Einleitung
Einleitung
Patienten in Substitutionsprogrammen erhalten oder nehmen außer dem Substitut oftmals
ein oder mehrere Arzneimittel oder Drogen. Viele Patienten und gelegentlich auch Ärzte
wissen nicht, dass dadurch Wechselwirkungen auftreten können, durch die unerwünschte
oder gar gefährliche Situationen auftreten können. Während die pharmakodynamischen
Wechselwirkungen im Allgemeinen in der Addition oder synergistischen Wirkung der Einzelsubstanzen
zu erwarten sind, resultieren viele Wechselwirkungen aus Veränderungen der Pharmakokinetik.
Betroffen sind nicht allein die Hauptwirkungen, sondern oftmals auch Nebenwirkungen.
Im Folgenden sollen einige Grundlagen und Möglichkeiten erörtert werden.
Erklärungen für mögliche Interaktionen
Erklärungen für mögliche Interaktionen
Pharmakodynamische Interaktionen
Diese Interaktionen sind relativ leicht zu verstehen. So wird der Opiatrausch durch
Alkohol gesteigert. Zusätzlich konsumiertes Kokain oder Amphetamine steigern ihn dadurch,
dass er nicht nur über die µ-Rezeptoren, sondern über die direkte Dopaminfreisetzung
im Nucleus accumbens erzeugt wird. Auch der Konsum von Cannabis dürfte eine synergistische
Wirkung auf den Rauschzustand erzeugen, wenngleich die pharmakologische Endstrecke
für die Berauschung ebenso wie das Opioid über µ-Rezeptoren verläuft. Hierbei ist
natürlich je nach Toleranzentwicklung der Effekt nicht deutlich additiv, kann aber
bezüglich der Sedation durchaus messbar werden. Hingegen muss man bei einem mit höheren
Dosierungen an Methadon substituierten Patienten erwarten, dass ein zusätzlicher Konsum
von Buprenorphin keine synergistische, sondern eher eine antagonistische Wirkung hervorruft
infolge der hohen Bindungsaffinität von Buprenorphin an Opiatrezeptoren und dessen
nur partial agonistischen Wirkung. Ein gleicher Effekt ist zu erwarten, wenn Methadon
mit µ-Rezeptor-Agonisten/Antagonisten (z. B. Nalbuphin) zusammentrifft. Die sedativen
Effekte der Benzodiazepine addieren sich hingegen bei der Methadonsubstitution bekanntlich
auf andere Weise und steigern die Sedation additiv oder überadditiv. Dasselbe gilt
auch für Hypnotika aus der Reihe der Barbiturate und auch der H1-Antagonisten. Dies gilt jedenfalls so lange, bis auch gegen die Benzodiazepine oder
(früher) Barbiturate eine Toleranzentwicklung einsetzt, der dann mit z. T. abenteuerlich
hohen Dosierungen begegnet wird.
Auch die trizyklischen Antidepressiva oder Phenothiazine interagieren mit dem Erfolg
einer gesteigerten Sedation. Die sedativen Eigenschaften sind verknüpft mit der Beeinträchtigung
des Atemzentrums. Die gefährliche Atemdepression bei Buprenorphinsubstitution ist
überadditiv und nicht selten die Ursache von Todesfällen [1].
Wie genau sich die pharmakodynamischen Interaktionen allerdings quantitativ auswirken,
ist nicht sicher vorauszusagen. Dies hängt davon ab, in welchem Bereich der Dosiswirkungskurve
(im flachen unteren Bereich, im steilen mittleren Bereich oder nahe an der 100 %-Obergrenze)
die Dosis der basalen Einzelsubstanz angesiedelt ist. Toxikologische Interaktionen
betreffen die Absenkung der Krampfschwelle bei der Gabe von zusätzlichen Antidepressiva
oder Phenothiazin-Neuroleptika. Günstig hingegen könnte man die Interaktionen bei
der spastischen opiatbedingten Obstipation oder der bradykarden Rhythmusstörung durch
die anticholinergen Eigenschaften der klassischen Antidepressiva bewerten.
