Aktuelle Urol 2004; 35(2): 104-106
DOI: 10.1055/s-2004-822946
Tipps und Tricks

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Wie bougiere und sichere ich den Ureter bei der Ureterorenoskopie?

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Publication Date:
15 July 2004 (online)

 
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In aller Regel ist das Ostium und der distale Ureter enger als die handelsüblichen Ureterorenoskope. Eine gängige Technik ist das Entrierens des Ostiums mit Rotation des Ureterorenoskops um 180 Grad. Hierdurch wird der schnabelförmig abgerundete Teil des URS-Spitze in der trigonalen Verlängerung umgekehrt eingeführt und durch die anschließende Rotation das "Ureterendach“ angehoben werden. Trotzdem ist dies mitunter schwierig und/oder erfordert zur suffizienten Visualisierung die Nutzung von Spülflüssikeit mit dem potenziellen Risiko der aszendierenden Dislokation des Konkremenes. Ganz besonders gilt dies bei Steinen oberhalb der iliakalen Gefäßkreuzung.

Ich habe es mir deshalb mit Ausnahme weniger Situationen wie beispielsweise nach Extraktion einer früher eingelegten inneren Ureterschiene, die immer einen ausreichend weiten Ureter zur Folge hat, zur Regel gemacht, alle Ureteren wie nachfolgend beschrieben primär zu bougieren. Selbst mit dem Wissen, vielleicht in etwa einem Drittel aller Fälle eine überflüssige Bougierung durchzuführen, erscheint mir das nachfolgend beschriebene Verfahren insgesamt technisch, zeitlich und aus Sicherheitsgründen als Gewinn.

Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist, dass bei kleinen oder relativ hoch sitzenden Steinen nach erfolgter Bougierung das Ureterorenoskop ohne oder nur mit minimalem Spülstrom bis zum Stein geführt werden kann und so die verfahrenserschwerende Dislokation des Steines in das Nierenbecken meistens verhindert werden kann.

Das nachfolgend beschriebene Verfahren wird in der Wuppertaler Klinik standardisiert von allen durchgeführt und hat auch in der Hand des noch Ungeübten eine hohe Erfolgsrate.

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Schritt 1

Urethrozystoskopie mit retrogradem Pyelogramm über einem zentral offenen, in der Spitze gebogenen Ureterenkatheter (5 Charr. UK) zur Darstellung der Anatomie der ableitenden Harnwege (es sei denn, es ist eine postoperative ESWL geplant, die durch Kontrastmittelreste im Hohlsystem sicher erschwert wird).

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Schritt 2

Der im Ostium befindliche (zentral offene) UK wird vorsichtig mit Kochsalz durchgespült, um die Passage des Gleitdrahtes nicht zu "verkleben“. Anschließend wird ein hydrophiler Draht an dem Stein vorbei in das Nierenbecken geführt.

Die kostengünstigere Variante eines flexiblen Teflondrahtes hat mehrere potentielle Nachteile: Kleinere Steine könnten von dem rigiderern Teflondraht nach kranial luxiert werden. Bei einem okkludierenden Stein ist die Passage mit dem Teflondraht gegenüber einem hydrophilen Draht oft schwieriger oder im Einzelfall unmöglich und für das Urothel traumatischer. Die postinterventionelle Anlage einer DJ-Ureterschiene ist über den hydrophilen Draht (bei ausreichender Anfeuchtung des Drahtes!!) in aller Regel einfacher als über einen Teflondraht.

Nachteile des hydrophilen Drahtes sind neben den höheren Kosten das "gleitimmanente“ höhere Risiko einer Dislokation des Drahtes. Wenn beispielsweise die über den hydrophilen Gleitdraht eingeführten Bougies entfernt werden, sollte öfter kurz durchleuchtet werden, da man sehr schnell den Draht mit dem Bougie disloziert hat.

