Im Herbst 1982 wurde erstmals über eine Häufung von zwei bis dahin sehr seltenen Erkrankungen in nordamerikanischen Großstädten berichtet, dem Kaposi-Sarkom und der Pneumocystis carinii Pneumonie (PCP). Damit stand eine Lungenentzündung am Beginn der Entdeckung einer der folgenreichsten Epidemien, die am Ende des 20. Jahrhunderts eine Renaissance der Infektiologie eingeleitet hat [1]. In den westlichen Industrieländern konnte durch die rasche Entdeckung des der Erkrankung zugrundeliegenden Humanen Immundefizienz Virus (HIV), die Entwicklung wirksamer antiretroviraler Kombinationstherapien (ART) und breit angelegte Aufklärungskampagnen die Ausbreitung der HIV-Epidemie weitgehend eingedämmt werden. Allerdings ist die Morbidität weiterhin hoch, da bei stabiler Inzidenz die Prävalenz aufgrund der verbesserten Prognose noch steigt, und die Erkrankung nimmt erhebliche Ressourcen der Gesundheitssysteme in Anspruch [2]. Global gesehen ist die Situation wesentlich dramatischer einzuschätzen: es handelt sich um eine unverändert aktive Pandemie mit Prävalenzen von über 30 % HIV-infizierter Personen in einigen Ländern des südlichen Afrikas und inzwischen auch rascher Ausbreitung der Infektion in Osteuropa.
Management der HIV-Infektion
Management der HIV-Infektion
Die Prognose der HIV-Infektion hängt heute weitgehend von der lokalen Verfügbarkeit und dem Ansprechen auf die antiretrovirale Therapie (ART) ab. Zahlreiche Studien belegen die Wirksamkeit der ART. Die Kombination von zwei Nukleosidanaloga beeinflusst die Mortalität bereits signifikant [3]
[4]. 1996 wurde gezeigt, dass die Zugabe eines Proteaseinhibitors die Mortalität zusätzlich deutlich senkt [5]. Seitdem gilt die Kombinationstherapie mit mindestens drei Substanzen als Standard. Die Kombinationstherapie führt neben der Reduktion der Mortalität und der Häufigkeit der Krankenhausaufnahmen auch zu einem Rückgang der AIDS definierenden Erkrankungen (Abb. [1]) [1]
[6]
[7]. Die Inzidenz der AIDS definierenden Erkrankungen, insbesondere der opportunistischen Infektionen reduzierte sich in Europa von 1994 - 1998 von 30,7 auf 2,5 pro 100 Patientenjahre [8]. Dieser Effekt ist anhaltend, denn trotz möglicher Langzeitnebenwirkungen und Resistenzentwicklungen führen die Kombinationstherapien auch nach mehrjähriger Einnahme zu einem Rückgang der Mortalität [7].
Abb. 1 (modifiziert nach [26]): Europaweite Kohortendaten (Euro SIDA) von 9803 HIV-Patienten im Zeitraum 1994 bis 2002: Die Einführung der ART hat zu eine dramatischen Verbesserung des Immunstatus und der Mortalität geführt. 1994 hatten fast 60 % der Patienten einen schweren Immundefekt mit CD4+-Zellzahlen unter 200/µl, davon 28 % unter 50/µl. 2002 hatten weniger als 20 % der Patienten CD4+-Zellzahlen unter 200/µl und nur 2,6 % weniger als 50/µl (a). Gleichzeitig zeigt sich eine Reduktion des kombinierten Endpunkts AIDS und Tod von 43,5 pro 100 Patientenjahre auf unter 3 pro 100 Patientenjahre (b).
Indikation zur antiretroviralen Therapie
Die Indikation für den Therapiebeginn wird von der Klinik, der Zahl der CD4+ T-Lymphozyten (CD4-Zellen) und der HIV-RNA-Konzentration im Plasma (Viruslast) bestimmt. Wichtigstes Therapieziel ist die Lebensverlängerung des Patienten bei möglichst guter Gesundheit und Lebensqualität. Konsens besteht darüber, dass symptomatische Patienten insbesondere im WHO-Stadium C (AIDS) behandelt werden sollten. Da z. B. ein Herpes Zoster (Stadium B) oder eine Tuberkulose (Stadium C) auch bei gutem Immunstatus auftreten können, kann im Einzelfall eine abwartende Haltung gerechtfertigt sein (s. u.). Empfehlungen der Fachgesellschaften zum Therapiebeginn, die sich auf CD4+ T-Zellzahl und Viruslast beziehen, sind uneinheitlich. Je niedriger die Zahl der CD4+-Zellen und je höher die Viruslast ausfallen, umso höher ist das Risiko, AIDS-definierende Erkrankungen zu entwickeln [9]
[10]. Hiergegen muss jedoch das Risiko von Langzeittoxizitäten und der Entwicklung von Resistenzen unter einer ART abgewogen werden. Einigkeit besteht darin, dass aufgrund des hohen Risikos Patienten mit weniger als 200 CD4+-Zellen/µl eine Therapie angeboten werden muss. Da keine Studie eindeutig den klinischen Nutzen der antiretroviralen Therapie bei Zellzahlen über 350/µl zeigen konnte, wird in den internationalen Leitlinien ein abwartendes Verhalten empfohlen [11]
[12]. Eine Grauzone besteht für Patienten mit CD4+Zellzahlen zwischen 200 - 350/µl. Therapienaive Patienten mit einer hohen Viruslast oder raschem Abfall der CD4+Zellen sollten in kurzen Abständen kontrolliert werden, um ggf. eine ART kurzfristig einzuleiten. Weitere Indikationen für eine antiretrovirale Therapie sind die vertikale Transmissionsprophylaxe in der Schwangerschaft und die Postexpositionsprophylaxe. Die akute HIV-Infektion ist zwar in 40 - 90 % symptomatisch, wird aber aufgrund der Ähnlichkeit mit „grippalen” Infekten und initial negativen Antikörpertitern (aber positiver HIV PCR) meist übersehen [13]. Ob eine Therapie vor Serokonversion die spezifische Immunantwort erhält und zu einer langfristigen Virussuppression führt, ist unklar [14]. Patienten mit akuter HIV-Infektion sollten daher möglichst im Rahmen von Studien behandelt werden (Information: http://www.hiv-akut.de).
