Einleitung
Das Schwitzen ist eine Körperfunktion, die der Thermoregulation dient und durch körperliche
Belastung oder äußere Wärme verstärkt wird. Bei der fokalen idiopathischen Hyperhidrose
handelt es sich um eine relativ häufige Störung der Schweißsekretion mit hohem persönlichem
Leidensdruck, deren Ursache bislang noch ungeklärt ist. Es findet sich eine primär
pathologisch gesteigerte und unkontrollierbare Schweißsekretion, die nicht thermoregulatorisch
bedingt ist. Dies betrifft meist die Achseln sowie Hände und Füße. Schwer betroffene
Patienten können dadurch Hautmazerationen mit sekundärer mikrobieller Infektion in
den betroffenen Körperregionen entwickeln. Der persönliche Leidensdruck und die damit
verbundene psychosoziale Belastung kann erheblich sein.
Als Hintergrund dieser Störung wird eine pathologisch gesteigerte Aktivierung der
ekkrinen Schweißdrüsen durch das sympathische Nervensystem vermutet. Daher bietet
die nervale Steuerung der Schweißdrüsen über den Neurotransmitter Acetylcholin einen
sehr guten Ansatzpunkt für den Einsatz von Botulinumtoxin. Dabei handelt es sich um
ein Neurotoxin, das selektiv die Ausschüttung von Acetylcholin in den synaptischen
Spalt hemmt und an den cholinergen sympathischen Nervenfasern der Haut entsprechend
die Schweißsekretion reduziert. Durch die Behandlung mit Botulinumtoxin wird die Aktivität
der cholinerg innervierten ekkrinen Schweißdrüsen vermindert, während die der adrenerg
innervierten apokrinen Schweißdrüsen unbeeinträchtigt bleiben. Die hervorragende Wirksamkeit
sub- oder intrakutaner Botulinumtoxin-Injektionen zur Behandlung von fokalen Hyperhidrosen
konnte bereits in vielen Studien bewiesen werden [1]
[2]. Die Wirkung setzt meist wenige Tage nach Injektion ein und erreicht ein Maximum
nach 7 bis 10 Tagen. Die maximale Wirkdauer schwankt zwischen 4 und 12 Monaten. Die
deutschlandweite Zulassung für diese Indikation wurde im Jahr 2003 erteilt.
Damit bietet Botulinumtoxin eine gute Ergänzung bei Versagen einer konservativen Therapie
wie der systemischen Gabe von Anticholinergika, lokaler Applikation von Säuren, Aldehyden,
Metallsalzen oder lontophorese [3]. Spätestens wenn diese Möglichkeiten ausgereizt sind, sollte an eine Behandlung
mit Botulinumtoxin gedacht werden, bevor alternative Behandlungsmethoden wie etwa
Sympathikusblockaden oder invasive chirurgische Maßnahmen wie transthorakale Sympathektomie,
Exzision oder Kürettage der überaktiven Schweißdrüsen in Betracht gezogen werden,
da diese invasiven Verfahren mit einer nicht unbedeutenden Rezidivquote und möglichen
Komplikationen belastet sind [4]
[5].
Bezüglich der injizierten Dosis bestehen noch keine einheitlichen Empfehlungen.
Wir analysierten deshalb retrospektiv die Behandlungserfolge und -verläufe unserer
Patienten im Hinblick auf die Dosen, mit denen ein zufriedenstellender Effekt erreicht
wurde.
Patienten und Methoden
Wir behandelten 50 Patienten, davon 35 Frauen, im Alter von 15 bis 57 Jahren (∅ 35
± 10 J.), bei denen eine idiopathische, konservativ therapierefraktäre axilläre Hyperhidrose
diagnostiziert worden war (s. Tab. [1]). Die Diagnose erfolgte klinisch nach Anamnese und klinischem Befund. Bei allen
Patienten konnte in Ruhe eine deutliche Schweißneigung auf der Haut und an der Kleidung
gesehen werden.
