Aktuelle Urol 2004; 35(3): 162-166
DOI: 10.1055/s-2004-829470
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10-Core-Biopsie detektiert mehr Tumoren als zweifache Sextantenbiopsie

Prostatakarzinom
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Publication Date:
03 August 2004 (online)

 
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Eine Ex-vivo-Studie des St. Johannsspitals in Salzburg belegt nach Auffassung der beteiligten Wissenschaftler, dass eine 10-Core-Biopsie der üblichen Sextantenbiopsie in der Detektion des Prostatakarzinoms überlegen ist. Hintergrund: 10-Core-Biopsien entdeckten 16% mehr Tumoren als zwei konsekutive Sextantenbiopsien.

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Prostatakarzinom. Morphologisch markig-gelblicher, meist homogener Tumor (Bild: Taschenatlas der Allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).

Bei der 10-Core-Biopsie werden zusätzlich zur herkömmlichen Sextantenbiopsie 4 Zylinder, je 2 pro Lappen, aus der lateralen Zone der Prostata entnommen. K.G. Fink et al. führten in ihrer experimentellen Arbeit bei 81 radikal entfernten Prostatae eine 10-Core-Biopsie und zwei konsekutive Sextantenbiopsien durch. Zur Simulation eines transrektalen Vorgehens erfolgten alle Biopsien unter Ultraschallkontrolle. Für beide Biopsietechniken wurden die Tumordetektionsraten ermittelt und verglichen (BJU 2003; 92: 385-388).

Anhand der ersten Sextantenbiopsien wurden 44 Prostatakarzinome (54%) detektiert, 51 (63%) anhand der zweiten. Im Vergleich zur ersten Serie entdeckte die zweite 13 zusätzliche Tumoren (29%). Beide Serien zusammen erfassten insgesamt 57 Karinome (70%). Die 10-Core-Biopsie entdeckte 66 Prostatakarzinome, also 9 mehr als beide Sextantenbiopsien, und erreichte damit eine Gesamtdetektionsrate von 82%. Wollte man mittels Sextantenbiopsie ein vergleichbares Ergebnis erzielen, müssten sich 13 Patienten (14%) einer zweiten und 9 (11%) sogar einer dritten Sextantenbiopsie unterziehen.

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Fazit

Die 10-Core-Biopsie ist der Sextantenbiopsie eindeutig überlegen: Sie detektiert mehr Karzinome, erspart dem Patienten unnötige Zweitbiopsien und ist damit kosteneffektiver. Nach Ansicht der Autoren sollte daher die Sextantenbiopsie nicht länger empfohlen werden.

Renate Ronge, Münster

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Erster Kommentar

”Viel hilft viel“ - unter dieser Prämisse wurden viele Prostatabiopsiestrategien in letzter Zeit propagiert. Die vorliegende Studie zeigt aber - in Einklang mit aktuellen Publikationen, dass nicht die Steigerung der Anzahl der Stanzzylinder, sondern die gezielte Lokalisation der Stanzzylinder entscheidend ist, um mit wenig Aufwand, geringer Morbidität und kosteneffektiv die Detektionsrate des Prostatakarzinoms zu steigern.

Prof. Rudolf Hartung, PD Roger Hartung, München

Prof. Rudolf Hartung, PD Roger Hartung, München

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Zweiter Kommentar

Auch wenn es sich bei dieser Studie von Fink et al. um einen In-vitro-Versuchsaufbau handelt, zeigen die Ergebnisse, dass sich die Sextantenbiopsie als Standardmethode zur Diagnose des Prostatakarzinoms nicht mehr halten lässt. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Zum einen wird bei immer mehr Patienten der Verdacht auf ein Prostatakarzinom durch die Bestimmung des Prostata Spezifischen Antigens (PSA) im Serum begründet und nicht mehr durch einen suspekten Tastbefund oder andere klinische Befunde eines dann meist fortgeschrittenen Prostatakarzinoms. Zurzeit der Einführung der Sextantenbiopsie waren die gefunden Tumoren zu einem großen Anteil in einem fortgeschrittenen Stadium (klinisch T2-T3) und somit reichte diese Methode zum Nachweis der meist großen Tumoren. Heute geht aber die Tendenz zum Nachweis von Tumoren im Frühstadium (klinisch T1c), welche kleiner sind und sich somit auch schwieriger nachweisen lassen. Zum anderen fehlt in diesem frühen Stadium eine sichere Methode zur Lokalisation und Identifizierung eines Karzinoms in der Prostata. Aus den oben genannten Gründen lässt sich der Tumor somit nicht gezielt biopsieren, sondern vielmehr beruht die histologische Sicherung des Prostatakarzinoms auf der Zufallsmethode. Man sticht ”blind“ für das zu suchende Karzinom in die Prostata und hofft einen Treffer zu erzielen. Allein durch die Erhöhung der Stanzenanzahl wächst somit die Wahrscheinlichkeit, ein Prostatakarzinom in einer Biopsieserie nachzuweisen. Dies allein rechtfertigt bereits die Erhöhung der Stanzenanzahl pro Serie von 6 auf 10.

