Aktuelle Dermatologie 2004; 30(4): 103-108
DOI: 10.1055/s-2004-814483
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hypnotherapie bei atopischer Dermatitis

Hypnotherapy in Atopic DermatitisC.  Senser1 , M.  Habermüller1 , D.  Revenstorf1
  • 1Psychologisches Institut der Universität Tübingen
Weitere Informationen

Prof. Dr. phil. D. Revenstorf

Psychologisches Institut, Abt. Klinische Psychologie

Gartenstraße 29 · 72074 Tübingen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. April 2004 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Bei der atopischen Dermatitis handelt es sich um eine Hauterkrankung, deren Häufigkeit in den letzten 30 Jahren stark zugenommen hat. In vorliegender Untersuchung wurden in einem randomisierten Kontrollgruppendesign 33 Patienten mit atopischer Dermatitis entweder mit Hypnotherapie behandelt oder einer Kontrollgruppe zugewiesen. Nach 12 einstündigen individuellen Therapiesitzungen ergab die Auswertung: Während sich die Patienten der Hypnosegruppe hinsichtlich sämtlicher erhobener Variablen hoch signifikant (p < 0,01) verbessern konnten, wiesen die Patienten der Wartelisten-Kontrollgruppe eine jahreszeitbedingte ebenfalls signifikante Verschlechterung in etwa derselben Größenordnung auf (p < 0,01). Die typischen Symptome der atopischen Dermatitis sowie die durch sie verursachten psychosozialen Belastungen waren bei den hypnotherapeutisch behandelten Patienten nach Abschluss der Therapie gegenüber denjenigen der Kontrollgruppe im Schnitt weniger als halb so stark ausgeprägt. Die Veränderungen können als klinisch bedeutsam bezeichnet werden. Die Effektstärken lagen deutlich über denen vergleichbarer Therapieprogramme. Die Ursache hierfür wird hauptsächlich in der Anwendung problemorientierter Behandlungsstrategien gesehen. Die hypnotherapeutische Behandlung der atopischen Dermatitis erweist sich somit als eine wirkungsvolle Alternative zur konventionellen somatischen Behandlung dieser Hauterkrankung.

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Abstract

During the last 30 years atopic dermatitis is a skin disease of increasing frequency. In this study with a randomised control-group-design 33 patients with atopic dermatitis received a treatment in hypnotherapy or no treatment in the control group. After 12 single sessions lasting one hour the following results were found: The patients in the hypnosis group showed a highly significant improvement (p < 0,01) in all variables. The patients of the waiting-control-group showed seasoning effect visible in a significant deterioration of the same order of magnitude (p < 0,01). At the end of therapy in patients treated with hypnotherapy in the treatment group compared with the control group the typical symptoms of atopic dermatitis as well as the psychosocial strains caused by the skin disease on average were less than a half of the size. The changes can be interpreted as clinical significant. The effect size went significantly over the effect size of comparable therapy programs. As reason for this essentially the application of problem-oriented treatment strategies is seen. Therefore the hypnotherapeutic treatment of atopic dermatitis has proved as an effective alternative in contrast to the conventional somatic treatment of this skin disease.

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Einleitung

Die atopische Dermatitis (Neurodermitis) ist eine chronisch-rezidivierende Entzündung der Haut. Ihre Häufigkeit hat in den letzten 30 Jahren um das Zwei- bis Dreifache zugenommen. 10 - 15 % aller Kinder in den Industrieländern leiden darunter. Wenngleich von den Betroffenen ca. 50 - 60 % bis zur Pubertät beschwerdefrei sind, hält bei den übrigen Patienten die Krankheit ein Leben lang an. Ein Teil von ihnen entwickelt zusätzlich eine andere Erkrankung des atopischen Formenkreises, zu denen u. a. auch das allergische Asthma, die allergische Konjunktivitis und Rhinitis zu zählen sind.

Die Patienten leiden in der Regel erheblich unter dieser Hauterkrankung. Zwar variieren die Symptome nach dem Alter und sind relativ starken jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen (im Winter schlechter, im Sommer besser), jedoch findet sich in der Regel immer ein starker Juckreiz, der von den Betroffenen als äußerst quälend empfunden wird, sowie trockene Haut und Haare. Durch Kratzen, das den Juckreiz stillen soll, verschlimmert sich das Krankheitsbild in der Regel. Man spricht vom so genannten „Juck-Kratz-Zirkel”. Hierdurch entwickeln sich Rötungen, Bläschen und Papeln zu entzündlich-nässenden oder -krustösen Hauterscheinungen.

