Aktuelle Dermatologie 2004; 30(7): 278-279
DOI: 10.1055/s-2004-825707
Mitteilungen der ADO
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Kommentar zur Leitlinie „Merkelzellkarzinom” 2004

Commentary to Guideline „Merkel Cell Carcinoma” 2004A.  Hauschild1
  • 1Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Univ.-Klinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
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Prof. Dr. med. Axel Hauschild

Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie · Univ.-Klinikum Schleswig-Holstein · Campus Kiel

Schittenhelmstr. 7 · 24105 Kiel ·

eMail: AHauschild@dermatology.uni-kiel.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
06. August 2004 (online)

Inhaltsübersicht
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    Merkelzellkarzinome, die auch unter dem Namen „kutane neuroendokrine Karzinome” oder „trabekuläre Karzinome” bekannt sind, sind insgesamt sehr selten mit einer Inzidenz von 0,1 bis 0,3 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner und Jahr.

    Klinisch werden Merkelzellkarzinome in den wenigsten Fällen gleich primär korrekt diagnostiziert. Die soliden, rötlich-violetten, kugelig oder halbkugelig aufgebauten Tumoren an lichtexponierten Arealen der Gesichtshaut und Extremitäten werden zumeist unter einer anderen Verdachtsdiagnose exzidiert, bis die histologische und immunhistologische Diagnostik die korrekte Zuordnung ermöglicht. Insbesondere die Immunhistologie stellt einen wichtigen Bestandteil der Diagnostik dar, da sich Antikörperreaktionen gegen die Zytokeratine 8, 18, 19 und 20 sowie gegen die neuronenspezifische Enolase (NSE) finden lassen.

    Merkelzellkarzinome sind gekennzeichnet durch eine hohe Rate von Lokalrezidiven bzw. Intransitmetastasen bei bis zu 50% aller Patienten. Die meisten lokoregionalen Metastasen treten innerhalb eines Jahres nach Entfernung des Primärtumors auf. Die 5-Jahres-Überlebensrate von primären Merkelzellkarzinomen beträgt etwa 65%. Übereinstimmend zeigt sich in der Literatur folgendes Muster von ungünstigen prognostischen Faktoren: Fortgeschrittenes Tumorstadium, Primärtumorgröße, männliches Geschlecht, Lokalisation des Primärtumors in der Kopf-Hals-Region oder am Rumpf, jüngeres Lebensalter (< 60 Jahre). Den histologischen Subtypen wird heute im allgemeinen eine prognostische Bedeutung beigemessen. Der trabekuläre Typ hat eine bessere Prognose als der intermediäre Typ, der wiederum eine bessere Prognose als der kleinzellige Typ besitzt.

    Standard der Primärtumorbehandlung ist die vollständige chirurgische Exzision. Wegen der hohen Raten von Lokalrezidiven werden Sicherheitsabstände von 3 cm angestrebt. Im Gesichtsbereich muss aus funktionell-ästhetischen Gründen ggf. mit geringeren Sicherheitsabständen operiert werden. In allen Fällen ist eine Schnittrandkontrolle der histologischen Präparate vorzunehmen. Daten systematischer Auswertungen zur elektiven Lymphknotendissektion oder Schildwächter-Lymphknoten-Exstirpation („Sentinel Node Biopsie”) liegen nicht vor. Zumindest Fallberichte deuten aber darauf hin, dass die Sentinel Node Biopsie zur Prognosebestimmung wertvoll sein kann. Bei Nachweis von Mikrometastasen am Sentinel Node sollte eine therapeutische Lymphadenektomie durchgeführt werden.

    Es ist seit langem bekannt, dass Merkelzellkarzinome radiosensitiv sind. Retrospektive Analysen zeigten, dass die hohen Lokalrezidivraten nach alleiniger Operation durch eine kombinierte Strahlentherapie mit einer Gesamtdosis von ca. 50 Gy reduziert werden können. Aus diesem Grunde wird die adjuvante Strahlentherapie der Tumorregion in der regionären Lymphabflussregion in der Regel empfohlen. Ob die Strahlentherapie nach einer kompletten Lymphadenektomie einen prophylaktischen Effekt hat, ist bis heute ungeklärt. Beim metastasierenden Merkelzellkarzinom mit inoperablen Befunden wird sie im Rahmen von multimodalen Therapiekonzepten z. T. in Kombination mit einer systemischen Chemotherapie eingesetzt.

    Eine adjuvante Chemotherapie wurde bisher nicht im Rahmen von Studien auf ihre Wirksamkeit überprüft. Aus diesem Grunde wird sie heute nicht als Standard empfohlen. Chemotherapiekonzepte beim metastasierten Merkelzellkarzinom lehnen sich an die Behandlungskonzepte des kleinzelligen Bronchialkarzinoms, zu dem das Merkelzellkarzinom histologisch einige Ähnlichkeiten aufweist, an. Im Stadium der Fernmetastasierung zeichnet sich die Chemotherapie mit Remissionsraten von bis zu 60 % oberflächlich gesehen als attraktives Therapieregime aus. Allerdings sind die Remissionen im allgemeinen von kurzer Dauer, so dass nur selten signifikante Überlebensverlängerungen erzielt werden können. Von Heilungen im Stadium der Fernmetastasierung ist ohnehin nicht auszugehen. Aus diesem Grunde sollte eine palliative Chemotherapie oder auch Kombination aus einer Chemotherapie mit Strahlentherapie ausgewählten Einzelfällen vorbehalten bleiben. Zu den am häufigsten verwendeten Chemotherapieregimen im Stadium der Fernmetastasierung gehören die Kombinationen aus Cyclophosphamid, Methotrexat und 5-Fluoruracil oder auch VP16, Cisplatin, Doxorubicin und Bleomycin.

    Zur Nachsorge des Merkelzellkarzinoms existieren keine wissenschaftlich gesicherten Studien. Die empfohlenen Therapiekonzepte orientieren sich an den Nachsorgeempfehlungen bei Patienten mit Hochrisiko-Primärmelanomen. Wichtig erscheinen engmaschige Untersuchungen vor allem in den ersten 12 Monaten nach Entfernung des Primärtumors. Hierbei sollte neben einer klinischen Untersuchung auch eine Lymphknotenpalpation oder besser eine Lymphknotensonographie vor allem der regionären Lymphknotenstationen durchgeführt werden. Einmal jährlich wird im allgemeinen eine Oberbauchsonographie und Röntgen-Thorax-Untersuchung vorgenommen.

    Der genaue Leitlinientext kann unter der Internetadresse http://www.ado-homepage.de von ADO-Mitgliedern nachgelesen werden.

    Prof. Dr. med. Axel Hauschild

    Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie · Univ.-Klinikum Schleswig-Holstein · Campus Kiel

    Schittenhelmstr. 7 · 24105 Kiel ·

    eMail: AHauschild@dermatology.uni-kiel.de

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