Therapieoptionen
Seit der Einführung von Zidovudin als erstem antiretroviralem Medikament im Jahre 1987 wurden über 20 weitere Substanzen mit unterschiedlichen Angriffspunkten entwickelt (Abb. [2]), so dass heute ein breites Spektrum an Möglichkeiten für Primärtherapie, Salvagetherapie und Postexpositionsprophylaxe zur Verfügung steht. Als Standardregime in der Primärtherapie gelten eine Kombination von zwei Nukleosid Reverse Transkriptase Inhibitoren (NRTI) in Kombination mit einem Nicht-Nukleosid Reverse Transkriptase Inhibitor (NNRTI) oder die Kombination von zwei NRTI mit einem Ritonavir „geboosterten” Proteaseinhibitor (PI) [15]. Bei dem „Boostern” von PI mit einer „Babydose” Ritonavir von 100 - 200 mg/d werden durch die Inhibition des Isoenzyms 3A4 des P450-Enzymsystems die Spiegel fast aller PIs deutlich gesteigert, was zu einer Reduktion der Tablettenanzahl und der Einnahmefrequenz, aber auch zu möglichen Interaktionen mit anderen Medikamenten wie z. B. Rifampicin führt (s.u). Ein Anstieg von > 50 CD4+-Zellen/µl nach 4 - 8 Wochen spricht für ein gutes immunologisches Ansprechen. Von einem virologischen Therapieerfolg spricht man bei einem Abfall der Viruslast im Plasma unter die Nachweisgrenze von 50 Kopien/ml, dieser Abfall sollte nach 3 - 4 Monaten, bei initial sehr hoher Viruslast nach 4 - 5 Monaten erreicht werden. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine Therapie umso dauerhafter wirkt, je schneller und vor allem je tiefer die Viruslast abfällt [16].
Abb. 2 Replikationszyklus von HIV und bisher verfügbare Medikamentengruppen:
Nukleosidische und Nukleotidische Reverse Transkriptaseinhibitoren (NRTI). Wirkmechanismus: Intrazelluläre Phosphorylierung zu Triphosphat, konkurrieren mit den Nukleotiden um die Bindung an die Reverse Transkriptase und führen dort zum Kettenabbruch.
Nicht-Nukleosid Reverse Transkriptaseinhibitoren (NNRTI). Wirkmechanismus: Hemmen die Reverse Transkriptase durch nicht-kompetitive Bindung.
Protease Inhibitoren (PI): Wirkmechanismus: Hemmen die HIV-Protease und inhibieren die Auftrennung der primären Polypeptide und Ausknospung (Budding) aus der Zelle.
Fusionsinhibitoren. Wirkmechanismus: Hemmen als synthetische Peptide die Fusion von HIV-1 mit CD4+-Zellen durch Anlagerung an die gp41-Untereinheit der Virusoberfläche.
Unerwünschte Wirkungen der antiretroviralen Therapie
Umstellungen der antiretroviralen Therapie aufgrund von Nebenwirkungen oder Langzeittoxizitäten sind häufig erforderlich. In einer englischen Kohorte hatten nach 14 Monaten bereits 44 % der Patienten ihr Regime umgestellt [17]. Intoleranzen können meist durch Ersatz eines Medikamentes aus der gleichen Medikamentengruppe behoben werden. Beispiele schwerwiegender Nebenwirkungen sind die Anämie unter Zidovudin, die Abacavir-Hypersensitivität, die Hepatotoxizität unter Nevirapin, die Nephrolithiasis unter Indinavir, eine periphere Polyneuropathie unter Stavudin, Didanosin, Zalcitabin und die akute Tubulusnekrose unter Tenofovir [18]. Ein häufiges Problem ist das HIV-assoziierte Lipodystrophie-Syndrom. Es ist gekennzeichnet durch klinische und metabolische Veränderungen, die Pathogenese ist komplex (HIV, ART, Genetik). Die Patienten haben typischerweise einen Verlust des peripheren Fettes bei zentraler Adipositas mit zum Teil ungewöhnlicher Fettakkumulation („buffalo hump”). Gleichzeitig besteht in unterschiedlichem Ausmaß eine Fettstoffwechselstörung, eine Glukoseintoleranz und eine Hyperlaktatämie. Eine kürzlich erschienene Studie zeigt ein erhöhtes Risiko unter ART einen Myokardinfarkt zu erleiden [19]. Ein potenziell erhöhtes kardiovaskuläres Risiko muss aber in jedem Fall in Relation zu der eindeutig reduzierten Mortalität unter der ART bewertet werden.
Resistenzentwicklung
Ein zentrales Problem der antiretroviralen Therapie besteht in der Bildung von Resistenzen des HI-Virus gegenüber Medikamenten. Als wesentlicher Risikofaktor ist eine unzureichende Virussuppression anzusehen. Virusreplikation in Anwesenheit eines Medikamentes führt zur Selektion von resistenten Virusmutanten. Eine einzelne Punktmutation kann zu hochgradigen Kreuzresistenzen führen, so bewirkt die Mutation K103N einen 20 - 30fachen Resistenzanstieg gegenüber allen verfügbaren NNRTIs [20]. Die Folge ist ein virologisches Versagen mit einem dauerhaften Virusanstieg auf über 400 Kopien/ml, meist verbunden mit einem Abfall der CD4+ T-Lymphozyten. Die wichtigsten Risikofaktoren für eine Resistenzentwicklung sind eine suboptimale Vorbehandlung (Mono oder Dualtherapie) und eine unregelmäßige oder unvollständige Medikamenteneinnahme [21]. In einer Studie hatten Patienten, die nur 80 - 94 % der Medikamentendosis eingenommen hatten, in 61 % ein Therapieversagen. Bei einer Compliance von 95 % lag die Rate des Therapieversagens nur bei 22 % [22]. Den Patienten sollten daher die Grundzüge der Resistenzentwicklung erklärt werden. Die Messung der Medikamentenspiegel von PI und NNRTI sind ein zusätzliches Hilfsmittel für die Therapieeinstellung und Therapieüberwachung. Bei virologischem Versagen sollte vor Umstellung der Therapie eine Resistenztestung durchgeführt und nach Umstellung eine Spiegelmessung durchgeführt werden [23]. Mit Hilfe des Resistenzergebnisses und der Medikamentenanamnese kann eine Salvagetherapie mit möglichst vielen neuen Medikamenten begonnen werden. Generell sind die Ansprechraten der Salvagetherapie niedriger als die der Primärtherapie.
Eine Eradikation des Virus gelingt mit den derzeit zur Verfügung stehenden Substanzen nicht. Das Risiko für einen viralen Rebound lag in einer Studie nach 3,3 Jahren bei 25,3 %. Ein echtes virologisches Versagen sah man jedoch nur bei 5,2 % der Patienten, die übrigen Patienten hatten die Therapie aus anderen Gründen unterbrochen [24]. Die Viruslast kann also bei vielen Patienten jahrelang unter der Nachweisgrenze bleiben. Die Mortalität und Morbidität sinken jedoch auch, wenn die Viruslast nicht unter die Nachweisgrenze abfällt [25]. Insgesamt ist die Mortalitätsrate der HIV-Infektion in Europa durch die ART von 15,6 im Jahr 1994 auf 2,7 pro 100 Patientenjahre (2002) gefallen [26]. Die Kombinationstherapien kosten zwar zwischen 1200 und 2000 Euro pro Monat, teure Behandlungen opportunistischer Infektionen, Krankenhauskosten und Pflegekosten können jedoch eingespart werden. In einer deutschen Studie sanken die jährlichen Kosten von 1997 - 2001 von 35 865 auf 24 482 Euro [27]. Viele Patienten werden wieder arbeitsfähig, so dass die ART insgesamt als kosteneffektiv eingestuft werden kann [28].
