Aktuelle Urol 2004; 35(3): 183-184
DOI: 10.1055/s-2004-829478
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zum Referat ”Zolderonsäure erhöht Knochendichte“

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Publication Date:
03 August 2004 (online)

 
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Aus Aktuelle Urologie 2003; 7: 424, erreichte die Redaktion noch folgender Kommentar:

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Kommentar

Der therapeutische Androgenentzug bei der Behandlung des Prostatakarzinoms bringt ein erhebliches Osteoporose- und Frakturrisiko für die betroffenen Patienten mit sich. Der Sexualhormonentzug führt zu einem durchschnittlichen Verlust von 7% der Knochenmasse pro Jahr und zu einem Anstieg der Frakturrate auf 28 % gegenüber 1 % in der Kontrollgruppe nach 7 Jahren. Das Auftreten von Knochenbrüchen beim Prostatakarzinom ist unabhängig vom Tumorsatdium mit einer verkürzten Überlebenszeit assoziiert. Auch bei Männern sind die Östrogene die wichtigsten anabolen Faktoren für den Knochenstoffwechsel. Testosteron fungiert in dieser Hinsicht als Prohormon, welches lokal durch die Aromatase der Osteoblasten in Östrogen umgewandelt wird. Vor diesem Hintergrund wäre der Einsatz von Östrogenen im Rahmen einer antiandrogenen Therapie bei Patienten mit Prostatakarzinom grundsätzlich vorteilhaft. Durch eine Hemmung der Gonadotropinsekretion kommt es unter der Östrogentherapie zu einem mit der Orchidektomie vergleichbaren antiandrogenen Effekt, während der Verlust an Knochenmasse unter dieser Therapie verhindert werden kann. Allerdings ist die Östrogentherapie aufgrund des damit verbundenen deutlich erhöhten Risikos für kardiovaskuläre und thrombembolische Erkrankungen zugunsten anderer antiandrogener Therapieoptionen (GnRH-Analoga, Androgen-Rezeptorantagonisten, Orchiektomie) in den Hintergrund getreten. Ob in diesem Zusammenhang der Einsatz von Selektiven Östrogen Rezeptor Antagonisten (SERMs), eine osteoprotektive Therapiealternative darstellt, muss sich in zukünftigen Studien herausstellen.

Bisphophosphonate spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung der Osteoporose und der Tumor-Hyperkalzämie. Weiterhin kann eine Bisphosphonatbehandlung das Auftreten von Skelettkomplikationen und möglicherweise das Überleben von Patienten mit Multiplem Myelom, metastasiertem Brust- und Prostatakarzinom positiv beeinflussen. Aufgrund der Studienlage erscheint der Einsatz von i. v. Bisphosphonaten (Pamidronat oder Zoledronat) beim Multiplen Myelom auch prophylaktisch gerechtfertig, das heißt auch dann, wenn initial keine Osteoporose und keine osteolytischen Herde nachgewiesen worden sind. Im Gegensatz dazu ist die Indikation für eine Therapie mit i. v. Bisphosphonaten bei soliden Tumoren an das Vorhandensein von Knochenmetastasen gebunden.

Ein Einsatz von Bisphosphonaten beim Prostatakarzinom hat zwei potentielle Vorteile. Zum einen könnte im Zusammenhang mit der in vitro und im Tiermodell nachgewiesenen antiproliferativen Wirkung auf osteoblastische und osteolytische Metastasen der Progress von Skelettkomplikationen beim Prostatakarzinom verzögert werden. Zum anderen könnte das Auftreten eines Knochenmasseverlustes, wie er unter einer Antiandrogen-Therapie regelmäßig beobachtet wird, verhindert werden. So fand sich in einer Studie an 643 Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom unter Zoledronsäure, einem hochpotenten Bisphosphonat der neusten Generation, eine signifikante Reduktion der pathologischen Frakturen gegenüber der Plazebo-Gruppe um 43%. Die wichtigste Nebenwirkung war Nephrotoxizität, wie sie auch in anderen Studien unter dem Einsatz von Pamidronat oder Zoledronat i.v. beobachtet wurde. Während die Wirksamkeit von Zoledronat beim Prostatakarzinom mit Skelettmetastasen unstrittig ist, bleibt der mögliche Nutzen einer oralen Bisphosphonatbehandlung mit Clodronat bei diesen Patienten unklar.

