should take time for their first contact with a patient to explain the course of the disease and treatment options. Patients have to have confidence in their treating doctor. Treatment adherence is among the most important factors predicting sustained response to antiviral treatment. Relatives of the patient should be aware of the fact that the patient might have to suffer for a whole year. We try to talk to the patient together with his/her partner before treatment in initiated. Patient compliance is much better if the patient knows in advance what he might expect. Fourth, the institution has recognized that the treating physician and the study nurse need time to ensure adequate and careful documentation of treatment response and side effects. Treating patients within protocols requires time and knowledge how to proceed in the case of adverse events.

The network of excellence for viral hepatitis “Hep-Net” offers to review study protocols. A statistician is checking each protocol for sample size and adequate power of the study. Five experienced experts of each model region are reviewing the scientific concept of each study. For more information on this review-process and on all ongoing trials within Hep-Net see “www.kompetenznetz-hepatitis.de”.

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Diagnose und Behandlung der chronischen Hepatitis C

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Zachoval R
Großhadern, München

Die Diagnose der chronischen Hepatitis C basiert auf dem Nachweis von HCV-RNA im Serum. Eine Behandlung ist bei Patienten mit erhöhten Transaminasen indiziert, die symptomatisch sind und ein Risiko für die Entwicklung einer Leberzirrhose tragen. Alter und Komorbidität sind wichtige Faktoren für die Entscheidung zur Behandlung. Leberbiopsien sind hilfreich zur Feststellung oder zum Ausschluss einer fortgeschrittenen Fibrose.

Vor Behandlungsbeginn müssen der HCV-Genotyp (GT) und die Virus­last (beim GT 1) bestimmt werden. Die heutige Standardbehandlung der chronischen Hepatitis C ist eine Kombinationstherapie mit pegyliertem Interferon [PEG-IFN] und Ribavirin.

Derzeit sind in Deutschland zwei pegylierte Interferone zugelassen:

(1) PEG-IFN α- 2 a wird in einer festen Dosierung von 180 µg einmal pro Woche s. c. für 48 Wochen (GT 1) bzw. 24 Wochen (GT 2/3) zusammen mit Ribavirin 1,0 g (< 75 kg) bzw. 1,2 g (> 75 kg) pro Tag oral gegeben; für Patienten mit GT 2/3 sind 800 mg Ribavirin/Tag ausreichend.

(2) PEG-IFN α- 2 b wird gewichtsadaptiert mit 1,5 µg/kg KG einmal pro Woche s. c. für 48 Wochen (GT 1) bzw. 24 Wochen (GT 2/3) zusammen mit Ribavirin 10,6 µg/kg KG pro Tag oral gegeben.

Bei Patienten mit GT 1 sollte die Viruslast vor der Therapie und zu Woche 12 bestimmt werden, zu diesem Zeitpunkt sollte ein 2-log-Abfall erreicht werden; anderenfalls ist eine dauerhafte Viruselimination äußerst unwahrscheinlich (NPV 98 %).

Bei GT 2 und 3 gibt es aufgrund der insgesamt sehr guten Ansprech­raten keinen Grund für Messungen der Viruslast. Regelmäßige Kont­rollen des Blutbilds, biochemischer Marker und von TSH sind obligatorisch.

Nebenwirkungen des Interferons sollten mit Begleitmedikamenten behandelt werden (grippeähnliche Symptome mit Paracetamol, Depressionen mit SSRI).

Die dauerhafte Viruselimination ist als negative HCV-RNA (mit einem empfindlichen Test) 24 Wochen nach Behandlungsende definiert. Die Quote der dauerhaften Viruselimination hat sich mit den pegylierten Produkten auf insgesamt über 50 % verbessert (für ­Patienten mit GT 1 40 % und mehr bei guter Compliance und 80 % für Patienten mit GT 2/3).

Problemgruppen wie Nonresponder auf PEG-IFN/Ribavirin, Patienten mit Zirrhose oder immunsupprimierte Patienten sollten nach Mög­lichkeit im Rahmen klinischer Studien behandelt werden.

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Abb. 1 NAVT (ohne Therapie), IFN/R (IFN + Ribavirin), PEG/R-f (PEG-IFN + Ribavirin fixierte Dosis), PEG/R-w (PEG-IFN + Ribavirin KGW Adaptierung), (Gut 2003; 52 : 425)