Aufgrund fehlender Erkenntnisse über die Ätiologie der atopischen Dermatitis - auszugehen ist von einer multifaktoriellen Genese mit starkem Gewicht auf einer genetischen Prädisposition der Betroffenen - kann derzeit noch keine ursächliche Therapie zur Behandlung angegeben werden. Vielmehr erfolgt die Behandlung symptomorientiert. Typischerweise werden hierfür in der Regel, neben präventiven Maßnahmen (adäquate Hautreinigung, Verwendung von rückfettenden Hautpflegemitteln, Aufenthalte im Gebirgsklima) medikamentöse Behandlungen durchgeführt (topische Kortikosteroide und Immunmodulatoren sowie Antihistaminika). Gerade jedoch die medikamentöse Langzeittherapie ist aufgrund der Nebenwirkungen der eingesetzten Präparate relativ problematisch.

So wird die atopische Dermatitis mittlerweile, in der Regel supportiv, auch psychotherapeutisch behandelt. Neben der Anwendung kognitiv-behavioraler Verfahren, gibt es mittlerweile hinreichend empirische Evidenz dafür, dass Stress-Management bzw. Entspannungsverfahren zur Behandlung sinnvoll eingesetzt werden können [1]. Grundlage für den Einsatz dieser Entspannungsmethoden sind Untersuchungen, die zeigen konnten, dass Neurodermitis-Patienten im Vergleich zu gesunden Personen über ein höheres Angstniveau verfügen [2], dass stärkere Neurodermitis-Schübe häufig infolge stressreicher Ereignisse der Patienten auftreten [3] und dass sich entspannte Neurodermitis-Patienten im Vergleich zu gestressten weniger kratzen [4].

Die Effektivität hypnotherapeutischer Verfahren ist bei unterschiedlichen, vor allem auch psychosomatischen Störungsbildern mittlerweile hinlänglich bekannt und empirisch gesichert. So konnten beispielsweise Bongartz et al. [5] in ihrer Metaanalyse anhand von 43 randomisierten klinischen Studien, in denen eine ausschließlich mit Hypnose behandelte Klientengruppe mit einer unbehandelten Gruppe verglichen wurde, eine gewichtete post-treatment Effektstärke von d = 0,60 ermitteln. Revenstorf und Prudlo [6] fanden unter 77 Studien (in 17 Anwendungsbereichen) 67 Studien, bei denen sich das Störungsbild nach Behandlung mit Hypnotherapie gegenüber einer Kontroll- oder Vergleichsgruppe signifikant verbesserte. Bei mehreren Hautkrankheiten konnte die Hypnotherapie bislang wirkungsvoll eingesetzt werden, z. B. zur Behandlung der Acne vulgaris [7] oder der chronischen Urtikaria [8] wie zur Behandlung von anderen Erkrankungen des selben Formenkreises. So gibt es beispielsweise Belege für die Wirksamkeit der Hypnotherapie bei der Behandlung von Asthma bronchiale [9] [10].

Die Anzahl der Untersuchungen zur hypnotherapeutischen Behandlung der atopischen Dermatitis ist bisher relativ gering. Grundsätzlich geht man davon aus, dass die Methode auch bei dieser Hautkrankheit indiziert ist [11] [12] und verschiedene Studien haben gezeigt, dass sie hier durchaus Erfolg versprechend angewendet werden kann [13] [14] [15]. Allerdings hat ein Großteil der Studien zur Thematik methodische Mängel: Entweder war, vor allem bei älteren Studien, die Diagnosestellung nicht eindeutig oder es wurden Einzelfalluntersuchungen bzw. Untersuchungen ohne unbehandelte Kontrollgruppe oder ohne Randomisierung durchgeführt. Die Einbeziehung einer unbehandelten Kontrollgruppe ist jedoch gerade bei Neurodermitis-Studien wegen der jahreszeitlichen Schwankungen von Bedeutung, da beobachtete Veränderungen in der Symptomatik ohne den Vergleich mit einer unbehandelten Kontrollgruppe nicht eindeutig auf die Behandlung zurückzuführen bzw. schwer zu interpretieren sind. Zum Teil blieben auch valide Erhebungsmethoden, die auf objektiven Fremdeinschätzungen der Symptomatik basieren, unberücksichtigt.

