Aktuelle Dermatologie 2004; 30(1/02): 11-17
DOI: 10.1055/s-2004-814274
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Funktionelle Textilien zur Hautpflege und als Therapiemedium

Functional Textiles for Skin Care and as Therapeutic MediumD.  Knittel1 , H.-J.  Buschmann1 , C.  Hipler2 , P.  Elsner2 , E.  Schollmeyer1
  • 1Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West e.V., Krefeld
  • 2Klinik für Dermatologie und dermatologische Allergologie, Universität Jena
Weitere Informationen

Dr. Dierk Knittel

Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West e. V.

Adlersraße 1 · 47798 Krefeld

eMail: knittel@dtnw.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. März 2004 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Es werden die Effekte der Textilausrüstung mit Komplexbildnern wie etwa Cyclodextrinen und anderen Kohlenhydraten vorgestellt. Durch eine derartige Textilveredlung wird u. a. ein verbesserter Tragekomfort (auch von Textilien aus Synthesefasern) sowie die Möglichkeiten einer Einbindung von Wirkstoffen (wie etwa Bakterizide, hautgängige Pharmaka, Pflegemittel) erzielt. Zudem zeichnen sich Möglichkeiten ab, neuartige Textilien für den Medizinbereich zum einen als transdermales Therapiesystem mit Slow-Release-Eigenschaften als auch als transdermales Kollektorsystem für eine Analytik am menschlichen Schweiß zu gestalten.

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Abstract

A report is given on new methods of surface modification of near skin textiles. These modifications - applicable according to conventional procedures of textile finishing industry - include the use of cyclodextrins and/or linear carbohydrate biopolymers. All of them can be permanently fixed on the textile for multiple use. Textiles finished by these ways may be used as stabilizers for the climate between textile and human skin, for skin care or as transdermal therapeutic systems after loading with pharmaceuticals or as transdermal collectorsystem for stabilising and analysing sweat components.

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Einleitung

Das Ziel von Veredlungsschritten an textilen Materialien ist, neben der Farbgebung oder Musterung, dem Endprodukt weitere gebrauchswertsteigernde Eigenschaften zu verleihen. Für zellulosische Faserstoffe sei die Erhöhung der Formstabilität und die Verbesserung des Knitterverhaltens durch Kondensationsreaktionen mit Vernetzerchemikalien angeführt. Bei Synthesefasern etwa spielen Pflegeleichtausrüstungen oder Griffverbesserungen wie das Alkalisieren von Polyesterfasern oder der Zusatz geeigneter Weichmacher zu den Veredlungsflotten eine große Rolle. Weitere erwünschte Eigenschaften des Endprodukts werden etwa durch das Aufbringen von hydrophilierend, antistatisch oder fungizid wirkenden Textilhilfsmitteln erzielt [1].

Zur Erzielung bestimmter Eigenschaften und Qualitätsmerkmale wird als letzter Prozessschritt in der Textilveredlung eine spezifische Behandlung (Ausrüstung) des Textilguts durchgeführt. Die Art dieser Behandlung richtet sich nach dem Anforderungsprofil. Dabei werden physikalische und/oder chemische Methoden angewandt. Die Haftung der Chemikalien auf dem Textilgut erfolgt durch Vernetzung bzw. Filmbildung an der Oberfläche, durch Einlagerung in die Faserzwischenräume oder durch die Verankerung über chemische Bindungen. Bei chemischer Bindung kann eine hohe Permanenz und damit eine Mehrfachnutzung erwartet werden.

In jüngster Zeit sind neuartige Konzepte - vorwiegend vom Deutschen Textilforschungszentrum in Krefeld (DTNW) - entwickelt worden, Gewebe aus Synthese- und aus Naturfasern in ihrem Funktionsbild zu modifizieren. Bei diesen Ausrüstungsschritten werden Chemikalien verwendet, die aus Naturprodukten bzw. aus deren Derivaten gewonnen werden. Diese Ausrüstungsart lässt im Wesentlichen Verbesserungen im Tragekomfort (Wasser-/Schweißaufnahme bzw. Wasserdampfdurchlässigkeit), verminderte elektrostatische Aufladungen, verbesserte Schmutzentfernungsmöglichkeiten und die Imprägnierung der Gewebe mit Wirkstoffen zu [2] [3] [4].