Ein weiterer Punkt, der für eine Abkehr von der Sextantenbiopsie spricht ist, dass das Prostatakarzinom zum größten Anteil in der peripheren Zone der Prostata entsteht. Wenn man diese am häufigsten befallende Zone intensiver biopsiert, kann man ebenfalls eine Zunahme der Trefferwahrscheinlichkeit erwarten. Die klassische Sextantenbiopsie wird in der Mitte zwischen Harnröhre und lateralen Rand der Prostata entnommen. Sie trifft so meist einen Teil der peripheren Zone und einen Teil der Transitionalzone und lässt einen großen Bereich der peripheren Zone lateral ohne Beurteilung. Die Transitionalzone ist jedoch nur für einen sehr geringen Anteil der Karzinome verantwortlich. Ist sie befallen, so ist meist auch die periphere Zone involviert. Es ist somit sinnvoll, diese Zone auszusparen und mit einer einzelnen Stanze soviel Gewebe aus der peripheren Zone zu entnehmen wie möglich. Eine Konsequenz daraus ist, nicht eine Sextantenbiopsie mit zwei zusätzlichen lateral-äußeren Biopsien pro Seite zu kombinieren, sondern pro Seite drei lateral-äußere Biopsien mit zwei zusätzlichen medio-lateralen Biopsien zu kombinieren. Die drei lateral-äußeren Stanzen entnehmen Proben, welche nur aus der peripheren Zone stammen, und somit ein Maximum von dem Gewebe, welches am häufigsten befallen ist. Somit ist der von Fink et al. gemachte Ansatz, zusätzliche Biopsien aus der lateral-äußern Zone zu entnehmen, richtig und sinnvoll, stellt aber unserer Meinung nach nicht die optimale Biopsietechnik dar.

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Prostatakarzinom, histologische Aufnahme 100x (Bild: Taschenatlas der Allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).

Weiterhin zeigt der Artikel, dass bei einer Wiederholungsbiopsie versucht werden sollte, die Stanzen etwas anders zu positionieren, als man es routinemäßig in der Erstbiopsie macht. Dies erlaubt den Teil zu untersuchen, der noch nicht mithilfe der ersten Biopsieserie untersucht worden ist und erhöht somit die Wahrscheinlichkeit, ein Karzinom zu finden. Dies gilt sowohl für die Sextantenbiopsie als auch für die 10-Core-Biopsie.

Aus unserer Erfahrung lässt sich sagen, dass sich die 10-Core-Biopsie mit der gleichen, niedrigen Komplikationsrate und dem gleichen Grad an Verträglichkeit für den Patienten durchführen lässt wie die Sextantenbiopsie. Sie senkt dabei durch die höhere Detektionsrate die Anzahl der Patienten, bei denen ein Karzinom nicht mit der ersten Biopsie gesichert werden kann und bei denen dann eine zweite Biopsieserie entnommen werden muss.

Die gezeigten Ergebnisse von Fink et al. werden auch von anderen Studien mit direktem Patientenbezug bestätigt. Somit lässt sich abschließend zusammenfassen, dass die Sextantenbiopsie zur Diagnostik des Prostatakarzinoms nicht mehr als Standardmethode angesehen werden kann. Unserer Meinung nach sollte pro Biopsieserie als Standard eine 10-Core-Biopsie mit drei Stanzen pro Seite aus der lateral-äußeren Zone und 2 Stanzen aus der medio-lateralen Zone entnommen werden.

