Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(14): 751-754
DOI: 10.1055/s-2004-822865
CME
Diabetologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das diabetische Fußsyndrom - Therapie

The diabetic foot syndrome - therapyH. P. Lorenzen1 , 2 , H. Schunkert1
  • 1Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck
  • 2Aktuell: Klinikum Hannover Oststadt, Abt. Nieren-, Hochdruck- und Gefäßkrankheiten, Hannover
Weitere Informationen

Prof. Dr. H. Schunkert

Medizinische Klinik II, UKSH Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

Publikationsverlauf

eingereicht: 3.2.2004

akzeptiert: 4.3.2004

Publikationsdatum:
24. März 2004 (online)

Inhaltsübersicht

In der St. Vincent Deklaration von 1989 wurde eine Reduktion der Amputationsrate um 50 % in einem Zeitraum von 5 Jahren gefordert. Trotzdem werden in Deutschland weiterhin jährlich ca. 28 000 Amputationen wegen eines diabetischen Fußsyndroms durchgeführt. Es wird davon ausgegangen, dass eine optimierte Versorgung der Risikogruppen diese Zahl um ca. 10 000 senken könnte. Um die Amputationsrate signifikant zu senken, ist die Prävention des diabetischen Fußsyndroms durch eine erfolgreiche Primärprophylaxe entscheidend. Essenziell ist eine optimierte Blutzuckereinstellung. Eine Vielzahl prospektiver Studien hat bei Diabetikern den zusätzlichen Nutzen einer Blutdrucknormalisierung, eines frühen Einsatzes von Thrombozytenaggregationshemmern und einer Behandlung von Hyper- bzw. Dyslipidämien für die Reduktion mikro- und makroangiopathischer Komplikationen nachgewiesen (Tab. [1]).

Tab. 1 Maßnahmen zur Prophylaxe mikro- und makroangiopathischer Komplikationen.

Änderung der Lebensführung (Gesunde Ernährung, Einschränkung von Nikotin- und Alkoholgenuss, Steigerung der körperliche Aktivität)

Normnahe Blutzuckereinstellung (Zielwert HbA1c < 6,5 %, Intervention ab > 7,0 %)

Blutdruckeinstellung (RR < 130/80 mmHg, bei Proteinurie < 120/80 mmHg)

Lipidregulation (Primärprävention Zielwert LDL < 115 mg/dl, Sekundärprävention 100 mg/dl)

Frühzeitige Plättchenaggregationshemmung

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Therapeutisches Grundprinzip bei diabetischem Fußsyndrom

Wundbehandlung bedeutet im einfachsten Fall die Ausschaltung des schädigenden Mechanismus, um eine physiologische Wundheilung zu ermöglichen. Grundmaßnahmen für eine erfolgreiche Lokaltherapie beim Diabetiker sind Optimierung der Stoffwechsellage und Druckentlastung. Hyperglykämien verzögern die Wundheilung durch eine Proliferationshemmung der Endothelzellen und Fibroblasten. Durch Störung der Leukozytenfunktion wird die Infektabwehr gemindert. Eine sofortige und effektive Druckentlastung zur Verhinderung weiterer traumatischer Schädigungen ist sowohl bei ischämischer als auch insbesondere bei polyneuropathischer Genese indiziert.

In der Behandlung fortgeschrittener Stadien des diabetischen Fußsyndroms gilt das therapeutische Prinzip IRAS: Dieses Akronym steht für Infektionsbehandlung, Revaskularisation, Amputation, Schuh/Prothesenversorgung [10]. Bei klinischen Zeichen einer Infektion ist eine frühzeitige lokale und systemische Infektionsbekämpfung mit chirurgischem Débridement, d. h. Entfernung von devitalisiertem und infiziertem Gewebe, und bei Verdacht auf Beteiligung subkutaner Strukturen einer Antibiose erforderlich. Vor weiteren chirurgischen Maßnahmen wie Minoramputationen sollte immer eine Prüfung der Durchblutungssituation erfolgen. Bei mangelnder Durchblutung entwickeln sich Wundheilungsstörungen und es droht eine Verschlimmerung der Situation. Erst nach Revaskularisation und Wiederherstellung physiologischer Durchblutungsverhältnisse können kleine Amputationen oder plastische Deckungen erfolgreich durchgeführt werden. Im Anschluss stehen Rehabilitation und Anpassung geeigneten Schuhwerks beziehungsweise einer Prothese.