HIV-assoziierte pulmonale Erkrankungen und opportunistische Infektionen
HIV-assoziierte pulmonale Erkrankungen und opportunistische Infektionen
Die Atemwege stellen eine der Haupteintrittspforten für Infektionen bei Patienten mit HIV-Infektion dar. Wie wir inzwischen gelernt haben, gibt es daneben auch eine breite Palette nichtinfektiöser Krankheitsmanifestationen (Tab. [1]). Der Pneumologe kann also auf sehr verschiedene Weise mit dieser Erkrankung konfrontiert werden, und die Möglichkeit einer HIV-Infektion sollte differenzialdiagnostisch immer dann präsent sein, wenn Lebensstil oder ein unklares Krankheitsbild dies möglich erscheinen lassen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass klassische Syndrome wie die interstitielle Pneumonie bei PCP oder das Lungeninfiltrat mit Hautmanifestation beim Kaposi-Sarkom infolge der inzwischen sehr effektiven ART und der Chemoprophylaxe wichtiger opportunistischer Infektionen relativ seltener geworden sind, während die Bedeutung weniger geläufiger Komplikationen zunimmt.
Tab. 1 Pulmonale Komplikationen bei Patienten mit HIV-Infektion
Infektionen | Nichtinfektiöse Erkrankungen |
Pneumocystis jiroveci Bakterien S. pneumoniae S. aureus H. influenzae B. catarrhalis P. aeruginosa Rhodococcus equi Nocardia asteroides Mykobakterien - davon M. tuberculosis - M. avium intracellulare Cytomegalovirus Aspergillus spp. Cryptococcus neoformans Histoplasma capsulatum Toxoplasma gondii | Kaposi-Sarkom Non-Hodgkin-Lymphom Hodgkin-Lymphom Bronchialkarzinom lymphozytäre interstitielle Pneumonie unspezifische interstitielle Pneumonie (NSIP) pulmonale Hypertonie
|
Das Risiko, an definierten Infektionen zu erkranken, lässt sich anhand der absoluten Zahl der CD4+ T-Lymphozyten im Blut grob abschätzen, wobei im Einzelfall mit Abweichungen zu rechnen ist (Abb. [3]). Während bakterielle Pneumonien und Tuberkulosen in allen Krankheitsstadien vorkommen, steigt das Risiko, an einer PCP zu erkranken, bei Patienten mit fortgeschrittener Immundefizienz (< 200 - 250 CD4+-Zellen/µl) massiv an. Infektionen durch Cytomegalovirus (CMV) und Mycobacterium avium/intrazellulare Komplex (MAC) manifestieren sich gehäuft ab CD4-Zellzahlen unter 50/µl [29]. Unter ART besteht heute die Möglichkeit einer partiellen Immunrekonstitution, so dass sich das Risiko für das Auftreten opportunistischer Infektionen dann deutlich verringert, wenn bei Patienten im Stadium AIDS die CD4+-Zellen unter Therapie für einen Zeitraum von etwa drei Monaten über definierte Grenzwerte angestiegen sind [30]. Andererseits werden unter Immunrekonstitution auch akute Exazerbationen von Infektionen wie Tuberkulose, PCP und CMV beobachtet, die durch den raschen Einstrom immunkompetenter Zellen in die Lunge zu erklären sind und nicht primär als Versagen der antimikrobiellen Therapie zu werten sind [31]. Insgesamt ist die Inzidenz wichtiger pulmonaler Infektionen seit Einführung von ART in den industrialisierten Ländern deutlich gesunken [32]. Darüber hinaus ist die relative Häufigkeit der PCP, die zu Beginn der HIV-Epidemie die häufigste pulmonale Infektion darstellte, in Deutschland zwischen 1987 und 1998 von 58 % auf 46 % der AIDS definierenden Erkrankungen zurückgegangen [33], während der Anteil der bakteriellen Infektionen zunimmt: diese stehen inzwischen in vielen Studien an erster Stelle [32]. Im Folgenden soll wegen der besonderen Bedeutung dieser Infektionen für den Pneumologen schwerpunktmäßig auf bakterielle Pneumonien, Tuberkulose und PCP eingegangen werden.
Abb. 3 Auftreten opportunistischer Infektionen im Verlauf der HIV-Infektion.
Bakterielle Pneumonien
Bakterielle Pneumonien
Bakterielle Pneumonien unterscheiden sich bei HIV-infizierten Patienten klinisch und prognostisch nicht signifikant von Infektionen beim immunkompetenten Wirt. Allerdings liegt häufiger ein symptomarmer Verlauf und eine normale Leukozytenzahl vor [34]. Polymikrobielle Infektionen und Koinfektionen mit Pneumocystis jiroveci sind mit 10 - 30 % häufig, was die klinische Beurteilung erschwert [35]
[36]
[37]
[38]. Ätiologisch sind Pneumokokken- und Hämophilusinfektionen am häufigsten. Daneben werden im Vergleich zu immunkompetenten Patienten gehäuft Infektionen mit Staphylococcus aureus, Branhamella catarrhalis sowie in Spätstadien (CD4+ T-Lymphozyten < 100/µl) Pseudomonas spp. gefunden. Bei langsam wachsenden, einschmelzenden Infiltraten ist auch an seltene Erreger wie Rhodococcus equi und Nokardien zu denken. Die Basisdiagnostik sollte die Abnahme von zwei Blutkulturen und eine mikroskopische und kulturelle Sputumuntersuchung umfassen. Die Bakteriämierate liegt mit 25 - 60 % höher als bei immunkompetenten Patienten [38]
[40]. Der Wert der Sputumdiagnostik, die hinsichtlich des Nachweises pyogener Bakterien bei HIV-Infektion unzureichend untersucht ist, liegt vor allem in der Abgrenzung von Mykobakterien- und Aspergillusinfektionen. Die Bestimmung des Kryptokokken-Antigens im Serum hat einen hohen prädiktiven Wert für den Nachweis der invasiven Kryptokokkose [41]. Die Sensitivität der BAL, deren Domäne die PCP-Diagnostik ist, liegt bei bakteriellen Pneumonien nicht vorbehandelter Patienten zwischen 60 - 70 % [36]
[37].