Die neuartige Modifizierungstrategie für Oberflächen besteht darin, funktionalisierte Bio-Moleküle permanent auf Polymeroberflächen zu fixieren. Vor allem Moleküle aus der Klasse biokompatibler, kohlenhydratischer Polymere können angewandt werden, die durch ihre Fähigkeit zur molekularen Strukturumwandlung u. a. supramolekulare (Komplexierungs-)Eigenschaften ermöglichen [5].

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Kohlenhydratische Biopolymere

Die schematischen Strukturen einiger zu derivatisierenden Biopolymere für die permanente Textilausrüstung sind in Abb. [1] zusammengestellt. Sie können auf Textiloberflächen nach bekannten Verfahrenstechniken der Textilveredlung aufgebracht werden [3] [4].

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Abb. 1 Ausgewählte Biopolymere, die permanent auf Fasermaterial verankert wurden (Laborversuche), a Heparin, b Dextrin, c Chitosan, d Protein, e Pektinat u. ä.

Die Verankerungsprinzipien zur Bindung von Biopolymeren auf Fasern beruhen auf der Nutzung unterschiedlicher Kräfte (Tab. [1]).

Tab. 1 Bindende Kräfte zur Verankerung von (derivatisierten) Biopolymeren auf Fasermaterial
VerankerungsartenFasermaterial
CO/CVWOPAPESPAN
über Vernetzer (Hochveredelung)+----
ionische Wechselwirkungen-++-+
kovalente Bindungen+++--
van-der-Waals-Wecheselwirkungen--+++
CO Baumwolle, CV Viskose, WO Wolle, PA Polyamid, PES Polyester, PAN Polyacrylnitril; + mögliche Wechselwirkungen; - nicht mögliche oder schwache Wechselwirkungen.

Als Anwendungsziele für biopolymer-ausgerüstete Textilwaren wird erwartet:

  • bioaktives Fasermaterial für den Medizinbereich,

  • die Schaffung von Substraten für Wundheilung,

  • Textilien für sensible Haut (Allergiker),

  • Textilien mit Depotwirkung für Pharmaka.

Damit besteht u. a. die Möglichkeit, das Mikroklima zwischen Haut und Textil zu regulieren oder aber (s. Heparinausrüstung) textile Implantate zu gestalten.

Nachstehend sind beispielhaft ausgewählte Eigenschaften etwa für das schwefelhaltige Kohlenhydrat Carrageenan (bekannt als Verdicker in Speiseeis) aufgeführt, die das Biopolymer in Reinsubstanz aufweist und die erwartungsgemäß auch nach Verankerung an der Textiloberfläche erhalten werden sollen.

Tab. 2 Eigenschaftsprofil des schwefelhaltigen Kohlenhydrats Carrageenan in Bulk und als Ziel für die Textilveredlung
in BULK-Phase
Polyanion
Gelbildung
Proteinbindungsfähigkeit
blutgerinnungshemmend
permanent auf TEXTIL (Erwartung)
als Hydrogel feuchtigkeitsregulierend (Mikroklima Haut/Textil)
Antiallergikum bei Kontakt mit Proteinen (z. B. Lebensmittelindustrie)
Blutkompatibilität (Implantate, medizinische Filter)

Es lässt sich vermuten, dass eine Ausrüstung von Fasermaterial mit funktionellen Biopolymeren zu den nachstehend angeführten Ausrüstungszielen führen wird (Tab. [3]).

Tab. 3 Anwendungsziele für mit Biopolymeren ausgerüsteten Textilien
Temperaturregelung
Regelung der Feuchtigkeit
Wasserdampfaktivität
Schutz
Bindung von Schweißkomponenten
ph-Wert
bei empfindlicher oder kranker Haut:
antimikrobielle Eigenschaften
Dämpfung von Hautirritationen
Wundheilung (Epithelbildung)
Freisetzung von Therapeutika

Abb. [2] zeigt die Topografie eines mit Chitosan ausgerüsteten Viskosevlieses als Beispiel für eine Permanentverankerung von Biopolymeren [6].

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Abb. 2 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines mit Chitosan ausgerüsteten Viskosevlieses (die granuläre Oberflächenstruktur verglichen mit der ursprünglich glatten Viskosefaser ist auf das Chitosan zurückzuführen).