Jochen Walz, Markus Graefen, Hamburg

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Dritter Kommentar

Die von Hodge 1994 vorgestellte Sextantenbiopsie hat sich in den vergangenen 10 Jahren als Standardtechnik zur Karzinomdiagnostik etabliert. Trotzdem mehren sich Publikationen, die die zusätzliche Entnahme von lateralen Biopsien als vorteilhaft erachten. Bei diesen Arbeiten wurden zur Sextantenbiopsie zusätzliche Stanzen entnommen und die entsprechende Detektion von Karzinomen ausgewertet. Naturgemäß können die jeweiligen Autoren nach dieser Art der Untersuchung feststellen, dass die Detektion verbessert ist, eine Aussage über die tatsächliche Sensitivität der verwendeten Biopsietechnik ist jedoch nicht möglich, da die vorhandene Zahl an Karzinomen im untersuchten Patientengut nicht bekannt ist.

Dies ist bei der zitierten Arbeit anders. Unsere Arbeitsgruppe etablierte erfolgreich eine sonographisch gezielte Prostatabiopsie ex vivo an Präparaten, welche im Zuge einer radikalen Prostatektomie gewonnen wurden. Hierbei ist die Prostata am Monitor des Ultraschallgerätes genau so zu sehen, wie dies bei einer Untersuchung am Patienten der Fall ist. Daher kann die Biopsienadel präzise in die angedachte Stelle der Prostata geführt werden, wie dies auch am letzten Kongress der DGU 2003 in Hamburg als Videoclip gezeigt wurde. Mit diesem Vorgehen ist es möglich, die Sensitivität - das ist die Karzinomentdeckung in Prozent der vorhandenen Karzinome - für jede untersuchte Biopsietechnik exakt zu bestimmen.

Nachdem üblicherweise beim Patienten mit einer negativen Biopsie eine weitere Biopsie mit derselben Technik durchgeführt wird, untersuchten die Autoren nicht nur die Karzinomentdeckung bei einer Sextantenbiopsie sowie bei der Entnahme zusätzlicher Stanzen aus den lateralen Arealen, sondern auch bei der Wiederholung einer Sextantenbiopsie.

Hierbei zeigten sich die beschriebenen verblüffenden Resultate. Man bedenke: Eine Sextantenbiopsie detektiert nur knapp mehr als die Hälfte der vorhandenen Karzinome. Mit einer weiteren Sextantenbiospie lässt sich weniger als ein Drittel der ausständigen Tumoren finden. Eine Biopsie mit neuerer Technik ist 2 Biopsien mit Standardtechnik überlegen.

Man kann das Ergebnis auch anders beschreiben. Eine Biopsie mit 10 Stanzen ist besser als die Entnahme von 12 Stanzen, sofern alle 10 Stanzen gezielt aus verschiedenen Bezirken der Prostata entnommen werden. Es ist nicht sinnvoll, 6 Stanzen aus Gebieten zu entnehmen, in denen schon einmal 6 Stanzen entnommen wurden.

Die Autoren beschreiben nicht nur die bessere Detektionsrate der 10-Stanzen-Biopsie. Sie weisen auch auf die Tragweite für den Patienten durch eine verzögerte Diagnostik und für das Gesundheitssystem durch den höheren Kostenaufwand bei Anwendung einer Sextantenbiopsie hin.

Durch den vermehrten Einsatz von PSA hat die damit verbundene Früherkennung des Prostatakarzinoms einen Wandel im Erscheinungsbild mit sich gebracht. Vor diesem Hintergrund ist die Sextantenbiopsie ein unbestrittener historischer Markstein. Diese Technik ist nun um die Entnahme von 2 Biopsien je Seite aus den lateralen Anteilen der Prostata zu erweitern.

Auch mit der als vorteilhafter beschriebenen 10-Stanzen-Biopsie lassen sich nicht alle Karzinome finden. 18% der Karzinome bleiben nach der ersten Biopsie unentdeckt. Hier ist weitere Forschung angezeigt, um die verbliebenen Karzinome gezielt der Diagnostik und adäquaten Therapie zuführen zu können.

Klaus G. Fink, Salzburg/Österreich

Literatur beim Autor

 
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Prostatakarzinom. Morphologisch markig-gelblicher, meist homogener Tumor (Bild: Taschenatlas der Allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).

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Prostatakarzinom, histologische Aufnahme 100x (Bild: Taschenatlas der Allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).