Ich nehme deshalb zum Halten des hydrophilen Drahtes und insbesondere beim gegenläufigen Ein- und Ausfädeln auf bzw. vom Gleitdraht immer ein Klemmchen (Moskito) zum Halten des hydrophilen Gleitdrahtes, da die Finger ein Gleiten des Drahtes nicht bemerken bzw. verhindern. Zudem kann das gleiche Klemmchen (Moskito) verwandt werden, um den Gleitdraht am Abdecktuch zu fixieren (Abb. [1]).

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Abb. 1 Der hydrophile Gleitdraht wird nach erfolgter Bougierung transurethral ausgeleitet und mit dem zuvor als Halteinstrument genutzten Klemmchen (Moskoito) am Abdecktuch fixiert (a). Die anschließende URS erfolgt nicht über, sondern neben dem Gleitdraht. Dadurch kann bei der Entrierung des Gerätes in das Ostium das (bougierte) Ureterendach durch den hydrophilen Draht nach oben gestreckt werden (b) und das Ureterorenoskop kann in aller Regel ohne Rotation um 180 Grad einfach eingeführt werden.

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Abb. 2 Ureterdilatator-Set (Wiener-Modell), Fa. Rüsch Cat. No. 34 10 01.

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Abb. 3 Über den hydrophilen Gleitdraht (a) werden die Ureterbougies ("Wiener Modell“) unter Durchleuchtung eingeführt (b, c). Der 10 Charriere-Bougie kann noch durch den Arbeitskanal eines 23 Charriere-Zystoskopes geführt werden. Eine Bougierung mit größeren Dilatatoren ist fast nie notwendig - sollte dann aber über den "entkernten“ Schaft des Zystoskops erfolgen, um ein Widerlager zu haben und einen orthograden Bougierungsdruck in den Ureter hinein zu erzielen.

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Schritt 3

Über den hydrophilen Gleitdraht werden lange, flexible Dilatatoren (Abb. [2]) in aufsteigender Charrière-Stärke unter simultaner Durchleuchtung in den Ureter bzw. bis zum Stein geführt (Abb. [3]). Diese wiederverwendbaren Bougies sind silikonbeschichtet, ausreichend flexibel und verursachen fast nie endoskopisch störende Blutungen oder Urothelveränderungen, da die konische Spitze durch den zentralen Führungsdraht atraumatisch geführt wird. Üblicherweise verwenden wir bei "normalen“ Ureterorenoskopien ausschließlich die 8- und 10 Charr.-Stärken, die beide durch den Arbeitskanal des Zystoskopes eingeführt werden können.

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Schritt 4

Nach Einführung des 10 Charr.-Bougies wird das Zystoskop demontiert und schrittweise entfernt, so dass sowohl der Führungsdraht als auch der 10-Charr.- Bougie in situ verbleiben. Dadurch kann in der Zeit bis zur Komplettierung der URS-Montage (z.B. Konnektierung der Zu- und Ablaufschläuche, Umsetzung der Videokamera auf die URS-Optik....) die Zwischenzeit zur fortgesetzten Ureterbougierung genutzt werden.

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Schritt 5

Vor Einführung des Ureterorenoskopes wird der verbliebene 10 Charr.-Dilatator über den hydrophilen Gleitdraht entfernt, so dass der hydrophile Gleitdraht als Leitstruktur und Sicherheitsmandrin im Nierenbecken verbleibt. Der Gleit- bzw. Führungsdraht wird mit einem Moskitoklemmchen an den sterilen Abdecktüchern fixiert (Abb. [3]). Das Ureterorenoskop wird nicht über, sondern neben dem Gleit- bzw. Führungsdraht zum Ostium vorgeführt.

Dadurch ergeben sich mehrere Vorteile: Der Führungsdraht kann am Ostium unterfahren werden und hält somit das Ureterendach offen. Man erhält sich am Ureterorenoskop beide Arbeitskanäle frei. Bei mehrfachem Ausführen des Ureterorenoskops beispielsweise bei erfolgter Lithotripsie zur sukzessiven Fragmentextraktion kann dies ohne aufwändige Sicherung bzw. ein- und ausfädeln des Gleitdrahtes durch das URS-Gerät erfolgen. Der neben dem URS auch als Wegesicherung liegende Gleitdraht muss lediglich intermittierend per Durchleuchtung korrekt im Nierenbecken positioniert gehalten oder bei Dislokation durch die nach distal gerichtete URS-Extraktion per Gegenbewegung in Position gehalten werden.