Der Aufbau funktionalisierter Schichten, auch in Mehrschichtanordnung auf Werkstoffen, erscheint möglich (z. B. durch Schichtbildung zwischen polykationischem Chitosan und polyanionischen Alginaten etc.), wobei Biokompatibilität erhaltbar bzw. erreichbar ist.

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Oberflächenmodifizierung mit supramolekularen Komplexbildnern - Cyclodextrine

Cyclodextrine, aus nachwachsenden Rohstoffen (Stärke) erhältlich, besitzen hohe Komplexierfähigkeit, u. a. gegenüber Gerüchen (chemische Struktur s. Abb. [3]) [7]. Als permanentverankerte Textilausrüstung ermöglichen Cyclodextrine demnach auch die Bindung unangenehmer Schweißgerüche und können somit für hautnah getragenes Textil den Tragekomfort deutlich erhöhen (Tab. [3] und Abb. [2]).

Durch die Komplexierung organischer Substanzen in Cyclodextrinen werden die physikalischen Eigenschaften der eingeschlossenen Moleküle verändert. Es erhöht sich z. B. die Licht- und Luftstabilität empfindlicher Verbindungen, die Wasserlöslichkeit schwerlöslicher Verbindungen, und es verringert sich der Dampfdruck leichtflüchtiger Substanzen. Durch den Einschluss in α-Cyclodextrin lässt sich beispielsweise der unangenehme Geruch des Allicins, des Wirkstoffs des Knoblauchs, weitgehend unterdrücken. Solche Eigenschaften werden im Bereich der Pharmazie bereits bei der Formulierung von Medikamenten genutzt, findet aber auch Anwendung in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie.

Die chemische Struktur von Cyclodextrinen (hier β-Cyclodextrin) ist in der Abb. [3] angeführt zusammen mit den Eigenschaften des Moleküls zur hydrophoben/hydrophilen Wechselwirkung. Vor allem durch hydrophobe Wechselwirkungen werden im Hohlraum des Cyclodextrins fremde Moleküle gebunden.

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Abb. 3 Struktur von β-Cyclodextrin (a) und Symbolisierung der molekularen Eigenschaften (b) (hydrophil: wasserfreundlich/hydrophob: wasserfeindlich).

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Die Einlagerungsreaktion organischer Moleküle in den Hohlraum der Cyclodextrine ist schematisch in Abb. [4] für die Komplexierung von Cyclodextrinen mit einer aromatischen Verbindung (Toluol, Anisol) wiedergegeben. Für eine Komplexbildung muss nicht das gesamte einzulagernde Molekül in den Hohlraum des Cyclodextrins passen, es ist ausreichend, wenn ein Teil eines Moleküls mit dem Hohlraum in Wechselwirkung tritt.

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Abb. 4 Schematische Darstellung der umkehrbaren Komplexbildung von Cyclodextrin mit aromatischen Verbindungen.

Cyclodextrine können durch Anbringen eines Reaktivankers permanent und waschecht auf Zellulosewaren fixiert werden und besitzen weiterhin die Fähigkeit zur Komplexbildung. Die Verankerungsweise kann nach bekannten Verfahrenstechniken der Textilveredlung erfolgen [4]. Abb. [5] zeigt schematisch die durch chemische Modifikation erreichbare Struktur an der Faseroberfläche.

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Abb. 5 Schematische Darstellung einer Verankerung des Komplexbildners Cyclodextrin auf Baumwolle; Cyclodextrinhohlraum bereit zur Komplexbildung.

Das Cyclodextrinmolekül verliert durch die Verankerung nicht die Fähigkeit, Einschlussverbindungen mit anderen organischen Molekülen zu bilden. Solche immobilisierte Cyclodextrinkomplexe sind regenerierbar in dem Sinne, dass etwa durch Extraktion oder Wäsche der ursprüngliche freie Zustand wieder hergestellt werden kann. Durch erneute Wiederbeladung (z. B. durch Sprayen) mit komplexierfähigen Substanzen kann die Kavität wieder zur Speicherung von Wirksubstanzen genutzt werden.