Therapeutisch ist bei Patienten mit CD4-Zellzahlen > 200/µl, falls kein Verdacht auf eine Mykobakteriose besteht, eine kalkulierte antibakterielle Behandlung mit Wirksamkeit gegenüber S. pneumoniae, H. influenzae und S. aureus indiziert. Kontrollierte Studien liegen hierzu nicht vor. In Anlehnung an Therapieempfehlungen zur ambulant erworbenen Pneumonie mit Komorbidität kann die Gabe eines Cephalosporins der Gruppe 2 wie Cefuroxim oder 3a wie Cefotaxim oder Ceftriaxon bzw. eines Aminopenicillins mit Betalaktamaseinhibitor (Ampicillin/sulbactan oder Amoxicillin/Clavulansäure) empfohlen werden. Die Kombination mit einem Makrolid ist bei regional erhöhter Inzidenz von Legionelleninfektionen empfehlenswert. Nach Erhalt positiver Kulturergebnisse sollte gezielt weiter behandelt werden. Bei fortgeschrittenem Immundefizit (CD4+-Zellen < 200/µl) sollte wegen des breiteren Erregerspektrums primär eine bronchoskopische Diagnostik erwogen werden [42]
[43].
Tuberkulose
Tuberkulose
Tuberkulose ist die opportunistische Infektion, die weltweit die höchste Morbidität und Mortalität HIV-infizierter Personen bedingt [44]. Etwa ein Drittel der aktuell über 40 Millionen Menschen, die mit einer HIV-Infektion leben, sind mit Mycobacterium tuberculosis Komplex (Mycobacterium tuberculosis, M. africanum, M. bovis oder M. microtii-MTB) koinfiziert, 70 % der Betroffenen leben im zentralen und südlichen Afrika [45]. Während in Deutschland die Inzidenzen für Tuberkulose und HIV in den vergangenen Jahren auf niedrigem Niveau stagnieren [46]
[47], ist die deutliche Zunahme von Tuberkuloseerkrankungen in den meisten Regionen der Welt während der letzten zwei Jahrzehnte eng mit der HIV-Epidemie verbunden [48]. So sind in einigen Ländern des südlichen Afrikas bis zu 70 % der Tuberkulosekranken gleichzeitig mit HIV infiziert [49].
Einerseits ist die Anzahl postprimärer Tuberkuloseerkrankungen und die der Reaktivierungen einer latenten Infektion mit MTB bei HIV-infizierten Personen gegenüber HIV-seronegativen Personen deutlich erhöht [50], andererseits führt auch die Tuberkulose zu einem Progress der Immundefizienz bei den HIV-infizierten Personen [51]. Während die meisten opportunistischen Infektionen nur im fortgeschrittenen Stadium der HIV-Infektion auftreten, können HIV-Infizierte daher unabhängig von der Anzahl zirkulierender CD4+ T-Lymphozyten in allen Stadien der Infektion an einer Tuberkulose erkranken [52]. Über 50 % der Tuberkulosefälle treten bei Patienten mit CD4+ T-Lymphozyten-Konzentrationen von > 200 Zellen/µl im zirkulierenden Blut auf. Die Inzidenz der Tuberkulose steigt aber mit fortgeschrittenem Immundefekt bei der HIV-Infektion und ist im Stadium AIDS am höchsten [53].
TB: Einfluss auf die HIV-Infektion
Eine aktive Tuberkuloseerkrankung führt bei HIV-infizierten Patienten zunächst lokal zu einer Aktivierung der HIV-Replikation und sekundär auch zu einer höheren HIV-RNA-Konzentration im zirkulierenden Blut [54]. Dieser Effekt ist in frühen Stadien der HIV-Infektion besonders ausgeprägt [54]. Die Zunahme der Plasmavirämie ist einer der bedeutendsten Risikofaktoren für die Progression der Immundefizienz zum Stadium AIDS [55]. Sowohl in der bronchoalveolären Lavage wie auch im Pleuraerguss tuberkulosekranker HIV-koinfizierter Patienten werden signifikant höhere HIV-RNA-Konzentrationen gefunden, als bei Tuberkulose-negativen Kontrollen [56]. Die Pathogenese der Aktivierung der HIV-Replikation durch MTB ist sehr komplex und wird bislang nur unvollständig verstanden. Neben einer gesteigerten Replikation von HIV in aktivierten, HLA-DR+-Makrophagen [51] und einer Reaktivierung latent HIV-infizierter Monozyten [57] spielen proinflammatorische Zytokine v. a. TNF α, IL 1β, MCP1 und der nukleäre Faktor Kappa-B eine bedeutende Rolle bei der Aktivierung der HIV-Replikation [51].
HIV: Einfluss auf die Tuberkulose
Die Pathogenese der Tuberkulose hängt vom Stadium der Immundefizienz bei der HIV-Infektion ab. Oft handelt es sich bei Patienten in frühen Stadien (> 500 CD4+ T-Lymphozyten/µl) der Erkrankung um Reaktivierungen latenter MTB-Infektionen, während Patienten mit fortgeschrittener Immundefizienz häufig Anzeichen einer progressiven postprimären Tuberkulose aufweisen [58]. Bei diesen Patienten ist die Formation von Granulomen durch den Verlust von CD4+ T-Lymphozyten gering [59] und es treten häufig miliare Streuungen durch hämatogene und lymphatische Aussaat der Bakterien auf [60].
Latente Infektion mit MTB
Nur 5 - 10 % der HIV-seronegativen, aber ca. 50 % der HIV-seropositiven Patienten, die latent mit MTB infiziert sind, entwickeln im weiteren Verlauf eine Tuberkuloseerkrankung [61]. Der Tuberkulin-Hauttest nach Mendel-Mantoux gilt bislang als Goldstandard für die Diagnose einer latenten Tuberkulose. Aufgrund des T-Zell-Immundefekts fällt die Induration beim Tuberkulin-Hauttest bei HIV-infizierten Patienten jedoch nur gering aus. Eine Induration ≥ 5 mm gilt bereits als positive Reaktion für HIV-seropositive Personen [62]. Bei Patienten in fortgeschrittenen Stadien der HIV-Infektion fällt das Testergebnis dennoch in den meisten Fällen falsch negativ aus [63]. Ein negatives Testergebnis beim Mendel-Mantoux-Test als Ausdruck einer Anergie ist bei HIV/TB koinfizierten Patienten ein prognostischer Marker, der mit hoher Mortalität assoziiert ist [64].
