Einleitung
Einleitung
Die Geschichte der Venerologie der letzten 30 Jahre wurde geprägt durch Entdeckungen mit Hilfe molekularbiologischer Techniken, neue Erkenntnisse über Ausbreitungswege der STD und dank neuer epidemiologischer Untersuchungen. Schließlich zeigte uns der Ausbruch der Pandemie von AIDS völlig veränderte klinische Bilder von längst bekannten, venerologischen Krankheiten. Eine hoch entwickelte Pharmaforschung brachte neue, sehr spezifische und potente Wirkstoffe auf den Markt. Ihre breite Anwendung bescherte uns auch neue chromosomale und nichtchromosomale Resistenzen von Erregern gegenüber Antibiotika.
Syphilis
Syphilis
Die Aufklärung der Struktur von Treponema pallidum zeigte, dass an der Außenmembran nur 12 Oberflächenproteine vorhanden sind [1]
[2]. Diese könnten den Weg weisen für eine zukünftige Vakzine.
Treponema pallidum ist einer der wenigen Keime, die bis heute nicht kultiviert werden konnten. Der Erreger ist hoch empfindlich auf Umgebungsfaktoren (Temperatur, O2, pH) sowie auf physikalische und chemische Einflüsse. An mehreren Tiermodellen wurden syphilitische Infektionen studiert: Hamster, Meerschweinchen und Kaninchen. Es kommt bei den Tieren aber nicht zu Hautmanifestationen, lediglich zum Befall innerer Organe [3]
[4].
Die Entwicklung und Etablierung treponemenspezifischer IgM-Tests begann Ende der 70er-Jahre, vorerst mit dem SPHA-Test (Solide Phase Hämabsorption Assay [5]).
Die etwas aufwändigere und störanfälligere Methode, der 19S (IgM)-FTA-Abs-Test konnte sich ebenfalls international nicht durchsetzen [6].
Wegen der hohen Sensitivität konnte sich später der Captia (IgM)-EIA international durchsetzen [7]. Schließlich wurde auch eine Polymerase chain reaction (PCR) zum Treponema pallidum-Nachweis entwickelt [8], sie ist aber noch nicht kommerziell verfügbar.
Die Therapie der Frühsyphilis mit einmaliger Injektion von 2,4 ME Benzathin-Penizillin war von der Weltgesundheitsorganisation schon in den 60er-Jahren empfohlen worden. Sie fand in den letzten 30 Jahren weltweite Verbreitung, ebenso wie die Therapie der Spätsyphilis mit dreimal 2,4 ME Benzathin-Penizillin in wöchentlichen Abständen.
HIV-Infizierte, die an Frühsyphilis erkranken, können eine rasche Progredienz zu Neurosyphilis zeigen. Eine Änderung der Therapieempfehlung bei HIV-Infizierten war bisher nicht nötig. Jedoch ist eine engmaschige klinische und serologische Kontrolle bei diesen Fällen unabdingbar [9].
Als neue Alternativtherapie bei Penizillinunverträglichkeit wurden Ceftriaxon (500 mg täglich i. m. für 10 Tage) und Azithromycin (500 mg täglich für 10 Tage) [10] empfohlen.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat Osteuropa einen dramatischen Ausbruch einer Syphilisepidemie erlebt [11]. Mittlerweilen hat sich die Syphilis in allen westeuropäischen Ländern zurückgemeldet [12].
Gonorrhö
Gonorrhö
1976 wurden erstmals penizillinresistente Stämme (PPNG = Penicillinase Producing Neisseria gonorrhoeae) von Neisseria gonorrhoeae entdeckt. Fast gleichzeitig wurde von Ashford [13] und Phillips in England [14] je ein penizillinaseproduzierender Stamm von N. gonorrhoeae isoliert. In der Arbeit von Ashford wurden die Gonokokken bei einem amerikanischen Kriegsheimkehrer aus Südostasien, der an Urethritis erkrankt war, nachgewiesen.
In den folgenden Monaten wurden weitere Einzelbeobachtungen von penizillinresistenter Gonorrhö in Übersee und Europa mitgeteilt.
Drei Jahre später hatten bereits 27 Länder penizillinresistente Gonokokkenstämme an die WHO gemeldet [15].