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Wirkungsbeispiele

Ein sehr interessanter Produktbereich ist die Ausrüstung von körpernah getragener Wäsche mit Cyclodextrinen. Die organischen Bestandteile des menschlichen Schweißes werden mikrobiell abgebaut und dies führt zu unangenehmen Gerüchen. Ist jedoch die Wäsche mit Cyclodextrinen ausgerüstet, so werden diese Substanzen eingelagert und stehen demnach für einen mikrobiellen Abbau nicht mehr zur Verfügung. Durch die Komplexierung dieser Substanzen stehen diese den Mikroorganismen nicht als Nahrungsgrundlage zur Verfügung, wodurch das mikrobielle Wachstum gemindert wird. Eine Ausrüstung mit Cyclodextrinen greift nicht die Mikroorganismen selber an, sondern entzieht nur einen Teil der Nahrungsgrundlage, d. h., es werden keine potenziell hautirritativ wirkenden Substanzen freigesetzt und die natürliche Hautflora wird nicht beeinflusst.

Die permanent auf der Faser gebundenen Cyclodextrine können auch vor dem Gebrauch der Wäsche gezielt mit einem Wirkstoff beladen werden, der dann langsam unter der Einwirkung der Körperfeuchte wieder abgegeben wird. Die Beladung der Cyclodextrine kann vom Verbraucher selbst vorgenommen werden, indem er nach dem Waschvorgang eine Suspension des Wirkstoffes auf die Wäsche aufsprüht. Bei Gebrauch der mit Cyclodextrin ausgerüsteten Wäsche werden diese Wirkstoffe (langsam) freigesetzt und die dann „leeren” Cyclodextrinmoleküle stehen wieder für die Einlagerung von organischen Bestandteilen des Schweißes zur Verfügung.

In cyclodextrin-ausgerüstete Waren lassen sich etwa Bakterizide/-statika und Fungizide etc. im Komplexbildner Cyclodextrin einlagern, was für den Einsatz in medizinischen Bereichen genutzt werden kann. Verbandsmaterial u. a. kann derart sterilisierend oder mit den Heilungsprozess fördernden Wirkstoffen beladen werden.

Weiterhin könnte etwa ein cyclodextrin-ausgerüstetes Material zu einem transdermalen Therapiesystem (langzeitige Abgabe eines hautgängigen Therapeutikums) ausgearbeitet werden. Ebenso lassen sich UV-Absorber am Textil verankern. Dadurch etwa kann an Mützen, Hüten oder sonstiger Freizeitkleidung ein Sonnenschutz eingearbeitet werden.

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In-vitro-Untersuchungen am Zellmodell zur Hautverträglichkeit der funktionellen Textilien

Bevor jedoch solche modifizierten Textilien zum Einsatz kommen können, besteht die Notwendigkeit, die Haut- und Hautzellverträglichkeit der Biopolymere zu untersuchen. Das geschieht mithilfe so genannter „In-vitro-Testverfahren”. Die bereits bekannten Eigenschaften der Cyclodextrine, die vor allem in deren wundheilenden, mykostatischen und bakteriostatischen Wirkung bestehen, sollen ebenfalls zunächst Gegenstand der Untersuchungen im Zellmodell sein.

Dazu können verschiedene In-vitro-Testverfahren eingesetzt werden, um die Verträglichkeit der Biopolymere selbst und in Kombination mit den Wirkstoffen zu untersuchen. Die Proliferations- und Zytotoxizitätsuntersuchungen an verschiedenen Zelllinien (z. B. HaCaT-Keratinozyten) auf der Basis fluorometrischer (Hoechstfarbstoff 33 342, intrazelluläres Kalzium) und luminometrischer Assays (ATP-Bestimmung, Messung reaktiver Sauerstoffspezies) geben die Möglichkeit die Eigenschaften der Biopolymere zu überprüfen. Die Präferenz der In-vitro-Verfahren erfolgt dabei bewusst, um den Patienten belastende und risikoreiche In-vivo-Untersuchungen in Form von Epikutantests zu ersparen. Wenn durch die genannten In-vitro-Testverfahren die dermatoxikologische Unbedenklichkeit der Substanzen zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, besteht die Möglichkeit, die Hautverträglichkeit auch am Patienten, z. B. im Rahmen von Tragetests mit T-Shirts zu vervollständigen. Darüber hinaus wird die Wirksamkeit als transdermales Therapiesystem erarbeitet, wobei die Geschwindigkeit und Effektivität der Wirkstoffabgabe bestimmt werden muss. Dazu werden pharmakokinetische Untersuchungen mithilfe spezieller Messmethoden durchgeführt, die Aussagen zu Bindungskonstanten der Wirkstoffe in den Biopolymeren sowie zu Ligand-Rezeptor-Wechselwirkungen z. B. an Zellmembranen, Lipidoberflächen etc. zulassen. Darüber hinaus muss auch die Permeabilität der Biopolymer-Wirkstoff-Komplexe geprüft werden, wobei ein einfaches Modell unter Verwendung einer künstlichen Membran zum Einsatz kommen kann.