Klinische Verlaufsformen der Tuberkulose
Bei den Reaktivierungen latenter Tuberkuloseinfektionen in frühen Stadien der HIV-Infektion handelt es sich in der Regel um klassische pulmonale Verlaufsformen mit infiltrativen, Oberlappen-betonten Beherdungen mit Hohlraumbildungen analog zum Krankheitsbild bei HIV-seronegativen Patienten (Abb. [4]). Im Sputum lassen sich meistens säurefeste Stäbchen darstellen. Mit fortschreitender Immundefizienz treten vermehrt atypische pulmonale Verlaufsformen ohne Kavernenbildung mit ausgeprägter mediastinaler Lymphadenopathie sowie extrapulmonale Verlaufsformen auf. In der Sputumanalyse sind dann häufig keine säurefesten Stäbchen nachweisbar [65]. Im Vergleich zu HIV-seronegativen Patienten ist das Übertragungsrisiko von MTB durch HIV-seropositive Patienten daher geringer [66]. Bei etwa 5 % der Patienten, bei denen sich keine Infiltrate im Röntgen-Thorax-Bild darstellen, fällt die mikroskopische Sputumanalyse positiv aus [52] und im Einzelfall kann eine hohe Anzahl von Mykobakterien im Sputum nachgewiesen werden. Außerdem gibt es Hinweise dafür, dass das Risiko für die Übertragung multiresistenter Tuberkulosebakterien bei HIV-infizierten Patienten gesteigert ist [67]. Daher sollten die Standardmaßnahmen zur Transmissionsprophylaxe unbedingt eingehalten werden [68].
Abb. 4 Repräsentative Röntgenaufnahmen des Thorax bei Patienten mit HIV-Infektion und Tuberkulose. In frühen Stadien der HIV-Infektion entsprechen die radiologischen Veränderungen der Lungentuberkulose meistens den klassischen Bildern HIV-seronegativer Patienten, während bei fortgeschrittener Immundefizienz vermehrt miliare, atypische und extrapulmonale Verlaufsformen auftreten. Patient A: 35 j. Mann mit kavernöser Tuberkulose und multiplen infiltrativen Herdsetzungen; 510 CD4+ T-Zellen/µL (23 %). Patientin B: 28 j. Frau mit Miliartuberkulose; 193 CD4+ T-Zellen/µL (18 %). Patient C: Progressive postprimäre Tuberkulose mit tuberkulöser Pleuritis. 35 CD4+ T-Zellen/µL (8 %). Bei Patient A mikroskopischer Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum. Bei allen drei Patienten kultureller Nachweis von MTB im Sputum.
Diagnose
Die Stufendiagnostik unterscheidet sich bei HIV-seropositiven Patienten nicht vom üblichen Vorgehen bei der Tuberkulose. Aus Sputen und anderen biologischen Materialien werden die Präparate zunächst auf das Vorkommen säurefester Stäbchen hin untersucht. Inzwischen stehen auch verschiedene rasch durchführbare und empfindliche Verfahren zum Nachweis von MTB-spezifischen Gensequenzen zur Verfügung. Mit Verfahren zur Nukleinsäureamplifikation (z. B. Polymerase-Ketten-Reaktion; PCR) können in Sputumpräparaten, in denen mikroskopisch säurefeste Stäbchen beobachtet wurden, Tuberkulosebakterien mit einer Sensitivität von > 95 % nachgewiesen werden. In den mikroskopisch negativen Präparaten fällt die Sensitivität der PCR-Untersuchung aber auf 40 - 77 % ab [69]. Da Tuberkulosebakterien mikroskopisch nicht von anderen säurefesten Stäbchen unterschieden werden können, eignet sich die PCR zu einer raschen Differenzierung vor allem gegenüber nicht-tuberkulösen Mykobakterien.
In der Diagnose einer Tuberkulose ist bronchoskopisch gewonnenes Bronchialsekret induziertem Sputum bei HIV-infizierten Personen nicht überlegen [70]. Bei ZN-negativen Befunden ist die Bronchoskopie aber zur Differenzierung gegenüber anderen Erkrankungen meistens unerlässlich [71], außerdem kann die histologische Bewertung von transbronchialen Biopsien dazu beitragen, die Diagnose einer Tuberkulose durch den Nachweis von Granulomen oder säurefester Stäbchen zu erhärten. Der Goldstandard ist unverändert der kulturelle Nachweis von Tuberkulosebakterien in Flüssig- (ca. 2 - 4 Wochen) oder Festmedien (ca. 3 - 5 Wochen). Eine Resistenztestung ist bei kulturellem Nachweis von MTB immer erforderlich.
Der Hauttest nach Mendel-Mantoux ist aufgrund der hohen Rate falsch negativer Befunde bei HIV-infizierten Patienten diagnostisch nur eingeschränkt verwertbar. Neuere Verfahren zur Bestätigung einer stattgehabten MTB-Sensibilisierung durch den Nachweis tuberkulose-spezifischer T-Lymphozyten in biologischen Präparaten, z. B. ein ELISPOT zum Nachweis einer γ-Interferon-Sekretion nach Kontakt mit dem Antigen ESAT-6, sind in experimenteller Erprobung.
Therapie
Mit einer Standardtherapie der Tuberkulose kann unabhängig vom Status einer antiretroviralen Therapie (ART) bei HIV/TBC koinfizierten Patienten in gleicher Zeit eine Sputumkonversion und ein vergleichbarer Behandlungserfolg erzielt werden, wie bei HIV-seronegativen Personen [72]
[73]. In unkomplizierten Fällen ist daher für die Therapie der pulmonalen Tuberkulose auch bei HIV-koinfizierten Patienten eine Behandlungsdauer der Tuberkulose von 6 Monaten ausreichend [74]. Die synchrone Behandlung der HIV-Infektion mit einer antiretroviralen Therapie und der Tuberkulose mit Antituberkulotika ist aber in der Praxis problematisch. So traten nach Einleitung einer antituberkulösen Behandlung bei 7 % der ART-naiven Patienten paradoxe Reaktionen mit Fieber, Lymphadenopathie und neuen pulmonalen Infiltraten auf. Bei Patienten, die gleichzeitig mit einer ART behandelt wurden traten diese Immunrekonstitutionsphänomene deutlich öfter, nämlich in 36 % der Fälle auf [75]. Daneben erschweren Complianceprobleme durch die hohe Anzahl an Tabletten (i. d. R. mind. 3 Präparate zur HIV-Therapie und initial 4 Präparate zur Behandlung der Tuberkulose) und Arzneimittelinteraktionen die gleichzeitige Therapie der HIV- und MTB-Infektion nicht unerheblich. Beispielsweise werden sowohl Rifampicin als auch Proteaseinhibitoren (PI) über das Enzym Cytochrom P450 metabolisiert. Da die Medikamentenspiegel deshalb nicht kalkulierbar sind, wird eine gleichzeitige Behandlung von Rifampicin und PIs (Ausnahmen: Ritonavir ± Saquinavir; neuerdings auch Ritonavir hypergeboostertes Lopinavir) nicht empfohlen (Tab. [2]) [76]. Für die gleichzeitige Behandlung der HIV-Infektion steht damit nur eine Kombination aus 2 Nukleosidalen-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) mit dem Nicht-Nukleosidalen-Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) Efavirenz oder die suboptimale Kombination aus 3 NRTIs zur Verfügung. Alternativ zu Rifampicin kann Rifabutin als schwächerer Induktor des Cytochrom P450 auch in Kombination mit PIs verwendet werden. Wird kombiniert therapiert, müssen Dosisanpassungen der Medikamente beachtet und NNRTI bzw. PI-Spiegelmessungen durchgeführt werden [77] (Tab. [2]).