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Druckentlastung

Die große Bedeutung der Druckentlastung in der Therapie des diabetischen Fußsyndroms veranlasste schon zu dem Ausspruch: „To heal a pressure ulcer, put anything on it - except the patient.” [12]. Druckentlastung kann durch Bettruhe, Rollstühle und die Verwendung so genannter „total contact casts” erreicht werden. Die vollständige Immobilisierung ist gerade bei älteren Patienten aufgrund der Thrombosegefährdung und Muskelatrophie nicht unproblematisch und sollte zeitlich möglichst begrenzt werden. Oft reicht die Versorgung mit entsprechend angepasstem Schuhwerk oder Fußteilentlastungsschuhen (Vorfuß- oder Fersenentlastungsschuhe) aus.

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Lokale Wundbehandlung

Anfänglich steht die Wundreinigung mittels mechanischen Débridement unter Erhaltung des vitalen Gewebes im Vordergrund der Behandlung. Abgestorbenes Gewebe in der Wunde behindert die Wundheilung und begünstigt Infektionen. Nekrosen werden tangential abgetragen und Wundränder angefrischt. Zur weiteren Reinigung wird mit Ringer-Lactat-Lösung ausreichend gespült. Durch Abdeckung der Wunde mit Fettgaze ist ein Verkleben der Läsion mit dem primären Verband zu verhindern. Die Wundreinigung ist anfänglich täglich zu wiederholen, bis ein sauberes Granulationsgewebe vorliegt. Auf eine adäquate Analgesie sollte geachtet werden [9].

Die feuchte Wundbehandlung nicht infizierter Wunden hat sich durchgesetzt, da ein feuchtes Wundmilieu eine deutlich beschleunigte Reepithelisierung bewirkt. Als einfachste Lösung können handelsübliche Tupfer oder Kompressen mit Flüssigkeit (z. B. Ringerlösung) getränkt und zur Reduktion des Flüssigkeitsverlustes mit Fettgaze bedeckt werden. Eine Vielzahl von Wundauflagen steht zur Zeit zur Verfügung (Tab. [2]). Die eingesetzten Substanzen absorbieren Wundsekret in unterschiedlich starkem Ausmaß, Enzyme des Wundsekretes bleiben jedoch aktiv und ermöglichen ein kontinuierliches Débridement. Nachteilig sind eine mögliche Mazeration des umgebenden Gewebes und die Begünstigung eines beschleunigten Bakterienwachstum. Ratsam ist, sich auf eine engere Auswahl von Wundauflagen zu beschränken, um ausreichende Erfahrung mit den einzelnen Materialien zu sammeln. Da die Wundheilung in verschiedenen Phasen abläuft, müssen die Wundauflagen im Verlauf individuell angepasst werden. Tab. [2] zeigt auszugsweise Anwendungsbereiche für einige gebräuchliche Lokaltherapeutika zur feuchten Wundbehandlung.

Tab. 2 Verbandsmaterialien zur feuchten Wundbehandlung (Auszug).