Voruntersuchungen hinsichtlich der Hautverträglichkeit neuartiger Textilausrüstungen auf Kohlehydratbasis sind für Cyclodextrine bereits ausgearbeitet worden. Beispielhaft sind Ergebnisse für ein transdermales Therapiesystem mit am Textil verankerten Cyclodextrinen angeführt.

Auf der Basis der bisher bekannten Daten sollten keine medizinischen Bedenken gegen einen direkten Kontakt der fixierten Cyclodextrinmoleküle mit der Haut bestehen, selbst wenn durch eine Reaktion die chemische Bindung zwischen dem textilen Träger und dem Reaktivanker zerstört würde.

Bisherige toxikologische Daten der Cyclodextrine mit einem Reaktivanker zeigen, dass keine Reizung und Sensibilisierung der Haut auftritt. Dazu wurden bereits erste orientierende Untersuchungen zum Proliferations- und Zytotoxizitätsverhaltens der Cyclodextrine und Chitosane durchgeführt. Diese Untersuchungen erfolgten auf der Basis von In-vitro-Testverfahren mit HaCaT-Keratinozyten unter Verwendung fluorometrischer und luminometrischer Assays. Diesen zu den Epikutantestungen alternativen Methoden wurde bewusst der Vorzug gegeben. Handelt es sich doch bei Epikutantestungen um eine In-vivo-Untersuchung, bei der die Substanzen direkt am Menschen getestet werden, um allergische oder irritative Wirkungen zu erfassen. Dabei besteht jedoch immer die Gefahr, den Probanden zu sensibilisieren oder während der Testung eine allergische Reaktion auszulösen, die bis zum anaphylaktischen Schock führen kann. Um den Probanden dieses Risiko nicht zuzumuten, fiel die Entscheidung zugunsten der bereits erwähnten In-vitro-Untersuchungen aus.

Humane HaCaT-Keratinozyten wurden in der üblichen Weise kultiviert. Die HaCaT-Zellen inkubiert man dann mit den verschiedenen Cyclodextrinen in unterschiedlichen Konzentrationen (1-, 0-,1- und 0,01-%ige Lösungen ) für 24 h bzw. 48 h. Die Versuche wurden mit α- Cyclodextrin, β- Cyclodextrin und γ- Cyclodextrin sowie mit Cyclodextrinen, die verschiedene Substanzen (z. B. Adrenalin, Theophyllin, Cholesterin, Glyoxal u. a.) enthalten durchgeführt.

Die Bestimmung der Zellproliferation erfolgte auf der Basis der luminometrischen ATP-Messung mithilfe des ATPLiteTM-M (Packard Bioscience B.V., Niederlande) [1] [2] [3]. Der Assay basiert auf der Produktion von Licht, das bei der Reaktion von ATP mit Luciferase und D-Luciferin entsteht. Das emittierte Licht ist zur ATP-Konzentration direkt proportional.

50 μl der Zelllysatlösung wurden jeweils zu 100 μl der Zellsuspension pro Well der Mikrotiterplatte gegeben. Danach schüttelt man 2 min bei 700 rpm im Orbitalshaker bzw. im Luminometer. Nach Addition von jeweils 50 μl Substratlösung (Luciferin/Luciferase) zu jedem Well schüttelt man erneut für 1min. Danach belässt man die Mikrotiterplatte 10 min im Dunklen und misst anschließend die Lumineszenz im Mikroplattenluminometer LUMIstar Galaxy (BMG LabTechnologies GmbH, Offenburg). Die ATP-Konzentrationen werden auf der Basis einer ATP-Standardkurve ermittelt.