Die vorliegende Untersuchung sollte daher in einem randomisierten Kontrollgruppendesign klären, wie effektiv Hypnotherapie bei Personen mit atopischer Dermatitis ist. Die Annahme, dass sich das Krankheitsbild der behandelten Patienten im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrollgruppe signifikant verbessern wird, sollte in erster Linie anhand des objektiv und subjektiv eingeschätzten Hautzustandes der Patienten, dem Juckreiz, der Kratzintensität sowie der Probleme im Zuge der Krankheitsbewältigung und den krankheitsbedingten Einschränkungen der Lebensqualität ermittelt werden.

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Methode

Insgesamt nahmen 33 an Neurodermitis leidende Personen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren an der Untersuchung teil. Aufgenommen in die Studie wurden lediglich Personen, denen die Erkrankung von einem Hautarzt diagnostiziert wurde. Die Rekrutierung erfolgte über die freiwillige Meldung der späteren Teilnehmer auf verschiedene Zeitungsinserate. 18 Personen wurden einer Warteliste-Kontrollgruppe zugeteilt, während bei 15 Personen Hypnotherapie angewendet wurde. Die Zuweisung auf die beiden Gruppen erfolgte randomisiert, also u. a. auch unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung und der Hypnotisierbarkeit der Patienten. Es wurde über die gesamte Studiendauer hinweg kein einziger Drop-out verzeichnet.

Während der Warteliste-Kontrollgruppe ein auf die Hauterkrankung zugeschnittenes (Selbst-) Hypnoseprogramm in Aussicht gestellt wurde, durchliefen die Personen der Experimentalgruppe ein 12-stündiges (drei Monate dauerndes) hypnotherapeutisches Behandlungsprogramm im Einzelsetting. Dieses bestand aus zwei Abschnitten: Der erste Teil der Behandlung (acht Stunden) hob vorrangig auf die Symptomatik der Neurodermitis ab (symptomorientiertes Vorgehen). Neben einer reinen Entspannungshypnose wurden allgemeine Heilungssuggestionen verwendet sowie Suggestionen, die auf den Juckreiz abzielten, wie Kühle- und Taubheitssuggestionen und solche zur Modifikation der Wahrnehmung des Juckreizes (z. B. Umfokussierung der Aufmerksamkeit). Auch wurden direkte Suggestionen zur Modifikation des Kratzverhaltens angewendet.

Im zweiten Teil (vier Stunden) des Behandlungsprogramms stand die Bearbeitung solcher Probleme im Vordergrund, die im jeweiligen Einzelfall mit dem verstärkten Auftreten der atopischen Dermatitis zusammenhingen (problemorientiertes Vorgehen). Hier wurden Methoden der modernen Hypnotherapie angewandt - in erster Linie die Arbeit mit Teilpsychen (hierzu gehört auch die Dissoziation der Symptomatik) auf Grundlage des Modells von Renartz [16] und des systemischen Ansatzes von Schwartz [17]. Zum anderen wurden Methapern verwendet, die es dem Patienten ermöglichen sollen, selbstorganisatorische Prozesse zur Entwicklung eigenständiger Lösungen seiner Probleme zu entwickeln.

Der objektive Schweregrad der neurodermitischen Symptome wurde anhand der „Severity Scoring of Atopic Dermatitis; SCORAD” [18] erhoben. Das standardisierte Fremdbeurteilungsinstrument bestimmt den Hautzustand anhand der Ausdehnung der von den Hautausschlägen betroffenen Körperoberfläche sowie anhand der Intensität von sechs prominenten neurodermitischen Symptomen wie z. B. Erytheme, Papeln oder nässende Hautstellen. Erfasst wurden auch subjektiv empfundene Veränderungen des Hautzustandes, da nicht notwendiger Weise zu erwarten ist, dass sich Veränderungen des objektiven Hautzustands mit den subjektiv wahrgenommenen decken. Hierzu wurden den Teilnehmern drei so genannte visuelle Analogskalen [18] vorgelegt zur Erfassung der subjektiven Einschätzung des Hautzustandes, der Juckreizstärke und der Kratzintensität. Diese bildeten die Grundlage für ein Tagebuch, das den Personen der Behandlungsgruppe zur Verlaufsmessung ausgehändigt wurde. Überdies erfasste der „Marburger Neurodermitis-Fragebogen, MNF” [19] Probleme der Patienten im Zuge der Krankheitsbewältigung über die Dimensionen Leidensdruck, Stigmatisierung, allgemeine emotionale Belastung und Lebensqualität (ohne konkreten Zeitbezug). Weiter wurde über den „Dermatology Life Quality Index, DLQI” [20] die krankheitsbedingten Einschränkungen der Lebensqualität der Patienten (handlungsorientiert und mit explizitem Zeitfenster) anhand deren Zufriedenheit mit unterschiedlichen Lebensbereichen erhoben.