Pharmakokinetische Interaktionen [2]
Wechselwirkungen durch Veränderungen der Pharmakokinetik treten gegenüber den leicht
verständlichen pharmakodynamischen Interaktionen häufiger unerwartet auf, beziehen
sich aber generell nur auf Veränderungen der Plasmakonzentrationen und anderer pharmakokinetischer
Daten des Substituts, vergleichbar mit Veränderungen der Dosis. Jeder Einzelprozess,
aus dem sich die Pharmakokinetik, also der Blutspiegelverlauf, zusammensetzt, kann
betroffen sein. Als Einzelprozesse lassen sich nennen:
Nach Freisetzung der Wirksubstanz ist die trivialste Interaktion die Anwesenheit von
Aktivkohle, die den Wirkstoff derart adsorbiert, dass keine Aufnahme aus dem Magen-Darm-Trakt
möglich ist. Hierauf und auf pH-Wert-Verschiebungen und möglicherweise Komplexbildungen
mit mehrwertigen Kationen anorganischer Salze, adsorptiv wirkende Nahrungsbestandteile
oder säurebindende Adsorbenzien braucht hier nicht eingegangen zu werden. Auch Veränderungen
infolge veränderter Passagezeit (Verkürzung durch Laxantien und Prokinetika oder Verzögerungen
infolge atropinartiger Begleitwirkungen, z. B. der Antidepressiva) sollen hier nur
am Rande erwähnt werden.
Eine wichtige Rolle spielen neben den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Substanz
selbst auch die variablen Veränderungen des resorbierenden (exakt: absorbierenden)
Darmepithels. In ihm können bereits erste Metabolisierungsreaktionen ablaufen, so
dass die gegebene Dosis nur z. T. ins Blut gelangt. Der Besatz mit Esterasen zerstört
oral verabreichtes Heroin beispielsweise so erheblich, dass bereits in der Leber und
systemisch gar kein Heroin nachweisbar wird. Auch Kokain wird bereits im Darm zum
großen Teil hydrolytisch gespalten. Komplizierter sind die Rolle des auch im Darmepithel
vorhandenen Cytochrom-P-450-Systems und die mögliche sofortige Glucuronidierung von
Alkoholen, Phenolen oder Carboxylfunktionen (z. B. der nicht steroidalen Antirheumatika).
Die Überwindung dieser Hürde für die Aufnahme wirksamer Konzentrationen ins Blut kann
in einigen Fällen überraschend durch Raritäten verbessert werden. Dazu gehören das
im Grapefruitsaft enthaltene Bergamottin und andere Furanocoumarine. Sie sind wirksame
Inhibitoren des Cytochrom-P-450-Systems, so dass das Pharmakon unmetabolisiert passieren
kann.
In den letzten Jahren erforscht ist außerdem das Vorkommen von MDR-Proteinen [2]. Sie kommen in vielen Organen vor und wurden entdeckt bei der Erforschung der Resistenz
von Tumoren gegenüber Zytostatica, ehe man feststellte, dass sie auch normalerweise
in vielen anderen Geweben vorkommen. Diese Glykoproteine, vor allem das MDR1- und
das MDP2-Protein, schleusen in die Zelle aufgenommene Arzneistoffe in einem aktiven,
ATP verbrauchenden Prozess sofort wieder aus der Zelle aus. Sie unterliegen wahrscheinlich
auch Aktivitätsschwankungen. Arzneimittelinteraktionen sind dadurch möglich, dass
dieses Transportsystem gehemmt werden kann. Ein Beispiel dafür sind Kalziumantagonisten.
Nur am Rande sei vermerkt, dass auch im Darmepithel gebildete Fremdstoffmetaboliten
so wieder ausgeschleust werden können, bevorzugt in Richtung Darmlumen.
Die zweite Station eines aufgenommenen Arzneistoffs ist natürlich die Leber mit ihrer
hohen Kapazität an metabolisierenden Enzymen. Nur der Anteil, der die Leber passiert
und systemisch ins Blut gelangt, ist auch biologisch verfügbar. Beides, die enterale
und hepatische Metabolisierung der aufgenommenen Dosis, wird als First-Pass-Effect
zusammengefasst. Die Aktivität der metabolisierenden Enzyme unterliegt Veränderungen,
die den First-Pass-Effect variabel halten können. Grundsätzlich ist jeder First-Pass-Effect
auch sättigbar, so dass dann prozentual eine gesteigerte Bioverfügbarkeit bei höherer
Dosierung resultieren kann.