In der Folge wurde die Natur dieser Resistenzbildung aufgeklärt. Das Enzym β-Lactamase spaltet hydrolytisch die Amidbindung des B-Lactamringes der Penizilline und gewisser Cephalosporine. Beim Penizillin entsteht dadurch die antibakteriell unwirksame Penizilloinsäure. Die Übertragung derartiger Penizillinasen von einer Generation auf die andere erfolgt entweder durch Chromosomen oder extrachromosomal durch Plasmide. Bei den Gonokkoken sind R-Plasmide (R = Resistance) für die Übertragung von Penizillinasen verantwortlich. In der Folge wurden 2 verschiedene R-Plasmide bei den resistenten Gonokokkenstämmen nach geographischer Herkunft isoliert: ein Asien-Typ mit 4,4 Megadalton und ein Afrika-Typ mit 3,2 Megadalton Molekulargewicht [16].
Später wurde noch ein so genanntes Transferplasmid von 24,5 Megadalton isoliert [18]. Es trat in Kombination mit den beiden R-Plasmiden auf. Dieses Transferplasmid ermöglichte sehr wahrscheinlich die rasche Ausbreitung der Resistenzplasmide.
In der Folge wurden die Therapieempfehlungen für die Gonorrhö weltweit verändert. Nach einem kurzen Siegeszug von Spectinomycin wurde das Ceftriaxon, ein Cephalosporin der 3. Generation, als Einmaltherapie zum Therapeutikum der Wahl für unkomplizierte Gonorrhö. In Südostasien war wegen der hohen Prävalenz von PPNG-Stämmen, Spectinomycin die Therapie der Wahl geworden. Nach wenigen Jahren kam es zum Auftreten von spectinomycin-resistenten N. gonorrhoeae-Stämmen.
Die wichtigste diagnostische Neuerung war die Einführung von DNA-Amplifikationstests.
Mit Hilfe der LCR (= ligase chain reaction) oder der PCR (polymerase chain reaction) genügt praktisch die DNS eines einzigen Erregers für den positiven Nachweis. Die Diagnose der genitalen Gonorrhö kann damit bei beiden Geschlechtern aus dem Urin gestellt werden [20]
[21].
Ein gravierendes epidemiologisches Problem bei der Gonorrhö ist die stete Zunahme von infizierten asymptomatischen Männern [22].
Koinfektion mit C. trachomatis wird bei der gonorrhoischen Urethritis in zunehmendem Maß (15 - 35 %) beobachtet [23].
Als neue perorale Therapie der unkomplizierten Gonorrhö etablierte sich in den letzten Jahren Azithromycin (1 g als Einmaldosis) [24].
Ulcus molle
Ulcus molle
Die Krankheit ist in den Entwicklungsländern weit verbreitet. Epidemiologische Studien zeigen, dass der weiche Schanker ein wichtiger Risikofaktor für die heterosexuelle Ausbreitung von HIV 1 ist [25]. Eine weit verbreitete Nachweismethode ist die Kultur des Erregers. Mit Hämoglobin und Serum angereicherte Nährmedien haben die Sensibilität deutlich erhöht [26]. In einigen Ländern ist die PCR-Methode für H. ducreyi erhältlich. Ihre Sensivität übersteigt 95 % [27]. Plasmid-gebundene Resistenzen bei H. ducreyi wurden für Ampizillin, Sulfonamide, Chloramphenicol, Tetrazykline, Streptomycin und Kanamycin gefunden [28]. Die neuesten Therapieempfehlungen stützen sich auf Azithromycin und Cephalosporine der 3. Generation (Tab. [1]) [29].
