Aktuelle Urol 2004; 35(2): 77-78
DOI: 10.1055/s-2004-829448
Referiert und kommentiert

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Minimalinvasive Technik bei Prostatektomie von Vorteil

Prostatakarzinom
Further Information

Publication History

Publication Date:
15 July 2004 (online)

 
Table of Contents

Bei Patienten mit Prostatakarzinom bietet die laparoskopische radikale Prostatektomie mit Lymphknotendissektion Vorteile im Vergleich zum offenen Eingriff. Die Häufigkeit von Früh- und Spätkomplikationen ist beim laparoskopischen Eingriff ebenso geringer wie die mittlere Katheterverweildauer und der Klinikaufenthalt. Das hat ein Vergleich beider Techniken am Klinikum Heilbronn ergeben (Journal of Urology 2003; 169: 1689-1693).

Bei der Untersuchung wurden die Verläufe der Operationen und die Rate von Komplikationen bei 219 Patienten, die zwischen 1994 und 1999 offen operiert worden waren, mit denen von insgesamt 438 Patienten verglichen, bei denen der Eingriff zwischen 1999 und 2002 laparoskopisch erfolgt war. Je nachdem, ob der minimalinvasive Eingriff zu Beginn dieses Zeitraums oder in der zweiten Hälfte erfolgte, wurde bei diesen Patienten noch einmal eine frühe“ und eine späte“ Gruppe unterschieden.

Wie die Heilbronner Urologen berichten, überwogen beim laparoskopischen Eingriff trotz der anspruchsvollen Operationstechnik die Vorteile. Zwar war die Operationszeit in der offen operierten Gruppe mit durchschnittlich 196 min deutlich kürzer als in der frühen laparoskopischen Gruppe (288 min). Mit zunehmender Erfahrung der Operateure sank allerdings die Operationszeit in der späten Gruppe auf 218 min, so dass kein signifikanter Unterschied mehr bestand.

Zoom Image

Radikale Prostatektomie vor (a) und nach (b) der Radikaloperation (Bild: Urologie, Thieme, 2002).

Der mittlere Blutverlust war bei den offen Operierten (1550 ml) deutlich höher als in den laparoskopischen Gruppen (früh 1100 ml, spät 800 ml), ebenso die Transfusionsraten (56 vs. 30 vs. 10%). Frühe Komplikationen waren bei den Patienten mit offenem Eingriff ähnlich häufig wie bei den laparoskopisch Operierten der frühen Gruppe (19 vs. 14%), aber signifikant seltener in der späten Gruppe (6%).

Das Spektrum der Komplikationen unterschied sich deutlich. In der frühen laparoskopischen Gruppe gab es mehr Verletzungen des Rektums und des Urogenitaltrakts als in den beiden anderen Gruppen. Dagegen war die Häufigkeit von Lymphozelen, Wundinfektionen und von Embolien/Pneumonien in der Gruppe der offen Operierten erhöht. Unter den Spätkomplikationen erwiesen sich in den laparoskopischen Gruppen vor allem die geringeren Raten an Anastomosen-Strikturen (6,4% früh, 4,1% spät) im Vergleich zum offenen Eingriff (15,9%) von Vorteil.

Zoom Image
Zoom Image

Radikale Prostatektomie. Von einer medianen Unterbauchinzision wird nach einer auf die Fossa obturatoria begrenzten Lymphadenektomie aszendierend oder deszendierend die Prostata mit ihren Adnexen entnommen (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2003).

Weitere Pluspunkte des Eingriffs: Die Katheterverweildauer war mit im Mittel 7 Tagen deutlich kürzer als bei den offen Operierten (12 Tage), ebenso der Klinikaufenthalt (11-12 vs. 16 Tage). Bei den onkologischen Untersuchungen - positive Ränder, PSA-Rezidiv - gab es keine Unterschiede zwischen den 3 Gruppen.