Im Falle eines schwierigen operativen Situation (z.B. Blutung, Perforation, traumatische Lithotripsie, Steinextraktion in toto bei großem Stein) kann das URS-Gerät komplett entfernt werden und über den parallel liegenden Gleitdraht kann immer eine endoskopische Orientierung bzw. Schienenanlage erfolgen.

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Schritt 6

Über den liegenden hydrophilen Draht wird im Bedarfsfall eine Ureterschiene eingelegt. Entweder erfolgt dies zeitlich vorteilhaft direkt über den Draht ohne zystoskopische Sicherung, was insbesondere bei Frauen oft möglich ist. Bei allen schwierigen Situationen bevorzuge ich allerdings die zystoskopisch kontrollierte Schienenanlage.

Das Durchführen des hydrophilen Gleitdrahtes durch den Arbeitskanal des Zystoskops muss deshalb umgekehrt (retrograd) von der Spitze aus erfolgen. Hierzu wird der Pusher der Ureterschiene vom Ende aus über den Arbeitskanal vorgeschoben und nach Austritt aus der Zystoskopspitze als Führungshülse genutzt, über den der Gleitdraht von der Zystoskopspitze aus geleitet rückgeführt wird. Nach Entfernung des Pushers kann dann regulär über den zystoskopisch ausgeleiteten Führungsdraht eine Ureterschiene eingelegt werden.

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Zusammenfassung

Ein mögliches Gegenargument, das gegen die dargestellte regelhafte Ureterbougierung bei der Ureterorenoskopie spricht, ist der Kostenfaktor aufgrund des (optionalen) Kontrastmittels, dem zentral offenen Ureterenkatheter und dem hydrophilen Führungsdraht. Die Bougies (Ureterdilatatoren) sind resterilisierbar.

Meiner persönlichen Ansicht nach stehen die (relativ geringen) Mehrkosten von 20-30 Euro in einem angemessenen Verhältnis zur eingesparten Operationszeit. In einer großen Ausbildungsklinik wie in Wuppertal sollte auch der Faktor der Patientensicherheit erwähnt werden, da in Wuppertal die Assistenten bereits im 2. und 3. Ausbildungsjahr Ureterorenoskopien durchführen.

Prof. Stephan Roth, Wuppertal

 
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Abb. 1 Der hydrophile Gleitdraht wird nach erfolgter Bougierung transurethral ausgeleitet und mit dem zuvor als Halteinstrument genutzten Klemmchen (Moskoito) am Abdecktuch fixiert (a). Die anschließende URS erfolgt nicht über, sondern neben dem Gleitdraht. Dadurch kann bei der Entrierung des Gerätes in das Ostium das (bougierte) Ureterendach durch den hydrophilen Draht nach oben gestreckt werden (b) und das Ureterorenoskop kann in aller Regel ohne Rotation um 180 Grad einfach eingeführt werden.

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Abb. 2 Ureterdilatator-Set (Wiener-Modell), Fa. Rüsch Cat. No. 34 10 01.

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Abb. 3 Über den hydrophilen Gleitdraht (a) werden die Ureterbougies ("Wiener Modell“) unter Durchleuchtung eingeführt (b, c). Der 10 Charriere-Bougie kann noch durch den Arbeitskanal eines 23 Charriere-Zystoskopes geführt werden. Eine Bougierung mit größeren Dilatatoren ist fast nie notwendig - sollte dann aber über den "entkernten“ Schaft des Zystoskops erfolgen, um ein Widerlager zu haben und einen orthograden Bougierungsdruck in den Ureter hinein zu erzielen.