Verbandmull, -gaze

Wunden mit starker Sekretion

Aktivkohleverbände mit Silberbeschichtung

stark sezernierende Wunden, infizierte und infektionsgefährdete Wunden

Folienverbände

schwach sezernierende Wunden

Hydrogele

schwach sezernierende Wunden, zur Rehydration der Wunden

Hydrokolloide

mäßige Sekretion der Wunden, nicht infizierte Wunden

Schaumverbände

mäßig bis stark sezernierende Wunden

Alginate

mäßig bis stark sezernierende Wunden, infizierte Wunden

Hydropolymere

stark sezernierende Wunden

Im Stadium der Epithelisierung und Wundkontraktion kann auf eine trockene Wundbehandlung mit nichtverklebenden Wundauflagen umgestellt werden [9].


kurzgefasst: Ein feuchtes Wundmilieu beschleunigt die Reepithelisierung von Wundflächen. Eine ganze Reihe spezieller Wundauflagen steht zur Lokaltherapie zur Verfügung. Diese sind als lokal wirksame Medikamente zu betrachten, bei denen Nebenwirkungen, Indikation und Kontraindikationen zu beachten sind [9].

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Antiseptika

Antiseptika sollen die bakterielle Kontamination von Haut und Schleimhäuten reduzieren. Sie werden durch organisches Material inaktiviert und wirken toxisch auf neutrophile Granulozyten, Endothelzellen und Fibroblasten. Damit verlängern sie die Entzündungsphase. Ihr Einsatz in offenen Wunden ist daher kritisch zu betrachten [9].

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Biochirurgische Verfahren

Bei den „biochirurgischen Verfahren“ werden sterile Fliegenlarven (Lucilia sericata, Lucia cuprina etc.) mit einem sterilen Nylonnetz auf das Wundgebiet aufgebracht. Durch Produktion von Proteasen wird selektiv nekrotisches Gewebe verflüssigt. Nach maximal 3 Tagen wird das Netz entfernt, die Larven fallen heraus oder verlassen die Wunde von selbst. Diese Verfahren werden derzeit eingesetzt, wenn unter konventionellen Behandlungsansätzen Fußläsionen nicht heilen.

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Wachstumsfaktoren

Die Applikation von gentechnisch oder aus Thrombozyten autolog gewonnenen Wachstumsfaktoren oder Zytokinen soll die Wundheilung induzieren und beschleunigen. In klinisch-pharmakologischen Studien mit Becaplermin, einem Isomer des humanen platelet derived growth factor (PDGF) wurde bei insgesamt 490 Patienten eine raschere Abheilung chronischer neuropathischer Wunden nachgewiesen [9]. Wegen der hohen Kosten sollte dieses Therapeutikum nur bei therapierefraktären Wunden additiv zur Basistherapie und nach interdisziplinärer Indikationsstellung eingesetzt werden.

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Antibiotische Behandlung

Eine Gabe von Antibiotika im Stadium Wagner I ist - auch prophylaktisch - nicht erforderlich. Ab dem Stadium Wagner II ist eine Antibiose obligat.

Bei den meisten Patienten beginnt die antibiotische Therapie mit einem empirischen Schema. Bei neu entstandenen Ulzerationen werden am häufigsten Monoinfektionen durch Staphylokokken und b-hämolysierende Streptokokken beobachtet, während bei älteren Ulzerationen mit Nekrosen (älter als 4 Wochen) und einer Antibiotikavorbehandlung eine polymikrobielle Flora mit fäkaler Charakteristik (Mischinfektion aus aeroben und anaeroben Keimen) überwiegt. Enterokokken werden selektioniert, wenn die Patienten mit Breitspektrumantibiotika mit Enterokokkenlücke (Cephalosporine der dritten Generation oder Chinolone) vorbehandelt werden. Pseudomonaden können nosokomialer Herkunft sein und werden häufig isoliert bei feuchter Wundbehandlung [1]. Bei leichteren Infektionen werden meist Antibiotika mit einem engen Wirkungsspektrum insbesondere gegen grampositive Kokken verwendet. Diese können im Stadium Wagner IIa oral gegeben werden. Bei schweren Infektionen (ab Stadium Wagner IIb) werden Antibiotika mit einem breiten Spektrum eingesetzt, die zunächst intravenös appliziert werden, um schneller höhere Wirkspiegel zu erreichen. Nach ein- bis zweiwöchiger Therapie kann bei rückläufigen Entzündungszeichen und stabilem Lokalbefund auf eine orale Gabe umgestellt werden.