#

Fazit

Die Ergebnisse sprechen insgesamt eindeutig für die laparoskopische Technik, vor allem bei zunehmender Erfahrung der Operateure. Die Technik ist in Heilbronn inzwischen die Methode der Wahl.

Roland Fath, Frankfurt

#

Erster Kommentar

Mit der laparoskopischen radikalen Prostatektomie wurde eine reizvolle Technik in einem neuen Einsatzgebiet der Urologie eingeführt. Rassweiler vergleicht die laparoskopische Prostatovesikulektomie innerhalb von 2 Zeiträumen mit einer historischen Gruppe radikal retropubisch operierter Patienten der eigenen Klinik.

Dem vom Autor gezogenen Fazit, die laparoskopische Technik der vorgestellten 219 Fälle spreche eindeutig für diese, kann aufgrund der dargestellten Daten jedoch nur eingeschränkt zugestimmt werden.

Die vorgestellte Untersuchung spiegelt die positive Entwicklung und hohe Kompetenz des laparoskopischen Operierens der Heilbronner Kollegen wider. Die anfänglich längere Operationszeit wurde mit zunehmender Erfahrung an das Niveau der offenen Operation mit 218 vs. 196 min nahezu angeglichen und spiegelt die schwierige Lernkurve wider.

Bezüglich der Komplikationsraten wird von den Autoren die in der Laparoskopiegruppe in 30,1 und 9,6% erforderliche Transfusion als Vorteil herausgestellt. Zu bedenken ist jedoch die in der Vergleichsgruppe der offen operierten Patienten inakzeptabel hohe Transfusionsrate von 55,7%, die über alle Stadien hinweg bei 10-15% veranschlagt werden sollte.

Über die Ausdehnung der Lymphadenektomie in den einzelnen Gruppen liegen ebenso wie über die Anzahl entfernter Lymphknoten keinerlei Daten vor. Hierdurch ist eine Wertung der lediglich in der offen operierten Gruppe aufgetretenen therapiebedürftigen Lymphozelen nicht möglich. Die Analyse der onkologischen Daten weist den zu erwartenden Shift der Tumorstadien zum lokal begrenzten Prostatakarzinom der Stadien pT1/2 in der zu einem späteren Zeitpunkt operierten laparoskopischen Gruppe im Vergleich zu der historischen“ Gruppe offen retropubisch operierten Patienten auf.

Die offen operierten Patienten mit einem medianen Follow-up von 67 Monaten (43-97) zeigten in 45,7% der Fälle ein lokal begrenztes Tumorstadium pT1-2, wogegen in der frühen Gruppe der laparoskopischen Operation in 55,3 und in der später operierten Gruppe in 65,3% ein lokogregionär begrenztes Prostatakarzinom vorliegt. Der Nachbeobachtungszeitraum für die laparoskopischen Gruppen liegen jedoch im Median lediglich bei 30 (45-13) bzw. 8 (13-1) Monaten.

Insbesondere unter Berücksichtigung der höheren Rate lokal begrenzter Tumorstadien in Verbindung mit den sehr unterschiedlichen Nachbeobachtungszeiträumen ist der PSA-Anstieg von 13,2% der Fälle in der früheren laparoskopischen Gruppe verglichen mit 17,4% der offen operierten als bedenklich zu werten. Die Autoren führen diesen Punkt jedoch nicht weiter aus. Weiterhin wird keine Stellung zu der Tatsache genommen, dass die Ränder des Präparates natürlich sehr weit gehend koaguliert sind, wenn es entnommen wird. Der Unsicherheitsfaktor in dieser Hinsicht ist insofern nicht ausreichend berücksichtigt. Die Heilbronner Arbeitsgruppe hat bei der Operation offensichtlich keine Gewebeproben aus der Umgebung entnommen und lediglich auf das Präparat vertraut. Der von Guillonneau in der früheren Entwicklungsphase der laparoskopischen radikalen Prostatektomie als nicht akzeptabel hoch beschriebene Anteil positiver Schnittränder von 17,6% konnte zwar bei den lokal begrenzten Prostatakarzinomen auf 10% gesenkt werden, es muss jedoch ein Anteil durch Koagulationsartefakte nicht entdeckter positiver Schnittränder einkalkuliert werden. Das biochemische oder klinische Tumorrezidiv zeigt sich naturgemäß erst zu einem späteren Zeitpunkt.