Verteilung
Die Verteilung im Organismus kann durch Interaktionen ebenfalls beeinträchtigt werden.
Dies betrifft vor allem solche Substanzen, die zu einem hohen Anteil an Plasmaproteine
gebunden sind. Bei kompetitiver Interaktion verdrängt das stärker gebundene das schwächer
gebundene aus der Bindungsstelle und erhöht somit den freien Anteil. Hierdurch strömt
ein höherer Anteil in das Gewebe und damit in die Zielorgane ab. Bekannt sind solche
Interaktionen zwischen Salicylaten und Coumarinderivaten (z. B. Phenprocoumaron) oder
oralen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffen).
Nur der freie, ungebundene Anteil steht für die Aufnahme in die (Ziel-)Organe, für
die Metabolisierung oder die renale Exkretion zur Verfügung.
Elimination
Metabolismus
Das metabolisierende Enzymsystem der Leber hat eine zentrale Bedeutung für die Pharmakokinetik
insgesamt. Überragende Bedeutung für zentralwirksame, lipophile Substanzen hat das
Monooxygenasesystem, die Cytochrome-P-450 (CYP). Dieser Komplex aus vielen CYP mit
unterschiedlicher Spezifität für verschiedene endogene Substrate als auch aufgenommene
Fremdstoffe bewirkt in überlappender Substratspezifität Oxidationsreaktionen, die
im Allgemeinen zu besser wasserlöslichen renal oder biliär ausscheidbaren Verbindungen
führen. Tab. [1] zeigt die wichtigsten Gen-Familien (CYP 1 bis CYP 4) und die daraus phylogenetisch
entstandenen Unterfamilien [3].
Tab. 1 Wichtigste CYP-Phänotypen mit ihren Substraten
| CYP-Form |
typische Substrate |
| 1A1 |
PAK (polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) |
| 1A2 |
PAK Theophyllin, Clozapin, Coffein |
| 1A6 |
Nikotin |
| 1B1 |
PAK |
| 2C9 |
Warfarin, Fluvoxamin |
| 2C18 |
Verapamil |
| 2C19 |
Omeprazol, Diazepam, Phenobarbital, Diclonfenac, Diazepam |
| 2C8 |
Amiodaron, Ibuprofen, Tolbutamid |
| 2D6 |
Fluoxetin, Propafenon, Codein, Dextromethorphan, Flecainid, Desipramin, Nortriptylin,
Clomipramin, Desipramin, Amitriptylin, Doxepin, Amphetamin, Metoprolol, Mexiletin |
| 2E1 |
Ethanol, Toluol, INH, Paracetamol |
| 3A4 |
Amitriptylin, Benzodiazepin, Buprenorphin, Calciumantagonisten, Chinin, Clarithromycin,
Codein, Erythromycin, Fentanyl, Digitoxin, Diphenhydramin, Haloperidol, Methadon,
NNRTI, Phenothiazine, Propranolol, Rifampicin, Sildenafil, Troleandomycin, Tacrolimus,
Tramadol, Warfarin, Zolpidem |
Die wichtigste Subfamilie ist das CYP 3A4. 30 - 40 % aller CYP-Formen der Zelle sind
„zuständig” für ca. 60 % aller Arzneimittel. Wichtig ist außerdem das CYP 2E1, weil
es auch Alkohol und Paracetamol oxidieren kann, sowie das CYP 2D6. Für dieses CYP
liegt ein Polymorphismus vor. Infolge von ca. 50 verschiedenen Genmutationen ergeben
sich phänotypische Varianten, von denen 16 kein funktionstüchtiges Enzym ausbilden.
