Einleitung
Einleitung
Winston Churchill (1874-1965), der Einsiedler Elias (um 1230 bei Eisenach), Art Garfunkel
(geb. 1941), Karin Holstein (Geburtsjahr unbekannt), Zarah Leander (1907-1981), Jean
Paul Marat (1743-1793), Vladimir Nabokov (1899-1977), der Feldhauptmann Naaman (Altes
Testament, 2 Könige 5, 1-14), Dennis Potter (1934-1995), Romy Schneider (1938-1982),
Jossif Wissarionowitsch Stalin (1879-1953), August Strindberg (1840-1912), John Updike
(geb. 1932) und viele weitere Berühmtheiten sollen an Psoriasis gelitten haben. Die
Schuppenflechte ist eine weit verbreitete Krankheit. Deshalb ist es keineswegs verwunderlich,
wenn auch besonders Schöne, Reiche, Kluge, Berühmte, Boshafte oder Einflussreiche
von ihr nicht verschont bleiben.
Doch was kümmert den gewöhnlichen Sterblichen - ob an Psoriasis erkrankt oder nicht
- die Schuppenflechte Prominenter? Er sollte sich dafür interessieren. Dann wird er
staunend erkennen, dass man es trotz und vielleicht auch gerade wegen Psoriasis beispielsweise
bis zum Idol bringen kann. Auf welche Art und Weise kommt eine solche unerwartete
Karriere zustande? Glücklicherweise sind nicht wenige Prominente extrovertiert. Frank
und frei plaudern sie über ihre Erfahrungen mit der Krankheit. Andere sind zudem noch
sensibel. Von ihnen kann man Unerwartetes, gar Erstaunliches über Schaden und Nutzen
(!) der Krankheit hören. Das geht so weit, dass einige davon überzeugt sind, es ohne
Psoriasis nie so weit gebracht zu haben.
Niemand kann den Eindruck, den der Arzt und seine Mitarbeiter auf den Betroffenen
machen, so gut formulieren wie ein wortgewaltiger Künstler. Nebenbei bemerkt ist der
Zorn der freien Rede zudem für den Redner heilsam und deshalb in solchen Fällen erwünscht.
Kommt dann noch ein bei Prominenten gar nicht so seltener Mangel an Zurückhaltung
hinzu, so können gerade wir Hautärzte aus derartigen Schilderungen erfahren, wie wir
gar nicht so selten gesehen werden. Das wiederum ist lehrreich und nützlich.
Jahrtausendelang verkannt und verwechselt
Jahrtausendelang verkannt und verwechselt
Im Altgriechischen bedeutet Psora soviel wie Jucken, Krätze oder auch Räude. Die Bezeichnung wurde zeitweilig für Hautkrankheiten
wie Skabies, Impetigo, Tinea oder Lepra verwandt. Noch heute kommt es vor, dass Psoriasis
mit Lepra verwechselt wird. Dieser Irrtum hat Lebensläufe dramatisch verändert. Erst
Robert Willan (1757 - 1812) und Ferdinand von Hebra (1816 - 1880) grenzten die Psoriasis vulgaris von der Lepra ab und definierten sie im heutigen Sinne. Willan bezeichnete einzelne,
großflächige Herde noch als Lepra Graecorum , konfluierende Herde als Psora leprosa [1 ].
Leitlinien der Lepra-Diagnostik und die Beschreibung sozialer Konsequenzen der Erkrankung
finden sich bereits im Alten Testament. Entsteht aber auf der Glatze des Hinterkopfes oder über der Stirn ein hellroter Fleck,
so ist es Aussatz … Der Priester muss ihn für unrein erklären; er ist an seinem Kopf
von Aussatz befallen. Der Aussätzige … soll eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar
ungepflegt lassen; er soll den Schnurrbart verhüllen und ausrufen: Unrein! Unrein!
… Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten [2 ].
Es muss auch angenommen werden, dass nicht wenige als aussätzig fehldiagnostizierte
Psoriatiker in der Notgemeinschaft der Leprakranken tatsächlich an Lepra erkrankten
und daran verstarben.
Ein Wunder trug sich zu bei einem prominenten Kranken. Naaman, der Feldherr des Königs von Aram, … war tapfer aber an Aussatz erkrankt. Elischa
… ließ ihm sagen: Geh und wasche dich siebenmal im Jordan! Dann wird dein Leib wieder
gesund, du wirst rein … So ging er also zum Jordan hinab und tauchte siebenmal unter
… Da wurde sein Leib gesund wie der Leib eines Kindes und er war rein [3 ]. Das siebenmalige Bad im Jordan war eine kurmäßige Anwendung, die mit aller Wahrscheinlichkeit
tagsüber am sonnigen Ufer des Flusses stattfand. Vielleicht handelt es sich hier sogar
um die Erstbeschreibung der Balneophototherapie der Psoriasis. Denn damals war Lepra
eine progrediente, unheilbare Krankheit. Der Feldhauptmann Naaman aber genas. Das
hatte er mit dem Einsiedler Elias, genannt der arme Eli, gemein [4 ]. Dessen wundersame Heilung vom angeblichen Aussatz wurde allerdings nicht der Heilkraft
eines besonderen Bades zugeschrieben, sondern aufopfernder Pflege und Salbenbehandlung,
die ihn bis ins Bett der Elisabeth von Thüringen gelangen ließ (Abb. [1 ]).
Abb. 1 Die sieben Werke der Barmherzigkeit der Heiligen Elisabeth. Wandgemälde auf der Wartburg
von Moritz von Schwind. In: Kunstgaben für Schule und Haus. Herausgegeben von W. Günther
(Hamburg), Heft 14. Verlag von Georg Wigand, Leipzig 1911.
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel
In der Regel bricht die Schuppenflechte erstmals im frühen Erwachsenenalter aus. Dann
schlägt sie ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Dem Betroffenen wird klar, dass
ab sofort ein wesentlicher Part in seinem Leben von einer unerwarteten Größe übernommen
wurde - von seiner Psoriasis. Die Auseinandersetzung mit der Krankheit beginnt oft
heftig, gefolgt von depressiver Verstimmung, begleitet von immer wieder aufkeimender
Hoffnung und zeitweiliger Resignation. Die Reaktion der Umgebung wie auch therapeutische
Erfolge und Misserfolge modifizieren den langwierigen Vorgang, der als Krankheitsverarbeitung
bezeichnet wird. Die Mehrzahl der behandelnden Ärzte geht davon aus, dass aktive Auseinandersetzung
besonders günstig ist. Der Erkrankte soll zum gelernten Psoriatiker (Otto Braun-Falco) werden, indem er sich umfassend informiert über das Wesen der
Erkrankung, über Remission und Rezidiv, Therapie, auslösende Faktoren, über vorteilhaftes
Verhalten in Alltag, Beruf, Freizeit und Urlaub. Aus freimütigen Schilderungen Prominenter
lässt sich hierzu Wesentliches erfahren. Das betrifft vor allem die Formen der Auseinandersetzung
mit der Krankheit und mit den veränderten Lebensbedingungen inklusive Therapie und
Therapeut. Es betrifft auch die Frage, ob und wie die Schuppenflechte Einfluss auf
den weiteren Lebensweg und wesentliche Aktivitäten und Entscheidungen nehmen kann.
Die Schriftsteller
Die Schriftsteller
Im Kapitel „Aus dem Tagebuch eines Aussätzigen” schildert John Updike seine Psoriasis [5 ]. Der Verlauf der Krankheit ist wie folgt: Flecken, Placken und Lawinen überschüssiger
Haut, die von der Derma dank eines unbedeutenden aber beharrlichen Fehlers in ihrem
metabolischen Code produziert werden, dehnen sich aus und wandern langsam über den
Körper wie Flechten auf einem Grabstein. Ich bin silbern, schuppig. Lachen abgeblätterter
Schuppen bilden sich, wo immer ich mich zur Ruhe lege. Jeden Morgen sauge ich im Bett
Staub. Meine Qual ist hauttief: keine Schmerzen, nicht mal ein Jucken. Wir Aussätzigen
leben lange und sind ironischerweise in anderer Hinsicht gesund. Im Schub dominiert die Schuppenflechte nahezu alles, so auch die Beschreibung des
Hautarztes. Seine eigene Haut trägt die staubig rosigen Reste von Sommersonnenbräune. Sein Kopf
ist makellos kahl und traumhaft glatt. Ich frage mich, welche Perversität ihn in die
Dermatologie getrieben hat . Die PUVA-Therapie löst ungewöhnliche Empfindungen aus. Die Lichtbox hat sechs Seiten, die mit vertikalen Röhren bestückt sind. ... Ein Röhren
wenn es losgeht, so dass man astronautische Anwandlungen hat, ebenso Anwandlungen
von Absurdität, ein stehender Nackter wie in einem „gewagten” Stück, wo die Bühnenlichter
die Zuschauer verschluckt haben. ... Der Tanz ist kurz; die erste Dosis beträgt nur
eine Minute. Die Box gibt ein böses, tadelndes Schnurren von sich, wenn sie sich abstellt.
Stets und ständig versucht der Betroffene, die kranke Haut zu verbergen. Meine Hände
würden mich verraten, aber während des Essens bewege ich sie ständig, um ihr Aussehen
zu verwischen. Auch als sich die Haut unter PUVA-Therapie zu bessern beginnt, bleibt die tief sitzende
Furcht. Ich schildere meine Empfindung, dass der von meiner Haut verjagte Aussatz in tiefere
Gewebe flieht und dort nur darauf wartet, in noch ekelhafterer und teuflischerer Form
wiederaufzuerstehen. Gut eine Woche später ist die Haut glatt. Ich bin schön. Ich ziehe mich dauernd wieder aus, um sicher zu sein. Sogar auf den
Schienbeinen ist der Aussatz verschwunden, ein feines Krakelee trockener Haut hinterlassend,
wie bei Tang-Porzellan, das Badeöl bessern wird.
Während John Updike seine Psoriasis ausführlich beschrieb, widmete ihr Vladimir Nabokov in seinem Roman „Ada” nur weniger als eine Seite [6 ]. Dort geben sich zwei Psoriasiskranke Tipps: Quecksilber! Höhensonne wirkt Wunder . Ansonsten werden noch heiße Bäder empfohlen, zweimal monatlich oder des öfteren,
und das Meiden von Gewürzen.
Ein Allgemeinmediziner sah die Psoriasis sogar als eine Metapher für den kreativen
Prozess an. Sie sei das Ergebnis der Implosion des Künstlers, und die Romane über
Psoriasis würden die Idee kultivieren, dass der psoriatische Plaque die Achillesferse
des introvertierten Individualisten sei, eines Künstlers, der die Welt vom Elfenbeinturm
seiner Psoriasis aus betrachtet [7 ].
Der Revolutionär
Der Revolutionär
Der Arzt, Naturforscher, Verleger, Journalist und Berufsrevolutionär Jean-Paul Marat und dessen Hautkrankheit wurden der Öffentlichkeit durch das im Jahre 1964 in Berlin
uraufgeführte Drama von Peter Weiss [10 ] wieder ins Gedächtnis gerufen. Der gebürtige Schweizer Marat hatte in Paris Medizin
studiert und war dann zehn Jahre nach England und Wales gegangen, wo er promovierte,
zum Modearzt avancierte und auch über Optik und Elektrizität publizierte. 1790 - 1792
verbarg er sich als Herausgeber einer radikal revolutionären Zeitschrift bis zum Sturz
der Monarchie auch wörtlich im Untergrund von Paris. In dieser Zeit begannen seine
Hautprobleme, bei denen es sich am ehesten um Psoriasis, später Erythrodermia psoriatica, gehandelt hat [8 ]
[9 ]. Noch heute scheiden sich die Geister an der Frage ob Marat ein Märtyrer oder Monster
war. Seit 1774 verschlechterte sich der Hautzustand rapide. Im Drama von Peter Weiss
heißt es dazu:
Seine Haut ist flammig und gelb weil von einem Ausschlag entstellt Das kühle Wasser in dem er sitzt lindert das Fieber das ihn erhitzt.
Entzündung und Juckreiz hatten zugenommen, Fieber war hinzugekommen. Um seine brennende
Stirn zu kühlen, benutzte er ständig mit Essigwasser getränkte Binden. Die ebenfalls
ständig gebrauchten Bäder sorgten für Linderung des Juckreizes und senkten das Fieber.
Daher verließ er die von einem Tuch bedeckte Sitzbadewanne nur selten [10 ]. Es ist nicht bekannt, ob das Badewasser Zusätze enthielt. Marat wurde in seiner
Badewanne am 13. Juli 1793 von der Girondistin Charlotte Corday erstochen (Abb. [2 ]).
Abb. 2 Die Ermordung des Marat. Illustration aus [10 ].
Der Politiker
Der Politiker
Zeitlebens wurde Jossif Wissarionowitsch Stalin (Abb. [3 ]) von Krankheiten geplagt [11 ]. Mit sieben Jahren erkrankte er schwer an Windpocken, die im Gesicht viele auffällige
Narben hinterließen. Drei Jahre später wurde er von einem Pferdewagen überfahren.
Der linke Arm brach mehrfach. Nach einer Osteomyelitis wuchs der Arm verkürzt und
verkrümmt zusammen. In den frühen zwanziger Jahren erkrankte Stalin vermutlich an
Tuberkulose. 1953 erlitt er einen Schlaganfall, den seine Tochter Swetlana und sein
Nachfolger N. S. Chruschtschow dokumentierten. Es wird angenommen, dass Stalins Tod
durch Vergiftung herbeigeführt wurde.
Im Jahre 1990 gab der langjährige sowjetische Gesundheitsminister B. Petrowski der
Zeitschrift „Ogonjok” ein Interview, in dem er aussagte, dass Stalin seit früher Jugend
an Schuppenflechte litt. Stalins Sekretär und Dolmetscher von 1942 bis 1954, V. Bereskow,
hatte „weißliche, hautartige Stücke an den Schultern und verfärbte Flecken an den
Händen” beobachtet. Der Dichter Osip Mandelstam schrieb 1934 von den „feisten, wurmartigen
Fingern des Kreml-Bewohners”. Stalin reagierte äußerst wütend und ließ Mandelstam
nach Sibirien verbannen, wo dieser verstarb.
In den dreißiger Jahren wurde Stalins Psoriasis erstmals mit „Lysaten” behandelt.
Das sind Produkte aus verschiedenen Organen, die im sauren Milieu unter hohem Druck
durch Einwirkung proteolytischer Enzyme entstehen. Es wurde behauptet, dass Lysate
die Funktionen ihres Ursprungsorgans spezifisch stimulieren könnten. So sollten z.
B. Hühner durch Lysate aus Eierstöcken zum Legen von mehr Eiern veranlasst werden
und Kühe durch Lysate aus Brustdrüsen mehr Milch produzieren. Es ist nicht bekannt,
ob die therapeutisch eingesetzten Lysate tierischen oder menschlichen Ursprungs waren.
Hergestellt wurden solche Lysate im Institut des Allgemeinarztes I. N. Kasakow. Den
Worten eines seiner Mitarbeiter zufolge war dieser „ein Quacksalber, für den es unheilbare
Krankheiten nicht gibt.” Nach der Remission der Stalin’schen Schuppenflechte wurde
das Moskauer Staatliche Institut für Haut- und Geschlechtskrankheiten flugs in ein
sogenanntes Stoffwechsel-Institut umgewandelt und an Kasakow übergeben. Bald rezidivierte
Stalins Schuppenflechte. Neuerliche Behandlungsversuche mit Lysaten schlugen fehl.
Kasakow fiel in Ungnade und geriet mit anderen russischen Prominentenärzten in den
Strudel der „Großen Prozesse”. Damals stabilisierte Stalin seine Macht, indem er sich
echter und vermeintlicher Feinde in Schauprozessen entledigte. Wie die anderen angeklagten
Ärzte wurde Kasakow unmittelbar nach dem Schuldspruch „wegen Mordes” hingerichtet.
Abb. 3 Stalin, Churchill und Roosevelt. Drei Männer, die die Welt veränderten. Zwei davon
hatten Schuppenflechte. In: Adatto M. Lebendige Haut. Schmucktätowierungen und Dermatologie.
Editiones Roche, Basel 1993.
Es drängt sich die Frage auf, ob Stalins ungeheuerliche Aktivitäten in ursächlichem
Zusammenhang mit seiner Schuppenflechte gesehen werden dürfen. Wohl nicht. Aber das
pockennarbige Gesicht und der verunstaltete Arm mögen negative psychische Auswirkungen
gehabt haben, die sein paranoisches Verhalten gegenüber den Ärzten und seine Furcht
vor der Medizin erklären könnten. Übrigens steht in den Krankenakten auch, dass Stalin
1,62 m groß war und kurze, krumme Beine hatte.
Die Sängerin
Die Sängerin
Es gibt Melodien, Ohrwürmer, denen man sich einfach nicht entziehen kann. Auch dann
nicht, wenn man mit dem Verständnis des zugehörigen Textes so seine Schwierigkeiten
hat. Immer wieder widmen die Medien ihre Aufmerksamkeit Zarah Leander , der Schwedin mit der sonoren, wodka-, später whisky-geschwängerten Stimme. Das liegt
wohl einerseits an den nach wie vor verführerischen Melodien, die zumeist von Michael
Jary komponiert worden waren und später auch von Udo Lindenberg, Nina Hagen, Erika
Pluhar, Milwa, Romy Haag und André Heller gesungen wurden. Andererseits geht es um
Vergangenheitsbewältigung. Es hieß, Zarah Leander sei eine Diseuse von Goebbels Gnaden
gewesen. Möglicherweise hatte der Reichspropagandaminister die beliebte UFA-Schauspielerin
auserkoren, um Hollywood-Stars wie Greta Garbo und Marlene Dietrich vergessen zu machen.
Abb. 4 Zarah Leander im Alter von 49 Jahren. In: Seiler P. Ein Mythos lebt. Zarah Leander.
Verlag Druckpunkt, Berlin 1991.
Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n. Nach der Lektüre des Buchs der Tochter Michael Jarys [12 ] erscheint es plausibel, dass das erwartete Wunder mit der gleichermaßen unerschöpflichen
wie unerfüllten Liebe zu Michael Jary zu tun haben sollte. Davon geht die Welt nicht unter, sieht man sie auch manchmal grau . Diese Zeile aus einem weiteren Erfolgstitel der Leander passt recht gut zu einem
Menschen, der sich unverzagt mit einer hartnäckigen Krankheit auseinandersetzt. Vor
nahezu 30 Jahren hatte Heinz-Egon Kleine-Natrop, Hautarzt in Dresden, die Schuppenflechte
der Leander erwähnt [13 ]. Auf einem Schwarzweißfoto der 49-jährigen finden sich besonders auf der Stirn zahlreiche,
an Sommersprossen erinnernde Flecke (Abb. [4 ]). Einige davon sind deutlich größer, bizarr begrenzt und unterschiedlich pigmentiert.
Diese sogenannten PUVA-Sommersprossen sind die Folge übermäßiger UV-Einwirkung, beispielsweise nach jahrelanger UV-Therapie.
Den Kinogängern wie den Leander-Biographen blieb diese Seite ihres Idols verborgen.
Doch in den Memoiren der Diva kommt das Wort „Psoriasis” vor, wenn auch nur ein einziges
Mal: Da leide ich zeitweise an Psoriasis, einer zwar nicht lebensgefährdenden Krankheit,
die aber einen ständigen Juckreiz hervorruft [14 ]. Sie dissimuliert. Zeitweise bedeutet rezidivierend , und ständiger Juckreiz spricht für eine aktive Phase der Erkrankung. In den letzten
Lebensjahren machte ihr Arthritis (psoriatica?) zu schaffen. Obwohl sie ihre Psoriasis
verbarg und als eher unwesentlich herunterspielte, hatte sie sich offensiv mit ihr
auseinander gesetzt.
Das Fotomodell
Das Fotomodell
Ihr Leben mit der Schuppenflechte schildert Karin Holstein in „Cover Girl Uncovered - A Woman's Journey” [15 ]. Schon im Alter von sechs Jahren war das Kind wohlhabender Eltern im Westdeutschland
der Nachkriegszeit an Psoriasis erkrankt. Seitdem war das Verbergen befallener Haut
eine immer wiederkehrende, qualvolle und perfektionierte Übung im erfolgreichen wie
glamourösen Leben des prominenten Fotomodells. Die Behandlung dieser Schuppenflechte
kann zunächst mit „Meer und Sonne” beschrieben werden. Darüber hinaus blieben ihr
unangenehme Erinnerungen an eine misslungene Teerbehandlung in der Kindheit. Als Schülerin
in Paris überzeugte sie ein befreundeter plastischer Chirurg davon, dass sie die Schuppenflechte
mit den Lieblingsspeisen Käsekuchen und Schokolade nie loswerden würde. Stattdessen
solle sie Früchte, Gemüse, Körner, Fisch, wenig rotes Fleisch und keine Süßigkeiten
essen. Der Wechsel im Speiseplan und viel Bewegung wirkten wunderbar. Begriffe wie
„Therapie” oder „Dermatologe” kommen im Buch der Enkelin eines Arztes nicht vor.
Es blieb die Furcht vor dem Entblößen des sorgsam Verdeckten. Erst das gefragte Fotomodell
erlebte die Befreiung von dieser Furcht. Das geschah unerwartet. Sie war dem Meer
und der Sonne mehr als drei Monate fern geblieben und ihre Hände stark von Psoriasis
gezeichnet. In dieser Situation hatte ein besonders reputierter Juwelier ein Werbephoto
gewünscht, auf dem das Fotomodell mit einem Ring und passenden Ohrringen nebst Kette
zu sehen sein sollte. Verzweifelt lehnte sie ab. Sehen Sie sich meine Hände an! Den Juwelier beeindruckte das nicht. Ist das alles? Kein Problem. Wir lieben Ihr wunderbares Gesicht. Wen interessieren
schon Ihre Hände! Wir werden ein Hand-Modell heranholen. Mit diesen wenigen Sätzen war jahrelanger Kummer hinweg gefegt. All' die Beleidigungen
und die als junges Mädchen erduldeten Hänseleien verschwanden in diesem Moment.
Es bleibt eine Frage. Wurden Dithranol, Jadassohn’sche Kopfsalbe, Kortikosteroide,
Etretin, UVB und PUVA nicht erwähnt, weil alle diese komplett versagt hatten? Oder
war die intelligente, zielstrebige, energische und wohlhabende Frau jahrzehntelang
ausschließlich von Ärzten behandelt worden, deren Spezialkenntnisse Psoriasis nicht
betrafen? Prominente scheinen gelegentlich prädestiniert zu sein, von wohlmeinenden,
befreundeten oder verwandten, leider aber auch inkompetenten Ärzten abgeschirmt zu
werden.
Krankheitsbürde und Lebensqualität
Krankheitsbürde und Lebensqualität
Erfreulicherweise nimmt das öffentliche Interesse an der Last, die dem Betroffenen
und der Gesellschaft von der Psoriasis aufgebürdet wird, zu. In letzter Zeit wurden
mehrere Analysen zum Thema Krankheitslast und Lebensqualität zugänglich. Bei deren
Bewertung sollte man die Interessenlage und den Blickwinkel der Untersucher bzw. deren
Auftraggeber nicht außer Acht lassen. So interessieren
die Betroffenen vor allem die krankheitsbedingten Belastungen in Beruf und Privatleben, die sie selbst
auch am besten beurteilen können. So kommentiert PSOaktuell - der Ratgeber bei Schuppenflechte
- auf Seite 9 in Heft 2/2004 die Aussetzung der Haftstrafe für den Psoriasiskranken
und einstigen Firmenchef des Ölkonzerns Elf, Loik Le Floch-Progent : Und das kann ehrlichen Leidensgefährten des Wirtschaftskriminellen in sofern Recht
sein, als damit auch juristisch anerkannt wird, dass Schuppenflechte ohne Verschulden
schon Strafe genug sein kann
viele Politiker und diejenigen, die über die Verwendung des bei den Krankenkassen abgelieferten Geldes entscheiden, insbesondere Einsparungsmöglichkeiten
die Hersteller und Vertreiber von Medikamenten insbesondere die mit maximalem Gewinn medikamentös zu behandelnden Fälle. Und so
weiter und so fort.
Hier sollen vor allem Strategie und Taktik des Lebens mit der Krankheit besprochen
werden. Sollte man die offensive Auseinandersetzung suchen und als bekennender Psoriatiker
auftreten? Oder ist es besser, die kranken Stellen zu verbergen und alle Gedanken
an die Krankheit zu verdrängen? Denn auch Gedanken können kränken. Psoriasis ist vielgesichtig
[16 ]. Ihr Spektrum reicht vom nicht diagnostizierten Plaque am Ellenbogen bis zur Erythrodermie
mit Arthritis psoriatica. Einige der hier genannten Prominenten litten so stark, dass
sie das der Öffentlichkeit mitteilten.
Subjektiv wird auch die schwer verlaufende Psoriasis unterschiedlich bewertet, von
davon geht die Welt nicht unter [14 ] bis zu Inferno [17 ]. Nicht der objektive Befund ist ausschlaggebend sondern die Krankheitsbürde.
Es fehlt nicht an Versuchen zur Etablierung verlässlicher Maßstäbe, um die Gesamtbelastung
durch Psoriasis in Zahlen umsetzen zu können. Das versprechen Verfahren, die eine
Gesamtschau über klinischen Schweregrad, Lebensqualität und Dysstress ermöglichen
sollen. Die nach wie vor auffälligen Unterschiede zwischen den Ergebnissen der Bestimmung
klinischer Schweregrade und denen der überwiegend psychologisch-soziologisch orientierten
Methoden wurden als Hinweis auf die Notwendigkeit einer noch umfassenderen Bewertung
der Psoriasis interpretiert [18 ]. Auch das sinnvolle Wichten der Faktoren dürfte eine wahre Kunst sein.
Erhebliche Unterschiede zwischen der messbaren Ausprägung der Erkrankung und der Krankheitsbürde
können bereits anhand statistischer Daten definiert werden. Von den 4,5 Millionen
Psoriasiskranken in den USA sind mehr als 1 Million mit ihrer gegenwärtigen Behandlung
zutiefst unzufrieden; doch nur bei 5 % von letzteren war die Haut großflächig (mehr
als drei Handteller) befallen [19 ]. Die 3753 befragten, meist leicht bis mittelschwer erkrankten Mitglieder des Deutschen
Psoriasisbundes empfanden die Einschränkung ihrer Lebensqualität zu 25 % als geringgradig,
zu 60 % als problematisch und zu 15 % als stark [20 ].
Die besprochenen Biographien Prominenter zeigen, dass diese - soweit bekannt - mit
ihrer Schuppenflechte um so besser zurecht kamen je früher und intensiver sie sich
mit ihr auseinander setzten. Andere verbargen die Schuppenflechte aus Scham oder Karrieregründen
und litten deshalb - soweit bekannt - unnötig und übermäßig. Es ist schon erstaunlich,
wie wenig auch manche ausgesprochen intelligenten, zielstrebigen und wohlhabenden
Personen über ihre Psoriasis wissen.
Dagegen kennt und vermeidet der informierte Psoriasiskranke auslösende Faktoren und
weiß um den chronisch-rezidivierenden Verlauf. Er kennt auch zumindest diejenigen
therapeutischen Maßnahmen, die ihm besonders gut oder schlecht bekommen. Er hat bessere
Chancen, einen spezialisierten Therapeuten zu finden, wie auch therapeutische Handlungen
sachkundig vorzunehmen. Therapie-Erfolge geben Lebenskraft. Auch vermeidet der informierte
Kranke Enttäuschung infolge unerfüllbarer Erwartungen. Die zitierte [17 ], tiefe Unzufriedenheit von Kranken mit nur kleinflächigem Befall der Haut reflektiert
ein Missverhältnis von Erwartung und Möglichkeit.
Summa summarum sprechen die hier angeführten Biographien dafür, den mühsamen Weg zum informierten
Betroffenen um so früher und konsequenter einzuschlagen, je stärker die Krankheitsbürde
drückt. Der informierte Psoriatiker kennt seine Krankheit, kann mit ihr und ihrer
Behandlung gut umgehen und kämpft erfolgreich um seinen beruflichen und sozialen Status.