Die laparoskopische radikale Prostatovesikulektomie ist ein großer Erfolg der weiterentwickelten OP-Technik. Sie überträgt sich auf die Reputation eines Operateurs und somit die durchführende Klinik und hat dem Fach Urologie eine eindeutige Bereicherung gebracht. Der Gewinn für den betroffenen Patienten unterscheidet sich in 5 Trokareinstichen, von denen einer zur Organentnehme erweitert wird im Verhältnis zu einer ca. 12 cm langen medianen Unterbauchinzision. Nach bisheriger Datenlage fehlen Belege der onkologischen Vergleichbarkeit dieser Techniken. Dies liegt jedoch in der Natur der Sache und ist der Laparoskopie nicht anzulasten. Dennoch ist dieser Vergleich erforderlich.

Eine Anwendung der Methode ”one for all“ könnte das notwendige Augenmaß vermissen lassen und muss von den Protagonisten der Technik bedacht werden.

Eine subtile oder genormte Aufarbeitung des pathologischen Präparates und vor allen Dingen von Biopsien aus den Nachbarregionen der Prostata würden ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf die Rate positiver Absetzungsränder ge- währleisten. Die Zahl der entnommenen Lymphknoten ist zusätzlich von erheblicher Bedeutung, wie die aktuelle Literatur zeigt.

Die spannende und reizvolle Entwicklung der Laparoskopie und die hohe Fertigkeit, die die Kollegen in Heilbronn dabei entwickelt haben, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lernkurve für jeden Operateur ungleich schwieriger ist als bei der offenen Operation. Dies bedeutet gegebenenfalls, dass ungleich mehr Patienten dem Risiko dieser Lernkurve ausgesetzt werden müssen, verglichen mit der konventionellen Operation. Diese weist in geübten Händen einen hohen Standard auf und ist auch im Hinblick auf die ausgedehnte Lymphadenektomie derzeit der Goldstandard der radikalen Prostatektomie.

Verbesserungen der operativen Technik und vor allen Dingen Herstellung der Vergleichbarkeit der Daten muss in der Weiterentwicklung der laparoskopischen radikalen Prostatektomie das Ziel sein. Eine undifferenzierte Anwendung der Methode one for all“ in diesem Zusammenhang könnte das notwendige Augenmaß vermissen lassen und muss von den Protagonisten dieser Technik bedacht werden.

Prof. Detlef Frohneberg,

Dr. Martin Spahn, Karlsruhe

#

Zweiter Kommentar

Stellt die laparoskopische radikale Prostatektomie eine Weiterentwicklung in der Behandlung des logoregionären Prostatakarzinoms dar?

Mit der laparoskopischen radikalen Prostatektomie (LRP) steht neben den etablierten offenen Verfahren, der retropubischen Prostatektomie (RRP) sowie der radikalen perinealen Prostatektomie (RPP) eine weitere alternative Technik zur Behandlung des logoregionären Prostatakarzinoms zur Verfügung. Im Rahmen einer unizentrischen Studie soll der Vorteil dieses Verfahrens gegenüber der offenen retropubischen Operation untersucht werden.

In der retrospektiven unizentrischen Studie werden insgesamt 438 laparoskopisch zwischen 1999 und 2002 einer historischen Serie von 219 zwischen 1994 und 1999 retropubisch operierten Patienten gegenüber gestellt.