Tab. 1 Zusammengefasste Ergebnisse
| Behandlungen |
1. Inj. |
2. Inj. |
3. Inj. |
4. Inj. |
5. Inj. |
Summe gesamt |
Summe Verlauf (≥ 3) |
| Anzahl |
50 |
44 |
43 |
43 |
41 |
221 |
127 |
| Dosis (∅) |
25,0 |
30,7 |
35,8 |
39,5 |
42,4 |
34,3 |
39,2 |
| ± |
0 |
6,6 |
9,0 |
7,5 |
6,7 |
7,4 |
7,7 |
| min |
25 |
25 |
25 |
25 |
37,5 |
25 |
25 |
| max |
25 |
50 |
50 |
55 |
55 |
55 |
50 |
| Wirkung (VAS) |
8,3 |
8,5 |
8,9 |
8,7 |
8,8 |
8,6 |
8,8 |
| ± |
2,6 |
2,0 |
2,1 |
2,4 |
1,8 |
2,3 |
2,1 |
| min |
6 |
6 |
7 |
7 |
8 |
6 |
7 |
| max |
10 |
10 |
10 |
10 |
10 |
10 |
10 |
| Wirkdauer (Wochen) |
15,9 |
16,2 |
16,6 |
16,8 |
16,7 |
16,4 |
16,7 |
| ± |
9,4 |
9,3 |
10,9 |
9,4 |
9,2 |
9,9 |
9,8 |
| min |
8 |
8 |
8 |
8 |
8 |
8 |
8 |
| max |
44 |
52 |
44 |
40 |
28 |
52 |
44 |
| behandelt mit 25 E |
50 |
25 |
15 |
8 |
3 |
101 |
26 (20 %) |
| behandelt mit 37,5 E |
0 |
18 |
19 |
20 |
19 |
76 |
58 (46,%) |
| behandelt mit 50 E |
0 |
1 |
9 |
15 |
19 |
44 |
43 (34 %) |
Die Schwitzstörung der Patienten war in allen Fällen lange vorbestehend, eine symptomatische
Genese war zuvor ausgeschlossen worden. Alle Patienten hatten zuvor bereits mehrere
erfolglose Therapieversuche hinter sich, kein Patient war zuvor mit Botulinumtoxin
behandelt worden. Ein Fläschchen Botox® wurde mit 4 ml 0,9 %-iger NaCI-Lösung verdünnt
und initial je 1 ml verteilt auf 10 Injektionsstellen intrakutan appliziert. Zunächst
erhielt jeder Patient 25 MU (mouse units) Botox® i. c. pro Axilla. Diese Dosis wurde
in Abhängigkeit von der Zufriedenheit und dem klinischen Erfolg nach mindestens drei
Monaten erneut injiziert oder auf 37,5 bzw. 50 MU erhöht. Bei jeder weiteren Behandlung
wurde nach denselben Gesichtspunkten geprüft, ob die Dosis konstant gehalten oder
erhöht werden sollte. Dabei konnten die 50 MU/Seite auch überschritten werden, was
aber nur in einem Fall notwendig war. Bei dauerhafter und vollständiger Beschwerdefreiheit
oder auf Wunsch des Patienten konnte die Behandlung zu jedem Zeitpunkt beendet werden.
Die Patienten wurden über einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten beobachtet, wobei nach
15 Monaten der Einschluss neuer Patienten beendet wurde. Die Wirkdauer und der therapeutische
Effekt wurde bei der klinischen Kontrolluntersuchung und durch die Anamnese erhoben
und in Abhängigkeit davon die Behandlung angepasst. Anhand einer visuellen Analogskala
von 0 bis 10 (0 = keine Wirkung, 10 = sehr gute Wirkung) beurteilten die Patienten
die Wirksamkeit der Behandlung zusätzlich selbst.
Ergebnisse
Die 50 Patienten, die wir in die Untersuchung einschlossen, wurden in den 18 Monaten
durchschnittlich 4,4 Mal behandelt. Dabei benötigten 6 von den 50 Patienten nur eine
Behandlung. Diese Patienten berichteten bereits nach dieser ersten Behandlung mit
25 MU Botox® über eine nachhaltige Wirkung, so dass keine weiteren Injektionen während
des Beobachtungszeitraums notwendig waren. Die übrigen Patienten wurden zwei- bis
fünfmal innerhalb der 18 Monate behandelt (s. Abb. [1]).