Im Stadium Wagner III ist eine intravenöse Applikation der Antibiose obligat. Entsprechend den Leitlinien der Osteomyelitistherapie sollte die intravenöse Behandlung über mindestens 6-8 Wochen fortgeführt werden. Unerlässlich ist eine ausreichende Sanierung des Knocheninfektes, deswegen muss der initialen intravenösen Phase eine längerfristige orale Phase folgen. Die notwendige Behandlungsdauer kann bis zu 6 Monaten betragen [1]. Die allgemeinen Richtlinien zur Antibiotikatherapie sind in Tab. [3] zusammengefasst.

Tab. 3 Antibiotikaauswahl nach Grad der Infektausdehnung (mod. nach Caputo [2]).

Leichte Infektionen (orale Gabe möglich)

  • Cephalosporine der ersten und zweiten Generation (Cefazolin, Cefuroxim)

  • Isoxazolylpenicilline (Flucloxacillin)

  • Clindamycin

  • Fluorochinolone

Schwere extremitätengefährdende Infektionen (intravenös)

  • Cephalosporine der dritten Generation (Ceftriaxon, Cefotaxim)

  • Clindamycin

  • Ampicillin-Sulbactam

  • Piperacillin-Tazobactam

Schwere lebensbedrohliche Infektion

  • Imipenem-Cilastin

  • Vancomycin/Teicoplanin

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Chirurgische Behandlung des diabetischen Fußsyndroms

Eindeutige Indikationen für chirurgische Eingriffe sind eitrige Einschmelzungen d.h. Abszesse, Phlegmone und Empyeme. Bei freiliegenden Knochen, Sehnen und Faszien ist ein Chirurg in die Behandlung einzubinden. Diese Strukturen sind besonders empfindlich für Austrocknung und Infektion und erfordern besondere Sorgfalt, da sie bei Erhalt ihre Funktion wieder erlangen können. Infizierte und nekrotische Strukturen müssen aber entfernt werden, da sie konservativ nicht von der Infektion befreit werden können. Vor chirurgischen Eingriffen muss grundsätzlich die Durchblutungssituation überprüft und gegebenenfalls durch revaskularisierende Maßnahmen verbessert werden [5].


kurzgefasst: Bei Infektionszeichen ist frühzeitig eine systemische antibiotische Therapie einzuleiten. Oberflächliche Wunden weisen überwiegend ein grampositives Erregerspektrum auf, bei tiefen Wunden sind häufig zusätzlich gramnegative Keime und Anaerobier vorhanden. Bei eitrigen Einschmelzungen, ausgedehnten Nekrosen oder Beteiligung von Sehnen, Knochen oder Gelenken ist eine chirurgische Mitbetreuung obligat.

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Revaskularisierende Therapie

Ziel der Revaskularisierung bei diabetischem Fußsyndrom ist es, durch Verbesserung der Perfusion die Abheilung der Wunden zu fördern und somit den Erhalt der Extremität zu ermöglichen. Dies ist prinzipiell durch interventionelle oder chirurgische Maßnahmen erreichbar.

Das interventionelle Vorgehen bietet den Vorteil einer geringeren Invasivität. Die Komplikationsraten sind mit 3-8 % akzeptabel, im Vordergrund stehen hierbei thrombotische Frühverschlüsse und periphere Embolisationen. Die kurzfristigen Offenheitsraten sind bei Diabetikern und Nicht-Diabetikern vergleichbar. Stenosierungen im Bereich der Beckenstrombahn sind mit guten Langzeitergebnissen behandelbar. Im Bereich der Oberschenkelstrombahn werden Stenosen vorwiegend mittels Ballonangioplastie behandelt. Stentimplantationen haben in den bisherigen Untersuchungen zu höheren Restenoseraten geführt und werden derzeit nur bei unzureichenden Ergebnissen, wie z. B. flusslimitierenden Dissektionen, eingesetzt. Auch langstreckige Stenosen können mit hoher technischer Erfolgsrate aufgedehnt werden, weisen allerdings eine deutlich höhere Restenoserate im längerfristigen Verlauf auf.

