Einleitung
Einleitung
Onkogene HPV-Typen wie 16, 18 und 31 werden regelmäßig in genitalen Karzinomen und
deren Vorläuferläsionen nachgewiesen. Extragenital kommen diese HPV-Typen vorwiegend
an den Händen vor. Insbesondere HPV 16 (gelegentlich auch HPV 31, 54, 58, 61, 62 und
73) wird regelmäßig in Morbus Bowen-Läsionen der Finger und Hände nachgewiesen [8]
[16].
Wir berichten über einen Patienten mit einem klinisch ungewöhnlichen, therapierefraktären,
subungual lokalisierten, stark verhornten, exophytisch wachsenden, großen verrukösen
HPV 16-positiven Tumor des Mittelfingers, der klinisch und histologisch nicht einem
Morbus Bowen sondern klinisch einem verrukösen Karzinom vom Typ des Epithelioma cuniculatum
und histologisch einem „warty squamous cell carcinoma” entsprach.
Kasuistik
Kasuistik
Anamnese
Ein 36-jähriger Mann erkrankte 1 Jahr vor stationärer Einweisung in unsere Klinik
an einer „Warze” unterhalb des Nagels des rechten Mittelfingers. Ambulant wurden seinerzeit
eine Nagelextraktion und eine Exzision des Tumors ohne histologische Diagnostik durchgeführt.
Anschließend erfolgte eine keratolytische Lokaltherapie mit Salicylvaseline, da der
Tumor rasch rezidivierte. Trotz dieser Behandlung kam es zu einem weiteren Wachstum
des Tumors, so dass der Patient zur OP eingewiesen wurde. Eine sonstige frühere Erkrankung
an Warzen, Genitalwarzen oder (Genital-)Karzinomen wurde negiert. Auch die Partnerin
sei frei von Genitalwarzen oder Genitalkarzinomen. Eine HIV-Infektion sei kürzlich
serologisch ausgeschlossen worden, eine Immunsuppression nicht bekannt.
Befund
Wir sahen subungual am rechten Mittelfinger einen exophytischen, ca. 10 mm durchmessenden
und 6 mm erhabenen blumenkohlartigen Tumor mit aufliegender massiver, zerklüfteter
Hyperkeratose. Der darüberliegende Fingernagel war dystroph und abgehoben. Im Bereich
der Mittelglieder des rechten Mittel- und Ringfingers fanden sich weitere, jeweils
3 bis 4 mm durchmessende Hautveränderungen, die Verrucae vulgares ähnelten (Abb. [1]).
Abb. 1 Subungual lokalisierter exophytisch wachsender hyperkeratotischer Tumor mit den Fingernagel
verdrängendem Wachstum am rechten Mittelfinger eines 36-jährigen Mannes.
Histologie und PCR-Diagnostik
Im HE-Präparat zeigte sich ein im Gesunden entfernter exophytischer asymmetrischer
und vom Wachstumsmuster an eine Verruca vulgaris erinnernder epithelialer Tumor: Neben
betont fibrovaskulär durchsetzten, z. T. undulierenden Papillen und verlängerten,
abgerundeten Reteleisten wies die massiv hyperparakeratotische verhornende Epidermishyperplasie
(Abb. [2]) ausgeprägte Zellatypien, zahlreiche, z. T. atypische Mitosen und Koilozyten auf
(Abb. [3] u. [4]). Ein invasives Wachstum war nicht nachweisbar. Der histologische Befund ensprach
dem eines „warty squamous cell carcinoma”.
Abb. 2 Histologisches Präparat (HE-Färbung) des subungualen Tumors von Abb. 1: An Verruca vulgaris erinnernde Gesamtarchitektur mit undulierenden Papillen und
abgerundeten Reteleisten.
Abb. 3 Koilozyten in den oberen Anteilen sowie Durchsetzung des gesamten Tumors mit Zellatypien
und Mitosen.
Abb. 4 Zahlreiche, zum Teil atypische Mitosen pro Gesichtsfeld bei hoher Vergrößerung.
Mittels PCR-Analyse wurde das Biopsat auf Präsenz von HPV 16, 18, 31, 33, 35, 39,
45, 51, 52, 56, 58, 59, 66 und 68 (high-risk) sowie HPV 6, 11, 40, 42 - 44 (low risk)
untersucht. Die Qualität der Probe wurde durch ß-Globulin spezifischer PCR überprüft.
Es ließ sich HPV 16-DNA in dem Biopsat nachweisen (Prof. Dr. med. F. Kommos, Referenzentrum
für Gynäkopathologie, Mannheim).
Therapie und Verlauf
In Oberst'scher Leitungsanästhesie erfolgte eine Extraktion des rechten Mittelfingernagels,
die Exzision des darunterliegenden subungualen Tumors und die CO2-Laserung des unterliegenden Nagelbetts. Die kleinen verrukösen Läsionen an den Fingermittelgliedern
wurden gleichfalls mit dem CO2-Laser abgetragen. Eine lokale Nachbehandlung wurde mit natürlichem β-Interferon (Fiblaferon®-Gel)
5 × tgl. bis zum Wundschluss nach ca. 3 Wochen durchgeführt.