Tab. 2 Dosisanpassung bei synchroner Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten und Rifampicin und Rifabutin (nach [50])
| Dosisanpassung der antiretroviralen Medikamente | Rifampicin Dosis |
Amprenavir
| sollten nicht gemeinsam gegeben werden | |
Fos-Amprenavir
| sollten nicht gemeinsam gegeben werden | |
Atazanavir
| sollten nicht gemeinsam gegeben werden | |
Indinavir
| sollten nicht gemeinsam gegeben werden | |
Nelfinavir
| sollten nicht gemeinsam gegeben werden | |
Ritonavir
| keine | 600 mg/d |
Saquinavir
| sollten nicht gemeinsam gegeben werden | |
Lopinavir/Ritonavir
| Lopinavir 400 mg/12 h und Ritonavir 100 mg/12 h
plus weitere Ritonavir 300 mg/12 h | 600 mg/d |
Saquinavir/ Ritonavir
| Saquinavir 400 mg/12 h und Ritonavir 400 mg/12 h |
600 mg/d |
Efavirenz
| ↑ 800 mg/d | 600 mg/d |
Nevirapin
| 200 mg/12 h | 600 mg/d |
Delavirdin
| sollten nicht gemeinsam gegeben werden | |
|
Dosisanpassung der antiretroviralen Medikamente
|
Rifabutin Dosis
|
Amprenavir
| keine | ↓ 150 mg/d oder 300 mg 3 ×/Woche |
Fos- Amprenavir
| keine | ↓ 150 mg/d oder 300 mg 3 ×/Woche |
Atazanavir
| keine | ↓ 150 mg/2d oder 150 mg 3 ×/Woche |
Indinavir
| ↑ 1000 mg alle 8 h | ↓ 150 mg/d oder 300 mg 3 ×/Woche |
Nelfinavir
| ↑ 1000 mg alle 8 h | ↓ 150 mg/d oder 300 mg 3 ×/Woche |
Ritonavir
| keine | ↓ 150 mg/2d oder 150 mg 3 ×/Woche |
Saquinavir
| sollten nicht gemeinsam gegeben werden | |
Lopinavir/Ritonavir
| keine | ↓ 150 mg/2d oder 150 mg 3 ×/Woche |
Ritonavir und Amprenavir, Fos-Amprenavir, Atazanavir, Indinavir oder Saquinavir
| keine | ↓ 150 mg/2d oder 150 mg 3 ×/Woche |
Efavirenz
| keine | ↑ 450 mg/d oder 600 mg 3 ×/Woche |
Nevirapin
| keine | ↑ 300 mg/d oder 300 mg 3 ×/Woche |
Delavirdin
| sollten nicht gemeinsam gegeben werden | |
Wegen dieser Probleme sollte, wenn es der Immunstatus der Patienten erlaubt, eine parallele Therapie der HIV- und MTB-Infektion vermieden werden [78]. Bei HIV-infizierten Patienten mit stark fortgeschrittener Immundefizienz und < 100 CD4+ T-Lymphozyten/µL muss aber bei Auftreten einer Tuberkulose aufgrund des hohen Mortalitätsrisikos eine parallele Behandlung dringend erwogen werden [79]. Gegebenenfalls kann bei therapienaiven Patienten auch dann mit der Einleitung einer ART bis zum Abschluss der 2-monatigen Induktionsphase der Tuberkulosetherapie abgewartet werden. Bei Patienten mit 100 - 200 CD4+Zellen/µl sollte mindestens zwei Monate, ggf. auch länger mit dem Beginn einer antiretroviralen Therapie abgewartet werden. Bei Patienten mit mehr als 200 CD4+-Zellen/µl sollte die Antituberkulöse-Therapie vor Einleitung einer ART abgeschlossen sein. Die Therapie kann dann nach den gleichen Prinzipien, wie für die Behandlung HIV-seronegativer Personen durchgeführt werden (6 - 9 Monate Isoniazid und Rifampicin, initial 2 Monate Ethambutol und Pyrazinamid oder - alternativ zu EMB oder PZA-Streptomycin [80]). HIV-infizierten Patienten, die bereits mit einer ART behandelt werden und an einer Tuberkulose erkranken, wird empfohlen die ART fortzusetzen. Eventuell muss die ART aber im Hinblick auf die synchrone Therapie der Tuberkulose umgestellt werden [79].
Bei Nachweis multiresistenter Mykobakterien, definiert durch eine Resistenz gegenüber INH und Rifampicin, ist die Therapie weiter erschwert [81]. Der Therapieerfolg ist geringer und die Behandlungsdauer länger als bei sensiblen Tuberkulosestämmen. Aufgrund der Komplexität der Therapie sollten Patienten, die an einer Tuberkulose bei einer HIV-Infektion erkranken, in dafür spezialisierten Zentren behandelt werden.
HIV-infizierte Personen mit positivem Mendel-Mantoux-Test haben ein 5 - 10fach erhöhtes Risiko, an einer aktiven Tuberkulose zu erkranken. Die Effektivität einer INH-Monotherapie zur Vermeidung der Entwicklung einer Tuberkuloseerkrankung wurde für diese Patienten auch ohne ART in zahlreichen Studien belegt [82]. ART-naive Patienten mit negativem Mendel-Mantoux-Test profitieren hingegen weder von einer Therapie der latenten Tuberkulose [82] noch von einer Sekundärprophylaxe [83]. Bei ART-naiven Patienten hat die Chemoprophylaxe bei latenter Tuberkulose auch keinen Einfluss auf die Gesamtmortalität. Wie sich die Prognose HIV-infizierter Patienten mit latenter Tuberkulose unter antiretroviraler Therapie verändert, sollte in prospektiven Studien genauer untersucht werden.
Patienten mit positivem Mendel-Mantoux-Test wird aktuell eine Therapie mit INH (+ Pyridoxin) über neun Monate angeraten. HIV-seropositiven Personen mit negativem Ergebnis im Tuberkulinhauttest und gesicherter kürzlicher Exposition gegenüber Patienten mit offener Lungentuberkulose sollte die gleiche Behandlung angeboten werden [84]. Die zweimonatige Behandlung der latenten Tuberkulose mit Rifampicin und Pyrazinamid kann aufgrund der deutlich erhöhten Toxizität hingegen nicht mehr empfohlen werden [85].