Eine interventionelle Therapie der Unterschenkel- und Fußarterien erscheint nur sinnvoll, wenn keine vorgeschalteten Stenosen vorhanden sind bzw. diese zuvor durch interventionelle oder operative Eingriffe beseitigt wurden. Solche distalen Gefäßeingriffe sollten nur in den fortgeschrittenen Stadien III und IV mit Gefährdung der Extremitäten erfolgen. Im Vergleich zur Behandlung langstreckiger Oberschenkelläsionen sind die Ergebnisse in der Unterschenkeletage längerfristig mit einer günstigeren Restenoserate behaftet. Aufgrund der Fortschritte in der Anästhesie und Intensivmedizin müssen nur wenige Patienten von rekonstruktiven gefäßchirurgischen Eingriffen ausgeschlossen werden, zumal Majoramputationen mit einer relativ hohen perioperativen Mortalität von bis zu 30 % belastet sind. Sind jedoch bereits große Teile der Extremität nekrotisch oder die Extremität funktionslos, sind revaskularisierende Operationen nicht sinnvoll. Auch bei lebensbedrohenden ischämischen Toxikämien oder völligem Fehlen anschlussfähiger Gefäße ist von einer Revaskularisation abzusehen [3].

Primär gilt es, einen offenen Zustrom in die Unterschenkelregion zu erreichen. Je nach Gefäßsituation sind interventionelle oder chirurgische Verfahren wie Thrombendarterektomien oder Anlage von aortoiliakalen oder infrainguinalen Bypasses einzusetzen.

Die moderne Gefäßchirurgie kann heute auch auf Unterschenkel und Fußniveau Rekonstruktionsverfahren anbieten, die eine klare Verbesserung der Prognose bezüglich des Extremitätenerhaltes ermöglichen. Kurze Venenbypasses auf möglichst weit distale Empfängerarterien und aggressive Indikationsstellung zur Revaskularisation sind die heutige Strategie zur Revaskularisation im infragenualen Bereich. Nach einer hierdurch ermöglichten Abheilung plantarer Ulzerationen ist selbst ein Verschluss des distalen Bypass meist nicht mit dem Verlust der Extremität verbunden. Je nach Lage der Gefäßrekonstruktion variieren die Beinerhaltungsraten über 5 Jahre zwischen 66 und 77 % [3].

Besteht eine fortgeschrittene AVK ohne die Möglichkeit chirurgischer oder interventioneller revaskularisierender Eingriffe, bleibt als Option zur Verbesserung der Wundheilung eine Behandlung mit vasoaktiven Substanzen. Kleinere Studien konnten eine Beschleunigung der Abheilung diabetischer Ulzerationen unter einer mindestens 14tägigen intravenösen Infusionstherapie mit Prostanoiden wie z. B. PGE1 und Ilomedin nachweisen.


kurzgefasst: Bei extremitätengefährdenden diabetischen Läsionen angiopathischer Genese muss die Indikation zur Revaskularisation aggressiv gestellt werden. Auch auf Unterschenkel- und Fußniveau stehen heute Verfahren zur Verfügung, die eine hohe Beinerhaltungsrate ermöglichen.

