Aktuelle Urol 2004; 35(1): 14-15
DOI: 10.1055/s-2004-819042
Referiert und kommentiert

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zum Referat "Langzeit-Überlebenszeit nach Nierentransplantation - Kardinalfaktoren sind Alter, Histokompatibilität und Hypertonie"

1. Kommentar zum Referat
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Publication Date:
15 July 2004 (online)

 
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Aus Aktuelle Urologie 2003; 7: 425 erreichte die Redaktion noch folgender Kommentare:

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1. Kommentar zur Studie

In den letzten 5 Jahren hat die Lebendspende-Nierentransplantation in Deutschland eine zunehmende Bedeutung erlangt. Ihr Anteil ist von 6 auf 16 % an den gesamten Nierentransplantationsaktivitäten angestiegen. Publikationen über die Ergebnisse der Lebendspende-Nierentransplantation im Langzeitverlauf sind für uns von besonderem Interesse. Die Autoren haben durch uni- und multivariate statistische Berechnungen, die hauptsächlichen Risikofaktoren für einen frühen Transplantatverlust herauszuarbeiten versucht.

Wir wissen, dass Single-Center-Studien und die Ergebnisse einer historischen Patientengruppe aus den Jahren 1976 bis 1985 eine begrenzte Aussagekraft besitzen. Und doch stimmen die aus Ägypten mitgeteilten Risikofaktoren exakt mit dem überein, was wir aus anderen Studien kennen. Natürlich haben die gute Qualität des Spenderorgans (junger Spender), die Zahl der immunologischen Übereinstimmungen vornehmlich bei den HLA Klasse II-Antigenen und die Sofortfunktion des Organs nach Transplantation (Ausbleiben einer akuten tubulären Nekrose) entscheidenden Einfluss auf das Langzeitüberleben des Transplantats.

Die modernen Immunsuppressiva haben die Zahl der Abstoßungen und deren Heftigkeit minimiert. Sie haben damit frühe Transplantatverluste seltener werden lassen. Ob aber darunter die chronische Rejektion, d. h. die chronische Transplantatnephropathie später auftreten wird, ist nicht geklärt. Hypertonie und Hyperlipidämie sind Übeltäter, welche die Transplantatvaskulopathie und Graftinsuffizienz beschleunigen.

Auch bei dem heutigen Wissenszuwachs und der Verfügbarkeit besserer Pharmaka bleibt der schlecht eingestellte Hypertonus ein Kardinalproblem für den Nierentransplantierten und begrenzt die Lebenserwartung von Empfänger bzw. Transplantat.

Beim sorgfältigen Lesen der Publikation fällt auf, dass die kardiopulmonalen Vorkrankheiten der Empfänger und die Dialysedauer nicht angegeben werden.

So gesehen ist die von den Autoren geratene Vorsicht bei der Interpretation ihrer Ergebnisse überflüssig, da in ihrer Studie keinerlei Widersprüche zu heute gesicherten Erkenntnissen aufgetreten sind.

Der Leser bleibt auch im Unklaren darüber, wie viele Patienten in der Vergleichsgruppe lediglich“ ein Transplantatversagen hatten und wie viele (auch z. T. mit funktionierendem Transplantat) verstorben sind. Gerade die Angabe der Todesursachen wäre nicht uninteressant gewesen. Die Todesursachen geben einen guten Einblick in die Klientel und die Qualität der Nachsorge.

Prof. Bernd Schöneberger, Berlin

Literatur bei den Autoren

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2. Kommentar zum Referat

In den letzten 2 Jahrzehnten konnte eine gewaltige Verbesserung der Organ- und Patientenüberlebenszeiten nach Nierentransplantation erreicht werden. Es gibt zahlreiche Studien, die das Transplantatüberleben 5-10 Jahre nach Transplantation untersucht haben. Die vorliegende Studie untersucht erstmals Faktoren, die das Überleben des Transplantates 15 Jahre nach Lebendnierentransplantation beeinflussen.

In dieser retrospektiven Studie wurden insgesamt 144 Patienten untersucht, bei denen zwischen 1976 und 1985 eine Lebendnierentransplantation am Urologie- und Nephrologie-Zentrum der Mansoura-Universität, Ägypten durchgeführt wurde. 62 dieser Patienten (43 %) hatten nach 15 Jahren ein funktionierendes Transplantat. Die meisten Nierenempfänger waren männliche Patienten mittleren Alters, 92 % erhielten die Niere eines Verwandten. Der Vergleich zwischen Patienten mit funktionierendem Transplantat und solchen, die ihr Transplantat verloren hatten, zeigte, dass die Altersdifferenz zwischen Spendern und Empfänger, Alter des Spenders generell, arterielle Hypertonie vor und nach Transplantation, chronische Abstoßung sowie HLA- DR-Übereinstimmung einen statistisch signifikanten Einfluss auf das Transplantatüberleben hatten (p < 0,05).

Insbesondere die arterielle Hypertonie nach Transplantation, die in Korrelation mit der Einnahme von Cyclosporin A auftritt, stellte einen Risikofaktor für den Verlust des Transplantates dar. Im Gegensatz zu früheren Studien zeigte sich, dass das Auftreten akuter früher Abstoßungsreaktionen keinen Einfluss auf das Transplantatüberleben hatte, wenn es danach zu einer raschen Normalisierung des Creatininspiegels kam.

Ein weiterer wichtiger Faktor war die Übereinstimmung auf dem HLA-DR-Lokus, matching auf HLA-A und B scheint weniger wichtig für das Transplantatüberleben zu sein. Ein höheres Alter des Spenders war assoziiert mit einem schlechteren Transplantatüberleben, was sich mit den Ergebnissen früherer Studien deckt. Ebenso bestätigte sich die Erkenntnis, dass eine CsA-basierte Therapie vor allem für das Transplantatüberleben im ersten Jahr wichtig ist, im Langzeitverlauf bietet CsA keine Vorteile gegenüber einer Therapie basierend auf Azathioprin und Steroiden.

Aus der Arbeit von El-Agroudy und Mitarbeitern geht hervor, dass vor allem junge Spender-Empfänger-Paare mit einer günstigen HLA-DR-Übereinstimmung gute Chancen auf ein langes Transplantatüberleben haben, vielleicht auch deshalb, weil die Inzidienz einer Prä- bzw. Post-Transplantationshypertonie, welche den stärksten Risikofaktor für ein Transplantatversagen darstellt, in dieser Gruppe relativ niedrig ist. Diese Arbeit stellt zum ersten Mal Daten zu einem Patientenkollektiv vor, welches über 15 Jahre beobachtet wurde. Kritisch anzumerken ist sicherlich, dass es sich dabei lediglich um eine retrospektive Studie handelt, zu berücksichtigen ist auch das ethnische Kollektiv. Solche Arbeiten können jedoch dazu beitragen, in Zukunft Patienten mit einem hohen Risiko für einen Transplantatverlust frühzeitig zu erkennen.

Literatur bei den Autoren

Dr. W. Kaluza-Schilling, Mainz