Einleitung
NK-Zell-Lymphome repräsentieren eine seltene Untergruppe von Non-Hodgkin-Lymphomen. Sie zeichnen sich durch die Expression von bestimmten NK-Zell-Markern aus, wobei hier dem CD56 die größte Bedeutung zukommt. Die aktuelle WHO-Klassifikation [1]
[2] unterscheidet NK/T-Zell-Lymphome vom „nasalen Typ”, blastische NK-Zell-Lymphome und aggressive NK-Zell-Leukämien. Meist handelt es sich um extranodale Lymphome mit klinisch aggressivem und therapierefraktärem Verlauf. Sie können im Bereich des oberen Respirationstraktes, Gastrointestinaltraktes, der Milz, des ZNS, der Testes sowie der Haut auftreten [3], die typischerweise mitbetroffen und in einigen Fällen der einzige Manifestationsort zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ist . Wir berichten hier über zwei Patienten mit kutaner Manifestation von NK-Zell-Lymphomen.
Kasuistiken
Patient 1
Anamnese: Ein 79-jähriger Patient stellte sich mit multiplen Plaques und Knoten am gesamten Integument vor. Die Hautveränderungen seien erstmals ein Jahr zuvor an Kopf und Schultern aufgetreten. Im Verlauf seien zahlreiche, schmerzlose Läsionen am Stamm und den Extremitäten hinzugekommen. Vier Wochen vor der Erstvorstellung in unserer Klinik hätten die Hautveränderungen dramatisch an Zahl zugenommen und zusätzlich sei erstmals Juckreiz aufgetreten. Der Patient berichtete über allgemeine Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust sowie zusätzliche chronische Erkrankungen wurden verneint.
Erstbefund: Bei der körperlichen Untersuchung zeigten sich über Kopf, Rumpf und die Extremitäten verteilt mehr als hundert livid-rote, nicht dolente, derbe Plaques und Knoten mit einem maximalen Durchmesser bis zu 5 cm (Abb. [1]). An allen zugänglichen Lymphknotenstationen waren bis ca. 2 cm große, schmerzlose Raumforderungen palpabel, zusätzlich war eine Splenomegalie nachweisbar.
Abb. 1 (Patient 1) Multiple blass-rötliche Plaques und Knoten bis max. 5 cm Durchmesser an der linken Schulter (oben) und am Gesäß (unten).
Laboruntersuchungen: Hämoglobin 12,0 g/dl, Thrombozyten 116 × 10³/μl und Leukozyten bei 7,4 × 10³/μl. Im Differenzialblutbild zeigten sich 9 % atypische Lymphozyten, keine Blasten. Die Serumparameter inklusive Immunglobulin- und Eiweißelektrophorese waren bis auf eine leicht erhöhte Laktatdehydrogenase (259 U/l), im Normbereich. Gerinnung und Urinstatus waren unauffällig. Die getesteten Recall-Antigene im Multitest Merieux blieben reaktionslos, insbesondere Tuberkulin. Eine Differenzierung der Leukozyten im peripheren Blut mittels Durchflusszytometrie ergab eine normale Verteilung für NK-, B- und T-Zellen sowie Monozyten. Serologisch fanden sich keine Hinweise auf EBV- oder CMV-Infektion.
Mehrere Hautbiopsien zeigten ein einheitliches Bild: unter einer normalen Epidermis ein dichtes dermales Infiltrat von mittelgroßen basophilen, lymphoiden Zellen mit deutlichem Zytoplasma, pleomorphen Kernen und atypischen Mitosen, keine Bildung von Keimzentren (Abb. [3 a] u. [b]). Die Immunhistochemie ergab eine Reaktivität nahezu aller Zellen mit CD56 und eine homogene, starke Expression von bcl-2 und Ki-67 (Abb. [3 c]). Viele Zellen waren CD4+, nur etwa 10 % waren CD8+. Die Färbungen für CD3, CD3ε, CD19, CD20, CD30, CD68, CD79a und TIA 1 waren nur schwach positiv oder negativ (Abb. [3 d]). Ein klonales Rearrangement der γ-Kette des T-Zell-Rezeptors ließ sich mittels PCR nicht nachweisen. Die histopathologische und immunhistochemische Untersuchung eines Lymphknotens der linken Axilla ergab vergleichbare Befunde.