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Amputation

Notamputationen sollten der Vergangenheit angehören. Die Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft hat in ihrer Oppenheimer-Erklärung eine so genannte „Amputationsbremse” formuliert. Vor jeder geplanten Amputation sollte ein Gefäßchirurg und ein Diabetologe hinzugezogen werden. Bei polyneuropathischer Genese des diabetischen Fußsyndroms ist primär nur eine Nekrosenentfernung mit Resektion von Osteolysen, Sequestern und bradytrophem Gewebe durchzuführen. Bei vorhandenen Durchblutungsstörungen sollte eine subtile Gefäßdiagnostik unter Einbeziehung von Angiologen, Radiologen und Gefäßchirurgen veranlasst werden. Nach Ausschöpfung aller konservativen Möglichkeiten ist eine Grenzzonenamputation anzustreben, auch wenn dies oft von einer langwierigen Sekundärheilung gefolgt ist.


kurzgefasst: Eine Majoramputation ist nur als Ultima ratio der Therapie nach Ausschöpfen aller konservativen und revaskularisierenden Möglichkeiten einzusetzen.

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Therapiemaßnahmen bei neuropathischer Osteoarthropathie (Charcot-Fuß)

Im akuten Stadium der Neuroosteoarthropathie ist eine konsequente komplette Druckentlastung durchzuführen, um ein weiteres Fortschreiten der Knochendestruktion zu verhindern. Diese muss bei radiologisch erkennbarer Entmineralisierung vollständig über mehrere Monate bis zum Nachweis einer Remineralisierung mit Ausbildung einer tragfähigen Knochensubstanz durchgeführt werden. Geeignet sind vorgefertige „air casts”, individuell angefertigte Gehapparate oder Orthesen.

Im Ödem oder Demineralisationsstadium sind knochenchirurgische Eingriffe aufgrund der fehlenden Knochenstabilität und der Gefahr einer weiteren Entmineralisierung nicht ratsam. Im späten Stadium kann bei progredientem Fußkollaps oder bei Knochenprominenzen mit rezidivierenden Fußulzera eine Indikation zu operativen Eingriffen gestellt werden. Hierbei werden avitale Knochen- und Knorpelfragmente abgetragen und zerstörte Gelenke in Korrekturstellung versteift [5].


kurzgefasst: Bei akutem Beschwerdebild eines Charcot-Fußes ist die sofortige langfristige Ruhigstellung der betroffenen Extremität die Therapie der Wahl.

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Nachsorge

Nach dem Abheilen eines diabetischen Ulkus ist eine regelmäßige Nachsorge erforderlich. Mindestens halbjährliche Kontrolluntersuchungen sollten erfolgen. Strikte Vermeidung jeglicher Traumatisierung der Füße durch begrenzte Gehstrecken sowie schuhorthopädische Versorgung und med. Fußpflege tragen entscheidend hierzu bei. Nach Abheilung oberflächlicher Läsionen muss zumindest eine individuelle Einlage angepasst werden. Nach Abheilung tieferer Läsionen oder nach Minoramputationen ist ein orthopädischer Maßschuh bzw. eine Prothesenanpassung erforderlich (Tab. [4]). Eine Pedobarographie zur Bestimmung der plantaren Fußdrücke ist für die Anfertigung und Verlaufskontrolle der Schuhversorgung notwendig.

Tab. 4 Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft zur Schuhversorgung.

keine PNP/AVK

ohne Fußdeformität

mit Fußdeformität

Konfektionsschuh

Orthopädische Einlagen, Schuhzurichtung

mit PNP/AVK

ohne Fußdeformität

mit Fußdeformität oder Z. n. Ulkus

hochgradige Deformität

konfektionierter Schutzschuh

konfektionierter Schutzschuh mit individueller Fußbettung, ggf. Maßschuh

Maßschuhe, Orthese, Innenschuh

Z. n. Fußteilamputation

zusätzlich Zehen- und Vorfußorthesen

Akute Ulzera

Entlastungsschuhe, -orthesen, Verbandsschuh bei nicht plantaren Ulzera

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Medizinische Versorgung von Patienten mit diabetischem Fußsyndrom