Die Voruntersuchungen der Personen der Kontroll- und Experimentalgruppe fanden eine Woche vor der ersten und die Nachuntersuchungen eine Woche nach der letzten Behandlungsstunde statt. Beide wurden von geschulten Personen durchgeführt, die in Bezug auf die Gruppenzugehörigkeit der Patienten blind waren. Ein kurzes Erst- bzw. Abschlussgespräch mit den Therapeuten bildeten den Rahmen des Treatments. Die Behandlungsstunden fanden in Einzelsitzungen in wöchentlichem Abstand statt. Der Behandlungszeitraum erstreckte sich jahreszeitlich von Anfang September bis Anfang Dezember.

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Ergebnisse

Der Vergleich von Kontroll- und Experimentalgruppe eingangs der Untersuchung ergab, dass sich beide Gruppen vor der Therapie weder in soziodemografischen noch bezüglich der untersuchten abhängigen Variablen signifikant voneinander unterschieden, was aufgrund der randomisierten Zuweisung auf die Gruppen auch zu erwarten war (Tab. [1]). Der Ausprägungsgrad der Symptome lag in beiden Gruppen im mittleren Bereich. Es fanden sich in beiden Gruppen mehr Frauen als Männer, hauptsächlich im Alter zwischen 18 und 40 Jahren.

Tab. 1 Vergleich von Kontroll- und Experimentalgruppe zum Prä-Zeitpunkt
abhängige VariablenKontrollgruppe (n = 18)Experimentalgruppe (n = 15)Prüfgröße
SCORAD28,6 (+/- 9,2)32,5 (+/- 8,7)t = 1,24; df = 31; p = 0,2
DLQI10,3 (+/- 5,3)8,0 (+/- 4,1)t = 1,36; df = 31; p = 0,2
MNF99,9 (+/- 19,7)91,7 (+/- 20,3)t = 1,17; df = 31; p = 0,3
Juckreiz4,8 (+/- 2,5)4,8 (+/- 1,9)t = 0,06; df = 31; p = 0,9
Kratzintensität4,9 (+/- 2,1)4,3 (+/- 2,1)t = 0,72; df = 31; p = 0,5
subjektiver Hautzustand3,9 (+/- 2,1)4,4 (+/- 2,1)t = 0,76; df = 31; p = 0,5
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Die Veränderung des objektiven Hautzustands

Prozentual gesehen verschlechterten sich die SCORAD-Werte von der Prä- zur Postmessung in der Kontrollgruppe im Durchschnitt um 32 %, während sie sich in der Behandlungsgruppe nach dem dreimonatigen Treatment um durchschnittlich 40 % verbesserten. Entsprechend ergab die varianzanalytische Auswertung einen hoch signifikanten Effekt für die Wechselwirkung der Faktoren Versuchsgruppen und Zeit (F = 74,29; df = 1; p = 0,00). Post-hoc durchgeführte Einzelvergleiche konnten zeigen, dass sowohl die Verschlechterung der Hautwerte in der Kontrollgruppe (t = - 4,98; df = 17; p = 0,00) als auch die Verbesserungen in der Experimentalgruppe (t = 7,51; df = 14; p = 0,00) von Prä nach Post hoch signifikant waren. Während sich die beiden Versuchsgruppen zu Beginn der Untersuchung hinsichtlich ihres objektiven Hautzustandes nicht unterschieden, war die entsprechende Differenz zum Ende des Erhebungszeitraumes hoch signifikant (t = - 5,21; df = 31; p = 0,00). Abb. [1] veranschaulicht dieses Ergebnis grafisch.