Die Patientenpopulation wird in 3 Gruppen aufgeteilt: 219 retropubisch offen (Gruppe 1), 219 früh (Gruppe 2) und 219 spät (Gruppe 3) laparoskopisch operierte Patienten. Die laparoskopisch operierten Patienten sind bezüglich Alter, PSA-Wert, Gleason-Score, vorangegangener TUR-P und neoadjuvanter Behandlung vergleichbar.

Verglichen werden OP-Dauer, Blutverlust und Transfusionsrate, Rektumverletzungen, Lymphozelenbildung, Wundinfektionen, Embolien und Pneumonien sowie Anastomosenstrikturen, die mediane Katheterverweildauer und die Anzahl tumorpositiver Schnittränder.

So zeigt insbesondere der Vergleich der späten laparoskopischen Serie mit der historischen retropubischen Serie eine Operationsdauer von 218 vs. 196 min, einen Blutverlust von 800 vs. 1550 ml und eine Transfusionsrate von 9,6 vs. 55,7%.

Rektumläsionen traten in 1,4 vs. 1,8% auf, Lymphozelen in 6,9 vs. 0% sowie Wundheilungsstörungen in 0,5 vs. 2,3%. Anastomosenstrikturen fanden sich in 4,1 vs. 15,9%. Die Kontinenz nach 12 Monaten unterschied sich ebenso wenig wie die Anzahl tumorpositiver Schnittränder.

Eine endgültige Beurteilung des Stellenwertes der einzelnen Verfahren kann nur im Rahmen einer multizentrisch prospektiven Studie erfolgen.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bei gleichem onkologischen Outcome und einer vergleichbaren Operationsdauer die LRP das Verfahren mit der geringsten peri- und postoperativen Morbidität darstellt.

Kommentar zur Arbeit

Die Studie zeigt, dass die LRP verglichen mit einer historischen Serie retropubisch operierter Patienten mit einer geringeren Morbidität verbunden ist. Hierbei müssen allerdings die einzelnen Parameter kritisch beleuchtet werden.

Wie bereits von den Autoren angeführt, ist es problematisch, historische Patientenserien mit geringerer OP-Frequenz (50 Eingriffe pro Jahr) aktuellen mit 4fach höherer OP-Frequenz gegenüberzustellen. Weiterhin hat sich in den letzten Jahren auch die perioperative Morbidität der RRP sukzessive signifikant vermindert und ist in aktuellen Serien mit hoher OP-Frequenz deutlich geringer als in der zitierten Kontrollgruppe.

OP-Dauer: Während bei der RRP obligat eine Lymphknotendissektion durchgeführt wurde, erfolgte dies bei der LRP (insbesondere bei Gruppe 2) nur selektiv, was den Vergleich der OP-Dauer nur eingeschränkt möglich macht. So zeigt eine aktuelle prospektive Studie eine signifikant niedrigere OP-Zeit zugunsten der RRP mit 105 +/- 17 Minuten für die RRP vs. 180 +/- 20 Minuten für die LRP bei selektiv durchgeführter Lymphadenektomie.

Blutverlust: Der Blutverlust konnte von im Mittel 1550 auf 800 ml, ebenso wie die Transfusionsrate von 55,7 vs. 9,6% reduziert werden. Leider ist mit einem immer noch sehr stark variirenden Blutverlust von bis 4000 ml und einer Transfusionsrate von 9,6% auf eine Bereitstellung von Konserven nicht zu verzichten, wenngleich die Transfusionshäufigkeit auch deutlich reduziert werden konnte. Allerdings ist der Blutverlust auch bei aktuellen retropubischen Serien heute deutlich niedriger als in der zitierten historischen Gruppe.

Rektumläsionen: Die Anzahl der Rektumläsionen konnte zwar geringfügig gesenkt werden, aber die Häufigkeit schwerwiegender Komplikationen wie Rektumfisteln war in der Laparoskopiegruppe deutlich höher. Dies findet sich auch unisono in der publizierten Literatur. Offensichtlich sind sowohl beim beim retropubischen als auch perinealen Zugang Rektumläsionen besser darstellbar und sicherer zu versorgen als bei der Laparoskopie.

