Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(14): 747
DOI: 10.1055/s-2004-822863
CME
Diabetologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das diabetische Fußsyndrom - Der konkrete Fall

The diabetic foot syndrome - case reportH. P. Lorenzen1 , 2 , H. Schunkert1
  • 1Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck
  • 2Aktuell: Klinikum Hannover Oststadt, Abt. Nieren-, Hochdruck- und Gefäßkrankheiten, Hannover
Weitere Informationen

Prof. Dr. H. Schunkert

Medizinische Klinik II, UKSH Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

Publikationsverlauf

eingereicht: 3.2.2004

akzeptiert: 4.3.2004

Publikationsdatum:
24. März 2004 (online)

Inhaltsübersicht #

Anamnese

Ein 77-jähriger Patient mit langjährigem insulinpflichtigem Diabetes mellitus suchte unsere Fußambulanz wegen einer seit wenigen Tagen bestehenden schmerzlosen Ulzeration unterhalb des linken Großzehengrundgelenkes auf. Vor 4 Jahren waren wegen eines diabetischen Fußsyndroms Resektionen der 2. und 3. Zehe links einschließlich der distalen Metatarsalknochen erfolgt. Eine diabetische Neuropathie sowie eine eingeschränkte linksventrikuläre Funktion im Rahmen einer koronaren Herzerkrankung waren bekannt.

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Untersuchungen

Bei der körperlichen Untersuchung zeigte sich unter dem linken Großzehengrundgelenk eine trockene ca. 5 mm große reizlose Läsion mit hyperkeratotischem Randwall (Abb. [1]). Eine Beteiligung tieferer Strukturen war weder klinisch noch radiologisch nachweisbar. Weitere Fußläsionen bestanden nicht. Die Fuß- und Poplitealpulse waren auf der betroffenen Seite nicht palpabel. Das Vibrationsempfinden war mit 3/8 reduziert, auch die übrigen Prüfungen des Sensoriums wie Berührungs- und Temperaturempfinden waren pathologisch. Rechts bestand eine Fußfehlstellung mit ausgeprägter Schwielenbildung unter den Metatarsalgelenken bei aufgehobenem Quergewölbe des Fußskeletts, links war operativ im Rahmen der Amputation das Quergewölbe wieder rekonstruiert worden. Trotzdem zeigten sich die Metatarsale I und V stark druckbelastet mit konsekutiver Hyperkeratosenbildung.

Erhöhte Entzündungsparameter waren nicht nachweisbar. Allerdings war die Blutzuckereinstellung unter zweimal täglicher Gabe eines Mischinsulins unzureichend. Der HbA1c-Wert betrug 8,1 %. Die Nierenfunktion war eingeschränkt: Der Kreatininspiegel im Serum betrug 1,38 mg/dl, die Kreatinin-Clearance wurde auf 79 ml/min berechnet und war von einer Mikroalbuminurie begleitet (Diabetische Nephropathie Stadium IV nach Mogensen). Dopplersonographisch fanden sich perimalleoläre Verschlussdrücke von 80 mmHg auf der betroffenen Seite, kontralateral 130 mmHg bei einem systemischen Blutdruck von 140/85 mmHg (Knöchel-Arm-Index links 0,57, rechts 0,93). Farbduplexsonographisch zeigte sich links ein langstreckiger Verschluss der Arteria (Art.) femoralis superficialis, die Art. femoralis communis und die abgangsnahe Art. profunda femoris wiesen einen kräftigen biphasischen Fluss auf.

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Therapie und Verlauf

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Abb. 1 Malum perforans unter dem Großzehengrundgelenk. Deutlich erkennbare Schwielenbildung mit hyperkeratotischem Randwall.

Der vorgestellte Fall ist typisch für die komplexe Symptomatologie bei diabetischem Fußsyndrom. Ein Vorfußentlastungsschuh wurde verordnet, die Wunde trocken versorgt. Im Rahmen einer ambulanten Betreuung erfolgten regelmäßige Wundinspektionen mit Anfrischung der Wundränder und Abschleifen der Hyperkeratosen. Zur Optimierung der Blutzuckereinstellung wurde eine Umstellung auf ein Basis-Bolus-Konzept im Rahmen einer intensivierten Diabetesschulung veranlasst. Die bereits vorbestehende ACE-Hemmer-Medikation wurde weiter gesteigert, zusätzlich wurde aufgrund einer Hypercholesterinämie ein CSE-Hemmer verordnet. Die vorbestehende Thrombozytenaggregationshemmergabe wurde fortgeführt. Von einem Revaskularisationsversuch des langstreckigen Verschlusses der Art. fem. superficialis wurde abgesehen. Eine operative Revaskularisation mit Anlage eines femoropoplitealen Bypass erschien bei ausreichender Heilungstendenz und zusätzlich deutlich erhöhtem kardialem Operationsrisiko nicht notwendig. Unter dieser Therapie kam es zu einer vollständigen Abheilung der Läsion. Es erfolgte die Neuanpassung eines orthopädischen Maßschuhs links und einer Schuheinlage rechts.

Prof. Dr. H. Schunkert

Medizinische Klinik II, UKSH Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

Prof. Dr. H. Schunkert

Medizinische Klinik II, UKSH Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160

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Abb. 1 Malum perforans unter dem Großzehengrundgelenk. Deutlich erkennbare Schwielenbildung mit hyperkeratotischem Randwall.