Tab. 1 Therapieempfehlung für Ulcus molle (CDC) [29]
Antibiotikum | Dosis | Nachteile |
Azitrhomycin oder | 1 g per os | hohe Kosten |
Ceftriaxon oder | 250 mg i. m. | Parenteral |
Ciprofloxacin oder | 500 mg per os 2 × täglich, für 3 Tage | hohe Kosten/Compliance |
Erythromycin Base | 4 × 500 mg per os pro Tag, für 7 Tage | Compliance/Magen-Darm-Probleme |
Lymphogranuloma venereum (LGV)
Lymphogranuloma venereum (LGV)
Der Frei-Test, jahrzehntelang in Gebrauch, wurde in den 60er- und 70er-Jahren mehr und mehr umstritten, wegen fehlender Sensitivität und Spezifität. Seit 1974 ist er deshalb nicht mehr im Handel. Eine klare Diagnose ist heute möglich durch den Erregernachweis in Gewebeflüssigkeit (Kultur) sowie Unterscheidung der 4 Serotypen durch Mikroimmunofluoreszenz [30]. Zu den schon lange bekannten 3 Serotypen L1, L2, L3, wurde 1985 noch ein 4. Serotyp L2' hinzugefügt [31]. Antibiotische Therapien sind nur bei der akuten Krankheit wirksam, bezüglich der Schäden an den Lymphgefäßen sind sie wirkungslos. Nach wie vor sind Tetrazykline erste Therapiewahl. Gut dokumentierte Therapiestudien mit Azithromycin stehen noch aus.
Donovanose
Donovanose
Die höchste Inzidenz dieser Krankheit wurde in Papua-Neuguinea, Südindien und Südafrika beobachtet [32]
[33]. Die Inkubationszeit ist nicht klar bekannt, sie wird im Mittel mit 3 - 4 Wochen angegeben, zeigt aber große Streuwerte [34].
Die Diagnose beruht nach wie vor auf dem direkten Erregernachweis mit verschiedenen Färbungen (Giemsa, Wright etc.). Kulturelle Züchtung des Erregers, Calymmatobacterium granulomatis, ist bis jetzt nicht gelungen. Brauchbare serologische Tests sind nicht verfügbar. Zahlreiche antibiotische Therapien wurden eingesetzt. Die australischen Guidelines empfehlen derzeit Azithromycin, 1 g per os pro Woche für mindestens 3 Wochen [35].
Chlamydia trachomatis
Chlamydia trachomatis
In den 70er-Jahren konnten sukzessive die einzelnen Spezies und Serotypen von Chlamydien bestimmten klinischen Syndromen zugeordnet werden [36]: Tab. [2].
Tab. 2 Klinische Symptome verursacht durch Chlamydien (n. Schachter J. [36])
Spezies | Serotyp | Klinik |
C. psittaci | mehrere Serotypen | Psittakose |
C. pneumoniae | TWAR | Respiratorische Syndrome |
C. trachomatis | L1, L2, L3, L2'
| Lymphogranuloma venereum |
C. trachomatis | A, Ba, B, C | Trachom |
C. trachomatis | B, D, E, F, G, H, I, J, K | Einschluss-Konjunktivitis, NGU, Zervizitis Salpingitis, Proctitis, Epididymitis,Neugeborenenpneumonie |
Eine feinere Typisierung wurde später möglich durch die Entdeckung der so genannten „major outer membran proteins” (MOMP).
Die Kombination monoklonaler Antikörper mit Genotypisierung erlaubte schließlich die Bestimmung von 18 hauptsächlichen Serotypen von Chlamydia trachomatis [37].
In der Chlamydiendiagnostik war die Zellkultur der „Goldstandard” für viele Jahre [38]. Diese ist technisch anspruchsvoll, aufwändig und kostspielig. Deshalb wurden in den letzten 15 Jahren zahlreiche „non-culture” Tests entwickelt. Durchgesetzt haben sich die DNS-Amplifikationstests: LCR und PCR. Sie können für Proben aus Zervix und Urethra sowie Urin von beiden Geschlechtern eingesetzt werden. Die Spezifität ist 99 % und die Sensitivität über 95 % [39]
[40].
Bei Verdacht auf invasive Formen der genitalen Chlamydieninfektion ist die serologische Untersuchung mit der Mikroimmunofluoreszenztechnik sinnvoll. Bei lokalisierten Formen der genitalen Chlamydieninfektion ist die Serologie wertlos [41].
Analog wie bei invasiver Gonokokkeninfektion wurde die Perihepatitis durch Chlamydia trachomatis bei jungen Frauen beschrieben.
In der Therapie wurde das Azithromycin (1 g per os Einmaldosis) wegen der ausgezeichneten intrazellulären Penetration und der Einmaldosierung zur Behandlung der 1. Wahl [10].