Zoom Image

Abb. 1 Mittlere Veränderung des SCORAD-Index (objektiver Hautzustand) der Teilnehmer vor und nach dem Treatment (nach 3 Monaten). Je geringer der Score desto besser der Hautzustand.

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Die Veränderung der subjektiv eingeschätzten Symptomatik

Veränderungen der von den Patienten subjektiv eingeschätzten Symptomatik wurden über Tagebücher der Teilnehmer erfasst. Grundlage bildeten hier die erwähnten visuellen Analogskalen die Juckreiz, Kratzintensität und Hautzustand (subjektiv) als typische Symptome der Neurodermitis fokussierten. Es ergab sich ein ähnliches Ergebnis wie bei den Veränderungen des objektiven Hautzustandes der Patienten. Sowohl der Juckreiz als auch die Kratzintensität und der subjektiv eingeschätzte Hautzustand der Patienten verbesserte sich in der Experimentalgruppe nach der Therapie entscheidend, während sich die Werte in der Kontrollgruppe extrem verschlechterten. Tab. [2] zeigt die Veränderungen von Prä nach Post sowie das Ergebnis der varianzanalytischen Auswertung.

Tab. 2 Vergleich von Kontroll- und Experimentalgruppe: Juckreiz, Kratzintensität und Hautzustand (subjektiv). Ein niederer Score gibt einen besseren Hautzustand wieder
VariableScore
A Kontrollgruppe (Prä/Post)
B Hypnosegruppe (Prä/Post)
Veränderung (%)
A Kontrollgruppe (Prä/Post)
B Hypnosegruppe (Prä/Post)
Wechselwirkung
JuckreizA 4,82/6,47; B 4,77/2,44A - 35 %; B + 50 %F = 24,28; df = 1; p = 0,000
KratzintensitätA 4,85/6,37; B 4,32/2,24A - 31 %; B + 48 %F = 26,99; df = 1; p = 0,000
HautzustandA 3,86/5,57; B 4,41/2,51A - 44 %; B + 45 %F = 16,88; df = 1; p = 0,000

Sämtliche Veränderungen über die Zeit (Verbesserungen der Werte in der Experimentalgruppe und Verschlechterungen in der Kontrollgruppe von Prä nach Post) waren statistisch hoch signifikant (p < 0,05), wie (post-hoc durchgeführte) Einzelvergleiche zeigen konnten. Am Ende des Erhebungszeitraums unterschieden sich der subjektiv eingeschätzte Hautzustand, Juckreiz und Kratzintensität in den beiden Versuchsgruppen hoch signifikant voneinander (p = 0,000).

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Veränderung in der Krankheitsbewältigung und der Lebensqualität

Über den MNF wurden Veränderungen der Krankheitsbewältigung durch die Patienten erhoben. Diese verbesserte sich analog zur Veränderung des subjektiven und objektiven Hautzustandes in der Gruppe, die mit Hypnose behandelt wurde, hoch signifikant (um 26 %) von Prä nach Post (t = 5,25; df = 14; p = 0,000). Während sich die Werte der Kontrollgruppe über die Zeit nicht wesentlich veränderten (t = - 0,03; df = 17; p = 0,97). Obwohl sich die beiden Versuchsgruppen zum ersten Messzeitpunkt hinsichtlich ihrer MNF-Werte nicht unterschieden, war zum Zeitpunkt der Post-Messung diese Differenz hoch signifikant (t = - 2,98; df = 31; p = 0,006).

Im Hinblick auf die einzelnen Subskalen des MNF zeigte sich nach eingehender Analyse, dass die signifikante Verbesserung des Gesamtwertes der Behandlungsgruppe auf entsprechende Veränderungen der Dimensionen „Leidensdruck” und „allgemeine emotionale Belastung” basierte, während sich in den anderen Skalen keine nennenswerten Veränderungen zeigten.