Diese defizienten Low Metabolizer metabolisieren entsprechende Substrate mit erheblich
niedrigerer Geschwindigkeit als Normalpersonen. In seltenen Fällen, den „utrarapid
metabolizer”, kommt es infolge von Genamplifikationen zu einer höheren als der normalen
Umsatzgeschwindigkeit. Letztere benötigen nicht 50 mg Desipramin, sondern 500 mg für
denselben antidepressiven Effekt. Wichtig ist dieses Enzym auch für den Stoffwechsel
von z. B. Kodein, das durch das CYP 2D6 zu Morphin metabolisiert wird. Andere Substrate
sind außerdem trizyklische Antidepressiva, Betablocker, Antiarrhythmika (Klasse I),
Amphetamin und Amphetaminderivate. So erklären sich dann eventuell interindividuelle
Unterschiede bei der analgetischen Wirkung von Kodein/Dihydrokodein. Auch für die
Familien CYP 2C9 und CYP 2C19 kommt gelegentlich ein Polymorphismus vor. Die überwiegenden
Interaktionen mit Arzneimitteln auf dieser Ebene des Metabolismus sind jedoch Wechselwirkungen
am CYP 3A4. Die Metabolisierungsrate eines Medikaments wird durch ein zweites, von
diesem ebenfalls zu metabolisierenden Arzneimittel gehemmt (Tab. [2]), entweder kompetitiv, nichtkompetitiv oder sogar irreversibel, wenn das Enzym durch
kovalente Bindung eines Metaboliten funktionslos wird. Infolge der verminderten Metabolisierungsrate
durch Interaktion kann also der Blutspiegel höher ansteigen bzw. langsamer abfallen
und in summa zu einem erhöhten Steady-State-Level führen. Dies gilt nicht nur für
den Anteil des Arzneimittels im Blut, sondern auch für die biologische Verfügbarkeit.
Bei Hemmung der Metabolisierungsrate wird ein höherer Anteil unmetabolisiert aus dem
Darm ins Blut gelangen können. Besonders anfällig ist hier auch das Cytochrom 3A4
in der Darmmukosa, das z. B. durch den bereits erwähnten Grapefruitsaft oder besser
dessen Gehalt an Bergamottin und Dihydrobergamottin hemmbar ist.
Tab. 2 CYP-Induktoren und -Inhibitoren
| CYP-Form |
Induktor |
Inhibitor |
| 1A1, 1A2, 2B1 |
PAK, Dioxine |
a-Naphthoflavon |
| 2C, 3A |
Rifampicin, NNRTI, Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin, Spironolacton |
NNRTI, Rifabutin, Rifampicin, Makrolid-Antibiotika, Cimetidin, Proteinase-Inhibitoren,
Ketoconazol u. a., Azol-Antibiotika, Grapefruitsaft |
Nicht ganz so kompliziert ist die Situation bei einer anderen enzymatischen Reaktion
des Arzneistoffmetabolismus, dem Phase-II-Schritt der Glucuronidierung. Hier gibt
es zwei Familien der Glucuronyltransferasen, die UGT1- und UGT2-Familie. Während die
UGT2 zwei Subfamilien aufweist, die UGT2A und die UGT2B, kennt man für die Familie
UGT1 die Formen UGT1A1 bis UGT1A10 [4] für Bilirubin, Phenol, Steroide, Morphin u. a. Grundsätzlich sind auch hier die
Spezifitäten weit überlappend und hinsichtlich der Hemmung werden im Arzneimittelstoffwechsel
nur selten manifeste Interaktionen beobachtet.
Prinzipiell sollte man annehmen, man könnte bei Vorliegen der pharmakokinetischen
Daten im Voraus berechnen, um wie viel die Wirkung eines Arzneistoffs durch die Interaktion
mit einem anderen verändert werden könnte. In der Praxis ist dies aber so gut wie
nicht möglich. Es kommt außerdem noch ein weiterer Faktor hinzu, nämlich die Induktion.
Enzyminduktion
Viele CYP- und UGT-Formen sind induzierbar durch Fremdstoffe und Arzneimittel. Manche
Arzneistoffe induzieren gerade diejenigen Enzyme, die auch für ihren Metabolismus
verantwortlich sind. Die Induktion erfordert einige Tage und sinkt auch erst einige
Tage nach Absetzen wieder auf „Normalaktivitäten” herab. Hierzu gehören Substanzen,
von denen wichtige in Tab. [2] aufgeführt sind. Das CYP2D6 ist jedoch nicht induzierbar.