Genitale Mykoplasmen
Genitale Mykoplasmen
Drei Spezies von Mykoplasmen wurden in der Genitalregion nachgewiesen und als Ursache genitaler Infektionen diskutiert: Mycoplasma hominis, Ureaplasma urealyticum, Mycoplasma genitalium. Mykoplasmen werden relativ häufig im Genitaltrakt von sexuell aktiven Personen gefunden, ohne dass manifeste Erkrankungen vorliegen [43].
Neuere Untersuchungen zeigen, dass das Ureaplasma gelegentlich Urethritis und Vaginitis auslösen können [44]. Eine Besiedlung der Urethra mit Mycoplasma genitalium löst beim Mann häufig Urethritis aus, während die pathogenetische Rolle dieses Keimes im weiblichen Urogenitaltrakt noch nicht klar ist [45].
Mykoplasmen können kulturell nachgewiesen werden. Bis jetzt wurden 7 Serotypen von Mycoplasma hominis und 14 Serotypen von Ureaplasma urealyticum nachgewiesen. Ob zwischen den Serotypen und einzelnen Krankheitsbildern Assoziationen bestehen ist nicht bekannt.
Mykoplasmen sind empfindlich auf Tetrazykline und Makrolide. Aber bereits sind etwa 10 % der Ureaplasmen resistent auf Tetrazykline [46].
Trichomonas vaginalis
Trichomonas vaginalis
Schätzungsweise 200 Mio. Personen werden jährlich neu mit Trichomaden infiziert [47]. Die Prävalenz ist in westlichen Ländern niedrig, während sie in Osteuropa und Entwicklungsländern nach wie vor hoch ist [48]. Trichomonas vaginalis wird fast exklusiv durch sexuelle Kontakte übertragen. Eine längere Debatte über andere Uebertragungswege entstand, nachdem gezeigt wurde, dass Trichomonas vaginalis bis 45 min. außerhalb des menschlichen Körpers überleben kann [49]. Der Konsensus in den 90er-Jahren lautete schließlich: Trichomonas vaginalis wird durch sexuellen Kontakt erworben, die Diagnose basiert auf Isolation des Erregers von urogenitalen Lokalisationen, epidemiologischen Daten und Inokulationsversuchen an Menschen [50]. Zahlreiche Studien beschäftigen sich mit der Beteiligung der Prostata bei Trichomonadeninfektion. Der Nachweis von Trichomonas vaginalis in Prostatabiopsien bei symptomatischen Männern spricht für eine Rolle bei der Auslösung einer Prostatitis [51].
Die Diagnose bei Mann und Frau beruht auf dem direkten Erregernachweis im Nativpräparat oder aus Kulturmaterial. Zahlreiche Kulturmedien werden im Handel angeboten. Die systemische Therapie mit Nitroimidazolpräparaten in Einmaldosis ist hoch effizient [52].
Intestinale Bakterien und Protozoen
Intestinale Bakterien und Protozoen
In den 70er-Jahren wurde das Diagnosenspektrum der „sexuell übertragbaren Krankheiten” beträchtlich erweitert. Zunehmend wurde über homosexuelle Männer mit Enteritis, Proctitis und Fieber berichtet. Die infektiöse Natur dieser Beschwerdebilder wurde nach und nach aufgeklärt. 1977 schlugen amerikanische Autoren für dieses Beschwerdebild den Begriff „Gay Bowel-Syndrom” vor [53].
In der Folge wurden folgende Erreger als Auslöser derartiger Krankheitsbilder identifiziert: Shigella, Salmonella, Campylobacter, Giardia lamblia, Entamöba histolytica und Kryptosporidium.
Dieses Kapitel zeigte einmal mehr die Wichtigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit für den Venerologen.
Herpes genitalis
Herpes genitalis
Die Unterscheidung von 2 biologisch unterschiedlichen Virustypen beim Herpes simplex-Virus war erst 1968 erfolgt [54]. In der Folge erkannte man, dass HSV-1 überwiegend für Infektionen im Gesicht und HSV-2 für Eruptionen anogenital verantwortlich war. Die Aufklärung der Genomsequenz von HSV-2 gelang erst 30 Jahre später [55] (Abb. [1]).
Abb. 1 Struktureller Aufbau eines Herpesvirus mit Genom, Nukleokapsid und Virushülle.