Auch erhöhte sich nach Behandlung die über den DLQI erhobene Lebensqualität der Patienten in der Hypnosegruppe, während diese in der Kontrollgruppe über den Erhebungszeitraum hinweg absank. Es ergaben sich dieselben Ergebnisse, wie sie auch bezüglich der anderen abhängigen Variablen berichtet werden konnten: Eine hoch signifikante Wechselwirkung der Faktoren Versuchsgruppe und Zeit nach varianzanalytischer Auswertung (F = 11,70; df = 1; 0,002), sowie, nach entsprechenden post-hoc durchgeführten Einzelvergleichen, eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität bei den Personen der Experimentalgruppe über die Zeit (t = 2,98; df = 14; p = 0,01) bei gleichzeitiger (signifikanter) Verschlechterung der Lebensqualität innerhalb der Kontrollgruppe (t = - 2,17; df = 17; p = 0,04).

Tab. [3] fasst sämtliche Ergebnisse anhand der berechneten Kontrollgruppen-Effektstärken des Therapieprogramms zusammen.

Tab. 3 Berechnete Effektstärken des Therapieprogramms in Bezug auf die verwendeten Messinstrumente
MessinstrumenteKontrollgruppen-Effektstärke
SCORAD1,98
DLQI1,43
MNF1,14
Juckreiz1,64
Kratzintensität1,96
subjektiver Hautzustand1,48
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Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen eine eindeutige Verbesserung der neurodermitischen Symptomatik sowie der krankheitsbedingten psychosozialen Belastungen der Personen, die mit Hypnotherapie behandelt wurden. Hinsichtlich sämtlicher untersuchter Variablen erwies sich die mit Hypnotherapie behandelte Experimentalgruppe der Warteliste-Kontrollgruppe als überlegen.

Die vorliegenden Ergebnisse wurden im Gegensatz zu vielen anderen Untersuchungen zur selben Thematik anhand einer Studie gewonnen, die den meisten Kriterien zur Bewertung von Therapiestudien [21] genügen: Ein Kontrollgruppendesign, die Randomisierung der Personen auf die Versuchsgruppen, ein relativ standardisiertes Therapiemanual sowie valide und reliable Messinstrumente bzw. Eingangskriterien. Einzig die Stichprobengröße und die relativ kurze Katamnesedauer erfüllen nicht die Forderungen von Chambless & Hollon. Eine weitere Beschränkung der vorliegenden Studie besteht darin, dass aus pragmatischen Überlegungen heraus, alle teilnehmenden Patienten für die Dauer des Therapieprogramms ihre bisherigen (gewohnten) dermatologischen (Begleit-) Maßnahmen weiterführen konnten. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit, trotz dieser Absprache zusätzliche Therapieangebote wahrzunehmen (z. B. eine vermehrte Einnahme von Kortison), in der unbehandelten Kontrollgruppe höher sein dürfte, was wiederum einen potenziellen Einfluss auf das Ergebnis der Studie nehmen könnte. Diese Bedenken scheinen allerdings aufgrund der vorliegenden Befunde nicht angebracht. Zum einen wurde dieses Thema mit den teilnehmenden Patienten thematisiert bzw. klar vereinbart, solche Begleitmaßnahmen bis zum Studienende konstant zu halten, zum anderen müssten sich „Verletzungen” dieser Absprache niederschlagen im Sinne eines (zumindest tendenziellen) Angleichs der Ergebnisse der Experimental- und Kontrollgruppe. Wie dargestellt, war das Gegenteil der Fall, so dass dem Faktor „medizinische Begleitmaßnahmen” in dieser Untersuchung kaum die Rolle eines verzerrenden Faktors zuzuschreiben ist.

Weiter bleiben typische Probleme nahezu aller derartigen Psychotherapiestudien bestehen, wie beispielsweise der Einfluss nehmende Faktor der Selbstselektion der (später teilnehmenden) Patienten. Diese können und sollen auch nicht behoben werden.

Insgesamt kann jedoch festgehalten werden, dass die Abstriche, die im Rahmen der vorliegenden Studie hinsichtlich der methodischen Durchführung gemacht werden mussten nicht so gravierend sind, als dass sie die Interpretierbarkeit der gewonnenen Ergebnisse einschränken würden.