Der fluorometrische Assay mit Hoechstfarbstoff 33 342 wurde in folgender Weise durchgeführt [4] [5] [6]. Eine Stammlösung von 0,5 mg/ml Hoechstfarbstoff 33 342 wurde in H2O bereitet und bis zur Verwendung bei 4 °C aufbewahrt. Nach Entfernung des Kulturmediums wurden die Zellen zweimal mit PBS-Puffer gewaschen. 100 μl (50 μg/ml) der verdünnten Farbstofflösung (PBS, pH 7,2) wurden zu jeweils 100 μl Zellsuspension gegeben. Nach Inkubation bei 37 °C für 30 min konnte die Fluoreszenz unter Verwendung eines 355 nm Exzitationsfilters und eines 460 nm-Emissionsfilters im Mikroplattenfluorometer FLUOstar Galaxy (BMG LabTechnologies GmbH, Offenburg,) gemessen werden. Die gemessenen relativen Fluoreszenzeinheiten (RFU) korrelieren mit der Zellzahl, die mit Hilfe eines Zellzählgerätes CASY 1 (Schärfe System GmbH) bestimmt wurden. Jeder Messwert stellt ein Mittel aus 12 Einzelwerten dar.

Aus den fluorometrischen Messungen wird ersichtlich, dass die Cyclodextrine bei geringen Konzentrationen (≥ 0,1 %) und einer Inkubationszeit von 24 und 48 Stunden einen signifikanten proliferativen Effekt auf die HaCaT-Zellen ausüben. Außerdem lässt sich feststellen, dass nach einer Inkubationszeit von 48 Stunden die Cyclodextrine ebenfalls einen proliferativen Effekt bewirken, d. h. die HaCaT-Zellen erholen sich unter der anfänglichen geringen antiproliferativen Wirkung der Cyclodextrine (Abb. [6]).

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Abb. 6 Untersuchung des Proliferationsverhaltens von HaCaT-Zellen unter dem Einfluss von β-Cyclodextrin in verschiedenen Konzentrationen mithilfe des fluorimetrischen Assays auf der Basis von Hoechst-Farbstoff 33 342. Die gemessenen DNA-Konzentrationen stellen ein quantitatives Maß für die proliferativen oder antiproliferativen Effekte dar.

Alternativ zu den fluorometrischen Assays wurde das Proliferations- bzw. Cytotoxizitätsverhalten von HaCaT-Zellen unter dem Einfluss von den Cyclodextrinen bei einer Inkubationszeit von 24 h bzw. 48 h mithilfe des ATP-Biolumineszenzassays untersucht.

Da es sich bei diesem Nachweisverfahren um eines der sensitivsten in der gesamten Labordiagnostik handelt, sind damit auch die geringsten Effekte einer Stimulation bzw. zellschädigender Wirkung nachweisbar.

Aus den durchgeführten Messungen wird ersichtlich, dass bei einem 1 %igen Gehalt an Cyclodextrinen und einer Inkubationszeit von 24 Stunden ein signifikanter Abfall von ATP und damit verbunden ein Abfall der Zellzahl an HaCaT-Zellen stattfindet. ATP-Gehalt und Zellzahl korrelieren mit einem Korrelationskoeffizienten von rs = 0,98/p < 0,0001. Den geringsten Abfall zeigen β-Cyclodextrin und γ-Cyclodextrin. Geringere Konzentrationen an Cyclodextrinen üben keinerlei zellschädigende Wirkung auf HaCaT-Zellen aus (Abb. [7]).

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Abb. 7 Untersuchung des Proliferationsverhaltens von HaCaT-Zellen unter dem Einfluss von β-Cyclodextrin in verschiedenen Konzentrationen auf der Basis des luminometrischen ATP-Assays. Die gemessenen ATP-Konzentrationen stellen ein quantitatives Maß für die proliferativen oder antiproliferativen Effekte dar.

Mithilfe der PicoGreen-Propidiumiodid-Doppelfärbung konnte dies auch durch fluoreszenzmikroskopische Betrachtung visuell sichtbar gemacht werden (Abb. [8]).

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Abb. 8 PicoGreen-Propidiumiodid-Doppelfärbung von HaCaT-Zellen nach Inkubation mit β-Cyclodextrin. Zellen unbehandelt (Kontrolle) (a), 0,01 % β-Cyclodextrin (b), 0,1 % β-Cyclodextrin (c), 1,0 % β -Cyclodextrin (d).

Allgemein lässt sich feststellen, dass mit abnehmendem Gehalt an Cyclodextrinen die antiproliferativen Effekte abnehmen. Es ist daher zu empfehlen, alle weiteren Untersuchungen bei einem Gehalt von < 0,1 % an Cyclodextrinen durchzuführen.

Danach wurden bereits einige Tragetests am Patienten mit T-Shirts durchgeführt, wobei die textilen Materialien die genannten Biopolymere enthielten. Im Rahmen dieser ersten orientierenden Tragetests konnte eine gute Hautverträglichkeit bestätigt werden, in keinem Fall kam es zu unerwünschten Nebenwirkungen oder Hautirritationen.

Ähnlich erfreuliche Befunde konnten für die Ausrüstungen mit Chitosan u. ä. kürzlich erarbeitet werden.

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Ausblick

Die Ausrüstung von zellulosischen Waren mit den komplexierfähigen Cyclodextrinen und den vorgestellten Biopolymeren ist schon anwendungsreif. Die Unschädlichkeit derartiger Ausrüstung ist nachgewiesen, erste Angaben zur heilsamen Wirkung bei Hautirritationen liegen vor. Das Potenzial solcher Textilausrüstung, das in der Möglichkeit der Wirkstoffspeicherung/ -sammlung, liegt ist jedoch noch in Zusammenarbeit mit medizinischen Forschungseinrichtungen intensiv auszuloten.

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Literatur

  • 1 Knittel D, Buschmann H-J, Schollmeyer E. Veredlung von Textilwaren durch Cyclodextrine - Neue funktionelle Textilien für Bekleidung und Heimtextil. In: Groth U-M, Kemper B (Hrsg) Jahrbuch für die Bekleidungswirtschaft 2001. Berlin; Fachverlag Schiele & Schön 2001: 10-21
  • 2 Buschmann H-J, Denter U, Knittel D, Schollmeyer E. The Use of Cyclodextrins in Textile Processes - An Overview.  J Text Inst. 1998;  89 554-561
  • 3 Denter U, Buschmann H-J, Knittel D, Schollmeyer E. Verfahrenstechnische Methoden zur permanenten Fixierung von Cyclodextrinderivaten auf textilen Oberflächen.  Textilveredlung. 1997;  32 33-39
  • 4 Denter U, Buschmann H-J, Schollmeyer E. Modifizierung von Faseroberflächen durch die permanente Fixierung supramolekularer Komponenten, Teil 1: Grundlagen; Teil 2: Cyclodextrine.  Angew Makromol Chem. 1997;  248 153-163; 165 - 188
  • 5 Schollmeyer E, Buschmann H-J, Knittel D. Entwicklung und Umsetzung einer neuartigen Textilausrüstung durch die permanente Verankerung von Cyclodextrinen. Otto von Guericke-Preis 2002, Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke” e. V. (2. Preis) (2002). 
  • 6 Knittel D, Schollmeyer E. Chitosan und seine Derivate für die Textilveredlung, Teil 1: Ausgangsposition.  Textilveredlung. 1998;  33 67-71
  • 7 Szejtli J. Cyclodextrin Technology. Dordrecht, NL; Kluwer Academic Press 1988
  • 8 Hipler U-C h, Knöll B, Wollina U. The use of an ATP Bioluminescence assay to quantify HaCaT cell cytotoxicity. In: Roda A, Pazzagli M, Kricka LJ, Stanley PE Bioluminescence and Chemiluminescence. West Sussex GB; J. Wiley 1999: 169-172
  • 9 Crouch S PM, Kozlowski R, Slater K J, Fletcher J. The use of ATP bioluminescence as a measure of cell proliferation and cytotoxicity.  J Immun Methods. 1993;  160 81-88
  • 10 Stadler R, Detmar M, Stephanek K, Bangemann C, Orfanos C E. A rapid fluorometric assay for the determination of keratinocyte proliferation In vitro.  J Invest Dermatol. 1989;  93 532-534
  • 11 Blaheta R A, Franz M, Auth M KH, Wenisch H JC, Markus B H. Basic principles of three rapid fluorochrome assays for DNA quantification and cell counting.  Transplant Proceedings. 1991;  23 461-463

Dr. Dierk Knittel

Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West e. V.