Als diagnostischer „Goldstandard” gilt immer noch der Virusnachweis mittels Zellkultur [56].
Die Elektronenmikroskopie erlaubt zwar keine Typisierung der Herpesviren, sie ergibt aber Resultate innerhalb Stunden und ist deshalb in bestimmten klinischen Situationen von Bedeutung.
Der Virustyp-spezifische DNA-Nachweis mittels Polymerase-Kettenreaktion ist hoch spezifisch und sensitiv, aber vorderhand noch kostspielig [57].
Die früheren serologischen Untersuchungsmethoden konnten nicht zwischen HSV-1- und HSV-2-Antikörpern unterscheiden. Der Nachweis von typenspezifischen Antikörpern bei HSV-Infektionen erbrachte ganz neue Erkenntnisse in der Epidemologie der Herpes genitalis-Infektionen. Mit dem typspezifischen Antikörpernachweis können latente Infektionen auch bei Abwesenheit von Läsionen nachgewiesen werden [58]
[56].
Dank der typspezifischen Serologie und der verfeinerten direkten Erregernachweismethoden erkannte man die Vielfältigkeit des klinischen Bildes bei der Herpes genitalis-Infektion. Das Spektrum der HSV-Infektion in der Anogenitalregion reicht von diskreten erythematösen Maculae über Erosionen, Ulzera bis zu Urethritis und Zervixitis.
Die Entdeckung der asymptomatischen Virusausscheidung („asymptomatic shedding”) bei Herpes genitalis-Infektionen gab auch eine Erklärung für die massive Zunahme der Prävalenz der HSV-2-Infektionen [59].
Die Einführung von Aciclovir zur Therapie anogenitaler Herpeserkrankungen erfolgte 1973. Die Therapieerfolge bei der Primärinfektion mit HSV-1 und 2 waren spektakulär, während die Lokaltherapie der Rezidive eher bescheiden war [60]
[61]. Weitere Virostatika, alles Nukleosidanaloga, wurden später eingeführt: Penciclovir 1987, Famciclovir 1989, Valaciclovir 1992.
Die Suppressionstherapie mit Aciclovir bei Patienten mit häufigen Rezidiven erwies sich als erfolgreich, war aber auch kostspielig [62]. Eine einfachere Modifikation wurde später mit Valaciclovir empfohlen [63].
Wegen der hohen Inzidenz von genitalen Herpesinfektionen wird seit Jahrzehnten an einer Impfung zur Prävention gearbeitet. Eine hitzeinaktivierte Vakzine von HSV-1 (Lupidon®-H) bzw. HSV-2 (Lupidon®-G) wurde in den 60er-Jahren in Deutschland entwickelt. Bis heute fehlen aber plazebokontrollierte, randomisierte Studien, die einen Nutzen von Lupidon belegen. 1984 wurde es deshalb in Deutschland vom Markt zurückgezogen.
Weitere Impfstoffe mit immunogenen Glykoproteinen aus der Hülle von HSV brachten keine wesentlichen Erfolge [64]. Aktuell werden Versuche mit genetisch veränderten HSV unternommen. Ein durchschlagender Erfolg ist nicht in Sicht.
Die durch das Epstein-Barr-Virus ausgelöste „oral hairy leukoplakie” wurde zuerst als eigentliche Markerkrankheit für Progression der HIV-Infektion beschrieben [65]. Später wurde erkannt, dass diese Zungenveränderungen allgemein bei Immunosuppression sowie anderen Krankheiten beobachtet werden können [66].
Humane Papillomviren (HPV)
Humane Papillomviren (HPV)
Humanpathogene Papillomviren infizieren Epithelzellen der Haut oder Schleimhaut. Weit über 100 Typen wurden bis heute identifiziert, davon wurden über 80 Genotypen strukturell aufgeklärt [67]. Man unterscheidet zwei Hauptgruppen: kutane HPV-Typen und Schleimhaut HPV-Typen. Bei Letzteren unterteilt man auf Grund des onkogenen Potenzials, Low-Risk-, High-Risk- und Intermediate-Risk-Typen [68].