Lymphozelen: Erwartungsgemäß kommt es bei der LRP zu keinen therapiebedürftigen Lymphozelen. Durch eine zwischenzeitlich selektiv auch beim retropubischen Operieren durchgeführte Lymph- knotendissektion konnte auch hier die Anzahl therapiebedürftiger Lymphozelen drastisch gesenkt werden.

Embolien und Pneumonien: Diese Ereignisse stehen im Zusammenhang mit der Lymphknotendissektion und treten bei selektiver Lymphknotendissektion signifikant seltener auf.

Anastomosenstrikturen: In der Vergangenheit ein schwerwiegendes und häufig dauerhaftes Problem. Die technische Weiterentwicklung der Blasenhalsrekonstruktion bei der RRP hat die Anzahl therapiebedürftiger Blasenhalsstenosen auf zwischen 0 und 3% senken lassen. Aktuelle retropubische Serien zeigen hier keinen Vorteil der laparoskopischen radikalen Prostatektomie.

Zusammenfassung

Neue Therapieverfahren wie die LRP müssen gegenüber den etablierten Verfahren wie RRP respektive RPP entwe- der ein besseres onkologisches Outcome oder eine geringere Morbidität und/oder bei gleichem Outcome und gleicher Morbidität geringeren Resourcenverbrauch aufweisen, um dauerhaft einen Stellenwert zu erlangen. Der Vergleich aktueller Operationsserien mit historischen Daten ist schwierig und lässt eine Nutzenanalyse nur sehr eingeschränkt zu.

So ergeben sich insbesondere in einem aktuellen prospektiven Vergleich der LRP vs. RRP in 2 Zentren keine signifikanten Unterscheide zwischen den beiden Verfahren. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bis jetzt die LRP keinen signifikanten Vorteil bezüglich der perioperativen Morbidität verglichen mit dem traditionell retropubischen Zugang bringt.

Weiterhin zeigt der Vergleich der prospektiv erfassten peri- und postoperativen Morbidität einer eigenen Serie von über 1000 perineal prostatektomierten Patienten mit risikoadaptierter laparoskopischer Lymphadenektomie, mit der zitierten LRP- Serie eine signifikannt geringere Morbidität. Bei einer Operationsdauer von im Mittel 88 min, einer Transfusionhäufigkeit von weniger als 1%, einer Blasenhalsstenosenrate <1% sowie 0,2% Rektumfisteln und einer hervorragenden Frühkontinenz von 60% trockener Patienten bei Entlassung ist das onkologische Outcome vergleichbar.

Eine endgültige Beurteilung des Stellenwertes der einzelnen Verfahren kann nur im Rahmen einer multizentrisch prospektiven Studie erfolgen, die dringend erforderlich ist.

Dr. Hansjörg Keller, Hof

Literatur beim Autor

#

Dritter Kommentar

In der vorliegenden Arbeit beschreiben Rassweiler et al. die Erfahrungen der Heilbronner Arbeitsgruppe mit der laparoskopischen radikalen Prostatektomie (n = 438) und vergleichen die Ergebnisse mit den Resultaten der operativen radikalen Prostatektomie aus dem gleichen Zentrum. Zudem vergleichen die Autoren die Resultate der 1. Phase der lapRRP (n = 219), mit einer 2. Phase der lapRRP (n = 219), ohne die Phase exakt zu definieren. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die lapRRP gegenüber der offenen RRP zu bevorzugen sei, da

  • der Blutverlust nach lapRRP geringer sei,

  • die Katheterverweilzeit und der stationäre Aufenthalt kürzer seien,

  • die onkologischen Therapieergebnisse gleichwertig seien und

  • eine geringere Rate der langfristiger Anastomosenstrikturen zu beobachten sei.