Abb. 1 Anzahl Behandlungen. Alle Behandlungen ≥ 3. Injektion sind hier als „Verlauf” bezeichnet.
Alle Patienten, bei denen Wiederholungsbehandlungen erforderlich waren, wurden entsprechend
oft erfasst, wodurch sich die Gesamtzahl von 221 Behandlungen bei 50 Patienten ergibt.
Bei der Analyse der Ergebnisse beziehen wir uns auf den Verlauf, d. h. die ersten
beiden Behandlungen nach dem festgelegten Schema blieben unberücksichtigt. Zu diesem
Zweck wurden bei der Analyse eine Untergruppe gebildet, bei der wir nur die Behandlungen
ab der dritten Injektionsserie auswerteten.
In Tab. [1] finden sich alle Behandlungen, geordnet jeweils nach der Behandlungsabfolge. Die
durchschnittliche Dosis aller Behandlungen betrug 34,3 MU (± 7,4), mindestens wurden
25 MU, maximal 55 MU Botox® eingesetzt. Die durchschnittliche Wirkdauer betrug 16,4
Wochen (± 9,9) und es konnte eine durchschnittliche Wirkung (VAS 1 - 10) von 8,6 (±
2,3) erreicht werden.
Zur Betrachtung der Ergebnisse im Verlauf sind die ersten beiden Behandlungen nicht
berücksichtigt. Bei der dritten und den folgenden Behandlungen betrug die durchschnittliche
Dosis 39,2 MU (± 7,7), mindestens wurden 25 MU, maximal 50 MU Botox® eingesetzt. Die
durchschnittliche Wirkdauer betrug im Verlauf 16,7 Wochen (± 9,8) und es konnte eine
durchschnittliche Wirkung (VAS 1 - 10) von 8,8 (± 2,1) erreicht werden.
Alle Patienten hatten somit eine gute bis sehr gute Wirkung des Toxins, es gab keinen
Therapieversager. Außer den Schmerzen bei der Injektion und kleinen Hämatomen kam
es bei keinem der Patienten zu Nebenwirkungen.
Betrachtet man die Wirkung im Verlauf, gaben nach der Erstinjektion die 50 Patienten
mit 25 MU Botox® pro Axilla eine Wirkung mit durchschnittlich 8,3 (± 2,6) auf der
VAS an. Die Wirkdauer betrug durchschnittlich 15,9 (± 9,4) Wochen. Von den 44 Patienten,
die ein zweites Mal injiziert wurden, wurde die Dosis bei 18 Patienten auf 37,5 MU
und bei einem Patienten auf 50 MU pro Axilla erhöht (∅ 30,7 ± 6,6 MU).
43 Patienten erhielten eine dritte und vierte Injektionsbehandlung. Bei der 3. Injektion
erhielten 15 Patienten weiterhin je 25 MU, 19 Patienten je 37,5 MU und 9 Patienten
je 50 MU pro Axilla (∅ 35,8 ± 9 MU). Beim vierten Mal erhielten noch 8 Patienten weiterhin
je 25 MU, 20 Patienten je 37,5 MU und 15 Patienten je 50MU pro Axilla (∅ 39,5 ± 7,5
MU). Von den 41 Patienten, die eine fünfte Behandlung erhielten, wurden nur noch 3
Patienten mit je 25 MU behandelt, jeweils 19 Patienten erhielten je 37,5 und 50 MU
pro Axilla (∅ 42,4 ± 6,7 MU).
Die Wirkung wurde von keinem Patienten mit weniger als 6 auf der VAS (0 - 10) angegeben.
Sie steigerte sich durchschnittlich von einem Wert von 8,3 ± 2,6 nach der ersten Behandlung
leicht bis auf durchschnittlich 8,9 ± 2,1 nach der dritten Behandlung bzw. 8,8 ± 1,8
nach der fünften (durchschnittlicher Wert im Verlauf der Behandlungen: 8,8 ± 2,1).
Die Wirkdauer steigerte sich leicht von 15,9 ± 9,4 Wochen nach der ersten Behandlung
auf durchschnittlich 16,7 ± 9,8 Wochen im Verlauf. Die minimale Wirkdauer betrug in
allen Gruppen 8 Wochen (eine Patientin), die maximale Wirkdauer betrug 52 Wochen (Tab.
[1]).
Im Verlauf der Behandlung benötigten von den 50 Patienten, die zu Beginn mit 25 MU
Botox® pro Axilla behandelt wurden, 6 Patienten nur eine einzige Behandlung, bei den
Übrigen wurde im Verlauf der Behandlung (≥ 3 Behandlungen) bei 20 % die Dosis von
25 MU beibehalten, bei 46 % wurde die Dosis auf 37,5MU erhöht und bei 34 % wurde auf
50 MU Botox® erhöht. Eine weitere Erhöhung auf 55 MU war nur bei einer Patientin erforderlich.
Außer den leichten Schmerzen bei der Injektion und kleinen Hämatomen kam es bei keinem
der Patienten zu nennenswerten Nebenwirkungen.
Diskussion
Unsere Untersuchung bestätigte unsere klinische Erfahrung sowie die vielfachen Studien,
dass sich eine konservativ therapierefraktäre fokale Hyperhidrose durch intrakutane
Botulinumtoxin-Injektionen sehr gut behandeln lässt. Dabei handelt es sich um eine
sichere und nebenwirkungsarme Therapie, die nach ihrer Zulassung in Deutschland eine
gute Alternative zu anderen Behandlungsformen darstellt [1]
[4].
Es zeigte sich, dass befriedigende Resultate oft schon mit geringeren Dosen erreicht
werden, als dies in der Literatur beschrieben ist. Bei den von uns behandelten Patienten
war in sechs Fällen nur eine einzige Behandlung mit geringer Dosis notwendig, bei
den Übrigen reichten im Verlauf in zwei Dritteln der Fälle 25 oder 37,5 MU aus. Nur
bei 34 % der behandelten Patienten musste die Dosis bis auf 50 MU Botox® pro Axilla
erhöht werden. Demgegenüber bewegen sich die Literaturangaben zwischen 50 und 100
MU Botox® oder vergleichbaren Dosen anderer Hersteller [2]
[4]
[6]. Zwar fanden sich auch in den Studien mit höheren Dosen keine relevanten Nebenwirkungen,
aber sowohl aus Kostengründen, als auch, um die Rate der Antikörper-Bildung gering
zu halten, ist es sinnvoll, die applizierte Dosis nicht höher zu wählen als erforderlich.
Auch die notwendigen Abstände zwischen den Behandlungen sind individuell sehr verschieden
und teilweise weit länger als die in der Literatur angegebenen. Worauf die unterschiedliche
Wirkdauer und die benötigte Dosis pro Patient zurückzuführen war, ließ sich in unserem
Kollektiv nicht erkennen. Aus unserer klinischen Erfahrung lässt sich sagen, dass
die benötigte Dosis wesentlich vom Ausgangsbefund und der Schwere der Symptome abhängt.
Die Größe des Areals an sich scheint dagegen eher weniger bedeutsam, da das Toxin
ausreichend weit diffundiert. Die Frage, welcher Patient wie viel Toxin benötigt,
kann aus den vorliegenden Daten nicht beantwortet werden.
Wir empfehlen deshalb pro Achsel mit 25 MU Botox® zu beginnen und bei unzureichendem
Effekt auf 37,5 MU und im weiteren Verlauf gegebenenfalls auf 50 MU pro Seite zu erhöhen.
Die Aussage, dass sich durch höhere Dosierungen eine längere Wirkdauer ergibt [6] mag zwar begrenzt zutreffen, jedoch verhält sich der Effekt nicht linear zur Dosis,
weshalb darauf verzichtet werden sollte [7]
[8]. Vielmehr wäre zu überlegen, ob nicht noch geringere Dosierungen ausreichend wären,
oder alternative Präparate erfolgreicher sind [9]
[10]. Eine weitere Frage für die Zukunft ist, ob sich die reduzierte Geruchsbelastung
durch die Injektion von Botulinumtoxin auch durch eine Wirkung auf apokrine Drüsen
erklären lässt [11].