Abb. 3 Die histologischen und immunhistochemischen Untersuchungen von beiden Patienten zeigen ein ähnliches Bild. a und b Dichtes dermales Infiltrat von mittelgroßen basophilen, lymphoiden Zellen mit deutlichem Zytoplasma, pleomorphen Kernen und atypischen Mitosen (Haematoxylin und Eosin). c Kräftige Expression von CD56 auf der Zelloberfläche (Immunhistochemie, CD56 = rot). d Fehlende Expression von CD3 (Immunhistochemie, CD3 = rot).
Apparative Diagnostik: Im Ganzkörper-CT fanden sich zervikal, axillär und inguinal multiple vergrößerte Lymphknoten sowie eine hypodense Läsion in der Milz, die als Infiltration des Lymphoms interpretiert wurde. Im Oberlappen der rechten Lunge fanden sich schwielige Veränderungen, umgeben von dichten nodulären Infiltraten, die als mögliche Reaktivierung einer Lungentuberkulose gedeutet wurden. Wiederholte mikrobiologische Sputum- und Urinuntersuchungen waren jedoch mikroskopisch zunächst negativ, erst kulturell konnten nach 3 Wochen Mykobakterien vom Tuberkulosis-Komplex nachgewiesen werden.
Therapie und Verlauf: Nach Diagnosestellung eines hochmalignen, blastischen NK-Zell Lymphoms begannen wir eine Polychemotherapie mit Cyclophosphamid, Vincristin und Prednisolon (COP). Nach insgesamt 6 Zyklen wurde eine partielle Remission erreicht. Die kleineren nodulären kutanen Infiltrate verschwanden bereits eine Woche nach dem ersten Zyklus COP unter Hinterlassung hyperpigmentierter Areale. Die reaktivierte Lungentuberkulose, die am ehesten auf eine lymphombedingte Immunsuppression zurückzuführen war, komplizierte die Behandlung zunächst erheblich. Nach bestätigter Diagnose wurde unverzüglich eine Kombinationstherapie mit Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol und Pyrazinamid eingeleitet. Der zweite Zyklus COP musste bis zum Erhalt einer negativen Mykobakterien-PCR in der Bronchiallavage verschoben werden.
Sechs Monate nach Beginn der Lymphomtherapie, kurz nach Gabe des 6. Zyklus COP, kam es zu einer raschen Reaktivierung der Erkrankung mit erneuten kutanen Infiltrationen, Juckreiz, generalisierter Lymphadenopathie und dramatischer Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Trotz Umstellung der Chemotherapie auf Pentostatin verstarb der Patient 2 Monate darauf, innerhalb von 9 Monaten nach Diagnosestellung.
Patient 2
Anamnese: Der 87-jähriger Mann stellte sich erstmals im April 2003 in der dermatologischen Abteilung vor. Er berichtete über einen seit ca. 3 Monaten bestehenden Knoten am unteren Rücken paravertebral rechts, welcher an Größe zugenommen und in dessen Umgebung sich neue Herde entwickelt hatten. Subjektives Krankheitsgefühl oder eine B-Symptomatik bestanden nicht. An Vorerkrankungen waren arterielle Hypertonie und Glaukom bekannt.
Aufnahmebefund: Lumbal paravertebral rechts zeigte sich ein ca. 5 × 4,5 cm großer livid-roter, halbkugelig-erhabener, scharf begrenzter und gut verschieblicher Knoten. In der Umgebung waren mehrere livid-rote, flache, mäßig infiltrierte, unscharf begrenzte Plaques mit einem Durchmesser von bis zu 2 cm nachweisbar (Abb. [2]). Palpatorisch fanden sich inguinal und axillär beidseits nicht druckdolente Lymphknoten.
Abb. 2 (Patient 2) Großer livid-roter Tumor lumbal rechts mit einzelnen Satellitenläsionen (Pfeile).
