Pneumologie 2004; 58(9): 639-640
DOI: 10.1055/s-2004-830058
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der Pneumologe als Detektiv

The Pneumologist as DetectiveC.  Vogelmeier1
  • 1Klinik für Innere Medizin der Universität mit Schwerpunkt Pneumologie, Marburg
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Prof. Dr. med. Claus Vogelmeier

Klinik für Innere Medizin der Universität mit Schwerpunkt Pneumologie

Baldingerstraße

35043 Marburg

Email: Claus.Vogelmeier@med.uni-marburg.de

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Publication Date:
01 September 2004 (online)

Table of Contents

In dieser Ausgabe der Pneumologie wird von Koschel u. Mitarb. erstmals ein Fall einer „Zimmerspringbrunnen-Alveolitis” [1] beschrieben. Dabei handelt es sich um eine Form der exogen-allergischen Alveolitis, die durch häusliche Exposition gegenüber einem von einem Zimmerspringbrunnen erzeugten Aerosol ausgelöst wurde. Die Autoren konnten verschiedene Mikrorganismen in dem Wasser des Brunnens und spezifische Antikörper dagegen im Serum der Patientin nachweisen. Den endgültigen Beweis für die Verdachtsdiagnose erbrachte eine Expositionstestung, die zu einer typischen systemischen und pulmonalen Reaktion führte.

Vielfach wird jetzt der Einwand kommen: Schon wieder eine neue Form der exogen-allergischen Alveolitis. Wer soll denn da noch den Überblick behalten? Der Einwand ist berechtigt. Es sind bislang fast 40 verschiedene Formen von exogen-allergischen Alveolitiden beschrieben worden [2]. Farmer- und Vogelhalterlunge sind vermutlich jedem Pneumologen vertraut, vielleicht auch noch die „klassischen” Formen der Befeuchterlunge, die restlichen haben oft nur lokale Bedeutung oder stellen exotische Raritäten dar.

Aber die Kenntnis jeder einzelnen Form der exogen-allergischen Alveolitis ist für den Alltag in Praxis und Klinik auch nicht gefragt: Viel bedeutender ist, dass der behandelnde Pneumologe daran denkt, dass bei bestimmten Konstellationen einer diffusen parenchymatösen Lungenerkrankung eine exogen-allergische Alveolitis ausgeschlossen werden muss. Dazu zählen insbesondere folgende:

  • Eine klinische Präsentation mit rezidivierenden Schüben im Sinne einer für Stunde bis Tage bestehenden grippeartigen Symptomatik.

  • Im Zusammenhang damit eine zügige Besserung bei Ortswechsel, z. B. Aufnahme in die Klinik ohne spezifische therapeutische Maßnahmen.

  • Der Nachweis von spezifischen Antikörpern gegen „klassische” Antigene der exogen-allergischen Alveolitis im Serum.

  • Ein Zelldifferenzial einer bronchoalveolären Lavage mit einer ausgeprägten Lymphozytose, insbesondere wenn das CD4-CD8-Verhältnis erniedrigt ist.

  • Ein HRCT mit einem Nebeneinander von zentrilobulären Noduli und Milchglastrübungen.

Keiner dieser Punkte ist beweisend bzw. begründet bei Nichtvorhandensein den Ausschluss der Diagnose. So haben viele Patienten mit einer exogen-allergischen Alveolitis keine akuten Schübe, Antikörper findet man vielfach auch bei gesunden Individuen, die gegenüber entsprechenden Antigenen exponiert sind, eine Lymphozytose in der bronchoalveolären Lavage kann auch durch andere granulomatöse Lungenerkrankungen wie die Sarkoidose, durch lungentoxische Medikamente oder ein BOOP-Syndrom [3] bedingt sein. Dennoch können diese Anhaltspunkte als eine Art Wegweiser dienen. Wenn dann noch ein entsprechender „Auslöser” dingfest zu machen ist, ist schon vieles gewonnen. Aber hier wird es oft schwierig. Der Autor dieser Zeilen hat z. B. schon einen Fall einer Vogelhalterlunge ohne aktuellen Vogelkontakt (vorangehender Mieter betrieb Vogelhaltung) und einen Fall einer Befeuchterlunge, wo der krankheitsverursachende Raumluftbefeuchter im Zimmer der Sekretärin stand, gesehen. Solche Fälle und die in dieser Ausgabe vorgestellte Kasuistik bedeuten in der Konsequenz, dass der behandelnde Pneumologe manchmal sehr hartnäckig sein muss, damit er das „Corpus delicti” dingfest machen kann.

Warum soll man sich überhaupt die Mühe machen? Man kann doch einen Patienten mit einer diffusen parenchymatösen Lungenerkrankung, die nicht nach idiopathischer Lungenfibrose aussieht, erst mal mit Steroiden behandeln und dann weitersehen. Dem ist entgegenzuhalten, dass eine exogen-allergische Alveolitis in vielen Fällen durch konsequente Expositionskarenz geheilt werden kann und zwar ohne jeden Medikamenteneinsatz. Darüber hinaus ist die therapeutische Rolle von Steroiden bei der exogen-allergischen Alveolitis längst nicht so klar. So ist gar nicht sicher, dass der Einsatz von Steroiden den Fortgang der Erkrankung bei fortgesetzter Exposition bremsen, geschweige denn aufhalten kann. Schließlich gibt es u. U. berufsrechtliche Aspekte zu bedenken.

Zusammenfassend weisen Fälle wie der von Koschel u. Mitarb. darauf hin, dass ein Pneumologe eine detektivische Spürnase haben sollte - sozusagen Dr. Watson und Sherlock Holmes in einer Person.

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Literatur

  • 1 Koschel D, Sennekamp J, Schurz C, Müller-Wening D. Zimmerspringbrunnen-Alveolitis.  Pneumologie. 2004;  58 666-669
  • 2 Vogelmeier C. Extrinsic allergic alveolitis. In: Respiratory Medicine, 3rd edition, Gibson GJ, Geddes DM, Costabel U, Sterkm PJ, Corrin B (eds). Edinburgh: Elsevier Science Ltd
  • 3 British Thoracic Society, Standards of Care Committee . The diagnosis, assessment and treatment of diffuse parenchymal lung disease in adults.  Thorax. 1999;  54 S1-S30

Prof. Dr. med. Claus Vogelmeier

Klinik für Innere Medizin der Universität mit Schwerpunkt Pneumologie

Baldingerstraße

35043 Marburg

Email: Claus.Vogelmeier@med.uni-marburg.de

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Literatur

  • 1 Koschel D, Sennekamp J, Schurz C, Müller-Wening D. Zimmerspringbrunnen-Alveolitis.  Pneumologie. 2004;  58 666-669
  • 2 Vogelmeier C. Extrinsic allergic alveolitis. In: Respiratory Medicine, 3rd edition, Gibson GJ, Geddes DM, Costabel U, Sterkm PJ, Corrin B (eds). Edinburgh: Elsevier Science Ltd
  • 3 British Thoracic Society, Standards of Care Committee . The diagnosis, assessment and treatment of diffuse parenchymal lung disease in adults.  Thorax. 1999;  54 S1-S30

Prof. Dr. med. Claus Vogelmeier

Klinik für Innere Medizin der Universität mit Schwerpunkt Pneumologie

Baldingerstraße

35043 Marburg

Email: Claus.Vogelmeier@med.uni-marburg.de