Z Gastroenterol 2004; 42(10): 1243
DOI: 10.1055/s-2004-813590
Leserbrief

© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leserbrief

Letter to the EditorH. Rohde1
  • 1Praxis für Endoskopie und Proktologie
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Publication Date:
27 October 2004 (online)

Was kostet eine Hospitation?

Als junger Oberarzt hospitierte ich u. a. bei Goligher in Leeds, Keighley in Birmingham, Small in Edinburg, Kennedy in Belfast. Ich schrieb einen Brief, in dem ich mich und meinen Werdegang vorstellte, und bat höflich darum, den Herren bei ihrer Arbeit über die Schulter blicken zu dürfen. Nicht anders ging ich bei der Mayo-Clinic in Rochester, dem Massachusetts General Hospital der Havard University in Boston, dem National Cancer Center in Tokio oder dem University Hospital in Hongkong vor.

Ich kannte die mich interessierenden Namen aus der Literatur und fragte an, ob ich kommen dürfe. Erst kürzlich hospitierte ich im Mekka der Koloproktologen, im berühmten St.Mark’s Hospital in London. Niemals musste ich für eine Hospitation auch nur einen Pfennig (Cent) bezahlen. Man begrüßte und versorgte mich als willkommenen Gast.

Jede fremde Person stört den täglichen Routineablauf, z. B. durch Im-Weg-stehen oder Fragen zum falschen Zeitpunkt. Diese Störungen wurden freundlich akzeptiert, schließlich war der Gast neugierig, begierig zu lernen, suchte das Gespräch und zeichnete mit seinem Kommen das eigene Haus aus. Der Flyer des Berufsverbandes der Koloproktologen Deutschlands spricht dagegen nur von der durch eine Hospitation verursachten „außerordentlichen Mehrbelastung” und stellt harte pekuniäre Forderungen an Aspriranten einer Hospitation [1].

Seit langer Zeit kommen zu mir Anfragen, ob man einen oder mehrere Tage bei mir in der Praxis hospitieren dürfe. Immer sage ich zu, freue mich über das Interesse und bin nie auf den Gedanken gekommen, dafür etwas zu verlangen. Natürlich kam ich mit meinen Gästen ins Gespräch. Es waren mehrere, die mir sagten, es gäbe heute in Deutschland proktologische Praxen und Kliniken, die für eine Hospitation pro Tag 650 € verlangten. Ich wollte das nicht glauben. Aber die mir von meinen Gästen überlassenen Informationen und Prospekte ließen keinen Zweifel an ihren Aussagen. Es gibt sogar ein „Business Service”, das bei Hospitationsanfragen eingeschaltet wird und die Adepten mit bunten Prospekten und Versprechungen versorgt. Noch schlimmer: Ohne sie kommt eine Hospitation gar nicht zustande. Natürlich muss das Geld vor Beginn der Hospitation angewiesen sein.

Zum Vergleich: Pescatori bietet bei Siena einen Residential Postgraduate Course für 120 € pro Tag an [2]. Ausgerechnet deutsche Proktologen, denen jede Gelegenheit für eine Klage über den miserablen Zustand der deutschen Proktologie recht ist [3] und daher Interessenten der Proktologie fördern, anstatt durch finanzielle Hürden abschrecken sollten, bilden offenbar ein Kartell, in dem sie sich zu Höchstpreisen anpreisen.

Es sind junge Kollegen und Kolleginnen, die vor der Niederlassung stehen oder sich gerade niedergelassen haben, die hospitieren wollen. Keiner von ihnen hat schon viel Geld verdient. Sie wollen lernen, sie wollen Tipps und Tricks, sie wollen ihren Erfahrungskreis erweitern. Ist es erlaubt, diesen Elan in grotesken Geldforderungen zu ersticken? Ist dies die ärztliche Kollegialität, derer wir uns so gerne rühmen?

Literatur

  • 1 Flyer des Berufsverbands der Coloproktologen Deutschlands e. V. (BCD), gültig ab 3. März 1995. 
  • 2 ucpclub@virgilio.it. 
  • 3 Kirsch J J. Proktologie heute.  Coloproctology. 2002;  24 239-241

Prof. Dr. med. Henning Rohde

Praxis für Endoskopie und Proktologie

Friesenplatz 17 a

50672 Köln

Email: HenningRohde@t-online.de

URL: http://www.prof-rohde.de