Laboruntersuchungen: Leukozyten 30,2 × 103/μl, Thrombozyten 100 × 103/μl, Erythrozyten 4,1 × 10/μl, Hämoglobin 11,2 g/dl, Hämatokrit 35,5 %, im Differenzialblutbild 10 % Lymphozyten und 65 % Blasten; LDH mit 827 U/l (< 248) und α-HBDH mit 757 U/l (Norm: 75 - 195) deutlich erhöht. Gerinnung, Urinstatus und Kreatinin-Clearance waren normwertig. Serologisch kein Anhalt für aktive Infektion mit CMV, Hepatitis A, B oder C oder HIV. Verdacht auf EBV-Reaktivierung.
In wiederholt durchgeführten Biopsien zeigte sich histologisch eine regelhafte Epidermis mit darunterliegenden perivasal akzentuierten, teils periadnexiell angeordneten Infiltraten aus atypischen lymphoiden Zellen. Kaum Blasten, keine Keimzentren (Abb. [3 a] u. [b]). Fast alle Zellen sind CD56+ und CD43+, mittelhohe Mitoserate (30 % MIB1+) (Abb. [3 c]). Kräftige membranöse Reaktion mit bcl-2. Einige Zellen sind CD4+; CD2, CD3, CD8, CD20, CD30 und CD79a sind sehr schwach oder negativ (Abb. [3 d]). In der Knochenmarkspunktion wurde ein hyperzelluläres Knochenmark mit subtotaler Infiltration durch blastäre Zellen nachgewiesen. Keine Auerstäbchen, keine Granula. In der Zytochemie Peroxidase, PAS und Esterase negativ.
In der immunzytologischen Untersuchung der peripheren Blutlymphozyten waren 40 % CD16+/CD56+, CD7+ und CD3-Zellen nachweisbar, passend zu einer leukämischem Aussaat eines NK-Zell Lymphoms. Ein klonales Rearrangement der γ-Kette des T-Zell Rezeptors ließ sich mittels PCR nicht nachweisen.
Apparative Diagnostik: Ein Ganzkörper-CT zeigte schwielige Veränderungen intrapulmonal sowie multiple pathologische Lymphknoten supraklavikulär, axillär beidseits, mediastinal und entlang des retroperitonealen Gefäßbandes, außerdem eine Splenomegalie; keine zerebrale Beteiligung.
Therapie und Verlauf: Unter Chemotherapie mit Steroiden und Chlorambucil fielen die Leukozytenzahlen zunächst rasch ab. Der Patient erkrankte jedoch an einer Pneumonie, an deren Folgen er trotz Therapie noch während des stationären Aufenthaltes innerhalb weniger Tage verstarb.
Diskussion
Erst seit kurzem wird der Gruppe der NK-Zell-Lymphome mehr Beachtung geschenkt, was sich an der steigenden Zahl an Berichten in den letzten Jahren widerspiegelt [4]
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[10]. Dies liegt sicher auch daran, dass ältere Lymphomklassifikationen wie die Kiel-Klassifikation und sogar aktuellere wie die „REAL”- [11] oder „EORTC”-Klassifikation für Lymphome [12] NK-Zell-Lymphome nicht als eigenständige Entitäten angesehen hatten. Die aktuelle WHO-Klassifikation von 2001 definiert NK-Zell-Lymphome erstmals als eigenständige Erkrankungen und unterscheidet a) NK/T-Zell-Lymphome vom „nasalen Typ”, b) blastische NK-Zell-Lymphome und c) aggressive NK-Zell-Leukämien. Das „nasale” (mit einer Primärmanifestation im Nasopharynxbereich, auch als „letales Mittelliniengranulom” bezeichnet [13]) und das „nasal-ähnliche” NK/T-Zell-Lymphom (mit histopathologisch gleichen Merkmalen, aber anderer Primärmanifestation, z. B. in Haut, Hoden, Gastrointestinaltrakt oder in den oberen Atemwegen) tritt vornehmlich bei Asiaten und nordamerikanischen Ureinwohnern auf, bei Kaukasiern ist es sehr selten [14]
[15]. Eine Assoziation mit einer EBV-Infektion ist bei der Mehrzahl dieser Tumoren vorhanden. Insbesondere bei diesem Subtyp ist die Herkunft der malignen Zellen (NK- oder T-Zellen) oft unklar, daher der Überbegriff NK/T-Zell-Lymphom.
