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DOI: 10.1055/s-2004-825701
Die Haut der Pflanzen
The Skin of the Plants- Die Notwendigkeit einer Haut bei den ersten Landpflanzen
- Einiges über die Chemie und Feinstruktur der Pflanzenhaut
- Die zweite und dritte Haut
- Die Vielfalt der Haut als Grenzbereich zwischen Pflanzenkörper und Umgebung
- Bunte Pflanzenhäute
- Literatur
Die Notwendigkeit einer Haut bei den ersten Landpflanzen
Die Entdeckung der ersten Landpflanzen ist eine aufregende Geschichte. 1917 haben Robert Kidston und William Lang [1] Fossilien aus mitteldevonischen schottischen Hornsteinblöcken als die berühmte Rhynia beschrieben, die für das Verständnis der frühen Landpflanzen-Evolution von größter Wichtigkeit sein sollte. Die Rhynia-Pflanzen waren, wie auch die später entdeckten, noch älteren Landpflanzenzeugen, z. B. Cooksonia aus dem oberen Silur (mehr als 400 Millionen Jahre alt), einfach gebaut. Sie bestanden aus gabelig verzweigten Stengeln, die man Telome nennt. Aus Telomen bzw. Telomständen begannen sich schon während dem unteren Devon die für die Höheren Landpflanzen bekannten drei Grundorgane Wurzel, Sprossachse und Blatt zu differenzieren. Eine Übergangsform ist Protolepidodendron (Abb. [1]).
Dem hervorragenden Erhaltungszustand mancher Fossilien ist es zu verdanken, Beweisstücke zu finden, dass es sich bei den genannten Fossilien um Landpflanzen handeln muss. Die Pflanzenteile sind nämlich von einem Abschlussgewebe, der Epidermis, umgeben. Die Epidermis besteht im Allgemeinen aus einer Zellschicht, und die Außenwände dieser einschichtigen Haut sind durch Auflagerung von hydrophoben Zellwandschichten, die in ihrer Gesamtheit die so genannte Cuticula bilden, fast undurchlässig für Wasser und Luft und verhindern somit ein rasches Welken bzw. Austrocknen der in der Atmosphäre befindlichen Pflanzenteile. Die Luftundurchlässigkeit der Cuticula jedoch würde einen Einstrom der Kohlendioxid-Moleküle in den Pflanzenkörper, die bei der Photosynthese zum Aufbau der Kohlenhydrate gebraucht werden, unmöglich machen, wären da nicht Poren in der Haut, die die Zwischenzellräume (Interzellularen) im Gewebe mit der Außenluft verbinden. Diese Poren sind von zwei so genannten Schließzellen umgeben und werden Spaltöffnungen genannt (Abb. [2]). Vielleicht verhielten sich die Schließzellen bereits wie bei den heute lebenden Landpflanzen. Bei diesen enthalten sie im Gegensatz zu den übrigen Epidermiszellen Chloroplasten, und ihren Namen verdanken sie der Fähigkeit durch Bewegungen die Poren zu verschließen oder wieder zu öffnen. Das Öffnen geschieht durch eine Erhöhung des Innendrucks (Turgor) der Schließzellen. Die Regulation des Öffnungszustands der Poren erfolgt bei den rezenten Landpflanzen über die Wasserversorgung, die CO2-Konzentration im Gewebe, das Licht und die Temperatur. Dabei stehen mehrere Regelkreise miteinander in Wechselwirkung und gewährleisten eine „ideale” Balance zwischen Photosyntheseleistung und Verdunstung. Andererseits treibt die Verdunstung insbesondere über die Spaltöffnungen (rein physikalisch) die Wasserzufuhr aus dem Boden an (Transpirationssog).
Das Vorhandensein von Spaltöffnungen an der Oberfläche fossiler Pflanzenreste lässt natürlich den zwingenden Schluss zu, dass wir es mit Landpflanzen zu tun haben. Ein weiteres Indiz bietet die Existenz eines Wasserleitgewebes (verbunden mit einem Assimilatleitgewebe), das sich in Form eines schmalen Stranges in den Telomen zu erkennen gibt und die oberirdischen Teile der Pflanze mit Wasser aus dem Boden versorgt. Solche Leitstränge oder Leitbündel durchziehen später alle drei Grundorgane: Wurzel, Sprossachse und Blatt.