Dass auch der prophylaktische Einsatz von Bisphosphonaten sinnvoll sein kann, belegt die kürzlich erschienene Arbeit von Smith et al. In dieser Studie führt die zusätzliche Gabe von Zolendronat (4 mg i.v. alle 3 Monate für 1 Jahr) bei Patienten, die aufgrund eines nicht metastasierten Prostakarzinoms mit Hormonentzug behandelt wurden, zu einer signifikanten Zunahme der Knochendichte im Vergleich zu der nur mit Kalzium und Vitamin D behandelten Placebogruppe. Bisher werden vor allem Kalzium und Vitamin D zur Prävention eines therapieinduzierten Knochenmasseverlust eingesetzt. In der Studie von Smith et al. war es jedoch in der Plazebogruppe trotz der Gabe von Kalzium und Vitamin D zu einem Knochenmasseverlust gekommen. Auch die Gabe von Pamidronat i. v. beim metastasierten Prostata-Ca hatte eine stabile Knochendichte gezeigt, während in der Kontrollgruppe trotz Kalzium und Vitamin-D-Gabe ein Knochenmasseverlust auftrat. In beiden Studien war es zu keinen schwerwiegenden Nebenwirkungen gekommen. In jedem Fall sollte jedoch bei der intravenösen Gabe von Zoledronat oder Pamidronat auf eine ausreichend lange Infusionsdauer und Flüssigkeitsmenge geachtet und eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion und Albuminauscheidung durchgeführt werden. Über den potenziellen Nutzen einer prophylaktischen Gabe oraler Bisphosphonate zur Prävention der Osteoporose liegen für Patienten mit Prostatakarzinom bisher keine Daten vor.

Für die Behandlung von Patienten mit Prostatakarzinom wirft die Studie von Smith et al. die Frage auf, ab wann der Einsatz von i.v. Bisphosphonaten gerechtfertigt und sinnvoll ist: Soll eine intravenöse Bisphosphonattherapie in Übereinstimmung mit den bestehenden Zulassungen nur für Prostatakarzinom-Patienten vorbehalten bleiben, bei welchen Knochenmetastasen oder eine Tumorhyperkalziämie nachweisbar ist, oder ist angesichts des sehr hohen Osteoporoserisikos unter einer Androgen-Entzugstherapie auch ein prophylaktischer Einsatz von Bisposphonaten sinnvoll? Besondere Bedeutung gewinnt diese Frage im Hinblick auf den zunehmenden Einsatz einer primären oder neoadjuvanten Hormonentzugstherapie beim nichtmetastasierten Prostatakarzinom und damit bei Patienten mit einer relativ langen Lebenserwartung. So wird in Analogie bei Patienten unter einer Glukokortikoidtherapie nach den Richtlinien des Dachverbandes Osteologie der Einsatz von Bisphosphonaten nicht mehr streng an das Vorhandensein von Frakturen oder eine stark erniedrigte Knochendichte von < 2,5 SD des jugendlichen Normalkollektives (T-score) geknüpft, sondern kann bei diesen Hochrisikopatienten bereits prophylaktisch ab einer Knochendichte von - 1,5 im T-score erfolgen. Ob der Einsatz von Bisphosphonaten auch beim nichtmetastasierten Prostatakarzinom zur Prophylaxe der Osteoporose und zur Verhinderung skelettaler Komplikationen sinnvoll ist, müssen zukünftige Studien zeigen.

Timo Minnemann, Gerhard Schulz, Matthias M. Weber, Mainz

Literatur bei den Autoren