Aktuelle Urol 2004; 35(3): 171-172
DOI: 10.1055/s-2004-829472
Referiert und kommentiert

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Seltener durch routinemäßige PSA-Bestimmung

Inzidentelles Prostatakarzinom
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Publication Date:
03 August 2004 (online)

 
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Heutzutage sollte die Diagnose inzidentelles Prostatakarzinom nicht nur auf einer negativen digitalen rektalen Untersuchung (DRU), sondern auch auf einem normalen PSA-Wert beruhen. Lieferte früher die transurethrale Resektion das Material für die histologische Untersuchung, entfällt dies bei manchen modernen Therapieverfahren.

Ob daher die routinemäßige Bestimmung des PSA-Wertes Einfluss hat auf die Rate der diagnostizierten inzidentellen Karzinome bei Männern, die sich wegen obstruktiver Beschwerden einen chirurgischen Eingriff an der Vorsteherdrüse unterziehen, und ob bei alternativen Therapien eine obligatorische Prostatabiopsie indiziert ist, untersuchten jetzt R.E. Zigeuner u. Mitarb. (Urology 2003; 62: 451-455).

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Prostatakarzinom, Grad II (Bild: Taschenatlas der Allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).

Seit 1993 hatten die Autoren in ihrer Klinik 2422 Eingriffe bei benigner Prostatahyperplasie (BPH) durchgeführt (2283 transurethrale und 139 offene). Retrospektiv sichteten sie die präoperativen Ergebnisse der DRU sowie die PSA-Werte und schlossen alle Patienten mit dem geringsten Malignitätsverdacht von der weiteren Auswertung aus. Für die Diagnose inzidentelles Karzinom forderten sie einen histologischen Nachweis des Tumors bei negativer DRU und altersentsprechendem PSA-Wert.

Von 2422 Patienten erfüllten 1127 (46,5%) diese Kriterien und bildeten die Studiengruppe. Insgesamt erbrachte die histologische Aufarbeitung aller 2422 Operationspräparate bei 314 Männern (13%) ein Prostatakarzinom, in der Studiengruppe litten 72 Patienten an dem malignen Tumor. Die Rate an inzidentellen Karzinomen betrug somit 6,4%.

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Fazit

Die Autoren errechneten eine Wahrscheinlichkeit von 6, 4%, durch eine Operation ein inzidentelles Prostatakarzinom zu diagnostizieren. Dessen Häufigkeit habe sich somit im Zeitalter der PSA-Bestimmung um mehr als die Hälfte reduziert. Eine routinemäßige Prostatabiopsie bei Therapien, die kein histologisches Material liefern, sei daher nicht gerechtfertigt.

Dr. Johannes Weiß, Bad Kissingen

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Erster Kommentar

Die von Zigeuner u. Mitarb. aus Graz vorgestellte Arbeit beantwortet eine klinisch relevante Frage, nämlich wie intensiv eine prätherapeutische Diagnostik zum Ausschluss eines Prostatakarzinoms vor der operativen Therapie einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) durchgeführt werden muss.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bei einem unauffälligen digitalen rektalen Tastbefund sowie altersentsprechend unauffälligen PSA-Wert in nur 6,4% der Patienten in TUR-Material bzw. Enukleat nach offener Operation dann ein Prostatakarzinom diagnostiziert wird. Die Autoren konnten zeigen, dass sich das Auftreten inzidenteller Karzinome im Zeitalter der PSA Bestimmung in ihrem Patientengut halbiert hat. Da das Vorgehen bei inzidentell gefundenen Karzinomen häufig schwierig ist, bedeutet dies einen wichtigen Fortschritt in dem Management der BPH und des Prostatakarzinoms.

Einen wichtigen Aspekt für die Intensität prätherapeutischen Ausschlussdiagnostik eines Prostatakarzinoms vor einer BPH-Therapie ist die sich potenziell hieraus ergebende Konsequenz für den Patienten: wäre ein Patient bei Nachweis eines Prostatakarzinoms ein Kandidat für eine radikale Prostatektomie, sollte die Diagnostik intensiver erfolgen, da die radikale Prostatektomie nach TUR-Prostata oder offener Enukleation - insbesondere wenn eine nerverhaltende Operation indiziert ist - deutlich erschwert ist.

Kommt hingegen ein Patient bei Nachweis eines Karzinoms primär für eine perkutane Radiato infrage, kann hier die Diagnostik weniger intensiv erfolgen. Sollte im TUR-Material ein Tumornachweis erfolgen, könnte bei diesen Patienten eine Radiatio nach TUR eingeleitet werden. Das Management der Patienten wäre durch die präoperative Diagnostik in diesem Falle nicht beeinflusst, da sich bei bioptischem Karzinomnachweis bei den offensichtlich unter obstruktiven Miktionsproblemen leidenden Patienten vor Einleitung einer Bestrahlung grundsätzlich eine operative Beseitigung der Obstruktion empfiehlt. Diese sollte zur Vermeidung von Komplikationen vor und nicht nach einer Bestrahlung erfolgen. Keine Änderung des Managements durch einen präoperativen Karzinomnachweis ergibt sich auch für die Patienten, die Kandidaten für eine Hormontherapie oder ”Wait-and-see“-Strategie wären.

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Prostatakarzinom mit ”Drüsen-in-Drüsen“-Formationen. Die Tumordrüsen sind zytologisch an garbenartigen Zellformationen zu erkennen (Bild: Taschenatlas der Allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).

Unserer Ansicht nach sollte neben dem PSA-Wert und der rektalen Untersuchung auch beispielsweise das Patientenalter und die Komorbidität einbezogen werden, um zu entscheiden, wie intensiv die Ausschlussdiagnostik eines Prostatakarzinoms vor einer TUR-Prostata oder Adenomenukleation tatsächlich erfolgen muss: Eben nur dann, wenn aus der präoperativen Diagnose eines Prostatakarzinoms auch eine Änderung der therapiestrategie resultiert. Für diese Patienten sollte dann die Diagnostik sehr konsequent erfolgen, d.h. eine qualitativ hochwertige Prostatabiopsie wäre bei suspektem Tastbefund und/oder suspekten PSA-Wert zu empfehlen. Bei diesen Patienten sollte sicherlich auch ein suspekter freier PSA-Anteil bei PSA-Werten im diagnostischen Granbereich Grund genug sein, die Indikation zu einer Biopsie vor TUR-Prostata zu stellen.

Die vorgelegte Arbeit konnte zeigen, dass unter Berücksichtigung von Tastbefund und PSA-Wert inzidentelle Tumoren mit 6,4% relativ selten geworden sind. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass sicherlich ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Prostatakarzinome im TUR- Material nicht erfasst werden, da die am häufigsten durch Tumoren betroffene periphere Zone nicht reseziert wird.

Grundsätzlich hat uns die Arbeit aber einen Schritt weiter gebracht: Das Risiko ein Prostatakarzinom zu übersehen, wenn alternative interventionelle Verfahren ohne Histologiegewinnung zur Therapie der BPH zur Anwendung kommen, lässt sich beziffern - eine wichtige Information für das prätherapeutische Beratungsgespräch.

PD Markus Graefen, Dr. Jochen Walz, Hamburg

 
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Prostatakarzinom, Grad II (Bild: Taschenatlas der Allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).

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Prostatakarzinom mit ”Drüsen-in-Drüsen“-Formationen. Die Tumordrüsen sind zytologisch an garbenartigen Zellformationen zu erkennen (Bild: Taschenatlas der Allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).