Aktuelle Urol 2004; 35(2): 109-110
DOI: 10.1055/s-2004-822948
Aus der Rechtsprechung

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Zur Einführung der Praxisgebühr

Recht in der Praxis
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Publication Date:
15 July 2004 (online)

 
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Nach Verabschiedung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) wurde die Praxisgebühr zum 1. Januar 2004 in die vertragsärztliche und vertragszahnärztliche

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Vor jeder ärzt lichen Behandlung muss der Patient 10 € zahlen (Bild: Archiv).

Versorgung eingeführt. In der Praxis bedeutet dies: Der Patient muss beim ersten Arztbesuch neben seiner Versicherungskarte auch

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10 EUR auf den Tisch der Arztpraxis seiner Wahl legen.

Durch die Einführung dieses eigenen Finanzierungsbeitrages soll erreicht werden, dass die gesetzlich Versicherten künftig nur dann einen Arzt oder anderen Leistungserbringer im System der gesetzlichen Krankenversicherung aufsuchen, wenn dies medizinisch wirklich erforderlich ist. Durch die mit der Einführung der Praxisgebühr verdeckte Beitragserhöhung soll jedenfalls ein gewisses Kostenbewusstsein bei den Versicherten geschaffen werden. Teilweise wird davon ausgegangen, dass künftig bis zu einem Drittel weniger Patienten ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Leistungen in Anspruch nehmen werden.

Wie die gesetzlich Versicherten auf die Einführung einer weiteren Zuzahlungspflicht im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung reagieren werden, ist allerdings ebenso ungewiss wie die Antwort auf die Frage, ob es den Parteien des Bundesmantelvertrages Ärzte, die bei Drucklegung noch heftig über Einzelheiten im Zusammenhang mit der Einführung der Praxisgebühr streiten, gelingen wird, zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen. Dennoch stehen einige wichtige Eckpunkte im Zusammenhang mit der Einführung der Praxisgebühr fest.

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Wer ist betroffen?

Klarheit besteht etwa darüber, wer auf ärztlicher und wer auf Patientenseite von der Einführung der Praxisgebühr betroffen sein wird: So wird die Gebühr im ambulanten vertragsärztlichen Bereich von allen zugelassenen Vertragsärzten, Vertragszahnärzten, ermächtigten Einrichtungen, Institutionen und Krankenhäusern erhoben. Auch Psychotherapeuten sowie ausschließlich psychotherapeutisch tätige Vertragsärzte sind zur Erhebung ebenso verpflichtet wie Krankenhäuser, die mit einer entsprechenden institutionellen Zulassung an der ambulanten Versorgung teilnehmen. Auf Patientenseite ist die Praxisgebühr von allen Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, bei jeder Erstinanspruchnahme in einem Quartal zu entrichten, die nicht auf Überweisung aus demselben Kalendervierteljahr erfolgt. Es zahlt also nur derjenige Versicherte nicht, der noch minderjährig ist sowie derjenige, der seinen Arzt mit einer Überweisung aufsucht. Auch Versicherte, die Kostenerstattung gewählt haben, müssen die Praxisgebühr nicht bei ihrem Arzt entrichten, sondern bekommen diese bei der Erstattung der Arztrechnung von ihrer Krankenkasse abgezogen. Darüber hinaus ist eine Inanspruchnahme im Rahmen der Schutzimpfung, Prävention (z.B. Mutterschaftsvorsorge), bei ausschließlich belegärztlicher Behandlung sowie bei zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen nicht vorgesehen. In Notfällen mit sofortigem Behandlungsbedarf - dies dürfte ebenfalls bereits feststehen - wird die Gebühr jedenfalls nicht sofort zu erheben sein. Ob ein solcher Notfall vorliegt, soll der Arzt selbst entscheiden dürfen. Einzelne Krankenkassen haben zudem bereits angekündigt, chronisch kranke Versicherte, beispielsweise Diabetiker, von der Praxisgebühr zu befreien.

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Sonderregelungen der "sonstigen Kostenträger“

Auch bei Versicherten der "sonstigen Kostenträger“ fällt eine Praxisgebühr nicht an. Im Gegensatz zu den gesetzlich Versicherten müssen demnach Patienten, die nach Sozialhilferecht, Bundesentschädigungsgesetz, Bundesvertriebenen- und Flüchtlingshilfegesetz bzw. als Kriegsopfer einen Anspruch auf Versorgung haben, die 10 € nicht zahlen. Dies gilt auch für Angehörige von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz, für Post- und Polizeibeamte sowie Bedienstete des Jugendarbeitsschutzes. Schon jetzt ist zudem absehbar, dass - bis auf einige Ausnahmen - die Praxisgebühr bereits vor der Behandlung bar oder mittels eines elektronischen Abbuchungsverfahrens erhoben werden sollte. Denn das GMG sieht vor, dass sich der Vergütungsanspruch der Leistungserbringer gegenüber der Krankenkasse, der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung um den Betrag der von ihm einzuziehenden Praxisgebühren verringern wird. Dies hat zur Folge, dass der Leistungserbringer zwar einerseits durch den mit der Erhebung verbundenen Aufwand und das hiermit wiederum verbundene Risiko, das Geld auch tatsächlich beizutreiben, belastet wird; insofern konnte sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit ihrer Position, Ärzten und Psychotherapeuten sei nicht zumutbar, alleine das Inkassorisiko zu tragen, gegenüber den Krankenkassen und dem Bundesgesundheitsministerium nicht durchsetzen.

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Teil der Vergütung gleich bei Leistungserbringung

Dies mag auf Seiten der Ärzte zwar bedauert werden, andererseits darf jedoch nicht verkannt werden, dass die Einführung der Praxisgebühr in die vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Versorgung letztlich immerhin den Vorteil mit sich bringt, dass ein Teil der Vergütung künftig schon unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit der Leistungserbringung dem Arzt bzw. dem Zahnarzt zufließen wird. Bei aller Empörung darüber, für die gesetzlichen Krankenkassen künftig Geld eintreiben zu müssen, mag der hiermit verbundene Zinsvorteil den Betroffenen zumindest einen gewissen Trost spenden. Ob der erhebliche Aufwand, der mit der Erhebung und Quittierung der Praxisgebühr verbunden ist, seinerseits honoriert werden soll, ist derzeit noch im Streit. Sicher hingegen ist, dass es vor allem die Ärzte und Zahnärzte sein werden, die vom Ärger der Patienten getroffen werden. Zu Unmut wird insbesondere führen, dass die Praxisgebühr auch dann anfällt, sobald lediglich Leistungen nach den EBM-Ziffern 2, 3 und 170 erbracht werden. Demnach reicht bereits ein telefonischer Kontakt, das Ausstellen eines Überweisungsscheines oder eines Wiederholungsrezeptes aus, um die Praxisgebühr auszulösen. Im Ergebnis ist dies sicher eine Regelung, die nur auf wenig Toleranz stoßen wird.

RA Dr. Alexander Dorn, Broglie, Schade & Partner GBR, Wiesbaden/München

 
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Vor jeder ärzt lichen Behandlung muss der Patient 10 € zahlen (Bild: Archiv).