Die Schulung von Patienten mit erhöhtem Risiko für Fußläsionen, die regelmäßige Kontrolle des Fußstatus sowie die Sicherstellung einer adäquaten Fußpflege und Schuhversorgung sind Aufgaben der hausärztlichen Betreuung bzw. der diabetologischen Schwerpunktpraxen. Die Möglichkeit der Betreuung in spezialisierten Fußambulanzen, in denen Fußpfleger, Orthopädieschuhmacher, Chirurgen, Gefäßchirurgen, Angiologen und Diabetologen bei Diagnostik und Therapie komplizierter Fußläsionen eng interdisziplinär zusammenarbeiten, kann die Rate von Ober- und Unterschenkelamputationen um > 50 % reduzieren. Diesen Fußambulanzen sollte die Möglichkeit zur Verfügung stehen, Patienten kurzfristig auf spezialisierte Diabetes-Fußstationen einzuweisen [6]. Die flächendeckende Einrichtung solcher Diabetes-Fußambulanzen ist ein wesentlicher Baustein zum Erreichen der Ziele der St. Vincent Deklaration, der Reduktion der Amputationsrate um 50 %.


kurzgefasst: Zur Optimierung der Behandlungsergebnisse diabetischer Fußläsionen und Vermeidung von Amputationen ist eine gestaffelte Versorgungsstruktur erforderlich, die von hausärztlichen Praxen, über diabetologischen Schwerpunktpraxen zu den Fußambulanzen und Fußstationen reicht.

Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben, deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

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Literatur

  • 1 Ambrosch A, Lehnert H, Lobmann R. Mikrobiologische Aspekte und rationelle antibiotische Therapie des diabetischen Fußsyndroms.  Med Klin. 2003;  98 259-265
  • 2 Caputo G M, Cavanagh P R, Ulbrecht J S, Gibbons G W, Karchner A W. Assessment and management of foot disease in patients with diabetes.  N Engl J Med. 1994;  331 854-860
  • 3 Fährenkemper T, Klonek W M. Gefäßchirurgische Therapiemöglichkeiten beim diabetischen Fußsyndrom.  Internist. 1999;  40 1036-1041
  • 4 Hierl F X, Landgraf R. Klinische Symptomatologie und klinische Diagnostik beim diabetischen Fußsyndrom.  Internist. 1999;  40 1002-1008
  • 5 Kessler S B, Kalteis T A, Botzlar A. Prinzipien der chirurgischen Behandlung bei diabetisch-neuropathischer Osteoarthropathie.  Internist. 1999;  40 1029-1035
  • 6 Landgraf R, Hierl F X. Allgemeine Therapie der Menschen mit diabetischem Fußsyndrom.  Internist. 1999;  40 1018-1023
  • 7 Lobmann R. Ätiopathogenese und Diagnostik des diabetischen Fußsyndromes.  Diabetes und Stoffwechsel. 1999;  8 5-8 (Suppl 5)
  • 8 Lobmann R, Schultz G, Lehnert. H Molekulare Grundlagen der Wundheilung bei diabetischem Fußsyndrom.  Med Klin. 2003;  98 292-301
  • 9 Reike H. Wundheilung und lokale Wundbehandlung bei diabetischem Fußsyndrom.  Internist. 1999;  40 1009-1017
  • 10 Vollmar J. Rekonstruktive Chirurgie der Arterien. 4. Auflage Stuttgart New York Thieme Verlag 1996: 194-206
  • 11 Wagner F W. The dysvascular foot: a system for diagnosis and treatment.  Foot and ankle. 1981;  2 64-67
  • 12 Witkowski J A, Parish L C. Cutaneous ulcer therapy.  Int J Dermatol. 1986;  25 420-426

Prof. Dr. H. Schunkert

Medizinische Klinik II, UKSH Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

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Literatur

  • 1 Ambrosch A, Lehnert H, Lobmann R. Mikrobiologische Aspekte und rationelle antibiotische Therapie des diabetischen Fußsyndroms.  Med Klin. 2003;  98 259-265
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  • 12 Witkowski J A, Parish L C. Cutaneous ulcer therapy.  Int J Dermatol. 1986;  25 420-426

Prof. Dr. H. Schunkert

Medizinische Klinik II, UKSH Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck