Der Klinikarzt 2004; 33(5): 121-125
DOI: 10.1055/s-2004-828633
GI-Erkrankungen

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Gestörte Galleproduktion oder gestörter Galleabfluss - Cholestatische Leber-erkrankungen extra- oder intrahepatischer Genese - ein Überblick

Disordered Bile Production or Bile Flow - Cholestatic Liver Disease of Extrahepatic or Intrahepatic GenesisE.M. Bayer1 , P.R. Galle1
  • 1I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz (Direktor: Prof. Dr. P.R. Galle)
Further Information
#

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. P.R. Galle

I. Medizinische Klinik und Poliklinik

Johannes-Gutenberg-Universität

Langenbeckstr. 1

55101 Mainz

Publication History

Publication Date:
09 June 2004 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Verschiedenste Erkrankungen können eine Störung der Galleproduktion oder des Galleabflusses hervorrufen. Anhand von Anamnese, körperlichem Untersuchungsbefund und der sonografischen Beurteilung der Gallenwege kann eine intra- oder extrahepatische Genese der Cholestase vermutet werden. Laborbefunde, eine endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP) und die Leberhistologie sichern die Diagnose. Die wichtigsten Ursachen einer extrahepatischen Cholestase sind die Choledocholithiasis und Pankreaskopfneoplasien. Virale Hepatitiden und hepatotoxische Nebenwirkungen von Medikamenten dagegen sind die häufigsten Ursachen einer intrahepatischen Cholestase, seltener kommen autoimmune Lebererkrankungen und Stoffwechselerkrankungen der Leber vor.

#

Summary

A wide range of diseases can induce a disturbance of bile production or bile drainage. On the basis of the patient's medical history, the results of a clinical examination and the sonographic assessment of the biliary tract, an intra- or extra-hepatic genesis can be suspected. The diagnosis is then confirmed by laboratory findings, an endoscopic retrograde cholangiopancreatography (ERCP) and liver histology. The most important causes of an extrahepatic cholestasis are choledocholithiasis and neoplasia of the head of the pancreas. The most important causes of an intrahepatic cholestasis, on the other hand are viral hepatitides and hepatotoxic side effects of drugs. Autoimmune liver diseases and metabolic disorders of the liver are less common.

Eine Cholestase ist definiert als Störung der Galleproduktion oder des Galleabflusses, die an jedem Punkt zwischen der sinusoidalen Membran der Hepatozyten und der Papilla Vateri auftreten kann. Gallesalze, Cholesterin, Phospholipide, Proteine, Elektrolyte, Wasser und konjugiertes Bilirubin werden dann nicht mehr oder nur in vermindertem Maße in das Duodenum sezerniert. Die pathophysiologischen Auswirkungen der Cholestase sind nur unvollständig geklärt. Vermutlich werden jedoch - unter anderem durch die Retention hydrophober Gallesalze in den Mitochondrien - freie Radikale gebildet, die zum Zelluntergang führen [5].

Das pathologische Bild cholestatischer Lebererkrankungen variiert mit der spezifischen Krankheit. Gemeinsames makroskopisches Phänomen ist jedoch eine vergrößerte, grünlich verfärbte Leber mit abgerundetem Randwinkel. Die Mikroskopie zeigt den Rückstau von Gallesekreten in den Hepatozyten, die später degenerativ verändert sein können, die Gallengänge proliferieren. Mit zunehmender Dauer der Cholestase kommt es zu einer Fibrosierung der Leber, die zunächst noch reversibel ist. Bei einem chronischen Verlauf der Erkrankung kann eine biliäre Zirrhose entstehen.

Die Patienten klagen häufig über Ikterus und Juckreiz. Bei der körperlichen Untersuchung fällt die vergrößerte und abgerundete Leber auf. Eine Splenomegalie findet sich erst, wenn bereits eine biliäre Zirrhose vorliegt. Xanthelasmen, flache oder leicht erhabene Lipidablagerungen - beispielsweise periorbital -, kommen bei Patienten mit cholestatischen Lebererkrankungen gehäuft vor, sie können sich nach Beseitigung der Cholestase zurückbilden [5].

Unklar ist die Genese des Pruritus. Die Retention des kausalen Agens im Rahmen der Cholestase erscheint wahrscheinlich, bisher konnte dieses aber nicht identifiziert werden. Oft ist der cholestatisch bedingte Juckreiz nur schwer zu kontrollieren. Als medikamentöse Optionen stehen hierzu Cholestyramin, Antihistaminika und Opiatantagonisten zur Verfügung [3].

70-80 % aller Patienten mit cholestatischen Lebererkrankungen leiden unter chronischer Müdigkeit. Ob deren Ursache in der Grunderkrankung oder der Galleabflussstörung zu sehen ist, ist unklar.

Ein Mangel an im Gastrointestinaltrakt zu Verfügung stehenden Gallesalzen resultiert in einer verminderten Absorption von Fetten und fettlöslichen Vitaminen (Vitamin A, D, E, K) aus dem Darm. Dies führt zum Auftreten von Steatorrhöen. Bereits nach kurzem Bestehen einer Cholestase kann es zu einem Mangel an Vitamin K und zu einem Anstieg der INR („international normalized ratio”, Thromboplastinzeit) kommen. Im längeren Verlauf einer cholestatischen Lebererkrankung kann ein Vitamin-A-Mangel zu Nachtblindheit führen. Auswirkungen eines Vitamin-E-Mangels, wie beispielsweise zerebelläre Ataxien und periphere Neuropathien wurden bisher nur bei Kindern mit cholestatischen Lebererkrankungen beschrieben - obwohl auch bei Erwachsenen die Vitamin-E-Spiegel bei anhaltender Cholestase sinken. Zu einer Osteomalazie kann es aufgrund eines Vitamin-D-Mangels kommen. Meist leiden Patienten mit cholestatischen Lebererkrankungen jedoch unter einer Osteoporose, die durch eine steroidhaltige Therapie der Grunderkrankung aggraviert werden kann. Wird eine solche Therapie eingeleitet, sollte grundsätzlich die Substitution von Kalzium und Vitamin D in Ergänzung zu den Vitaminen A, E, K erfolgen [5].

#

Kasuistik

Ein 35-jähriger Patient wurde wegen eines neu aufgetretenen Ikterus eingewiesen, dieser hatte sich über mehrere Tage entwickelt. Begleitende Infektzeichen, Schmerzen oder eine B-Symptomatik waren nicht aufgefallen, der Patient klagte jedoch über eine seit Monaten bestehende chronische Müdigkeit. In der Vorgeschichte des Patienten fanden sich rezidivierende Erhöhungen der Cholestaseparameter und Transaminasen, die sich immer spontan normalisiert hatten. Weitere internistische Vorerkrankungen bestanden nicht. Der Patient gab an, wenig Alkohol zu trinken und verneinte stattgehabte Risikokontakte. Die Medikamenten- und Reiseanamnese des Patienten war unauffällig. In der Familienanamnese des Patienten fand sich ein Onkel, welcher an einer kryptogenen Leberzirrhose verstorben war.

Die Laboruntersuchungen zeigten eine Erhöhung der Cholestaseparameter auf das Zehnfache und der Transaminasen auf das Dreifache der Norm. Zusätzlich konnten antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCAs) nachgewiesen werden. Im Ultraschall fielen Zeichen der chronischen Leberparenchymschädigung und eine ausgeprägte intrahepatische Cholestase auf. Die endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikografie zeigte das typische perlschnurartige Bild einer primär sklerosierenden Cholangitis [Abb. 1], welche durch die Leberhistologie bestätigt werden konnte.

Nach endoskopischer Dilatation zweier prominenter Stenosen kam es zu einem raschen Abfall der Leberwerte. Der Patient konnte nach Einleitung einer Therapie mit Ursodesoxycholsäure entlassen werden. Ihm wurde eine engmaschige ambulante Anbindung zur regelmäßigen Überprüfung der Notwendigkeit einer immunsuppressiven Therapie und des Progresses der Erkrankung empfohlen.

#

Diagnostik

Der diagnostische Algorithmus beginnt mit der Anamnese und Untersuchung des Patienten. Wichtige anamnestische Daten sind der Verlauf des Ikterus, eine begleitende B-Symptomatik, Schmerzen oder Infektzeichen. Weiterhin sollten möglicherweise in der Vergangenheit aufgetretene Episoden mit ähnlicher Symptomatik erfragt werden. Auch nach Risikofaktoren für virale Hepatitiden sollte gefragt und eine Alkohol-, Reise- und Medikamentenanamnese sollte erhoben werden. Die Familienanamnese insbesondere bezüglich Lebererkrankungen, Autoimmunerkrankungen und Neoplasien ist ebenfalls von Interesse.

Eine vollständige körperliche Untersuchung ist obligat. Hierbei sollte insbesondere auf das Vorliegen von Leberhautzeichen (Palmarerythem, Spider naevi, Lackzunge, Weißnägel, Bauchglatze) als Hinweis für eine chronische Lebererkrankung geachtet werden. Die Palpation von Leber und Milz gibt ebenfalls Hinweise auf das Stadium der Erkrankung. Bei akuten Obstruktionen des Ductus hepaticus communis (DHC) sind Schmerzen bei der Palpation des Oberbauches zu erwarten. Zudem ist auf Zeichen einer bereits dekompensierten Leberzirrhose wie Beinödeme, Flattertremor („flapping tremor”), hepatische Enzephalopathie und Aszites zu achten.

Erste Hinweise auf die Genese der Erkrankung kann die Bestimmung der Leberwerte liefern. So ist eine Erhöhung des direkten Bilirubinspiegels typisch für eine cholestatische Laborkonstellation. Ein Anstieg der Transaminasen zusätzlich zur Erhöhung der Cholestaseparameter - alkalische Phosphatase (AP), Gammaglutamyltranspeptidase (g-GT) und Bilirubin - kann auf eine virale oder autoimmune Hepatitis mit cholestatischem Verlauf hinweisen. Ist allein das Bilirubin erhöht, sollte man - insbesondere wenn diese Situation mit einer verminderten Nahrungsaufnahme assoziiert ist - immer an einen Morbus Meulengracht denken.

Die Labordiagnostik sollte - zusätzlich zu Blutbild, Nierenretentionsparametern und Entzündungsparametern - eine Virusserologie zum Ausschluss einer Hepatitis-A-, -B- oder -C-Virusinfektion oder einer Infektion mit dem Epstein-Barr- oder dem Zytomegalievirus (EBV und CMV) umfassen. Hinweis auf eine Stoffwechselerkrankung der Leber kann eine Transferrinsättigung von über 60 % als Indiz für eine mögliche Hämochromatose sein, ein erniedrigter Coeruloplasminspiegel ist ein Merkmal eines M. Wilson und ein erniedrigter a1-Antitrypsin-Spiegel ein Zeichen eines angeborenen a1-Antitrypsin-Mangels. Außerdem sollte eine Bestimmung der typischerweise bei autoimmunen Lebererkrankungen auftretenden Autoantikörper erfolgen: antinukleäre Antikörper (ANA), antineutrophile Antikörper (ANCA), Antikörper gegen lösliches Leberantigen (SLA/LP), antimitochondrale Antikörper (AMA), Antikörper gegen glatte Muskulatur (SMA).

Die erste bildgebende Methode sollte eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens zur Beurteilung der Pankreas- und Lebermorphologie sowie der Weite der extrahepatischen und intrahepatischen Gallenwege sein. Sind diese erweitert, ist von einer Obstruktion auszugehen, weshalb eine endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP) zur weiteren Abklärung und gegebenenfalls Therapie angeschlossen werden sollte. Bei Patienten, bei denen diese Untersuchung nicht zumutbar erscheint, besteht die Möglichkeit, die Obstruktion mithilfe einer Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie (MRCP) näher einzugrenzen. Sind es jedoch anatomische Ursachen, die eine ERCP nicht zulassen, ist mithilfe einer perkutanen transhepatischen Cholangiodrainage (PTCD) die Ableitung des Gallesekretes möglich. Sind die Gallenwege nicht erweitert, sollte eine Leberbiopsie angestrebt werden.

#

Differenzialdiagnose und Therapie

Die Genese cholestatischer Lebererkrankungen kann in extrahepatische und intrahepatische Ursachen unterschieden werden. Am häufigsten entsteht eine extrahepatische Gallenwegsobstruktion auf dem Boden einer Choledocholithiasis. Diese geht meist mit einem raschen Auftreten des Ikterus und einer akuten kolikartigen Schmerzsymptomatik im rechten Oberbauch einher. Die Ultraschalluntersuchung zeigt dilatierte Gallengänge, und durch eine ERCP [Abb. 2] kann der Stein gesichert und meist beseitigt werden. Hat der Patient Fieber und liegt eine Entzündungskonstellation vor oder gibt es einen Hinweis auf eine biliäre Pankreatitis, sollte diese Maßnahme notfallmäßig erfolgen.

Besteht nachweislich eine Cholezystolithiasis, sollte eine Cholezystektomie direkt oder im Intervall angeschlossen werden, um eine Wiederholung der Symptomatik zu verhindern. Bei Patienten mit schmerzlosem Ikterus muss an das Vorliegen eines Pankreaskarzinoms, seltener eines Papillenkarzinoms oder eines cholangiozellulären Karzinoms gedacht werden.

Mithilfe der ERCP kann die Obstruktion genauer lokalisiert und eine Ableitung des Sekretes zur Prophylaxe einer Superinfektion vorgenommen werden. Um die Ausdehnung des Lokalbefundes beurteilen zu können, muss jedoch eine weitere bildgebende Diagnostik folgen. Eine seltene Ursache einer extrahepatischen Cholestase sind Duodenaldivertikel.

#

Hepatitiden

Häufig sind virale Infektionen mit teils cholestatischem Verlauf Grundlage von akuten oder chronischen Lebererkrankungen. Wichtig in diesem Zusammenhang sind insbesondere die Hepatitis A, B, D und C. Die Hepatitis A wird fäkal bzw. oral übertragen. Fulminante Verlaufsformen sind selten, chronische Verläufe sind nicht beschrieben. Die Erkrankung hat eine sehr gute Prognose und bedarf lediglich einer supportiven Therapie. Auch die Hepatitis E wird fäkal bzw. oral übertragen, kommt jedoch vorwiegend in Entwicklungsländern vor. Sie zeichnet sich durch einen akuten Krankheitsverlauf aus, die Mortalitätsrate liegt bei 1-2 % - bei Schwangeren sogar bei 10-20 %. Chronische Verlaufsformen sind nicht bekannt. Auch hier erfolgt lediglich eine symptomatische Therapie.

Wichtiger als Ursache chronischer Lebererkrankungen ist eine Hepatitis-B-Virusinfektion (HBV-Infektion) mit einer weltweiten HbsAg-Träger-Rate von 0,1-0,2 % und einer hohen Rate an chronischen Verläufen (5-10 %). Auch hier sind fulminante Verläufe eher selten, die Übertragung erfolgt parenteral, durch Geschlechtsverkehr und unter der Geburt. Bei einer Transaminasenerhöhung ist ein Therapieversuch mit Interferon sinnvoll. Die Erfolgsaussichten sind mit einer Rate von etwa 15 % HBV-DNA-negativen Patienten sechs Wochen nach Beendigung der Therapie immer gegen die möglichen unerwünschten Nebenwirkungen einer antiviralen Therapie abzuwägen. Ist eine antivirale Therapie nicht erfolgreich, kann die Replikation des Virus mit Lamivudin unterdrückt werden. Unter dieser Therapie können Lamivudin-Resistenzen entstehen. Durch das Hepatitis-D-Virus kann es bei HBV-infizierten Patienten zu einer Superinfektion kommen, welche den Verlauf der Erkrankung kompliziert. Das Hepatitis-D-Virus kann auch in Koinfektion mit dem Hepatitis-B-Virus erworben werden.

Die Transmission des Hepatitis-C-Virus erfolgt parenteral, in 85 % der Fälle verläuft die Erkrankung chronisch. Abhängig vom Schweregrad der hepatischen Schädigung variiert der Verlauf der Hepatitis-C-Infektion stark, was die Entscheidung über eine mögliche Kombinationstherapie mit Interferon und Ribavirin in Grenzfällen schwierig macht. Konsens ist die Einleitung einer Therapie bei Patienten mit chronischer Hepatitis C, die eine Erhöhung der Transaminasen, eine histologisch gesicherte entzündliche Aktivität und beginnende Fibrose oder eine akute Hepatitis-C-Infektion zeigen [4].

Andere virale Hepatitiden, wie zum Beispiel die Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, dem Herpes-simplex-Virus und dem Zytomegalievirus, oder bakterielle Infekte - beispielsweise bedingt durch Leptospiren, Brucellen, typische und atypische Mykobakterien - sind selten.

Parasiten wie Schistosomen, Amöben, Malaria und Echinokokken können ebenfalls eine cholestatisch verlaufende Lebererkrankung auslösen. Auch im Rahmen einer Sepsis oder Septikämie kann eine cholestatische Laborkonstellation entstehen, welche nach Therapie der Grunderkrankung zurückgeht.

#

Alkohol und Medikamente

Weitere häufige Ursachen einer akuten Leberschädigung sind hepatotoxische Nebenwirkungen verschiedener Medikamente und Alkohol. Diese Toxine können über unterschiedlichste Mechanismen verschiedene pathologische Erscheinungsbilder hervorrufen. Diese reichen von cholestatischen, hepatitischen Krankheitsbildern bis zu einer venookklusiven Erkrankung. Wichtigste diagnostische Instrumente sind in diesem Fall eine ausführliche Medikamentenanamnese - die auch möglicherweise eingenommene Naturheilmittel berücksichtigt -, die histologische Begutachtung der Leberbiopsie und der Verlauf der Erkrankung nach dem Absetzen des verursachenden Agens.

#

Autoimmunerkrankungen

Mit der autoimmunen Hepatitis (AIH), der primär biliären Zirrhose (PBC) und der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) sind drei organspezifische Autoimmunerkrankungen für die Leber beschrieben. Typisch ist ein cholestatischer Verlauf für die primär biliäre Zirrhose und die primär sklerosierende Cholangitis, wogegen die autoimmune Hepatitis eher eine hepatitische Laborkonstellation hervorruft. Auch Overlap-Syndrome zwischen diesen Erkrankungen sind möglich.

Bei der Differenzierung helfen laborchemische Charakteristika wie eine isolierte Immunglobulin-G(IgG)-Erhöhung bei Patienten mit autoimmuner Hepatitis. Bei einer primären biliären Zirrhose dagegen liegt häufig ein erhöhter IgM-Wert vor. Spezifisch für eine Autoimmunhepatitis sind anti-SLA/LP-Antikörper (Antikörper gegen lösliches Leberantigen), wogegen andere mit Lebererkrankungen assoziierte Autoantikörper („smooth muscle antibodies” = SMA, „liver kidney microsome” = LKM, „antinuclear antibody” = ANA) beispielsweise auch bei viralen Lebererkrankungen vorkommen. Antimitochondrale Antikörper weisen auf eine primäre biliäre Zirrhose hin, dagegen kennzeichnen p-ANCAs („perinuclear anti-neutrophil cytoplasmic antibodys”) eine primäre sklerosierende Cholangitis [1] [2].

Bei einer cholestatischen Laborkonstellation sollte eine endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikografie durchgeführt werden, um andere Ursachen einer Cholestase auszuschließen und gegebenenfalls das typische perlschnurartige Bild multipler Stenosierungen der extra- und intrahepatischen Gallengänge bei Patienten mit einer primären sklerosierenden Zirrhose nachzuweisen. Bei Stenosierungen der extrahepatischen Gallengänge kann eine PSC somit auch das Bild einer extrahepatischen Cholestase präsentieren. Eine primäre biliäre Zirrhose dagegen zeigt - da die kleinen Gallengänge betroffen sind - ebenso wie die Autoimmunhepatitis keinen typischen ERCP-Befund.

Bei allen drei Erkrankungen ist die Leberhistologie zur Sicherung der Diagnose, Abschätzung der Therapieindikation und Prognose obligat ([Abb. 3] und [4]). Nur bei der Autoimmunhepatitis ist der Wert einer immunsuppressiven Therapie ausreichend gesichert, um eine Kombinationstherapie mit Prednisolon und Azathioprin als Therapiestandard zu empfehlen. Bei der primären biliären und primär sklerosierenden Zirrhose sollte bei deutlicher entzündlicher Aktivität und Progress der Erkrankung eine immunsuppressive Therapie mit dem Patienten diskutiert werden. Ansonsten steht die Gabe von Ursodesoxycholsäure und die endoskopische Therapie der Gallengangsstenosen bei Patienten mit primär sklerosierender Cholangitis zur Verfügung.

#

Stoffwechselerkrankungen

Seltene Ursachen einer intrahepatischen Cholestase sind die oben erwähnten Stoffwechselerkrankungen der Leber (M. Wilson, Hämochromatose und Alpha-1-Antitrypsinmangel) und angeborene Störungen der Gallensäureexkretion wie das Dubin-Johnson-Syndrom, das Rotor-Syndrom und die benigne rekurrente intrahepatische Cholestase und der M. Byler [Abb. 5]. Wichtige Hinweise für diese Erkrankungen finden sich in der Leberhistologie. Auch infiltrative Lebererkrankungen wie eine Amyloidose, die maligne Infiltration durch Lymphome und eine diffuse Metastasierung solider Tumoren können das Bild einer intrahepatischen Cholestase hervorrufen.

#

Glossar

#

Cholangiopankreatikografie

Röntgenkontrastdarstellung der Gallenwege und des Gangsystems des Pankreas.

#

Choledocholithiasis

So genanntes Gallensteinleiden, also das Vorhandensein eines oder mehrerer Gallenkonkremete in den Gallenwegen. Betroffen sind etwa 15 % der Erwachsenen (selten vor dem 20. Lebensjahr) - vor allem jedoch Frauen (besonders Mehrgebärende). Mit dem Alter nimmt die Prävalenz der Erkrankung auf bis zu 30 % zu, oft in Kombination mit Adipositas und Diabetes mellitus. Typische Symptome sind Gallenkoliken oder aber maskierte, indifferente rechtsseitige Oberbauchbeschwerden, nicht selten bleibt die Erkrankung völlig symptomlos.

#

Cholezystolithiasis

Das Vorhandensein eines oder mehrerer Gallenkonkremente in der Gallenblase.

#

Ductus hepaticus communis (DHC)

= der im Ligamentum hepatoduodenale verlaufende, aus der Vereinigung des rechten und linken Lebergallengangs hervorgehende Abschnitt der extrahepatischen Gallenwege zwischen Leber und Mündung des Gallenblasenganges.

#

Flattertremor

= „flapping tremor”; grobschlägiges Händezittern bei hepatischer Enzephalopathie.

#

hepatische Enzephalopathie

Eine wahrscheinlich durch Ammoniak-Mercaptane oder falsche Transmitter bedingte, krankhafte, nichtentzündliche Hirnveränderung (Enzephalopathie). Symptome sind Lethargie, Verwirrtheit, Flattertremor, extrapyramidale Bewegungsstörungen, Amnesie, Stupor, schließlich Koma.

#

Morbus Meulengracht

= Meulengracht-Krankheit, Gilbert-Meulengracht-Syndrom oder auch Icterus intermittens juvenilis. Dieser relativ häufig vorkommenden Erkrankung (2-5 % der Bevölkerung) liegt ein autosomal rezessiv vererbter Gendefekt der UDP-Glukuronosyltransferase zugrunde, der sich in einer Störung des Bilirubinabbaus äußert. Die Erkrankung betrifft mehr Männer als Frauen und manifestiert sich meist nach der Pubertät. Symptomatisch sind die gelb gefärbten Augen der Betroffenen, gelegentlich werden auch Blähungen, unspezifische Bauchschmerzen und Hautausschlag als Folgen der Krankheit angegeben.

#

Osteomalazie

= Knochenerweichung. Ursache dieser generalisierten Skelettveränderung mit unzureichender Mineralisation der Grundsubstanz ist ein Minderangebot an Kalzium und Phosphat bei Vitamin-D-Mangel, Malabsorption, Vitamin-D-Resistenz, Phosphatstoffwechselstörungen oder Stoffwechselerkrankungen. Symptome sind eine Deformation der Knochen (Glockenthorax, Skoliose, Keil-, Fischwirbel, Kyphosen, Genu valgum und varum), rasche Ermüdbarkeit, Muskelschmerzen, im Röntgenbild verminderte Dichte und Konturunschärfe der Knochen.

#

Morbus Wilson

Die so genannte Wilson-Krankheit ist eine autosomal-rezessiv erbliche Defektparaproteinämie mit einer Störung der Coeruloplasmin-Synthese (Serumspiegel < 10 mg/100 ml; normal 23-44 mg/100 ml) und einer Kupferanreicherung im Gewebe. Die Erkrankung kann zu extrapyramidalen Symptomen (Choreoathetose; dann Tremor, Rigor, Ataxie, Dysarthrie) infolge einer Degeneration der Stammganglien, zur Leberzirrhose, Aminoazidurie (Blockierung der Tubulusenzyme durch Kupfer), graubrauner Hautpigmentierung, Störung des Kohlenhydratstoffwechsels mit Hyperinsulinismus und Wesensänderung führen.

#

Splenomegalie

Akute oder chronische Milzvergrößerung als Symptom zum Beispiel einer portalen Hypertension, einer hämatologischen Krankheit (z.B. Polycythaemia vera, Leukosen, Retikulosen, Granulomatosen, Anämien), einer Splenitis oder Infektionskrankheit.

#

Steatorrhö

= Fettdurchfall; vermehrte Fettausscheidung mit dem Stuhl infolge Maldigestion bei Lipasemangel.

Zoom Image

Abb. 1 Typisches perlschnurartiges ERCP-Bild der extra- und intrahepatischen Gallengänge bei primär sklerosierender Cholangitis

Zoom Image

Abb. 2

Zoom Image

Abb. 3

Zoom Image

Abb. 4

Zoom Image

Abb. 5

#

Literatur

  • 1 Alvarez F, Berg PA, Bianchi FB. et al. . International Autoimmune Hepatitis Group Report: review of criteria for diagnosis of autoimmune hepatitis.  J Hepatol. 1999;  31 929-938
  • 2 Czaja AJ. Frequency and nature of the variant syndromes of autoimmune liver disease.  Hepatology. 1998;  28 360-365
  • 3 Freedman MR, Holzbach RT, Ferguson DR. Pruritus in cholestasis: no direct causative role for bile acid retention.  Am J Med. 1981;  70 1011-1016
  • 4 Jaeckel E, Cornberg M, Wedemeyer H. German Acute Hepatitis C Therapy Group . Treatment of acute hepatitis C with interferon alfa-2b.  N Engl J Med. 2001;  345 1452-1457
  • 5 Sherlock S, Dooley J. Diseases of the Liver and the Biliary System.  Berlin: Blackwell Verlag.
#

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. P.R. Galle

I. Medizinische Klinik und Poliklinik

Johannes-Gutenberg-Universität

Langenbeckstr. 1

55101 Mainz

#

Literatur

  • 1 Alvarez F, Berg PA, Bianchi FB. et al. . International Autoimmune Hepatitis Group Report: review of criteria for diagnosis of autoimmune hepatitis.  J Hepatol. 1999;  31 929-938
  • 2 Czaja AJ. Frequency and nature of the variant syndromes of autoimmune liver disease.  Hepatology. 1998;  28 360-365
  • 3 Freedman MR, Holzbach RT, Ferguson DR. Pruritus in cholestasis: no direct causative role for bile acid retention.  Am J Med. 1981;  70 1011-1016
  • 4 Jaeckel E, Cornberg M, Wedemeyer H. German Acute Hepatitis C Therapy Group . Treatment of acute hepatitis C with interferon alfa-2b.  N Engl J Med. 2001;  345 1452-1457
  • 5 Sherlock S, Dooley J. Diseases of the Liver and the Biliary System.  Berlin: Blackwell Verlag.
#

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. P.R. Galle

I. Medizinische Klinik und Poliklinik

Johannes-Gutenberg-Universität

Langenbeckstr. 1

55101 Mainz

Zoom Image

Abb. 1 Typisches perlschnurartiges ERCP-Bild der extra- und intrahepatischen Gallengänge bei primär sklerosierender Cholangitis

Zoom Image

Abb. 2

Zoom Image

Abb. 3

Zoom Image

Abb. 4

Zoom Image

Abb. 5