#Einiges über die Chemie und Feinstruktur der Pflanzenhaut
Vor allem ist der Aufbau der Außenwände der Epidermiszellen als unmittelbare Grenzschicht zwischen Pflanzenkörper und Umgebung von Wichtigkeit. Auf eine bereits im Hautbildungsgewebe, dem Dermatogen, das den meristematischen Sprossscheitel umgibt, vorhandene Primärzellwand wird während der Entwicklung der Sprossachse und der Blätter die Cuticula aufgelagert. Diese schützt die Pflanze nicht nur gegen Verdunstung, sondern verleiht ihren Organen eine gewisse Stabilität und ist vergleichbar mit dem Außenskelett eines Insekts. Hauptbestandteil der Cuticula ist das nach ihr benannte Cutin, ein Polyester mehrfach hydroxylierter Fettsäuren, wobei die 10,16-Dihydroxystearinsäure und die 9,10,16-Trihydroxystearinsäure einen hohen Anteil haben. Als Nebenkomponenten kommen Phenolkörper vor. Das Cutin wird auf die Primärwände in Form dünner oberflächenparalleler Lamellen aufgetragen. Die Lamellen sind durch dünne Wachsfilme voneinander getrennt. Häufig finden sich Wachskristalle auch auf der Oberfläche der Cuticula, die diese unbenetzbar machen. Cutin kann manchmal auch unter der eigentlichen Cuticula in der Peripherie der Epidermisaußenwände eingelagert sein.
#Die zweite und dritte Haut
Eine zweite Haut wird notwendig, wenn eine Sprossachse oder Wurzel durch sekundäres Dickenwachstum, ausgelöst durch die Tätigkeit eines Meristemrings, dem Kambium, ihren Umfang mehr und mehr ausdehnt, wie es beispielsweise bei vielen Zweikeimblättrigen Blütenpflanzen, die sich zu Sträuchern oder Bäumen entwickeln, der Fall ist. Diesem Dilatationswachstum halten die Epidermen nicht stand. Früher oder später zerreißen sie. Bevor sie zerreißen, muss ein sekundäres Abschlussgewebe gebildet werden. Dieses entsteht, indem in einer ringförmigen Zone Rindenzellen unter der Epidermis teilungsfähig werden und nach außen Korkzellen abgliedern. Chemisch ist der Kork, das Suberin, strukturell verwandt mit dem Cutin und wird ebenfalls in Form von Lamellen, zwischen denen sich Wachsfilme befinden, abgelagert. Da der Kork wieder weitgehend wasser- und luftundurchlässig ist, muss wiederum für den Gasaustausch durch Poren gesorgt werden. Solche entstehen, indem lokal die vom Korkbildungsgewebe (Korkkambium) gebildeten Korkzellen sich aus dem Verband lösen und locker in einem kleinen Kanal, umgeben von den Korkschichten, liegen. Diese Öffnungen sind oft von außen als warzenartige Erhebungen (Lentizellen) zu beobachten. Im Gegensatz zur Epidermis ist das Korkgewebe mehrschichtig und die Zellen sterben, nachdem der Kork gebildet wurde, ab. Die toten Korkzellen sind dann lufterfüllt und verleihen dadurch dem Korkgewebe seine Leichtigkeit. Nur in relativ seltenen Fällen bleibt es bei der zweiten Haut, so z. B. bei der Buche, bei der das Korkbildungsgewebe zeitlebens der Umfangvergrößerung des Stammes folgt. Bei den meisten anderen Bäumen kommt es früher oder später zur Bildung einer dritten Haut. Dabei entstehen unter der zweiten Haut immer wieder neue Korkkambien, die jedoch nicht ringsum geschlossen sind, sondern mehr oder weniger oberflächenparallele, konvexe oder konkave Gewebeflächen darstellen, die nach außen oft vielschichtige dicke Korklagen bilden. Die Korklagen schließen rings um den Stamm dicht zusammen und blättern später, wenn unter ihnen wieder neuer Kork entsteht, als Ringel-, Schuppen- oder Streifenborke ab.
Hautdünne Borken finden sich beispielsweise beim „Tourist Tree” (auch Gumbo Limbo [Bantu Name] oder Weißgummibaum genannt, Bursera simarouba), bei dem sich die dünnen Hautfetzen (wie bei den vor der Sonne ungeschützten Touristen) an den Stämmen loslösen (Abb. [3]). Eine sehr dicke Borke weist dagegen die Korkeiche Quercus suber auf, aus der u. a. die Flaschenkorken ausgestanzt werden. In den Flaschenkorken müssen natürlich die langen Lentizellenkanäle quer orientiert sein, sonst wäre der Flaschenverschluss undicht.
#Die Vielfalt der Haut als Grenzbereich zwischen Pflanzenkörper und Umgebung
Es sind vor allem die Blattoberflächen bei den mannigfaltigen Anpassungen an unterschiedliche Pflanzenstandorte betroffen. Eine dicke und dichte Cuticula wird man natürlich an Blättern von Pflanzen trockener Standorte vorfinden. Oft sind zusätzlich Wachskristalle unterschiedlichster Form auf die Cuticula aufgelagert. Die Spaltöffnungen, für gewöhnlich auf der Blattunterseite, münden einzeln oder in Gruppen in Hohlräume, die oft noch von toten Haaren, welche aus einzelnen Epidermiszellen hervorgegangen sind, umgeben werden. In diesen Höhlungen ist die Luft fast feuchtigkeitsgesättigt, was zu einer drastischen Herabsetzung der stomatären Transpiration führt.