Adlersraße 1 · 47798 Krefeld

eMail: knittel@dtnw.de

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Literatur

  • 1 Knittel D, Buschmann H-J, Schollmeyer E. Veredlung von Textilwaren durch Cyclodextrine - Neue funktionelle Textilien für Bekleidung und Heimtextil. In: Groth U-M, Kemper B (Hrsg) Jahrbuch für die Bekleidungswirtschaft 2001. Berlin; Fachverlag Schiele & Schön 2001: 10-21
  • 2 Buschmann H-J, Denter U, Knittel D, Schollmeyer E. The Use of Cyclodextrins in Textile Processes - An Overview.  J Text Inst. 1998;  89 554-561
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  • 4 Denter U, Buschmann H-J, Schollmeyer E. Modifizierung von Faseroberflächen durch die permanente Fixierung supramolekularer Komponenten, Teil 1: Grundlagen; Teil 2: Cyclodextrine.  Angew Makromol Chem. 1997;  248 153-163; 165 - 188
  • 5 Schollmeyer E, Buschmann H-J, Knittel D. Entwicklung und Umsetzung einer neuartigen Textilausrüstung durch die permanente Verankerung von Cyclodextrinen. Otto von Guericke-Preis 2002, Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke” e. V. (2. Preis) (2002). 
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  • 8 Hipler U-C h, Knöll B, Wollina U. The use of an ATP Bioluminescence assay to quantify HaCaT cell cytotoxicity. In: Roda A, Pazzagli M, Kricka LJ, Stanley PE Bioluminescence and Chemiluminescence. West Sussex GB; J. Wiley 1999: 169-172
  • 9 Crouch S PM, Kozlowski R, Slater K J, Fletcher J. The use of ATP bioluminescence as a measure of cell proliferation and cytotoxicity.  J Immun Methods. 1993;  160 81-88
  • 10 Stadler R, Detmar M, Stephanek K, Bangemann C, Orfanos C E. A rapid fluorometric assay for the determination of keratinocyte proliferation In vitro.  J Invest Dermatol. 1989;  93 532-534
  • 11 Blaheta R A, Franz M, Auth M KH, Wenisch H JC, Markus B H. Basic principles of three rapid fluorochrome assays for DNA quantification and cell counting.  Transplant Proceedings. 1991;  23 461-463

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Abb. 1 Ausgewählte Biopolymere, die permanent auf Fasermaterial verankert wurden (Laborversuche), a Heparin, b Dextrin, c Chitosan, d Protein, e Pektinat u. ä.

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Abb. 2 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines mit Chitosan ausgerüsteten Viskosevlieses (die granuläre Oberflächenstruktur verglichen mit der ursprünglich glatten Viskosefaser ist auf das Chitosan zurückzuführen).

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Abb. 3 Struktur von β-Cyclodextrin (a) und Symbolisierung der molekularen Eigenschaften (b) (hydrophil: wasserfreundlich/hydrophob: wasserfeindlich).

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Abb. 4 Schematische Darstellung der umkehrbaren Komplexbildung von Cyclodextrin mit aromatischen Verbindungen.

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Abb. 5 Schematische Darstellung einer Verankerung des Komplexbildners Cyclodextrin auf Baumwolle; Cyclodextrinhohlraum bereit zur Komplexbildung.

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Abb. 6 Untersuchung des Proliferationsverhaltens von HaCaT-Zellen unter dem Einfluss von β-Cyclodextrin in verschiedenen Konzentrationen mithilfe des fluorimetrischen Assays auf der Basis von Hoechst-Farbstoff 33 342. Die gemessenen DNA-Konzentrationen stellen ein quantitatives Maß für die proliferativen oder antiproliferativen Effekte dar.

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Abb. 7 Untersuchung des Proliferationsverhaltens von HaCaT-Zellen unter dem Einfluss von β-Cyclodextrin in verschiedenen Konzentrationen auf der Basis des luminometrischen ATP-Assays. Die gemessenen ATP-Konzentrationen stellen ein quantitatives Maß für die proliferativen oder antiproliferativen Effekte dar.

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Abb. 8 PicoGreen-Propidiumiodid-Doppelfärbung von HaCaT-Zellen nach Inkubation mit β-Cyclodextrin. Zellen unbehandelt (Kontrolle) (a), 0,01 % β-Cyclodextrin (b), 0,1 % β-Cyclodextrin (c), 1,0 % β -Cyclodextrin (d).