Diskussion
Diskussion
Moy et al. untersuchten 10 invasive bzw. In-situ-Stachelzell-Karzinome der Fingernagelregion
auf Vorhandensein von HPV-DNA [17]. Die meisten der Patienten berichteten über lange Zeit vorbestehende therapierefraktäre
Warzen in dieser Lokalisation. In 8 der untersuchten Karzinome ließ sich HPV-DNA nachweisen,
in 6 Fällen hiervon vom Typ 16. Ostrow et al. berichten über einen ähnlichen Fall
mit 20-jähriger „Warzen”-Anamnese [21]. Bei 7 Patientinnen, die an HPV 16-positiven Zervixkarzinomen und später an Stachelzell-Karzinomen
des Fingers erkrankten, ließ sich in 5 Fällen HPV 16 in den Tumoren der Finger nachweisen
[7]. Genaue Angaben über den klinischen und histologischen Typ der einzelnen untersuchten
invasiven bzw. In-situ-Stachelzell-Karzinome fehlen in diesen Untersuchungen zum Teil.
Unter einem verrukösen Karzinom werden klinisch so unterschiedliche Tumoren wie anogenitale
Buschke-Löwenstein-Tumoren, die orale floride Papillomatose (Ackerman-Tumor), die
Papillomatosis cutis carcinoides Gottron und das Epithelioma cuniculatum der Fußsohle
subsumiert [9]
[24]. Wie beim Keratoakanthom hat bei den Formen des verrukösen Karzinoms in den letzten
Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Wurden sie früher als Pseudokanzerosen
betrachtet [2], so werden sie jetzt als hochdifferenzierte echte Stachelzell-Karzinome angesehen,
die selten metastasieren und klinisch im Einzelfall abortiv verlaufen können [9]
[24]
[26]
[27].
Kürzlich wurde die pathologische Diagnose eines „warty squamous cell carcinoma” in
Abgrenzung zum verrukösen Karzinom als eigene Entität eines Stachelzell-Karzinoms
etabliert [1]
[3]
[5]. Es handelt sich hierbei um ein typischerweise HPV 16-positives „warzig/kondylomatös”
wachsendes Pattenepithelkarzinom des äußeren Genitals. Vom verrukösen Karzinom unterscheidet
es sich durch lange kondylomatös undulierende Papillen mit fibrovaskulärer Begrenzung.
Außerdem stehen auffallend diffuse Atypien und Koilozyten im Vordergrund, was im irreführend
blanden zytomorphologischen Erscheinungsbild des verrukösem Karzinoms typischerweise
fehlt [1]
[3]
[5]
[20]. Im Gegensatz zu den vorbeschriebenen genitalen „warty squamous cell carcinoma”
wies der Tumor in unserem Fall lokalisationsbedingt klinisch wie histologisch einen
eher verrukösen denn kondylomatösen Charakter - analog den lokalisationstypischen
Unterschieden zwischen Verrucae vulgares und Condylomata acuminata - auf. Die Unterscheidung
zwischen verrukösem und warzigem Karzinom (engl. verrucous carcinoma und warty carcinoma)
ist dabei sprachlich leider verwirrend. Klinisch dagegen gleichen „warty squamous
cell carcinoma” verrukösen Karzinomen [1]
[3]
[5]
[20]
[22].
Einem Morbus Bowen oder einem Bowen-Karzinom, gleichfalls häufig am Finger auftretend
und häufig HPV 16-positiv, ähnelte der Tumor im vorliegenden Fall klinisch und histologisch
nicht. Er entsprach dagegen klinisch mit exophytischem Wachstum und prominenter, vielfach
zerklüfteter Hyperkeratose einem verrukösen Karzinom vom Typ des Epithelioma (Carcinoma)
cuniculatum, wenn er auch an der Hand und nicht am Fuß lokalisiert und bei einem jungen
und nicht einem älteren Mann aufgetreten war. In wenigen Einzelfällen ist bereits
ein Epithelioma cuniculatum an der Hand [4]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]
[18]
[25] bzw. im Nagelbereich [6]
[25]
[26] beschrieben worden. Beim Epithelioma cuniculatum der Fußsohle wurde des Öfteren
HPV 16 [23], gelegentlich auch HPV 2 und 11 [10]
[19] nachgewiesen.
Histologisch muss der vorliegende Fall dagegen als „warty squamous cell carcinoma”
diagnostiziert werden, da sowohl Elemente einer Viruswarze mit Koilozyten und reifer
Verhornung als auch Zellatypien und zahlreiche Mitosen vorliegen. Es handelt sich
unseres Wissens um den ersten beschriebenen an der Hand lokalisierten Fall eines „warty
carcinoma” und erstmaligen Nachweis von HPV 16-DNA in einem „warty squamous cell carcinoma”
bzw. verrukösen Karzinom vom Typ des Epithelioma cuniculatum der Hand.
Das langfristige, insbesondere therapierefraktäre Bestehen klinisch atypischer „warziger”
Hautveränderungen an den Fußsohlen, der Genital- und Mundschleimhaut, aber auch an
anderen mukokutanen Lokalisationen, wie beispielsweise an den Fingern, sollte den
klinischen Verdacht auf ein „warty squamous cell carcinoma” bzw. verruköses Karzinom
erwecken und Anlass für eine sorgfältige histologische Untersuchung möglichst mit
Screening auf onkogene HPV-Typen geben.