Nicht-tuberkulöse Mykobakterien
Nicht-tuberkulöse Mykobakterien
Klinisch manifeste Infektionen mit M. avium intracellulare (MAC) gehörten vor Einführung der ART in den industrialisierten Ländern zu den häufigsten opportunistischen Infektionen bei HIV-Infektion [86]. Im Zeitalter der ART ist die Inzidenz der MAC-Infektion bei HIV-infizierten Patienten dramatisch gesunken und das klinische Spektrum hat sich von einer disseminierten Erkrankung mit Bakteriämie zu einer meist lokalisierten Erkrankung mit Lymphadenopathie oder Osteomyelitis gewandelt [87]. Eine pulmonale MAC-Infektion bei HIV-Infizierten Patienten war früher bereits selten und ist heute eine Rarität. Erkrankungen durch andere nicht-tuberkulösen Mykobakterien, die sich häufiger pulmonal manifestieren, wie z. B. M. kansasii, M. malmoense, M. gordonae, M. xenopi oder M. celatum sind ebenfalls auch bei HIV-infizierten Patienten sehr selten geworden. Sie sind fast ausschließlich bei Therapie-naiven Patienten mit weit fortgeschrittenem Immundefekt (< 50 CD4+ T-Lymphozyten/µL), bei Patienten mit Therapieversagen oder Incompliance, oder als Manifestation eines Immun-Rekonstitutions-Syndrom kurz nach Einleitung einer ART zu beobachten. Das Spektrum möglicher radiologischer Veränderungen umfasst flächige/streifige Infiltrate, Noduli, Kavernen und eine Lymphadenopathie [88]. Die Diagnose erfolgt durch den mikroskopischen, molekularbiologischen und kulturellen Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum, im Bronchialsekret oder in transbronchialen Biopsien (s. o.). Bezüglich der speziellen Therapieregime wird auf die Literatur verwiesen [88]
[89]
[90].
Pneumocystis-Pneumonie (PCP)
Pneumocystis-Pneumonie (PCP)
Pneumocystis carinii hat in den letzten Jahren aufgrund neuer taxonomischer Erkenntnisse eine Umbenennung in P. jiroveci (Abkürzung der Infektion weiterhin PCP = Pneumocystis-Pneumonie) durchgemacht. Es handelt sich entgegen ersten Vermutungen nicht um einen Parasiten, sondern um einen Pilz, der allerdings auf übliche Antimykotika aufgrund besonderer Zellwandstrukturen nicht anspricht. Klinisch ist die PCP im Gegensatz zu bakteriellen Pneumonien meist durch einen subakuten Verlauf mit langsam progredienter Dyspnoe gekennzeichnet. Bei etwa 10 % der betroffenen Patienten fällt die Röntgenuntersuchung normal aus, während die Computertomographie schon früh milchglasartige Verschattungen von landkartenartiger Umgrenzung zeigen kann (Abb. [5]). Belastungsuntersuchungen wie die Spiroergometrie ergeben ebenfalls frühzeitig eine eingeschränkte pulmonale Reserve. Die Patienten klagen über trockenen Husten, der Auskultationsbefund ist meist unauffällig. In der Lungenfunktion sind eine respiratorische Partialinsuffizienz mit Diffusionsstörung charakteristisch. Fieber und interstitielle Lungeninfiltrate sind Zeichen eines fortgeschrittenen Krankheitsstadiums. Differenzialdiagnostisch ist in der CT eine Aussparung der subpleuralen Areale charakteristisch. Daneben werden auch fokale Infiltrate mit Bevorzugung der Oberfelder beobachtet, zystische Umwandlungen und Pneumatozelen treten v. a. unter Pentamidinprophylaxe gehäuft auf [91]. Bei derartigen Manifestationen steigt auch das Pneumothoraxrisiko. Pleuraergüsse und hiläre Lymphadenopathien sind dagegen selten, was in der Differenzialdiagnose gegenüber anderen Infektionen verwertet werden kann.
Abb. 5 CT-Befund (a) und MGG-gefärbter BAL-Ausstrich (b) bei Pneumocystis jiroveci-Pneumonie; 32-jähriger HIV-infizierter Patient.
Bei Verdacht auf PCP ist primär die Durchführung einer bronchoskopischen Diagnostik sinnvoll [36], auch wenn kontrollierte Untersuchungen im Vergleich zu einem nichtinvasiven Vorgehen fehlen. Die Trefferquote der BAL liegt bei nicht vorbehandelten Patienten zwischen 85 - 100 % und kann durch weitere Maßnahmen kaum gesteigert werden. Daher bietet die primäre Durchführung der transbronchialen Biopsie mit ihrem höheren Komplikationsrisiko bei Verdacht auf PCP keine Vorteile [36]. Bei Patienten unter Chemoprophylaxe gegen P. jiroveci sowie bei negativem Ausfall der Erstdiagnostik ist dagegen mit einer niedrigeren Trefferquote der BAL zu rechnen. In diesen Fällen lässt sich die Sensitivität durch Mehrlappenlavage, insbesondere im Oberlappen, und TBB deutlich steigern [92]
[93]. Der Einsatz der Sputumuntersuchung in der PCP-Diagnostik wird kontrovers diskutiert. In spezialisierten HIV-Zentren hat sich das induzierte Sputum mit einer Sensitivität von 60 - 70 % als erste diagnostische Methode etabliert [94]. Allerdings liegt der negative Vorhersagewert nur bei 39 - 64 %, so dass bei negativem Befund bronchoskopiert werden muss. Zudem ist die Qualität in hohem Grade untersucherabhängig, und Koinfektionen mit anderen Erregern werden häufig nicht erfasst.