Die HPV-Infektionen im Anogenitaltrakt wurden in den letzten zwei Jahrzehnten als häufigste sexuell übertragbare Virusinfektion eingeschätzt [69]. Die WHO hat 1996 die HPV-high-risk-Genotypen16,18 als ursächliche Faktoren für die Entstehung des Zervixkarzinoms deklariert. Auch bei Karzinomen der Vulva, des Penis und das Analkanals wurden in einem hohen Prozentsatz die gleichen HPV-Genotypen nachgewiesen [70]
[71]. In den intraepithelialen Neoplasien an den äußeren Genitalien beider Geschlechter wurden ebenfalls die gleichen HPV-Genotypen entdeckt [72].
Zur schon lange bekannten histologischen Diagnose kam neu der Nukleinsäurenachweis der HPV durch Hybridisierung [73] und schließlich die typspezifische Polymerase-Kettenreaktion [73]. Für die klinische Untersuchung bei Verdacht auf HPV-Infektion wurde der Essigtest zu einem unentbehrlichen diagnostischen Hilfsmittel. Falsch positive Reaktionen können aber bei anderen entzündlichen Genitaldermatosen auftreten [74].
Als wichtige Risikofaktoren für die anogenitalen HPV-Infektionen erkannte man: Immundefizienz, orale Kontrazeptiva, Rauchen, Schwangerschaft, Anzahl der Sexualpartner [75]. Verschiedene intraepitheliale Neoplasien und invasive Neoplasien der Anogenitalregion konnten mit einer bestimmten HPV-Typen-assoziation nachgewiesen werden (Tab. [3], nach Gross G. [76]). In der Therapie war die wesentliche Neuerung die Einführung von Imiquimod, einem Stimulator der lokalen Immunantwort. Das Präparat kann als Creme von Patienten selbst appliziert werden.
Tab. 3 Genitale HPV-Infektionen und HPV-assoziierte intraepitheliale Neoplasien
klinische Veränderungen | assoziierte HPV-Typen |
Condylomata acuminata |
6, 11
|
Riesenkondylome |
6, 11
|
anogenitale Dysplasien Intraepitheliale Neoplasien; *inkl.bowenoide Papulose |
16, 18, 31 33 - 35, 39 |
anogenitale Karzinome: Zervix-CA, Vulva-CA Vaginal-CA, Penis-CA, Anal-CA |
45, 51, 52, 56, 58, 59, 61, 62, 64, 66 - 70 |
* intraepitheliale Neoplasien der Zervix uteri (CIN), der Vulva (VIN), der Vagina (VAIN), des Penis (PIN), der perianalen Haut (PAIN) und des Analkanals (AIN). |
Die photodynamische Therapie mit lokaler Anwendung von Deltaaminolaevulinsäure ist derzeit noch in klinischer Evaluation [78]. Verschiedene Genotyp-spezifische HPV-Impfstoffe werden derzeit in klinischen Studien untersucht. Vor allem im Zusammenhang mit der Prävention und Therapie des Zervixkarzinoms könnte die Vakzinierung von großer Bedeutung sein [79].
Andere virale STD
Andere virale STD
Die sexuelle Übertragung des Hepatitis-B-Virus wurde schon vor längerer Zeit nachgewiesen [80]. Das Hepatitis-C-Virus wird offenbar nur selten auf sexuellem Weg übertragen [81].
Mollusca contagiosa können ebenfalls sehr leicht sexuell übertragen werden. HIV-infizierte Patienten sind besonders anfällig für diesen Virus. Die Schwere der Infektion ist abhängig von der CD-4-Zellzahl [82].
Ektoparasiten
Ektoparasiten
Skabies
Ungewöhnliche klinische Formen wurden bei HIV-Patienten beobachtet; verkrustete oder atypisch-papulöse Skabies [83]. Eine elegante Nachweismethode der Milben erlaubt der Einsatz der Auflichtmikroskopie [84]. Ivermectin ist seit Jahren auf dem Markt als wirksame Therapie gegen Flussblindheit. Seit 1993 sind zahlreiche Mitteilungen erschienen über erfolgreiche perorale Behandlung der Skabies mit Ivermectin (eine oder zwei perorale Dosen von Ivermectin 200 µg/kg Körpergewicht) [85]. Bei Kindern wurden auch lokale Applikationen mit Ivermectin eingesetzt [86].