Exkretion
Interaktionen bei der renalen und biliären Exkretion treten im Allgemeinen nicht auf
und brauchen in diesem Zusammenhang nicht erörtert zu werden.
Interaktionen bei substituierten Patienten
Interaktionen bei substituierten Patienten
Interaktionen bei Methadon-Patienten [5]
Benzodiazepine
Die Benzodiazepine sind, ebenso wie das Methadon, Substrate für das CYP 3A4. Zu erwarten
wären somit eine Erhöhung der Bioverfügbarkeit für Methadon und eine Verlängerung
der Halbwertszeit für Methadon.
Für Flunitrazepam gilt diese Interaktion primär nicht, da der erste Inaktivierungsschritt
des Flunitrazepams in der Reduzierung der Nitrogruppe zum Aminoderivat besteht und
erst in zweiter Linie auch die Desalkylierung zum Desalkyl-Flunitrazepam verläuft.
Die Desalkylderivate Nordazepam und Desalkyl-Flunitrazepam sind beide ebenfalls wirksam.
Lorazepam, Oxazepam und Temazepam interagieren nicht mit Methadon, da sie glucuronidiert
werden, was für den Metabolismus des Methadons aber keine Rolle spielt.
Alle Benzodiazepine haben natürlich eine pharmakodynamisch synergistische Wirkung
auf die Sedierung und die Beeinträchtigung des Atemzentrums.
Alkohol
Ethanol wird durch das CYP 2E1 metabolisiert, zur Hauptsache aber durch die Alkoholdehydrogenase.
Eine Interaktion mit Methadon kommt pharmakokinetisch nicht in Betracht, wohl aber
in Bezug auf die Rauscheffekte und die sedierenden Eigenschaften. Anzuführen wäre
hier die Interaktion des Alkohols mit zusätzlich Chloralhydrat, das aber für Substitutionspatienten
praktisch nicht verordnet wird.
Andere Drogen
Kokain kann zur pharmakodynamischen Interaktion im Sinne eines Rauscheffektes führen,
eine pharmakokinetische Interaktion scheidet aus, da Kokain durch Esterasen inaktiviert
wird, sowohl präsystemisch als auch nach parenteraler Absorption durch Esterasen des
Blutes. Nur theoretisch wäre eine Verlängerung der Kokainhalbwertszeit denkbar durch
toxische Konzentrationen von Cholinesterase-Inhibitoren (E 605, Physostigmin).
Amphetamin und Amphetaminderivate haben keinen Einfluss auf die Pharmakokinetik des
Methadons, wirken aber natürlich pharmakodynamisch wie Kokain berauschend und in Bezug
auf die Sedation zum Methadon antagonistisch. Morphin und andere Opioide konkurrieren
mit dem Methadon um die Opiatrezeptoren und führen zu einer verstärkten Wirkung, sofern
es sich nicht um partielle Agonisten handelt, die die Methadonwirkung, wie oben beschrieben,
abschwächen könnten. Morphin, Monoacetylmorphin und Morphin-6-Glucoronid sind als
Abbauprodukte des Heroins ebenfalls nur pharmakodynamisch als additiv zu bewerten.
Die perorale Zufuhr von Heroin macht pharmakologisch keinen Sinn, da das Heroin infolge
der Esteraseaktivität in Darmschleimhaut, Blut und Lebergewebe die biologische Verfügbarkeit
verhindert, so dass systemisch allenfalls Morphin nachweisbar ist. Morphin selbst
wird bereits präsystemisch zum größten Teil glucuronidiert.
Tetrahydrocannabinol, der Wirkstoff des Cannabis, wird ebenfalls über das Cytochrom-P-450-System
oxidiert, pharmakokinetische Interaktionen mit dem Methadon sind jedoch nicht bekannt.
Pharmakodynamisch besteht eventuell ein Synergismus mit dem Methadon.
Antiepileptika
Carbamazepin ist nicht nur ein Substrat des CYP 3A4 und kann somit die Abbaugeschwindigkeit
des Methadons verzögern. Carbamazepin ist auch ein Induktor dieses Cytochroms, so
dass die pharmakokinetische Interaktion unsicher zu beurteilen ist. Die biologische
Verfügbarkeit von Methadon wird generell wohl nicht (weiter) gesteigert, es resultiert
aber eine Verminderung der Plasmakonzentration.