Mittel der Wahl für die Therapie der PCP ist Co-trimoxazol, das in der zur Behandlung der PCP erforderlichen Dosierung eine Reihe bakterieller Erreger ebenfalls gut erfasst. Ersatzweise kommen Pentamidin, Trimethoprim/Dapson und andere Reservesubstanzen in Betracht (Tab. [3]). Co-trimoxazol sollte bei fehlenden Kontraindikationen bevorzugt werden, da es in kontrollierten Studien [95] gegenüber Pentamidin eine signifikant höhere Erfolgsrate hinsichtlich des Patientenüberlebens zeigte. Nebenwirkungen wie Allergien, Myelosuppression, daneben auch Hyperkaliämie, Niereninsuffizienz und Hepatotoxizität sind häufig und führen zu einer Abbruchrate von 20 - 57 %. Von einer begleitenden Folinsäuregabe ist abzuraten, nachdem hierunter eine erhöhte Mortalität beobachtet wurde [96]. Die unerwünschten Wirkungen von Pentamidin umfassen Niereninsuffizienz, Leukopenie, akute Pankreatitis, Hypoglykämien und Kardiotoxizität. Inhalatives Pentamidin weist zwar ein günstigeres Nebenwirkungsprofil auf, ist aber in therapeutischer Indikation nicht ausreichend wirksam [97]. Dapson/Trimethoprim erwies sich in einer randomisierten Studie gegenüber Co-trimoxazol bei geringerer Toxizität als gleichwertig. Allerdings muss ein Glukose-6-phosphatdehydrogenasemangel ausgeschlossen werden, weil sonst mit schweren Hämolysen gerechnet werden muss [98]. Bei Vorliegen einer Hypoxämie mit einem pO2< 70 mm Hg ist zusätzlich die Gabe von Glucocorticoiden indiziert. Diese adjuvante Therapie hat in mehreren unkontrollierten und einer kontrollierten Studie [99] bei HIV-infizierten Patienten mit PCP deutliche Vorteile hinsichtlich Morbidität und Mortalität gezeigt. Eine Besserung der klinischen Symptomatik ist unter Therapie der PCP erst nach 3 - 5 Tagen zu erwarten, so dass eine Beurteilung des Therapieerfolgs erst nach diesem Intervall möglich ist. Zur Therapiedauer existieren keine Daten aus randomisierten Studien. Von den meisten Zentren wird eine Behandlung über 21 Tage empfohlen. Bei Umstellung nach Therapieversagen sollte mindestens zwei weitere Wochen behandelt werden, um Rezidive zu vermeiden.
Tab. 3 Therapie der Pneumocystis-Pneumonie bei HIV-Infektion (nach [43])
Verlauf | Substanz | Tagesdosis | Einzeldosen/d | Applikation | Dauer (d) |
leicht
| Co-trimoxazol | 90 mg/kg | 3 - 4 | p. o. | 21
|
mittelschwer/ schwer
| Co-trimoxazol
alternativ:
Pentamidin Dapson/Trimethoprim Atovaquone | 90 - 120 mg/kg 3 - 4 mg/kg 100mg 15 mg/kg 2250mg | 4
1 1 3 3 | i. v./p. o. i. v.
p. o. p. o. p. o. | 21
21 21 21 21 |
adjuvant
| Prednison* | 80mg 40 mg 20 mg | 2 1 1 | p. o. | 3 3 3 |
* bei pO2 < 70 mmHg in Ruhe |
Eine PCP-Primärprophylaxe zählt zu den wichtigsten Maßnahmen bei fortgeschrittener HIV-Infektion und sollte dann begonnen werden, wenn die Zahl der CD4+ T-Lymphozyten weniger als 250 - 200/µl beträgt. Weitere Indikationen bei ART-naiven Patienten sind der Nachweis einer oropharyngealen Candidose oder AIDS-definierender Erkrankungen. Mittel der Wahl ist auch hier Co-trimoxazol, das in einer Dosierung von 960 mg/d (%1 Forte-Tablette/d) signifikant wirksamer als Alternativregime wie Dapson oder Pentamidin ist, aber auch in niedrigeren Dosen wie 1 × 480 mg/d oder 3 × 960 mg /Woche effektiv ist [100]
[101]. Die Sekundärprophylaxe nach durchgemachter PCP kann nach denselben Kriterien durchgeführt werden. Bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeit kann auf Dapson ausgewichen werden, das trotz seiner Sulfonamidstruktur von der Mehrzahl der Patienten mit Co-trimoxazol-Unverträglichkeit toleriert wird [102]. Eine weitere Alternative stellt inhalatives Pentamidin dar, dessen Vorzug die gute systemische Verträglichkeit ist. Die überlegene Wirkung von Co-trimoxazol gegenüber den Vergleichssubstanzen ist besonders bei hochgradigem Immundefekt mit CD4-Zellzahlen < 100/µl von Bedeutung [103]. Ein weiterer Vorteil ist die gleichzeitige Prophylaxe gegen eine Toxoplasmose-Reaktivierung [37]. Steigt unter ART die Zahl der CD4+ T-Lymphozyten stabil auf > 200 Zellen/µl an, kann die Prophylaxe 3 - 6 Monate nach Überschreiten des Grenzwertes beendet werden [29].
Weitere opportunistische Infektionen
Weitere opportunistische Infektionen
Eine klinisch manifeste Cytomegalovirus-Pneumonie wird bei AIDS mit 3,5 % aller infektiösen Lungeninfiltrate im Vergleich zu extrathorakalen Manifestationen selten beobachtet, obwohl die Seroprävalenz mit > 90 % hoch ist und eine Kolonisation der Atemwege häufig gefunden wird. Allerdings wurde histologisch anhand von Autopsiematerial in bis zu 17 % eine pulmonale CMV-Infektion diagnostiziert, so dass die Bedeutung des Erregers in Spätstadien möglicherweise unterschätzt wird [104]
[105].
Mit einem erhöhten Risiko für invasive pulmonale Aspergillosen (IPA) ist bei HIV-infizierten Patienten nur im Spätstadium bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren wie Neutropenie oder Steroidtherapie zu rechnen [106]. Bei Verdacht auf IPA oder CMV-Infektion sollte primär eine bronchoskopische Diagnostik mit Kombination von BAL und TBB angestrebt werden, da eine sichere Abgrenzung von Kolonisation und invasiver Infektion nur durch den Nachweis der Gewebsinvasion möglich ist [106]. Bei der Kryptokokkose dienen die Atemwege als Eintrittspforte, während die Prognose durch die zerebrale Manifestation mit aseptischer Meningoenzephalitis beherrscht wird. Hauptmanifestation in der Lunge sind fokale, meist langsam wachsende Konsolidationen. Nach Aufenthalten in außereuropäischen Ländern muss darüber hinaus auch mit Histoplasmosen und anderen endemischen Pilzinfektionen gerechnet werden [107].
Ausblick
Ausblick
Insgesamt zeigen die großen Fortschritte der ART ebenso wie die Erfolge von stringent durchgeführten Aufklärungs- und Prophylaxeprogrammen, dass die HIV-Infektion heute eine prinzipiell beherrschbare Erkrankung geworden ist. Leider stehen diese Möglichkeiten für die meisten betroffenen Menschen in den wirtschaftlich ärmeren Ländern aktuell nicht im erforderlichen Umfang zur Verfügung. Zudem fördern Koinfektionen wie Tuberkulose oder Hepatitis C die Entwicklung beider Erkrankungen. Dies hat in den letzten zwei Jahrzehnten weltweit auch zur einer Renaissance der Tuberkulose beigetragen. Eine Herausforderung für die kommenden Jahre liegt daher in der Entwicklung von günstigeren und leichter verfügbaren Therapien, z. B. von Vakzinen [108]
[109], um den globalen Vormarsch der HIV-Infektion und mit ihr assoziierter Erkrankungen zu stoppen.