Die positiven Resultate sollten jedoch kritisch analysiert werden, um Schlussfolgerungen bezüglich des klinischen Stellenwertes der beiden radikalen Prostatektomietechniken, insbesondere für diejenigen, die noch nicht laparoskopisch operieren, zu vermeiden. Die lapRRP stellt eine Bereicherung des operativen Spektrums in der kurativen Therapie des lokalisierten PCA dar, allerdings bedürfen die Daten - ebenso wie diejenigen nach offener retropubischer oder perinealer RRP - einer fortwährenden kritischen Bestandsaufnahme.

Therapieresultate nach lapRRP einer erfahrenen Arbeitsgruppe können nicht ohne weiteres auf andere Zentren Ìbertragen werden.

Die Ergebnisse der offenen RRP basieren auf einem Kollektiv von 219 Patienten, die in einem Zeitintervall von 5 Jahren - 44 Prostatektomien/Jahr - operiert wurden. Die Daten der lapRRP beziehen sich auf ein Kollektiv von 521 Patienten, das in einem Zeitintervall von 3,5 Jahren - 140 Prostatektomien/Jahr - operiert wurden. Es stehen sich somit ein limitierter Erfahrungsschatz in der offenen Operationstechnik und ein sehr hoher Erfahrungsschatz in der lapRRP gegenüber, zumal die laparoskopische Trainingsphase vor der ersten lapRRP, wie von den Autoren richtig bemerkt, mehr als 750 laparoskopische Eingriffe an anderen Organsystemen beinhaltete.

Therapeutisches Outcome und Komplikationsraten nach RRP sind im Wesentlichen von der Erfahrung des individuellen Operateurs abhängig, so dass die moderne laparoskopische Serie der Heilbronner Arbeitsgruppe mit ebenfalls modernen Serien der offenen RRP ab 1999 verglichen werden sollte.

Durchschnittlicher Blutverlust und Transfusionsrate nach offener RRP werden von Rassweiler mit 1550 (200 - 8 000) ml bzw. 55,7% angegeben; diese Zahlen erscheinen im Vergleich mit modernen Serien unverhältnismäßig hoch und spiegeln eher die operative Lernkurve als die ungünstigere offene Operationstechnik wider. Metaanalysen moderner Studien sowie die Resultate unserer eigenen Serie aus den Jahren 1999 bis 2003 beschreiben einen durchschnittlichen Blutverlust von deutlich unter 1000 ml sowie eine Transfusionsrate im Bereich von £ 15% .

Die Katheterverweilzeit nach lapRRP wird mit durchschnittlich 7 (4-60) Tagen angegeben und 12 (7-75) nach offener RRP gegenübergestellt. Auch diese Daten bedürfen einer Aktualisierung. Im eigenen Patientenkollektiv beträgt die durchschnittlich Katheterverweilzeit seit 1999 5 (4-45) Tage, nachdem eine zystographisch dokumentierte Patenz der Anastomose in der Mehrzahl der Fälle bereits am 4. postoperativen Tag dargestellt werden konnte. Diese Daten entsprechen den Erfahrungen anderer Zentren mit hoher operativer Frequenz und führen zu einer deutlichen Reduktion der stationären Verweildauer. Die frühe Katheterentfernung ist mit einer interventionsbedürftigen Überkontinenz in 2,5% der Fälle vergesellschaftet. Ähnliche Daten werden von Koch et al. beschrieben, die eine Anastomosenpatenz in 72% der Patienten am postoperativen Tag 4 sowie eine Harnverhaltung bei früher Katheterentfernung in 3,6% der Patienten beschreiben. Die Blasenhalsinvagination nach Walsh hat sich aus unserer Erfahrung nicht bewährt und ist mit einer deutlich höheren Komplikationsrate vergesellschaftet.