Blastische NK-Zell-Lymphome entwickeln sich aus unreifen NK-Zellen. In der Regel handelt es sich um Patienten höheren Alters und es liegt keine Assoziation mit EBV vor. Der klinische Verlauf ist aggressiv und es gibt Übergänge zu einer NK-Zell-Leukämie. Bei Erstvorstellung liegen häufig neben der Hautmanifestation disseminierte Organbeteiligungen oder sogar Knochenmarksinfiltrationen vor [16].
NK-Zell-Lymphome sind im allgemeinen selten und fast immer extranodalen Ursprungs. Sie ähneln klinisch gelegentlich reaktiven Prozessen und können deshalb schwierig zu diagnostizieren sein. Eine kutane Mitbeteiligung ist häufig und in einigen Fällen die erste oder einzige Manifestation. Die Klassifkation ist immer noch Gegenstand der Diskussion, da NK-Zell-Lymphome morphologisch und histopathologisch sehr heterogen sein können und es anders als bei T- und B-Zell-Lymphomen keine Marker für Klonalität gibt. Subtypen von NK-Zell-Lymphomen können anhand der Expression von Oberflächenmarkern, Assoziation mit einer EBV-Infektion und Prädisposition für bestimmte Ethnien unterschieden werden. Die Ursprungszellen können NK-Zellen (CD56+, CD3ε +/-, Oberflächen CD3-, kein klonales TCR-Rearrangement), NK-ähnliche T-Zellen oder bestimmte zytotoxische Zellen (ebenfalls CD56+, aber CD3+ und mit klonalem Rearrangement der TCR-Gene) sein. Auch wenn nicht vollkommen spezifisch, ist der Nachweis von CD56, einer Isoform des „NCAM” (neurales Zelladhäsions Molekül) [17], das wichtigste Kriterium zur Diagnosestellung eines NK-Zell-Lymphoms und sollte nicht versäumt werden [18].
Trotzdem lässt sich die Herkunft der Lymphomzellen oft nicht zweifelsfrei bestimmen, weswegen sich teilweise als Überbegriff dieser Neoplasien die Bezeichnung NK/T-Zell Lymphome etabliert hat, teilweise werden sie auch als zytotoxische Lymphome bezeichnet [3]. Aus Gründen einer einheitlichen Terminologie schlagen wir jedoch vor, ausschließlich die oben beschriebene WHO-Klassifikation anzuwenden.
In beiden Kasuistiken (blastisches NK-Zell-Lymphom und NK-Zell-Leukämie) konnte die NK-Zell-Abstammung durch die CD56-Expression der Tumorzellen und den fehlenden Nachweis von T-Zell-Markern oder klonalem TCR-Rearrangement bewiesen werden. Leider verstarben beide Patienten trotz Polychemotherapie kurze Zeit nach Diagnosestellung (3 Monate/9 Monate), was einmal mehr die Aggressivität dieser Erkrankung unterstreicht.
Derzeit gibt es zu wenig Daten über eine effektive Behandlung von NK-Zell-Lymphomen, einheitliche Therapiestrategien fehlen. Die momentan bevorzugte Polychemotherapie ist meist wenig erfolgreich [16], gilt aber dennoch momentan als Therapie der Wahl. Bei Patienten mit passendem Stammzellspender könnte eine allogene Stammzelltransplantation erwogen werden, um möglicherweise Langzeitremission dieser aggressiven und prognostisch ungünstigen Non-Hodgkin-Lymphome zu erzielen. Hierfür ist aber noch einige Forschungsarbeit über diese noch „jungen” Erkrankungen nötig. Der erste Schritt ist durch die Anerkennung als eigenständige Kranksbilder bereits getan.