Phenytoin ist wie Carbamazepin zu beurteilen. Es ist ein kompetitives Substrat für
das CYP 3A4, aber auch ein Induktor dieses Cytochroms, v. a. aber des CYP 2C9.
Phenobarbital hemmt nur geringgradig das CYP 3A4, bewirkt aber eine z. T. hochgradige
Induktion von CYP 3A4 sowie der Subfamilie 2C und der Glucuronyltransferasen.
Trizyklische Antidepressiva
Die trizyklischen Antidepressiva interagieren pharmakodynamisch aufgrund der Sedation.
Nur bei überhöhter Dosierung könnte aufgrund der atropinartigen Nebenwirkungen mit
einer verzögerten Resorption von Methadon gerechnet werden.
Hemmer der Salzsäureproduktion
Cimetidin, ein H2-Blocker, hemmt nichtkompetitiv sowohl das Cytochrom-P-450-System als auch die Glucuronyltransferasen
unspezifisch. Hierdurch werden die biologische Verfügbarkeit als auch die Halbwertszeit
von Methadon oder Diazepam deutlich verlängert. Neuere H2-Blocker haben diese Eigenschaften nicht.
Omeprazol lässt keine Arzneimittelinteraktionen erwarten, da es über das CYP 2C19
metabolisiert wird, also den Metabolismus des Methadons (fast) nicht betrifft.
Antibiotika, Antimykotika
Die Makrolide Erythromyzin, Clarithromyzin u. a. sind Substrate des 3A4 und der CYP
2C9 und 2C19. Sie verzögern die Metabolisierungsrate von Methadon und auch der Benzodiazepine.
Rifampicin und Rifabutin haben eine deutliche Affinität zum CYP 3A4 und können ebenfalls
die biologische Verfügbarkeit (geringgradig) sowie die Plasmakonzentrationen des Methadons
erhöhen, führen aber zu einer erheblichen Induktion des CYP 3A4 und einiger Glucuronyltransferasen.
Es muss mit einer anschließenden deutlichen Verminderung der Methadon-Plasmakonzentration
gerechnet werden, dem für die Dauer der antibiotischen Behandlung mit einer Anhebung
der Methadondosierung begegnet werden müsste.
Azol-Antimykotika (Ketoconazol, Itraconazol, Fluconazol) [6] sind ebenfalls potente Inhibitoren des CYP 3A4, sind aber keine Induktoren dieser
Monoxygenasen. Die geringste Inhibition übt offenbar Fluconazol aus.
Antiretrovirale Therapie (Tab. [3])
Während die Nukleoside keine Interaktionen bewirken, ist bei Einsatz der nichtnukleosidischen
Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) mit deutlichen Interaktionen zu rechnen;
Delavirdin, Neverapin, Efavirenz sind Inhibitoren des CYP 3A4 und bewirken zu Beginn
eine Inhibition mit damit verstärkter Wirksamkeit des Methadons, senken aber als Induktoren
des CYP 3A4 anschließend dessen Halbwertszeit wie auch die der NNRTI selbst [2]
[7].