Die mittlere Operationszeit der offenen RRP mit pelviner Lymphadenektomie wird mit 219 min angegeben und unterscheidet sich damit deutlich von der mittleren Operationszeit großer, erfahrener Zentren der offenen RRP, die eine Zeit von ca. 140 min beschreiben.

Die Autoren geben vergleichbare onkologische Resultate an und beziehen sich dabei auf die Rate der positiven Absetzungsränder des Prostatektomiepräparates. Interessant ist die Tatsache, dass sich die Rate positiver Absetzungskanten bei pT2b und pT3a in der späten Gruppe der lapRRP gegenüber der frühen Gruppe nahezu verdoppelt bzw. verdreifacht hat. Wie die Autoren richtig feststellen, hat sich die Rate der R1-Situationen nicht zwischen der offenen RRP und der lapRRP unterschieden; allerdings muss bei diesem Vergleich berücksichtigt werden, dass der Anteil organüberschreitender Prostatakarzinome in der Gruppe der offenen RRP (55%) 20% höher lag in der späten Gruppe der lapRRP (35%).

Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass sich die Therapieresultate der lapRRP und der offenen RRP unter Berücksichtigung moderner Entwicklungen nicht wesentlich unterscheiden, wenn die Operationen an Zentren mit entsprechender operativer Erfahrung erfolgen. Operationszeiten, Katheterverweilzeiten, Blutverlust und Transfusionsraten sowie Kontinenz- und Potenzraten sind im Wesentlichen vergleichbar. Diese Aussage wird durch eine kürzlich publizierte Studie belegt, die das funktionelle Ergebnis nach offener und laparoskopischer RRP prospektiv nach 1, 3, 6 und 12 postoperativen Monaten untersuchte. Die Autoren fanden außer einer um 2 Tage längeren Katheterverweilzeit keine signifikanten Differenzen zwischen den beiden Operationstechniken.

Die Beobachtungen dieser Arbeitsgruppe sind aufgrund des besonderen ethnischen Kollektivs nur mit ZurÃŒckhaltung auf andere Kollektive ÃŒbertragbar.

Bevor die lapRRP jedoch an einem neuen Zentrum etabliert wird, sollte folgende Überlegungen berücksichtigt werden: Die allgemein als Lernkurve“ beschriebene Unerfahrenheit der in die Technik einzuarbeitenden Operateure bedeutet anders als bei retroperitoneoskopischen Nephrektomie einen unmittelbaren Nach- teil für die in dieser Phase operierten Patienten, da

  • die Komplikationsraten höher sind als bei der standardisierten offenen RRP,

  • die Kontinenzraten in der frühen Phase deutlich schlechter sind und

  • die positivien Absetzungskanten signifikant häufiger auftreten als nach offener RRP.

Diesbezüglich ist auf die im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie präsentierten Abstracts zur lapRRP zu verweisen: Positive urethrale Schnittränder wurden bei pT2-Karzinomen in bis zu 32% der Patienten beschrieben, eine komplette Kontinenz wurde ein Jahr postoperativ bei 44% erzielt.

Aus meiner Sicht können die Therapieresultate nach lapRRP einer erfahrenen Arbeitsgruppe nicht ohne weiteres auf andere Zentren übertragen werden. Aus meiner Sicht wäre ein direkter prospektiver Vergleich von offener RRP und lapRRP zwischen 2 in den jeweiligen Operationstechniken ausgewiesenen Zentren notwendig, um mögliche Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren ausarbeiten zu können.

Prof. Axel Heidenreich, Köln

Literatur beim Autor

 
Zoom Image

Radikale Prostatektomie vor (a) und nach (b) der Radikaloperation (Bild: Urologie, Thieme, 2002).

Zoom Image
Zoom Image

Radikale Prostatektomie. Von einer medianen Unterbauchinzision wird nach einer auf die Fossa obturatoria begrenzten Lymphadenektomie aszendierend oder deszendierend die Prostata mit ihren Adnexen entnommen (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2003).