Gerade umgekehrt ist es bei Pflanzen feuchter Standorte: Die Cuticula ist dünn, die Spaltöffnungen befinden sich manchmal am Ende kleiner Türmchen, und die transpirierende Blattoberfläche wird durch lebende Haare oder papillenartige Vorwölbungen der Epidermiszellen vergrößert. Transpiration ist, wie oben schon dargelegt, ebenso wichtig wie der kontrollierte Schutz vor Austrocknung. Eine Zufuhr von Wasser und der notwendigen darin gelösten Ionen wäre ja ohne Transpirationssog nicht möglich. Um einen Wassertransport auch bei Wasserdampfsättigung der Luft aufrecht zu erhalten, scheiden viele Pflanzen (z. B. Gräser, Frauenmantel Alchemilla) über so genannte Hydathoden Wasser aktiv aus. Oft werden die Wassertröpfchen mit Tau verwechselt. Das für die Wasserausscheidung verantwortliche Gewebe liegt unterhalb einer Spaltöffnung, die jetzt nicht mehr dem Gasaustausch dient, sondern als so genannte Saftspalte - von unbeweglichen Chlorophyll-losen „Schließzellen” umgeben - fungiert.
Der in den letzten Jahren stark beachtete Selbstreinigungseffekt (Lotus-Effekt) [2] beruht auf dem Vorhandensein zahlreicher, winziger, von Wachskristallen überzogener Noppen, welche auftreffenden Wassertropfen eine hohe Oberflächenspannung verleihen. Die abperlenden Tropfen reißen Schmutzteilchen mit hoher Affinität mit sich. Dies kann von großer Nützlichkeit sein, wenn dadurch Pathogene (z. B. Sporen gefährlicher Pilzkrankheiten) entfernt werden. Der Lotus-Effekt gab Anlass zu mannigfachen Versuchen technischer Anwendung.
#Bunte Pflanzenhäute
Bunte Epidermen finden sich vornehmlich in den Blüten. Die häufigsten Farbstoffe sind die wasserlöslichen Flavonoide, von denen die Anthocyane blau bis rot, die Flavone gelb gefärbt sind. Ausschließlich bei den Nelkengewächsen im weiteren Sinne, z. B. bei den Gänsefußgewächsen, den Mittagsblumengewächsen, den Kermesbeerengewächsen und Kakteen, sind es stickstoffhaltige, ebenfalls wasserlösliche Farbstoffe, die nach der Roten Beete Betalaine genannt werden und eine bunte Farbpalette bieten. Während die genannten Farbstoffe in riesigen Epidemisvakuolen gelöst sind, befinden sich etwa beim Hahnenfuß gelbe Pigmente in Öltropfen, welche die Epidermiszellen ausfüllen. Die Pigmente gehören zu den Karotinoiden, die als Karotine orangerot, als Xanthophylle gelb gefärbt sind. Wenngleich Farbstoffe wie Karotinoide und wohl auch die Flavonoide erdgeschichtlich sehr alte Pflanzenpigmente darstellen, so begann es auf unserer Erde erst vor etwa 140 Millionen Jahren so richtig bunt zu werden. Die Anhäufung der Farbstoffe in den Blüten steht in Zusammenhang mit ihrer Signalisierung für die neuen Überträger der Pollenkörner, die Insekten, die den Wind als Transportmittel ablösten. Was wir an den bunten Blumen schön finden, verdanken wir großenteils gefärbten Pflanzenhäuten, und diese sind von hoher Funktionalität.
#Literatur
- 1 Kidston R, Lang W H. On Old Red Sandstone plants showing structure, from the Rhynie Chert Bed, Aberdeenshire. Part I. Rhynia Gwynne-Vaughani Kidston & Lang. Transactions of the Royal Society of Edinburgh. 1917; 51 761-784
- 2 Barthlott W, Neinhuis C. Purity of the sacred lotus or escape from contamination in biological surfaces. Planta. 1997; 202 1-8
Prof. Dr. Peter Leins, Botaniker
HIP - Biodiversität und Pflanzensystematik
Im Neuenheimer Feld 345 · 69120 Heidelberg
Literatur
- 1 Kidston R, Lang W H. On Old Red Sandstone plants showing structure, from the Rhynie Chert Bed, Aberdeenshire. Part I. Rhynia Gwynne-Vaughani Kidston & Lang. Transactions of the Royal Society of Edinburgh. 1917; 51 761-784
- 2 Barthlott W, Neinhuis C. Purity of the sacred lotus or escape from contamination in biological surfaces. Planta. 1997; 202 1-8
Prof. Dr. Peter Leins, Botaniker
HIP - Biodiversität und Pflanzensystematik
Im Neuenheimer Feld 345 · 69120 Heidelberg