Tab. 3 Antiretrovirale Arzneimittelinteraktionen mit Methadon
| Substanz |
Methadon-Plasmakonzentration |
Mechanismus |
| NRTI[1]
|
→ |
- |
| NNRTI[2]
|
anfangs ↑ |
CYP3A4-Inhibition |
| Delavirdin |
später ↓↓ |
CYP3-, CYP-2C-Induktion |
| Efavirenz |
|
|
| Nevirapin |
|
|
| PI[3]
|
↑ |
CYP3A-Inhibition |
| Amprenavir |
↑ |
|
| Indinavir |
↑ |
|
| Nelfinavir |
(↑) |
schwach wirksam |
| Ritonavir |
↑↑ |
anfangs starke Inhibition |
|
(↑) |
später auch Induktion (?) |
| Saquinavir |
↑ |
|
|
1nukleosidische Riverse-Transkriptase-Inhibitoren
2nicht nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren
3Protease-Inhibitoren
|
Die Proteinase-Inhibitoren sind reine Substrate für das CYP 3A4 und z. T. des CYP
2C9. Sie führen jedoch nicht zu einer Enzyminduktion, so dass durch sie nur eine konstante
Interaktion mit Methadon resultiert. Selbstverständlich müssen hier auch andere CYP-3A4-Substrate
als Kandidaten für Interaktionen genannt werden: Erhöhung der Plasmakonzentrationen
der NNRTI durch andere Inhibitoren (z. B. Ketoconazol) oder Verminderung der Plasmaspiegel
durch Induktoren wie Carbamazepin oder Rifampicin. Da regelmäßig nur die Dreier-Kombinationen
aus NRTI, NNRTI und Proteinase-Inhibitoren bei der HIV-Infektion zur Anwendung kommen,
betreffen die Interaktionen auch die Substanzen untereinander. So kann die Bioverfügbarkeit
von Saquinavir durch CYP-Inhibitoren mehrfach erhöht werden oder durch Induktoren
(Rifampicin, NNRTI) vermindert sein. Wirkungen und Nebenwirkungen dieser Substanzgruppe
erfordern vorsichtige Dosisanpassungen.
Interaktionen bei Kodein-/Dihydrokodein-Patienten
Da die Metabolisierungsraten dieser Opioide sowohl von CYP 3A4 als auch von der Aktivität
des CYP 2D6 abhängen, fallen die Interaktionen mit den oben genannten Substanzen eher
geringergradig aus, so dass sie weniger ins Gewicht fallen. Das CYP 2D6 ist nicht
induzierbar und kann dadurch außer Betracht bleiben.
Interaktionen bei Buprenorphin-Patienten
Das Buprenorphin unterliegt einer intensiven First-Pass-Metabolisierung, so dass es
bekanntlich peroral praktisch unwirksam ist. Als CYP-3A4-Substrat kann es allerdings
mit den oben genannten Inhibitoren und Induktoren in seiner Pharmakokinetik beeinträchtigt
werden. Hier spielen die pharmakodynamischen Interaktionen mit ebenfalls zentral sedativ
und potenziell atemdepressiven Substanzen die weitaus wichtigere Rolle, so dass insbesondere,
außer den im Allgemeinen schwächer bindenden Opioiden, andere Hypnotika wie Ethanol
und Benzodiazepine generell zu lebensgefährlichen Intoxikationen führen können und
beschrieben sind.
Schlussfolgerung
Schlussfolgerung
Bei substituierten Patienten sind Interaktionen mit einer hohen Anzahl von Arzneimitteln
möglich. Durch sie können sowohl Überdosierungs- als auch Unterdosierungserscheinungen
(Entzugssymptome) auftreten. Wichtiger als die pharmakokinetischen Interaktionen sind
jedoch die pharmakodynamischen Wechselwirkungen bzw. synergistischen Wirkungen auf
das Atemzentrum. Die Voraussage solcher Interaktionen lässt sich kaum berechnen und
sollte mit der gebotenen Vorsicht der Dosierung erfolgen. Notwendige Dosissteigerungen
der Substitutionsmedikamente sollten vorteilhaft durch fraktionierte Gaben des Substituts
erfolgen. Dosisanpassungen können vorgenommen werden, wenn vor der Gabe zusätzlicher
Medikamente Plasmakonzentrationsmessungen des Substituts und nach Beginn der Zusatzmedikation
erneut Plasmakonzentrationsmessungen stattfinden, um eine noch bessere Justierung
der Substitutionsdosis zu ermöglichen. Grundsätzlich sollte die Gabe von Inhibitoren
zu einer vorsichtigen Reduktion und die Gabe von Induktoren zu einer vom Patienten
zumeist auch geforderten Dosiserhöhung führen. Bei Absetzen von Induktoren sollte
das Substitut wieder reduziert werden. Die Toleranz gegenüber dem Substitutionsmedikament
bewirkt keine Kreuztoleranz gegenüber anderen atemdepressorischen Arzneistoffen. Jede
Änderung der Zusatzmedikation mit potenziell pharmakodynamischem Synergismus erfordert
äußerste Vorsicht. Dies gilt insbesondere für Buprenorphin-Patienten.