Dennoch muss kritisch die Frage gestellt werden, ob eindeutig scheinende und statistisch abgesicherte Ergebnisse als klinisch bedeutsam betrachtet werden können. Von einer „Heilung” im engeren Sinne eines völligen Verschwindens der neurodermitischen Symptomatik kann hier natürlich nicht gesprochen werden. Allerdings scheint es aus Sicht der Autoren nicht sinnvoll einen solchen Zustand als Zielkriterium einer psychotherapeutischen Neurodermitis-Behandlung auszuweisen, da psychische Faktoren eben nur einen Teil des komplexen Wirkungsgefüges dieser Krankheit darstellen. Die dargestellten Mittelwertsverläufe zeigen jedoch auf, dass durch den Einsatz des hypnotherapeutischen Behandlungsprogramms die Probleme der Patienten durch die Hauterkrankung (objektiv gemessen und subjektiv eingeschätzt) auf eine Weise reduziert werden konnten, die mit einer spürbaren Entlastung für den Einzelnen verbunden war. Der Ausprägegrad der atopischen Dermatitis bzw. deren sie begleitende Einschränkungen war in der Treatment-Gruppe (über alle abhängigen Variablen hinweg) nach Behandlungsende weniger als halb so hoch als in der unbehandelten Kontrollgruppe, obwohl sich beide Gruppen zu Beginn der Untersuchung dahingehend nicht unterschieden. Diese gegenläufige Entwicklung war hierbei so markant, dass die vorliegenden Ergebnisse nicht nur im statistischen Sinne als signifikant bezeichnet werden können, sondern auch als klinisch bedeutsam.

Die Tatsache, dass die Syptomatik in der Kontrollgruppe nicht nur konstant blieb, sondern sich sogar hinsichtlich nahezu jeder untersuchten Variable signifikant verschlechterte, ist dabei mit hoher Sicherheit auf die zu den Messzeitpunkten vorherrschende Jahreszeit zurückzuführen. Es ist bekannt, dass sich die Symptomatik der atopischen Dermatitis im Herbst/Winter (dem Zeitraum dieser Erhebung) z. T. erheblich verschlechtert. Das Ergebnis, dass das Ausmaß der Verschlechterung in der Kontrollgruppe fast so groß war, wie das der Verbesserung der Behandlungsgruppe, spricht in diesem Zusammenhang für die gute Wirksamkeit des angewendeten hypnotherapeutischen Programms.

Im Studienvergleich fällt auf, dass sich das in vorliegender Studie durchgeführte hypnotherapeutische Behandlungsprogramm wirksamer zeigte als in vergleichbaren Studien (vgl. Latham 2001; Ehlers et al. 1995). Hierbei ist nicht auszuschließen, dass vor allem im Vergleich mit der Studie von Latham (2001) die größere Anzahl der durchgeführten Behandlungen (12 Sitzungen) im Rahmen vorliegender Untersuchung Einfluss auf das Ergebnis gehabt haben könnte. Auch hat sich die Durchführung der Therapie in Einzelsitzungen bewährt. Ein eindeutig größeres Gewicht scheint allerdings der angewendeten therapeutischen Strategie bzw. der Art des durchgeführten Behandlungsprogramms zuzukommen. Beispielsweise wurden in dem hier durchgeführten Therapieprogramm verstärkt problemorientierte Ansätze integriert. Wirksamkeitsunterschiede zu anderen Studien, in denen fast ausschließlich symptomorientiert behandelt wurde, scheinen vor allem diesem Umstand geschuldet zu sein. In diesem Sinne könnte eine noch stärkere Betonung des problemorientierten Vorgehens eine Modifikation der Behandlungsstrategie darstellen, die auch die Wirkpotenz des vorliegenden Therapieprogramms noch steigern könnte. Ein solches Vorgehen ginge zwar zu Lasten eines standardisierten bzw. symptomorientierten Vorgehens, dürfte jedoch das hypnotherapeutische Wirkpotenzial wesentlich besser ausschöpfen.

Zusammenfassend scheint das vorliegende hypnotherapeutische Behandlungsprogramm eine wirkungsvolle Alternative zur konventionellen somatischen Therapie der atopischen Dermatitis zu sein.

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Literatur

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Prof. Dr. phil. D. Revenstorf

Psychologisches Institut, Abt. Klinische Psychologie

Gartenstraße 29 · 72074 Tübingen

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Literatur

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Prof. Dr. phil. D. Revenstorf

Psychologisches Institut, Abt. Klinische Psychologie

Gartenstraße 29 · 72074 Tübingen

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Abb. 1 Mittlere Veränderung des SCORAD-Index (objektiver Hautzustand) der Teilnehmer vor und nach dem Treatment (nach 3 Monaten). Je geringer der Score desto besser der Hautzustand.